El Topo - Alejandro Jodorowsky (1970)

Moderator: jogiwan

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jogiwan
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El Topo - Alejandro Jodorowsky (1970)

Beitrag von jogiwan »

El Topo

Bild

Originaltitel: El Topo

Herstellungsland: Mexico / 1970

Regie: Alejandro Jodorowsky

Darsteller: Alejandro Jodorowsky, Brontis Jodorowsky, Jose Legarreta, Alfonso Arau, José Luis Fernández

Story:

Um sich mit vier übersinnlichen Mächten zu messen, reitet ein schwarz gewandeter Revolvermann names El Topo durch die Wüste. Zum Beweiß seiner titanischen Stellung muß er eine Reihe Aufgaben lösen, die ihn bis an den Rand des Wahnsinns treiben.
it´s fun to stay at the YMCA!!!



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jogiwan
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Re: El Topo - Alejandro Jodorowsky (1970)

Beitrag von jogiwan »

hier der Trailer:

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Onkel Joe
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Re: El Topo - Alejandro Jodorowsky (1970)

Beitrag von Onkel Joe »

Der Film ist eigentlich ein echter downer aber so Bildgewaltig das man seine Augen kaum von lassen kann.
Der erste Film den man damals als Midnight Movie bezeichnete weil es nicht viele Kinos in den USA gab die Ihn spielten und eines die Kopie nie mehr hergeben wollte weil Ihre Vorstellungen gegen Mitternacht auf Tage ausgebucht waren.Bei Jodorowsky wird viel der geschichte über die Bilder übermittelt da oftmals nicht viel gesprochen wird.Damit muss man erstmal klar kommen aber wenn mal soweit ist kommt der Film wie ein Rausch über einen geflogen.Für mich persönlich der beste Jodorowsky :nick: :prost: .
Wer tanzen will, muss die Musik bezahlen!
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horror1966
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Re: El Topo - Alejandro Jodorowsky (1970)

Beitrag von horror1966 »

El Topo
(El Topo)
mit Alejandro Jodorowsky, Brontis Jodorowsky, José Legarreta, Alfonso Arau, José Luis Fernández, Alf Junco, Gerardo Zepeda, René Barrera, René Alís, Federico Gonzáles, Vicente Lara, Pablo Leder, Giuliano Girini Sasseroli
Regie: Alejandro Jodorowsky
Drehbuch: Alejandro Jodorowsky
Kamera: Rafael Corkidi
Musik: Alejandro Jodorowsky / Nacho Méndez
keine Jugendfreigabe
Mexiko / 1970

Der ganz in Schwarz gekleidete Revolverheld El Topo hält sich für einen Gott und zieht zusammen mit seinem siebenjährigen Sohn Brontis , der ihn nackt begleitet, durch die Gegend. Auf ihrer Reise passieren sie ein Dorf, in dem unfassbar grausame Taten verübt wurden. Die Dorfbevölkerung wurde bis auf einen Überlebenden ausgelöscht. Der Überlebende schickt die beiden zu einem Franziskaner-Kloster, wo sich die Täter verschanzt haben. Dort angekommen erschießen El Topo und sein kleiner Junge die Ganoven. Dann nimmt sich der rächende Revolverheld die Geliebte des Anführers, Mara , gewaltsam zu seiner Frau. Doch diese verdreht El Topo den Kopf und stiftet ihn zu Morden an. Schon bald kann er nicht mehr unterscheiden, aus welchen Motiven er mordet.


War schon Alejandro Jodorowsky's Erstling "Fando & Lis" ein wahrer Genuss, so wird dieser Eindruck im 3 Jahre später erschienenen "El Topo" noch einmal verbessert. Als Midnight Movie längst in einen Kultstatus unter den Freunden des außergewöhnlichen Films erhoben, offenbart sich dem Zuschauer hier ein Film, der an Brillanz nur sehr schwer zu überbieten ist. Dabei sollte man allerdings eine Vorliebe für die Arbeiten des chilenischen Regisseurs sein Eigen nennen, denn dem normalen Mainstream-Publikum wird dieses Werk nicht unbedingt zusagen. Dabei beginnt die Geschichte doch fast wie ein ganz normaler Western, wobei sich jedoch relativ schnell herausstellt, das "El Topo" unmöglich in dieses Genre einzuordnen ist. Zu stark sind die Fantasy-Einflüsse des Geschehens und so eröffnet sich mit der Zeit ein extrem außergewöhnlicher Mix aus Fantasy-und Western, der zudem auch noch mit vielen religiösen Elementen versehen ist. Im Prinzip wird lediglich die Wandlung eines Mannes erzählt der zu Beginn als scheinbar kaltherziger Revolverheld die Gegend unsicher macht und in der zweiten Filmhälfte eine Wiederauferstehung als eine Art Messias feiert. Das hört sich nun nicht gerade sonderlich spektakulär an doch wer Jodorowsky und seine Filme kennt kann sich bestimmt denken, das die Umsetzung des Ganzen äußerst kontrovers ausfällt. Und so spaltet sich die Story dann auch in zwei vollkommen unterschiedliche Hälften, wobei insbesondere der erste Teil der Ereignisse noch die stärksten Western-Anleihen erkennen lässt. Wilde Schießereien und teilweise recht blutige Passagen verleihen dem Szenario dabei den nötigen Anstrich, aber dennoch wird auch schon in der Einführung sorgfältig darauf geachtet, den Abläufen eine surreale Note zu geben.

Selbst blasphemische Momente geben sich zu erkennen, hält sich doch die Hauptfigur selbst für einen Gott so das es einen nicht wirklich verwundert, wenn der gute Mann in vier Duellen gegen übernatürliche Gegner antritt, um diese in einem nicht immer fairen Zweikampf zu besiegen. Angestachelt wird er dazu von der hübschen Mara die ihn zur Tötung der Gegner förmlich nötigt. Dabei wendet sie die Waffen einer Frau an und will sich "El Topo" nur hingeben, wenn er alle vier Männer tötet. An dieser Stelle tritt auch der sexuelle Aspekt der Geschichte in Kraft, der sich in der Folge auch noch in etlichen anderen Passagen zu erkennen geben soll. So werden einem beispielsweise auch zarte Töne der Homosexualität präsentiert, wobei der Regisseur an dieser Stelle beide Geschlechter zum Zuge kommen lässt. Dennoch spielt der sexuelle Aspekt eher eine untergeordnete Rolle, denn immer mehr rückt die religiöse Hintergrund-Thematik in den Fokus des Geschehens und kann sich dabei vor allem in der zweiten Hälfte der Geschichte mit ihrer ganzen Kraft entfalten. Nachdem der Revolverheld nämlich von Mara verraten-und erschossen wurde, wacht er nach etlichen Jahren nicht nur rein optisch vollkommen verändert im inneren eines Berges auf. Aus dem ehemaligen Killer ist mittlerweile eine Art Erlöser geworden, der seine ganze Kraft nun der Aufgabe widmen will, seine Retter aus ihrem steinernen Gefängnis zu befreien. Es handelt sich dabei um körperlich behinderte-und ausgestoßene Menschen, die in "El Topo" ein gottähnliches Wesen sehen, das sie aus der Finsternis im inneren des Berges befreien soll. Ich weiß nicht ob man es nachvollziehen kann, doch an diesem Punkt kamen bei mir persönlich Erinnerungen an das filmische Meisterwerk "Die zehn Gebote" auf, in dem Charlton Heston einst den Moses spielte, der sein Volk aus der Knechtschaft der Ägypter befreit hat.

Ganz abwegig erscheint dieser Vergleich auch nicht wirklich, obwohl sich der Rest der Erzählung sicherlich vollkommen anders gestaltet als man es aus der Geschichte von Cecil B. DeMille aus dem Jahr 1956 her kennt. Dennoch sind gewisse Parallelen unübersehbar und das verleiht dem vorliegendem Werk noch mehr Brillanz, als es von Haus aus schon der Fall ist. Nun verhält es sich aber keinesfalls so, das die zweite Stunde des 120 Minuten Werkes ausschließlich mit einer religiösen Thematik verbringt, denn Jodorowsky hat seiner Erzählung selbstverständlich jede Menge surrealer Momente beigefügt, so das sich letztendlich ein teilweise skurriles Treiben erkennen lässt. Nicht so ausgeprägt wie in "Fando & Lis", aber dennoch absolut außergewöhnlich ergibt sich so eine äußerst faszinierende Kombination, die dieses Werk in den Rang eines manchmal grotesk anmutenden Meisterwerkes erhebt, das man unmöglich einem bestimmten Genre zuordnen kann. Alejandro Jodorowsky zeichnet hier übrigens nicht nur für die Regie verantwortlich, denn gleichzeitig hat er auch noch das Drehbuch geschrieben und tritt ganz nebenbei auch in der Hauptrolle des Revolverhelden auf. Ihm zur Seite steht zumindest zu Beginn auch sein damals siebenjähriger Sohn Brontis, der gleich am Anfang der Geschichte in einer Passage voller Symbolik förmlich die Unschuld eines Kindes verliert und mit dem harten-und rauen Leben eines Erwachsenen konfrontiert wird. Ganz generell sollte man darauf vorbereitet sein, das die Ereignisse durchgehend immer wieder mit einer stark ausgeprägten Symbolhaftigkeit ausgestattet sind, wobei die Deutung jeweils nicht offen auf der Hand liegt, sondern vielmehr der Interpretation des jeweiligen Beobachters überlassen ist. Wie dem aber auch sei und ganz egal wie man manche Dinge deuten mag, "El Topo" ist ein wirklich außergewöhnliches Stück Film, das man unbedingt gesehen haben sollte. Zudem ist der Film auch trotz der surrealen Einlagen weitaus zugängiger für den Zuschauer, als es noch bei "Fando & Lis" der Fall war, der zu viele Dinge der eigenen Interpretation überlassen hat.

Dennoch ist auch diese mit gerade einmal geschätzten 400.000 $ ausgestattete Produktion alles andere als seichte Filmkost und deshalb wohl auch nicht dem normalen Mainstream-Publikum zu empfehlen. Trotzdem sollte im Prinzip einmal ein jeder einen Blick riskieren, denn einigen Leuten wird sich so eventuell ein visueller Hochgenuss offenbaren, den man so nicht erwartet hätte. Auch die 120 Minuten Spielzeit scheinen genau richtig gewählt und jede einzelne-und noch so kleine Einstellung ist ein wichtiger Mosaikstein im großen Ganzen, das am Ende einen rundum gelungenen und extrem stimmigen Eindruck hinterlässt und den Zuschauer mit einem starken Gefühl der Befriedigung aus diesem Werk entlässt. Zu erwähnen sei am Ende auch noch der erstklassige Soundtrack von Alejandro Jodorowsky und Nacho Méndez, die den teilweise skurrilen Eindruck des Geschehens mit ihrer musikalischen Untermalung noch einmal besonders hervorheben. So kann dann letztendlich auch das bittere Finale der Story ein wenig leichter verdaut werden, das der ganzen Chose noch eine extrem tragische Beinote angedeihen lässt. Alles zusammen genommen kann man "El Topo" wohl ohne zu übertreiben als einen absolut herausragenden Film einstufen, der meiner persönlichen Meinung nach sogar das Prädikat Meisterwerk ohne wenn und aber verdient hat.


Fazit:


Nach "Fando & Lis" ist "El Topo" nun der zweite Film aus der kürzlich vom Label Bildstörung veröffentlichten Jodorowsky-Box und stellt für mich definitiv das bisherige Highlight dar. Auch hier präsentiert sich die DVD in einem hübschen Digipack, dem gleichzeitig auch noch eine Soundtrack-DVD beiliegt, so das man von einem echten Schmankerl sprechen kann.


10/10
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Il Grande Silenzio
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Re: El Topo - Alejandro Jodorowsky (1970)

Beitrag von Il Grande Silenzio »

Schönes Review, horrortschi! :thup:

Wem Montana Sacra zu zugänglich war, kann sich bedenkenlos El Topo anschauen. :mrgreen: Etwas Vergleichbares gab es noch nie und wird es wohl auch nie mehr geben.

Es fällt schon schwer, die Handlung verständlich zu beschreiben, was in letzter Konsequenz hinter der surrealen Bilderflut steckt, kann man oft nur erahnen. Kaum ein Werk ist so interpretationsfähig und -würdig wie El Topo.

Einfach selber anschauen und genießen.

10/10
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Adalmar
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Re: El Topo - Alejandro Jodorowsky (1970)

Beitrag von Adalmar »

Bei Erstsichtung hat mich gestört, dass Jodorowsky als sein eigener Hauptdarsteller da so häufig mit waidwundem Blick in die Kamera starrt, das habe ich als etwas narzisstisch empfunden. Auch sonst konnte mich das alles nicht so recht überzeugen; "Santa Sangre" fand ich viel stärker. Aber jetzt, wo es die schöne Bildstörung-VÖ gibt, schätze ich, dass dem Topolino noch mal eine Neusichtung zuteilwird.

"Montana sacra" sowie "Fando y Lis" kenne ich im Übrigen noch gar nicht, auch das spricht natürlich für das Bildstörung-Paket.
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Il Grande Silenzio
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Re: El Topo - Alejandro Jodorowsky (1970)

Beitrag von Il Grande Silenzio »

Santa Sangre ist im Vergleich zu Montana Sacra und vor allem El Topo eigentlich schon Mainstream. :kicher:
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Adalmar
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Re: El Topo - Alejandro Jodorowsky (1970)

Beitrag von Adalmar »

Das kann ja sein, ist aber für mich nicht das wichtigste Bewertungskriterium.
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Arkadin
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Re: El Topo - Alejandro Jodorowsky (1970)

Beitrag von Arkadin »

Mit seinem zweiten Werk „El Topo“ setzte Jordowsky seine Reise in die Spiritualität, die schon das große Thema von „Fando und Lis“ war, fort. Zugleich „erfand“ er mit „El Topo“ auch den sogenannten „Mitternachtsfilm“. Auch wenn dies eher durch Zufall geschah, als John Lennon den Film in seinem Stammkino – in dem er auch seine mit Ehefrau Yoko Ono produzierten Kurzfilme zeigte – zur Vorführung bringen ließ. Um Mitternacht gab es dann „El Topo“, und der für seine Zeit ungewöhnliche und tabubrechende, surreale Film wurde zu einer Sensation. Dabei spielte sicherlich auch eine Rolle, dass das Publikum mit Hilfe bewusstseinserweiternder Substanzen besonders empfänglich für die ungewöhnlichen, mysteriösen Bilder war, die Jodorowsky auf die Leinwand zauberte.

In Deutschland als Italo-Western vermarktet, dürfte der Film so manchem Western-Freund ziemlich gegen das Schienenbein gedrehten haben. Insbesondere die Wahl des Synchronsprechers für „El Topo“ – Clint Eastwoods langjährige Stimme Klaus Kindler – sorgt insbesondere in der zweiten Hälfte des Filmes für starke Irritationen. „El Topo“ spielt zwar mit Stereotypen und Western-Situationen, beschreibt aber eine Suche nach dem spirituellen Sinn des Lebens. Er ist eine Reise zur Erkenntnis, an deren Ende fast zwangsläufig die Auflösung des irdischen Lebens steht. „El Topo“ ist zu Beginn ein herzloser Killer, der sich dann jedoch auf dem Weg zur Erleuchtung sich mit vier Meistern misst, die jeweils unterschiedliche Religionen symbolisieren. Mit ihrem Tod nimmt „El Topo“ ihre Lehren in sich auf und erreicht am Ende einen göttlichen Status. Wie Jesus wird er von seinen Jüngern verraten, er wird förmlich hingerichtet, um dann in einer neuen Form wieder aufzuerstehen. Wenn „El Topo“ in der zweiten Hälfte des Filmes wieder auf die Erde und zu den hoffnungslos verdorbenen Menschen zurückkehrt, tut er dies zunächst als heiliger Narr.

Jodorowskys Film quillt über vor bizarren Bildern, absurden Situationen und geheimnisvollen Symbolen. Er lädt den Zuschauer ein, das Gesehene zu interpretieren, sich neuen Bilderwelten zu nähern und zwischen den überlagernden Bedeutungsebenen zu wechseln, wie es ihm beliebt. Dabei ist „El Topo“ sehr viel gradliniger als „Fando und Lis“ oder Jodorowsky folgendes magnum opus „Der heilige Berg“, denn er folgt tatsächlich einem narrativen Faden, den man aus diversen Westernfilmen – insbesondere denen aus Italien – kennt. Da ist zunächst der Held, der ein Anti-Held ist, rücksichtslos und eiskalt. Dann aber doch menschliche Regungen zeigt und schließlich versucht eine gute Tat zu vollbringen, nur um dabei tragisch scheitert, was zu seiner Rache und letztendlich Auslöschung führt. Doch um diesen Alibi-Faden herum, drapiert Jodorowky religiöse, mythische und spirituelle Anspielungen. Er entfesselt einen Orkan an fremdartigen Bildern, die aus einem fiebrigen Albtraum zu stammen scheinen.

Groteske Opern-Generale; in bunte Frauengewänder gehüllt Banditen; ein Hybridwesen, welches aus einem Armlosen und einem Beinamputierten besteht. Ein Feld mit toten Kaninchen, Seen voller Blut und eine Höhle voller Verkrüppelter, die sehr viel menschlicher erscheinen als die sogenannten Normalen, deren Verkrüppelung seelischer Natur ist. Mittendrin „El Topo“, der von einem coolen, in schwarzes Leder gewandeten Revolverhelden, zu einem androgynen, leuchtenden Zwitterwesen und schließlich zu einem armen Pantomimen in Mönchskutte wird. Kastration, Vergewaltigungen, der gewaltsame Tod von Frauen und Kindern, die korrupte Kirche. Dazwischen die Wüste, der Sand, biblische Anspielungen, Symbolismus aus fernen Religionen. Mord, Totschlag, Auferstehung, Himmelfahrt. „El Topo“ ist so reich an Bildern, dass er einen fasziniert, aber auch erschöpft zurück lässt. Eigentlich kann man dies kaum noch überbieten, aber nur drei Jahre später sollte Jodorowsky mit einem Film zurückkehren, demgegenüber „El Topo“ wie eine geradlinige Vorstudie wirkt.
Früher war mehr Lametta
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jogiwan
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Re: El Topo - Alejandro Jodorowsky (1970)

Beitrag von jogiwan »

Mit einem aufgespannten Regenschirm und ganz in schwarzes Leder gehüllt, reitet „El Topo“ mit seinem nackten, siebenjährigen Sohn durch die Wüste und gelangt eines Tages in ein kleines Dorf, in dem die Bewohner und Tiere grausam niedergemetzelt wurden. Von dem letzten Überlebenden, der um seinen Tod fleht, erfährt „El Topo“, dass sich ein gewisser Colonel für dieses Massaker verantwortlich zeichnet, der mit seinen Banditen mittlerweile in einer nahen Franziskaner-Mission untergekommen. Der mysteriöse Reiter macht sich auf den Weg um das Massaker an der Menschlichkeit zu rächen und „El Topo“ überwältigt auch alle Banditen und fordert den Colonel zum tödlichen Duell, im Zuge dessen der gedemütigte Verbrecher Selbstmord begeht.

„El Topo“ lässt seinen Sohn bei den Mönchen zurück und reitet mit der jungen Mara weiter durch die scheinbar unendliche Wüste, wo er Wunder vollbringt, sein Wissen an Mara weitergibt und sich in die hübsche Frau verliebt. Mara möchte, dass sich „El Topo“ als Beweis seiner Liebe mit den „vier Meistern“ der Wüste duelliert um der Größte zu werden und lässt sich darauf ein. Er findet auch rasch den ersten Meister, der sich als blinder und besonnener Freigeist mit magischen Fähigkeiten entpuppt und auch nur mit einer List ermordet werden kann. Auf der Suche nach dem zweiten Meister schließt sich den Beiden eine weitere Reiterin an und während Mara immer gieriger in ihrem Verlangen nach Macht wird, beginnt „El Topo“ durch die Konfrontationen mit Meistern seine grausamen Taten zunehmend zu überdenken.

Als er seine mörderische Mission beendet hat, zerstört er seine Waffe und hat der Gewalt endgültig abgeschworen. Mara wendet sich jedoch ab und als sich die zweite Reiterin mit „El Topo“ duellieren möchte und dieser verweigert, wird der von Stigmata heimgesuchte Mann von der Frau angeschossen, sterbend zurückgelassen und von einer Gruppe von missgebildeten Menschen gerettet . Jahre vergehen und während der von seinen in einem Berg versteckt lebenden Rettern als Gott angebetete „El Topo“ sich in einer Art Trancezustand befindet, sind seine Haare grau geworden. Durch die reine Liebe einer kleinwüchsigen Frau erwacht er aus seinem meditativen Zustand, ist vom traurigen Schicksal seiner Retter betrübt und beschließt den Ausgestoßenen der Gesellschaft, wieder in deren Mitte zu helfen. Mit dem Geld, das er in einer nahen und moralisch heruntergekommenen Stadt mit kleinen Darbietungen und sonstigen Diensten verdient, will er einen Tunnel graben, trifft dabei auf alte Bekannte und setzt unbewusst auch eine Kette von Ereignissen in Gang, die neuerlich in einem blutigen Massaker enden…

Geht es bei Diskussionen unter Filmfreunden um Kultfilme, kommt die Sprache meist recht schnell auf Alejandro Jodorowskys „El Topo“, der mit Anleihen beim Western, Eastern und Arthouse einen Streifen geschaffen hat, der nicht nur äußerst brutal und durchaus provokant ausgefallen ist, sondern mit seiner Selbstfindungsthematik, brutaler Gewalt und surrealen Momenten auch die Grenzen eines herkömmlichen Unterhaltungsfilmes für ein erwachsenes Publikum sprengt. Herausgekommen ist dann auch ein Werk, dass auch über 40 Jahre nach seiner Entstehung noch immer sehr radikal und erfrischend unkonventionell wie am ersten Tag um die Ecke biegt und sein Publikum noch immer scheinbar mühelos wie am Tag seiner Premiere spaltet. „El Topo“ ist auch ein unbeschreibliches Werk das in allen Belangen so „over the top“ ausgefallen ist, dass er von den Medien seinerzeit sogar als „Zen Buddhist Spaghetti Slapstick Western“ etikettiert wurde und man ihn als aufgeschlossener Filmfreund auch mit eigenen Augen gesehen haben sollte.

Der mexikanische Streifen ist auch etwas ganz Besonderes und selbst wenn ich normalerweise mit Western so meine Probleme habe und mit dem Genre größtenteils nichts anfangen kann, zählt der unkonventionelle „El Topo“ zu meinen persönlichen Lieblingsfilmen. Jodorowsky räumt ja nicht nur mit gängigen und verstaubten Western-Klischees ordentlich auf, sondern verpasst seiner surrealen Desperado-Geschichte in der zweiten Hälfte auch eine absurde Wendung und lässt seinen Helden kurzerhand zur Heiligenfigur mutieren, die in einer moralisch degenerierten Welt voller falscher Ideale auf brachiale Weise aufräumt. Dabei ist der Streifen im Vergleich zu „Fando und Lis“ und „Der heilige Berg“ fast schon geradlinig erzählt und lässt sich im Gegensatz zum Vorgänger auch ohne die zahlreichen Anspielungen halbwegs gut verstehen und konsumieren.

Das liegt vor allem an den wunderbaren, durchkomponierten und deutungsschwangeren Bilderwelten, die Jodorowsky wie in einem verfilmten und Albtraum-haften Drogentrip auf den Zuschauer loslässt und die vor allem in der nun vorliegenden Blu-Ray-Disc auch so richtig zur Geltung kommen. Zwar konterkariert der in Chile geborene Regisseur die Schönheit der Landschaft mit brutalen Bildern und seinem Faible für alles vermeintlich Anormale und auch Tierfreunde werden mit „El Topo“ wohl keine große Freude haben, aber abgesehen davon hat Jodorowsky einen Streifen geschaffen, dessen visueller und erzählerischer Anziehungskraft man sich kaum erwehren mag. Wie in kaum einen seiner restlichen Filme schafft er es den Zuschauer mit einer Mischung aus Neugier, Ekel und Interesse bei Laune zu halten, zu fesseln und gleichzeitig auch noch seine universelle Botschaft zu vermitteln, die im Gegensatz zum Nachfolger „Der heilige Berg“ auch weniger aufdringlich wirkt.

Da der streitbare und durchaus resolute Jodorowsky mit Schauspielern und ihren Allüren generell so seine Probleme hat (man höre dazu den Audiokommentar zu „Fando und Lis“ und seine Anmerkungen zu Peter O‘Toole) hat der zweifelsfrei auch etwas selbstverliebte Regisseur mit dem übergroßen Ego in „El Topo“ auch die Hauptrolle übernommen und das die Figur in zahlreichen Ausnahmesituationen sehr theatralisch angelegt ist, kommt dem Regisseur bzw. Darsteller wohl ebenfalls sehr gelegen. Auch der Rest des Casts ist neben seinem Sohn Brontis mit eher unbekannten Darstellern und Laien sehr passen besetzt, auch wenn die Dreharbeiten wohl nicht allzu angenehm gewesen sind und Jodorowsky die Darsteller teils stundenlang neben Tierkadavern in der brütenden Hitze bis zur Erschöpfung ausharren mussten.

Alejandro Jodorowsky erzählt in der Dokumentation zu „Midnight Movies“ auch, dass er seinerzeit bei den Dreharbeiten für verrückt erklärt wurde, weil er einen mexikanischen Film drehte, der sich ganz offensichtlich an ein ausländisches Publikum - insbesondere den amerikanischen Kinomarkt - richtete und Filmproduktionen aus der Zeit üblicherweise nur innerhalb der Landesgrenzen Verbreitung fanden. Mit dem beliebten Genre des Western wollte Jodorowsky dennoch das Publikum der Welt für sich gewinnen und auch wenn letzten Endes viel mehr daraus geworden ist, machte sich der hoffnungsfrohe Regisseur Anfang der Siebziger mit einer Kinorolle unter dem Arm auf nach New York um dort aus seinen künstlerischen Siegeszug in die Welt zu beginnen und erlebte auch prompt seinen ersten Dämpfer.

Obwohl große Namen wie MGM und Warner auch von dem ungewöhnlichen Werk über einen Banditen, der seiner Gewalttätigkeit abschwört um ein Heiliger zu werden, durchaus begeistert waren und Jodorowsky mit Alan Douglas auch einen bekannten Befürworter für seinen kontroversen Streifen fand, schreckten diese angesichts der brutalen Bilder und provokanter Inhalte von einer Kinoauswertung und dem landesweiten Verleih ab und es schien, als wäre Jodorowskys Reise schon wieder zu Ende, als schließlich Ben Barenholtz, der damalige Besitzer des Elgin-Kinos in New York, die zündende Idee ins Spiel brachte, der dem Streifen schließlich seinem Ruf als Kultfilm einbrachte.

Barenholtz hatte schon länger den Gedanken nach dem regulären Kinospielplan um Mitternacht spezielle Filme zu zeigen, die sich an ein unvoreingenommenes, intellektuelles und auch bewusstseinserweiternden Drogen aufgeschlossenes Publikum zu zeigen und fand mit dem zuvor im „Museum of Modern Art“ privat aufgeführten „El Topo“ des damals noch nahezu unbekannten Regisseurs Alejandro Jodorowsky auch den idealen Film, der mit seiner surrealistischen Bildergewalt und Anspielungen auf gesellschaftliche Ereignisse auch den Nerv einer zunehmend rebellierenden Generation traf. Obwohl der Streifen nur minimal beworben wurde, entwickelte sich die mitternächtliche Vorstellung im Elgin-Kino zu einer Art nächtlichem Ereignis, bei dem sich schon bald die künstlerische Elite und sonstige Freigeister die Klinke in die Hand gab und über Monate ausverkauft war.

John Lennon liebte den Film und dieser stellte auch den Kontakt zu Allen Klein her, der nicht nur Jodorowskys nächstes Werk „The Holy Mountain“ produzieren würde, sondern auch versuchte, den Film einer breiten Masse an Zuschauern im regulären Kinobetrieb vorzustellen. Obwohl das Unterfangen verständlicherweise nicht so wirklich gelang, erkannten Kinobetreiber jedoch, dass es für sogenannte Mitternachtsvorstellungen ein entsprechendes Publikum gab und mit „El Topo“ als Vorbild wurden über die weiteren Jahre ungewöhnliche, radikale, exotische und experimentelle Werke um diese Zeit dem staunenden Publikum vorgeführt und alles was heutzutage unter dem Label und dem Ettiket „Midnight Movie“ geführt wird, fand Anfang der Siebziger mit Jodorowskys Werk seinen Ursprung.

Das dieser wunderbare Streifen nach 25 Jahren auf dem Index nun in seiner ganzen Pracht veröffentlicht wird, liegt an den Bestrebungen des Labels „Bildstörung“, die mir ihrer Alejandro-Jodorowsky-Box dafür sorgen, dass die ungewöhnlichen Filme des Regisseurs nun auch hierzulande legal und in würdiger Qualität veröffentlicht werden. Dabei wurde der Ton von einer Filmrolle gezogen und in wenigen Stellen der deutschen Fassung, die nicht mehr zu retten waren mit dem Originalton samt Untertitel versehen. Die Bildqualität der Blu-Ray-Disc ist aber sensationell gut, bietet einen Audiokommentar des Regisseurs und auch der Soundtrack, der im Jahr 1971 auch auf dem Beatles-Label „Apple“ erschien, ist in der umfangreichen Veröffentlichung vertreten. Abgerundet wird die Box dann neben weiteren Bonus-Features mit seinen beiden weiteren Werken „Fando und Lis“ und „Der heilige Berg“, dem Frühwerk „Die Krawatte“ und einem lesenswerten Booklet mit dem gedruckten Text eines 1970 geführten Interviews.

„El Topo“ ist sicherlich das bekannteste Werk des chilenischen Regisseurs Alejandro Jodorowsky, der hier einem zur Entstehungszeit sehr beliebten Genre des Western kurzerhand neue Facetten und auch höhere Weihen verleiht. Was als herkömmlicher Genre-Streifen mit eher simpler Rachestory beginnt, mutiert im weiteren Verlauf zu einer surrealen Reise eines geläuterten Gewalttäters zu seinem inneren Frieden, an dessen Ende eine transzendentale Wandlung zur ambivalenten Heiligenfigur steht. Verpackt ist dieser von Fans heiß geliebte und vielschichtige Trip von einem Film in durchkomponierte Bilder von zart bis hart, die „El Topo“ auch zu einer Art unbeschreiblichen, einzigartigen und cineastischen Gesamtereignis machen, das man zumindest einmal im Leben schon erlebt, gefühlt und durchgestanden haben sollte.
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