Der Fan - Eckhart Schmidt (1982)

Moderator: jogiwan

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buxtebrawler
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Der Fan - Eckhart Schmidt (1982)

Beitrag von buxtebrawler »

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Originaltitel: Der Fan

Herstellungsland: Deutschland / 1982

Regie: Eckhart Schmidt

Darsteller: Désirée Nosbusch, Bodo Steiger, Simone Brahmann, Jonas Vischer, Helga Tölle, Klaus Münster, Ian Moorse, Wilfried Blasberg, Sabine Kueckelmann, Claudia Schumann, Nikolai Hoffmann, Michael Fluehme u. A.
Simone ist 17 und verliebt in den Popstar R. Diese Liebe zerfrisst sie und macht sie blind für die Realität. Nachdem sich R. auf ihre Briefe nicht meldet, reißt sie von Zuhause aus, fährt nach München und wartet vor einem Fernsehstudio auf ihren Star. Nach tagelangem Warten trifft sie ihn tatsächlich, sie lernen sich kennen und haben eine heiße Nacht in einer leerstehenden Wohnung. Doch noch am selben Abend stellt sich heraus, dass sie nur ein Abenteuer für ihn war. Simone erschlägt R. daraufhin mit einer kleinen Skulptur, zerschneidet ihn mit einem Elektromesser in seine Einzelteile, bewahrt diese in einer Kühltruhe auf und isst sie im Laufe der Tage auf. Die Knochen und die anderen harten Teile verarbeitet sie zu Mehl. Schließlich kehrt sie kahlgeschoren nach Hause zurück und wir erfahren, dass Simone schwanger ist... (Inhaltsangabe stammt aus Haiko's Filmlexikon)
Quelle: www.ofdb.de
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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buxtebrawler
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Re: Der Fan - Eckhart Schmidt

Beitrag von buxtebrawler »

Mit „Der Fan“ sorgte der deutsche Schmuddelfilmer Eckhart Schmidt 1982 – darf man den Überlieferungen Glauben schenken – für einen zünftigen Skandal. Die noch minderjährige Simone, gespielt von der ebenfalls noch minderjährigen Désirée Nosbusch (bekannt als TV-Moderatorin) hat sich unsterblich in den Synthie-/Elektro-Pop-Künstler „R“ (Bodo Steiger, Sänger der Gruppe „Rheingold“) verliebt, den sie aber lediglich aus der Bravo und dem Fernsehen kennt. Unnachlässig schreibt sie ihm Liebesbriefe, die allesamt unbeantwortet bleiben. Eines Tages reißt sie von zu Hause aus und schafft es tatsächlich, ihn persönlich zu treffen – eine folgenschwere Begegnung für beide...

In „Der Fan“ thematisiert Schmidt das Starkult- und Groupiephänomen und liefert Einblicke in eine verwirrte Teenager-Seele. Simone fühlt sich „R“ nah, lebt komplett zurückgezogen in ihrer eigenen Welt und lässt niemanden mehr an sich heran – weder Freunde, noch Eltern oder Lehrer. Nach außen hin wirkt sie völlig verschlossen, aus dem Off hört man sie Monologe voller Sehnsucht und Hoffnung halten und aus ihren aus einer völligen Realitätsentrückung resultierenden Briefen an „R“ zitieren, durchzogen von einer bitteren Melancholie. Als sie erkennen muss, dass „R“ nach einem Schäferstündchen offensichtlich kein weitergehendes Interesse an ihr hegt, nimmt das Unheil seinen Lauf und sie erschlägt ihn, zersägt ihn mit klinischer Präzision mit einer Elektrosäge und verspeist seine Einzelteile. Interessanterweise ändert auch sie wie so viele Frauen nach der, ähem, Trennung von einem, ähem, Lebensgefährten radikal ihre Frisur.

Noch lange vorm Kannibalen von Ro(h)tenburg zeigt Schmidt, wie Liebe durch den Magen geht, lässt Nosbusch lange Zeit splitterfasernackt und in aller Seelenruhe ihre Tat begehen, setzt sie dabei hocherotisch in Szene und kostet Einzelheiten in langen Kameraeinstellungen aus – ohne allerdings dabei sonderlich in Blut zu baden und mit Gedärmen zu werfen. Den gesamten Film durchzieht die Kälte einer künstlich wirkenden Welt, ebenso unwirklich wie die Traumwelt, in der Simone gefangen ist und zu der die von der Gruppe „Rheingold“ beigesteuerten Elektrostücke perfekt passen. Anfänglich noch eher flotterer Natur, weicht die musikalische Untermalung bald einer schweren, getragenen Klangkulisse. Simone indes lässt man kaum außerhalb des Offs sprechen, was die Verschlossenheit ihres Charakters unterstreicht, andererseits aber auch Nosbuschs eingeschränkte schauspielerische Fähigkeiten kaschiert, die bei zahlreichen Nebenrollen deutlich hervorstechen. Idealerweise erweist sich aber auch dieser Umstand als der alptraumhaften Unwirklichkeit des Films zuträglich, wobei ich mir nicht sicher bin, inwieweit das bewusst eingesetztes Stilmittel oder Zufallsprodukt ist. Generell handelt es sich bei „Der Fan“ aber um einen dialogarmen Film, der seine Protagonisten passend zu ihren oberflächlichen Beziehungen zueinander in erster Linie Belanglosigkeiten austauschen lässt.

Das Tempo des Films ist vergleichbar mit den schweren Füßen eines unglücklich Verliebten und macht „Der Fan“ mindestens im Nachhinein zu einem Hochgenuss für Freunde der 1980er und deren Populärkultur. Frei von jeder Hektik begibt man sich auf eine wohlige Zeitreise, die exploitativ-krude endet. Dass sogar ein Joachim Fuchsberger sich zu einer Nebenrolle in diesem Film überreden ließ, dürfte man einen sich ungläubig die Äuglein reiben lassen. Doch auch abseits seines exploitativen Charakters und seines Zeitkolorits weiß „Der Fan“ zu gefallen, denn was vermutlich gern übersehen wird, ist der zwar heutzutage evtl. schablonenhaft und eindimensional erscheinende, meines Erachtens aber alles andere als weit hergeholte Einblick ins Simones Psyche, während Simone selbst weitestgehend uncharakterisiert, beabsichtigt austauschbar bleibt und ausnahmsweise keine Pädagogenkeule geschwungen wird, die versucht, ihre Entrücktheit zu erklären. Man begleitet Simone im Prinzip lediglich während dieses einen Abschnitts ihres Lebens – weniger ist eben manchmal mehr. Interessieren würde mich durchaus, ob es „Der Fan“ seinerzeit geschafft hat, besorgte Eltern zu erschrecken, deren Kinder „Bravo“-Starschnitte an die Wand hängen? Ich kann mir durchaus vorstellen, dass der Film Schwierigkeiten hatte, sein Publikum zu finden – durch Indizierung vor der Jugend verschlossen, für Horrorfans zu sehr Drama, für Ältere zu übertrieben und schmuddelig und damit zu wenig ernstzunehmen.

Nicht so recht ins Konzept passend und zumindest in ihrer Plumpheit mehr bemüht als sinnstiftend erscheinen die Verweise auf den Führerkult der Nazis, die offensichtlich Parallelen zu Simones Vergötterung eines Popstars aufzeigen sollen, sich damit aber auf äußerst dünnem Eis bewegen. Ob Schmidt seinem Film damit den Anstrich eines Anspruchs geben wollte, den er gar nicht hatte? Wie dem auch sei, eine makabre Pointe hat mich begeistert aus diesem in seinem Stil einzigartigen Filmerlebnis entlassen, das nicht fröhlich zu den kunterbunten 80ern tanzt, sondern konsequent in den Untergang schwoft. Danke, Herr Schmidt, Frau Nosbusch und Herr Steiger! Auch wenn man sich anschließend vor Gericht statt auf Preisverleihungen wiedersah...
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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jogiwan
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Re: Der Fan - Eckhart Schmidt

Beitrag von jogiwan »

und diese Perle verkümmert seit Jahren irgendwo in einer meiner Kiste mit ungesichteten Filmen. Am liebsten gleich raussuchen, gucken und dann meinem großen Grammatik-Idol Bux einen Besuch abstatten... ;)
it´s fun to stay at the YMCA!!!



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buxtebrawler
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Re: Der Fan - Eckhart Schmidt

Beitrag von buxtebrawler »

jogiwan hat geschrieben:(...) und dann meinem großen Grammatik-Idol Bux einen Besuch abstatten... ;)
So: :basi: oder so: :knutsch: ?
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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CamperVan.Helsing
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Re: Der Fan - Eckhart Schmidt

Beitrag von CamperVan.Helsing »

jogiwan hat geschrieben:und diese Perle verkümmert seit Jahren irgendwo in einer meiner Kiste mit ungesichteten Filmen.
Dafür gibt's nun keine Entschuldigung mehr.

(Für die "Schauspielkünste" von Bodo Staiger auch nicht, na ja, aber der war ja auch Musiker...)
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jogiwan
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Re: Der Fan - Eckhart Schmidt

Beitrag von jogiwan »

buxtebrawler hat geschrieben:
So: :basi: oder so: :knutsch: ?
so: Bild
it´s fun to stay at the YMCA!!!



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buxtebrawler
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Re: Der Fan - Eckhart Schmidt

Beitrag von buxtebrawler »

jogiwan hat geschrieben:so: Bild
Dann mach ich mich nackig, zücke mein elektrisches Brotmesser und freu mich auf Fleisch aus artgerechter, biologischer Haltung...
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Der Fan - Eckhart Schmidt

Beitrag von jogiwan »

Nun endlich gesichtet: Eckhart Schmidts Skandalfilm aus dem Jahre 1982 mit einer blutjungen Desirée Nosbusch als introvertierter Teenager Simone und der Musik von "Rheingold". Der Streifen über fatale Fan-Liebe ist eigentlich eher ruhig und kühl inszeniert und verfehlt im düsteren Finale seine Wirkung trotzdem nicht. Dennoch ist der Streifen nicht ganz geglückt und neben schlechten Schauspielern gibts auch noch diese angedeutete Nazi-Thematik, die wohl den fehlgeleiteten Personenkult nochmals verdeutlichen soll und in dem Streifen dennoch nicht wirklich etwas zu suchen hat. Ansonsten aber gut guckbarer deutscher Film aus der Obskuritäten-Ecke mit NDW-Soundtrack und Desirée Nosbusch in ihrer freizügigsten Rolle: 7/10
it´s fun to stay at the YMCA!!!



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Re: Der Fan - Eckhart Schmidt

Beitrag von reggie »

Moin Buxte!

Schmuddelfilmer??? Hast wohl noch keine anderen Filme von ihm gesehen!

Ich finde er ist alles andere als ein Schmuddelfilmer!! ;) Seine Filme haben was ganz besonderes!

Kann jedem nur die Eckerhart Schmidt Box empfehlen! :nick:
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Re: Der Fan - Eckhart Schmidt

Beitrag von Arkadin »

reggie hat geschrieben: Kann jedem nur die Eckerhart Schmidt Box empfehlen! :nick:
Oha, wusste gar nicht, dass es so etwas gibt. Danke für den Tipp!
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