Peter Ustinov in
RENDEZVOUS MIT EINER LEICHE / APPOINTMENT WITH DEATH (1988)
mit Lauren Bacall, Carrie Fisher, John Gielgud, Hayley Mills, Jenny Seagrove, David Soul, John Terlesky und Piper Laurie
eine Produktion der Golan-Globus Productions | im Scotia International Filmverleih
nach dem Kriminalroman von Agatha Christie
ein Film von Michael Winner
»Ich vergesse niemals! Keine Handlung, keinen Namen und kein Gesicht!«
Michael Winners Poirot-Adaption gilt nicht als der gelungenste Beitrag der Reihe, da er sich hauptsächlich Vergleichen mit der äußerst starken Konkurrenz wie beispielsweise "Tod auf dem Nil" auseinandersetzen muss. Es empfiehlt sich daher, das Ergebnis als eigenständigen Beitrag mit gleicher Titelfigur, und unabhängiger zu betrachten, denn er wird in vielerlei Hinsicht seine Stärken präsentieren. Wie üblich, bekommt der Zuschauer diese Vorzüge anhand imposanter Schauplätze und Kulissen, beeindruckender Ausstattung, geschliffener Dialoge und einer hervorragenden Besetzung präsentiert, so dass auch diese Produktion ihren sehenswerten Status gerechtfertigterweise erhält. Sicherlich zeigt die ambitionierte Inszenierung einen über weite Strecken zu betulichen Spannungsaufbau, bei dem man lange auf größere Ausrufezeichen warten muss, aber der überaus klare Aufbau, der den Weg für einen gelungenen Verlauf ebnen wird, kann für unerhebliche Durchhänger entschädigen. Der Verlauf nimmt sich dieses Mal sehr viel Zeit für die lückenlose Integration der beteiligten Charaktere und deren Verstrickungen untereinander, so dass die Ermittlungsarbeit von Hercule Poirot dem Empfinden nach sehr knapp erscheint. Wie er schließlich die Zusammenhänge erfasst und diese auswertet, bleibt wieder einmal sein persönliches Geheimnis. Der Kriminalfall wirkt in seiner Mechanik zunächst überaus nachvollziehbar, denn eine tyrannisch veranlagte Person findet nach Ansicht aller Beteiligten ihr verdientes Ende. Allerdings ist das schöne an dieser Geschichte, dass sie natürlich Überraschungen bereit halten wird, eben ganz nach Art des Hauses Poirot. Dies geschieht zugegebenermaßen eher auf recht vorhersehbarer Ebene, wenn man Vergleiche zu den Vorgängern ziehen möchte, aber die Stärken dieses Falles können auf konventionelle Art richtig gut unterhalten.
Peter Ustinov stattet Hercule Poirot erneut mit einer unverkennbaren Note aus, sein Spürsinn lässt alle Verdächtigen erstarren und nervös werden. Immer wieder lockern die Kostproben seines subtilen Humors das Geschehen in angenehmer Art auf, was die Tatsache Mord allerdings zu keinem Zeitpunkt verwässert. Ustinov lässt sein jeweiliges Gegenüber stets genau wissen, woran man gerade ist, allerdings immer mit einer höflichen Nonchalance und spürbaren Distanz. Somit verbittet er es sich quasi selbst, den Fall und dessen Beteiligte öffentlich zu werten, bevor er ihn abgeschlossen hat. Seine sachlichen Ermittlungen wirken abwechslungsreich und tatsächlich unfehlbar, Peter Ustinov ist definitiv der richtige Mann für die Rolle des Hercule Poirot gewesen. Da die Besetzungsliste nicht mehr so überflutet mit großen Stars erscheint, ist die Erscheinung von Lauren Bacall genau so erstaunlich, als auch erfreulich. Lady Westholme erscheint in der Silhouette einer Dame von Welt, allerdings kann sie ihre durch und durch gewöhnliche und sogar aufdringliche Art zu keinem Zeitpunkt verbergen. Stets fordert sie ihre Rechte als Dame der gehobenen Gesellschaft und die damit verbundenen Annehmlichkeiten ein, so dass selbst Poirot seine ungläubiben Blicke manchmal nur schwer verbergen kann. Insbesondere Im Zusammenspiel von Lauren Bacall und Piper Laurie entstehen beeindruckende Momente, wenn sie auch recht kurz ausgefallen sind. Die ehemalige Gefängnis-Aufseherin Emily Boynton wirkt wie eine schwarze Witwe, die jeden in ihrem Umfeld bedroht, auf welche Art und Weise auch immer. Der Mord beweist, dass sie eine große Gefahr dargestellt haben muss und selbst als Zuschauer hat man nur bedingtes Mitleid mit dieser hartherzigen Frau, die ihre eiskalte Berechnung und ihren klaren Verstand als scharfe Waffe einzusetzen pflegte. Dieser Würgegriff machte selbst vor ihren nächsten Angehörigen nicht halt und daher lassen sich auch dort einige Verdächtige herleiten. Nicht nur von den bereits erwähnten Darstellern sieht man großartige Leistungen, sondern auch von dem vergleichsweise zunächst eher unscheinbar wirkenden Rest der Besetzung, so dass man in diesem Zusammenhang von einem absoluten Hit sprechen darf.
Wie erwähnt, hat "Rendezvous mit einer Leiche" stellenweise Probleme, in die Gänge zu kommen und der Verlauf wirkt in vielerlei Hinsicht bemüht, seine Längen mit außergewöhnlich schönen Bildern und Settings zu glätten. Im Vordergrund sollte jedoch der Kriminalfall stehen, der mit seinem guten Aufbau überzeugen kann und auch einige Überraschungen zu bieten hat, wenngleich sich das Gefühl einer diffusen Vorhersehbarkeit einschleicht. Interessant wirken die Charakterzeichnungen, insbesondere die Darstellung der Figur Emily Boynton, die ihren Tod quasi herausfordert, weil sie die Lust, andere zu quälen und zu manipulieren, nicht unterdrücken kann. Vor ihr erstarren sichtbare und unsichtbare Kontrahenten buchstäblich wie das Kaninchen vor der Schlange, was bildsprachlich auch ihre Angriffslust hervorheben soll. Selbst Hercule Poirot straft diese Dame mit stiller Verachtung ab und wundert sich darüber, dass sie ihr Schicksal so offenkundig herausfordert. Die Drehorte in Qumran und die charakteristische Ausstattung sorgen zusätzlich für einen hochwertigen Eindruck, Michael Winner sind zahlreiche hervorragende Einstellungen gelungen, die seinem Film ein ordentliches Profil verleihen. Im Rahmen der Dialoge werden sämtliche Register gezogen, es ist von bitterem Zynismus bis feinem Wortwitz alles vertreten, was das Ohr begehrt, auch musikalisch kann sich die Gesamtkomposition durchaus sehen lassen, wenngleich sie im Bezug auf Stimmungsaufbau häufig konträr wirkt. Alleine die Spannungen und der Hass zwischen den Beteiligten sorgt für eine solide, teilweise nervöse Grundspannung, die im kompletten Verlauf durch turbulente Sequenzen verstärkt wird. Im Endeffekt kann man "Rendezvous mit einer Leiche" keine gravierenden Mängel vorwerfen, denn es handelt sich für den geneigten Zuschauer um ein schönes, konventionelles Kriminalstück, allerdings fällt diese Produktion dem Empfinden nach doch ab, was vermutlich dem Vergleich zu den vorher gegangenen Poirot-Adaptionen geschuldet ist. Alles in allem handelt es sich um eine immer mal wieder gerne gesehene Angelegenheit, die als Bonus ein sehr nachdenkliches Finale bereit hält.