Punk - Jean-Stéphane Sauvaire (2012)
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Punk - Jean-Stéphane Sauvaire (2012)
Originaltitel: Punk
Herstellungsland: Frankreich / 2012
Regie: Jean-Stéphane Sauvaire
Darsteller: Paul Bartel, Béatrice Dalle, Marie-Ange Casta, Jérémie Laheurte, Carlos Lopez, Alban Bigmouth, Sylvain Creep, Ben Ragondin, François Soccer, Franck Creep, Zelda Decay, Bernie Bonvoisin u. A.
Der Jugendliche Paul (Paul Bartel) lebt mit seiner Mutter (Béatrice Dalle) zusammen in einer kleinen Wohnung in Paris. Seinen Vater hat er nie kennengelernt und stellt seiner Mutter immer wieder Fragen, die diese nicht beantworten kann oder will. Zunehmend von diesem Zustand genervt, wird Paul flügge und sucht die Nähe einer Punk-Clique, die ihm ein neues, aufregendes Umfeld bietet: Harte Musik, wilde Konzerte, Alkohol- und Drogenrausch – und Bekanntschaften mit dem anderen Geschlecht. In seinem Boxtrainer Fauti (Carlos Lopez) glaubt er zudem, eine Art väterlichen Freund gefunden zu haben. Zum Glücklichwerden reicht all das jedoch nicht.
Quelle: www.ofdb.de
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
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Re: Punk - Jean-Stéphane Sauvaire (2012)
Filme über die Punk-Subkultur gibt es so einige. Häufig beschäftigen sich diese mit längst vergangenen Szeneepochen. Im Zusammenhang mit der öffentlichen Wahrnehmung der Punkszene entsteht so oftmals der Eindruck, dass es sich um ein Jugendphänomen handele, das mit der Gegenwart nicht mehr viel zu tun habe, das längst überholt sei und heutzutage kaum noch in ernstzunehmender Weise stattfände. Der französische Regisseur Jean-Stéphane Sauvaire ging mit seinem nach dem Kriegsdrama „Johnny Mad Dog“ zweiten Spielfilm, schlicht „Punk“ betitelt und 2011/2012 für den TV-Sender Arte gedreht, einen anderen Weg: Er wurde im Frankreich der Gegenwart angesiedelt, mit echten Punks besetzt und mit zeitgenössischer Musik aktueller Szenebands ausgestattet. Das Ergebnis ist ein Coming-of-Age-Drama, das zeigt, wie sein Protagonist den Weg in die Szene findet.
Der Jugendliche Paul (Paul Bartel, „Fracture“) lebt mit seiner Mutter (Béatrice Dalle, „Inside – Was sie will ist in dir“) zusammen in einer kleinen Wohnung in Paris. Seinen Vater hat er nie kennengelernt und stellt seiner Mutter immer wieder Fragen, die diese nicht beantworten kann oder will. Zunehmend von diesem Zustand genervt, wird Paul flügge und sucht die Nähe einer Punk-Clique, die ihm ein neues, aufregendes Umfeld bietet: Harte Musik, wilde Konzerte, Alkohol- und Drogenrausch – und Bekanntschaften mit dem anderen Geschlecht. In seinem Boxtrainer Fauti (Carlos Lopez, „Die Bartholomäusnacht“) glaubt er zudem, eine Art väterlichen Freund gefunden zu haben. Zum Glücklichwerden reicht all das jedoch nicht.
Die Handlung grob umrissen (inkl. aller Spoiler): Paul tritt vor die Kamera, berichtet vom Hass auf seine Mutter und leitet, zunächst weiter aus dem Off sprechend, die eigentliche Handlung ein, die demnach eine ausgedehnte, detaillierte Rückblende aus Pauls Sicht darstellt. Diese beginnt unmittelbar mit dem Besuch eines THE-CASUALTIES-Konzerts, dem Paul noch in „Normalo-Kluft“ beiwohnt. Es handelt sich um den ersten von mehreren Konzertausschnitten, die in ihrer Authentizität perfekt die Atmosphäre gutbesuchter Punk-Konzerte einfangen, die die Exzessivität beider Seiten, sowohl der Band als auch des Publikums, eindrucksvoll illustrieren und die aufstachelnde Wirkung besitzen, selbst einer solchen Veranstaltung beiwohnen und sich verausgaben zu wollen. Als Paul wieder zu Hause ist, streitet er sich mit seiner Mutter, die ihn zudem nicht sonderlich ernstzunehmen scheint. Szenenwechsel: Pauls neue Punk-Clique, zu der auch ein Skinhead gehört, will Bier kaufen und albert in einem Supermarkt herum. Mit den Betreibern des Ladens eskaliert die Situation. Die Gruppe beraubt die Betreiber und der Skinhead schlägt den Kassierer brutal zusammen. Auch auf einer Hausparty ist Paul dabei, Sauvaire installierte hier eine Sexszene. Anschließend sieht man Paul beim Boxtraining mit seinem Trainer Fauti und schließlich läuft auch Paul in Punk-Montur durch die Straßen. Er beobachtet den jüngst so brutal gegen den Supermarkt-Kassierer vorgegangenen Skinhead, denn dieser scheint den Punks nicht mehr ganz geheuer zu sein. Neues Konzert, andere Band: Die ABRASIVE WHEELS performen „Burn ‘em Down“. Die darauf folgenden Aufnahmen widmet Sauvaire den Tattoos und Frisiertechniken der Punks. Gemeinsam besucht man die Skins, die bereits am Feiern sind – unter ihnen ihr Kumpel, rechte Parolen grölend. Die Punks stellen ihn zur Rede und es kommt zu Handgreiflichkeiten, in deren Verlauf der politisch Verwirrte kurzerhand vor die Tür gesetzt wird. Die Party geht im Anschluss weiter. Man zieht sich Speed als Aufputschmittel durch die Nasen und es kommt zu einem weiteren cliqueninternen Konflikt: Alban (Alban Bigmouth) dreht durch, weil Ben (Ben Ragondin) mit einem dahergelaufenen Mädchen herummacht. Später hört sich Paul „Viva la Revolution“ der ADICTS von LP an und schminkt sich wie deren Sänger Monkey. Auf der Straße gerät man schließlich mit Faschobullen aneinander. Gemeinsam besucht man ein OBSTRUSIVE-Konzert, auf dem Paul Louise (Marie-Ange Casta) kennenlernt und sich in sie verknallt. Er hat Sex mit ihr und kommt mit ihr zusammen, worauf seine Mutter eifersüchtig reagiert. Auch die Clique fühlt sich vernachlässigt und zieht ihn auf. Als auch Louise über Paul lacht, zieht sie seinen Unmut auf sich. Leider entpuppt diese sich kurze Zeit später als Schlampe, die mit einem anderen herummacht. Bevor die Situation vollends außer Kontrolle gerät, geht Fauti dazwischen und fährt mit Paul weg, der Soundtrack spielt dazu LEFTÖVER CRACK. Auch Fauti zieht sich regelmäßig Speed rein und teilt es mit Paul. Nach einem PESTPOCKEN-Gig lauern Fascho-Skins der Punk-Clique auf, unter ihnen der ehemalige Kumpel. Eine brutale Schlägerei entbrennt und Paul teilt derart hart aus, als läge er seinen ganzen Frust hinein. Schließlich vollzieht Paul den Schritt und sucht seinen Vater auf, der jedoch nichts von ihm wissen will. Erneut will er von seiner Mutter die Wahrheit über seinen Vater erfahren, erneut mit unbefriedigendem Ausgang. Paul bricht daraufhin endgültig mit seiner Mutter und zieht zu Fauti, wo er sich den Schädel kahlrasiert, d.h. zunächst nur den vorderen Bereich… Bei Fauti belästigen ihn ekelhafte Nutten, die Drogen kaufen wollen. Im Speed-Rausch rennt er mit freiem Oberkörper auf die Straße und legt sich mit einer Gang an, die ihn böse verprügelt. Er sucht Alban auf und lässt sich von ihm verarzten und fährt anschließend mit der Clique nach Berlin. Als die anderen noch im Kleinbus schlafen, läuft er draußen allein umher. Später besuchen sie eine ADICTS-Show, der Film zeigt die Stücke „Viva la Revolution“ und „Bad Boy“ und ein kurzes Gespräch Monkeys mit Paul. Das Ende knüpft an Pauls Monolog vom Beginn an. Er bekräftigt noch einmal seinen Hass, bevor der Abspann einsetzt und ein weiteres Punkstück ertönt.
Sauvaire bewegte sich für seinen Film vornehmlich im Umfeld der Nietenkaiser und Chaos-Punks, wie sie zum Veröffentlichungszeitpunkt des Films schon fast nicht mehr das Szenebild dominierten, in den Jahren zuvor jedoch quasi omnipräsent waren und in der Tat auf Bands wie THE CASUALTIES und Konsorten schworen. Dies führt in Kombination mit dem authentischen Live-Material diverser realer internationaler Szenebands zu einem angenehmen Realismus, zu dem neben den Outfits, Frisuren etc. auch die Freundschaft mit nicht-rechten Skins zählt, von denen indes – wie auch hier thematisiert – immer mal wieder jemand querschießt und sich den Neo-Nazis anschließt. Kontrastiert wird diese Authentizität immer wieder von künstlerisch angehauchten Zwischensequenzen, die bisweilen ins Bizarre und Surreale gleiten und möglicherweise Pauls Rauschzustände visualisieren sollen. Da verleiht dem Film dann doch etwas klischeetypisch „Französisches“ und hätte es nicht unbedingt gebraucht, wenngleich es durchaus eindrucksvoll anzusehen ist, wie Paul von seinen Freunden mit Gasmasken überfallen wird. Auch die Szene gegen Ende, in der Paul in einen Fluss springt und seine Freunde ihn zu retten versuchen, dürfte zu diesem Stilmittel zu zählen sein und Pauls Fantasie Ausdruck verleihen, statt in die reale Handlung eingebettet zu sein. Sauvaire filmte hierfür tatsächlich tauchende Punks. Eine besondere Rolle scheint auch die vom Monkeys-Sänger inspirierte Schminkmaskerade einzunehmen, die Paul in diesen Zwischensequenzen immer mal wieder aufgetragen hat.
Als Sozialstudie fungiert „Punk“ insoweit, als die Ursache für Pauls Orientierung und seine mal diffuse, mal ausbrechende Wut im Verhältnis zu seinen Eltern gesucht wird. Paul fehlt insbesondere eine Vaterfigur. Ich weiß nicht, inwieweit Sauvaire seinen Film exemplarisch verstanden wissen will, ein zerrüttetes Elternhaus begünstigt jedoch erfahrungsgemäß durchaus das Aufsuchen und Ausleben einer rebellischen Subkultur. Erfreulicherweise verurteilt Sauvaire weder Pauls Verhalten noch den Lebensstil seiner Clique, sondern zeigt kommentar- und wertfrei Licht- und Schattenseiten. Zu spüren ist zudem eine Sympathie für die Szene, ohne die der Film in dieser Form der engen Zusammenarbeit mit ihr wohl auch gar nicht hätte zustande kommen können. Die unverbrauchten Jung- und Laiendarsteller wissen zu überzeugen und die Dialoge klingen ungekünstelt und oftmals improvisiert. Interessant ist auch, dass Béatrice Dalle nach dem beinahe ebenso schlicht betitelten „New Wave“ erneut die Mutter eines Punks mimt. Letztendlich bleibt „Punks“ in seiner Aussage wenig eindeutig und folgt keiner klassischen Narration, steuert auch auf keine Pointe zu, zeichnet dafür jedoch ein bemerkenswert am tatsächlichen Milieu orientiertes Bild einer Alternative für wütende und frustrierte Jugendliche, die vor allem von den inszenierten Exzessen begeistert sein dürften und somit einen besseren, weil frischeren Eindruck von der Szene bekommen, als ihn der rückwärtsgerichtete, dokumentarische Blick diverser anderer Filme zum Thema zu transportieren vermag.
Der Jugendliche Paul (Paul Bartel, „Fracture“) lebt mit seiner Mutter (Béatrice Dalle, „Inside – Was sie will ist in dir“) zusammen in einer kleinen Wohnung in Paris. Seinen Vater hat er nie kennengelernt und stellt seiner Mutter immer wieder Fragen, die diese nicht beantworten kann oder will. Zunehmend von diesem Zustand genervt, wird Paul flügge und sucht die Nähe einer Punk-Clique, die ihm ein neues, aufregendes Umfeld bietet: Harte Musik, wilde Konzerte, Alkohol- und Drogenrausch – und Bekanntschaften mit dem anderen Geschlecht. In seinem Boxtrainer Fauti (Carlos Lopez, „Die Bartholomäusnacht“) glaubt er zudem, eine Art väterlichen Freund gefunden zu haben. Zum Glücklichwerden reicht all das jedoch nicht.
Die Handlung grob umrissen (inkl. aller Spoiler): Paul tritt vor die Kamera, berichtet vom Hass auf seine Mutter und leitet, zunächst weiter aus dem Off sprechend, die eigentliche Handlung ein, die demnach eine ausgedehnte, detaillierte Rückblende aus Pauls Sicht darstellt. Diese beginnt unmittelbar mit dem Besuch eines THE-CASUALTIES-Konzerts, dem Paul noch in „Normalo-Kluft“ beiwohnt. Es handelt sich um den ersten von mehreren Konzertausschnitten, die in ihrer Authentizität perfekt die Atmosphäre gutbesuchter Punk-Konzerte einfangen, die die Exzessivität beider Seiten, sowohl der Band als auch des Publikums, eindrucksvoll illustrieren und die aufstachelnde Wirkung besitzen, selbst einer solchen Veranstaltung beiwohnen und sich verausgaben zu wollen. Als Paul wieder zu Hause ist, streitet er sich mit seiner Mutter, die ihn zudem nicht sonderlich ernstzunehmen scheint. Szenenwechsel: Pauls neue Punk-Clique, zu der auch ein Skinhead gehört, will Bier kaufen und albert in einem Supermarkt herum. Mit den Betreibern des Ladens eskaliert die Situation. Die Gruppe beraubt die Betreiber und der Skinhead schlägt den Kassierer brutal zusammen. Auch auf einer Hausparty ist Paul dabei, Sauvaire installierte hier eine Sexszene. Anschließend sieht man Paul beim Boxtraining mit seinem Trainer Fauti und schließlich läuft auch Paul in Punk-Montur durch die Straßen. Er beobachtet den jüngst so brutal gegen den Supermarkt-Kassierer vorgegangenen Skinhead, denn dieser scheint den Punks nicht mehr ganz geheuer zu sein. Neues Konzert, andere Band: Die ABRASIVE WHEELS performen „Burn ‘em Down“. Die darauf folgenden Aufnahmen widmet Sauvaire den Tattoos und Frisiertechniken der Punks. Gemeinsam besucht man die Skins, die bereits am Feiern sind – unter ihnen ihr Kumpel, rechte Parolen grölend. Die Punks stellen ihn zur Rede und es kommt zu Handgreiflichkeiten, in deren Verlauf der politisch Verwirrte kurzerhand vor die Tür gesetzt wird. Die Party geht im Anschluss weiter. Man zieht sich Speed als Aufputschmittel durch die Nasen und es kommt zu einem weiteren cliqueninternen Konflikt: Alban (Alban Bigmouth) dreht durch, weil Ben (Ben Ragondin) mit einem dahergelaufenen Mädchen herummacht. Später hört sich Paul „Viva la Revolution“ der ADICTS von LP an und schminkt sich wie deren Sänger Monkey. Auf der Straße gerät man schließlich mit Faschobullen aneinander. Gemeinsam besucht man ein OBSTRUSIVE-Konzert, auf dem Paul Louise (Marie-Ange Casta) kennenlernt und sich in sie verknallt. Er hat Sex mit ihr und kommt mit ihr zusammen, worauf seine Mutter eifersüchtig reagiert. Auch die Clique fühlt sich vernachlässigt und zieht ihn auf. Als auch Louise über Paul lacht, zieht sie seinen Unmut auf sich. Leider entpuppt diese sich kurze Zeit später als Schlampe, die mit einem anderen herummacht. Bevor die Situation vollends außer Kontrolle gerät, geht Fauti dazwischen und fährt mit Paul weg, der Soundtrack spielt dazu LEFTÖVER CRACK. Auch Fauti zieht sich regelmäßig Speed rein und teilt es mit Paul. Nach einem PESTPOCKEN-Gig lauern Fascho-Skins der Punk-Clique auf, unter ihnen der ehemalige Kumpel. Eine brutale Schlägerei entbrennt und Paul teilt derart hart aus, als läge er seinen ganzen Frust hinein. Schließlich vollzieht Paul den Schritt und sucht seinen Vater auf, der jedoch nichts von ihm wissen will. Erneut will er von seiner Mutter die Wahrheit über seinen Vater erfahren, erneut mit unbefriedigendem Ausgang. Paul bricht daraufhin endgültig mit seiner Mutter und zieht zu Fauti, wo er sich den Schädel kahlrasiert, d.h. zunächst nur den vorderen Bereich… Bei Fauti belästigen ihn ekelhafte Nutten, die Drogen kaufen wollen. Im Speed-Rausch rennt er mit freiem Oberkörper auf die Straße und legt sich mit einer Gang an, die ihn böse verprügelt. Er sucht Alban auf und lässt sich von ihm verarzten und fährt anschließend mit der Clique nach Berlin. Als die anderen noch im Kleinbus schlafen, läuft er draußen allein umher. Später besuchen sie eine ADICTS-Show, der Film zeigt die Stücke „Viva la Revolution“ und „Bad Boy“ und ein kurzes Gespräch Monkeys mit Paul. Das Ende knüpft an Pauls Monolog vom Beginn an. Er bekräftigt noch einmal seinen Hass, bevor der Abspann einsetzt und ein weiteres Punkstück ertönt.
Sauvaire bewegte sich für seinen Film vornehmlich im Umfeld der Nietenkaiser und Chaos-Punks, wie sie zum Veröffentlichungszeitpunkt des Films schon fast nicht mehr das Szenebild dominierten, in den Jahren zuvor jedoch quasi omnipräsent waren und in der Tat auf Bands wie THE CASUALTIES und Konsorten schworen. Dies führt in Kombination mit dem authentischen Live-Material diverser realer internationaler Szenebands zu einem angenehmen Realismus, zu dem neben den Outfits, Frisuren etc. auch die Freundschaft mit nicht-rechten Skins zählt, von denen indes – wie auch hier thematisiert – immer mal wieder jemand querschießt und sich den Neo-Nazis anschließt. Kontrastiert wird diese Authentizität immer wieder von künstlerisch angehauchten Zwischensequenzen, die bisweilen ins Bizarre und Surreale gleiten und möglicherweise Pauls Rauschzustände visualisieren sollen. Da verleiht dem Film dann doch etwas klischeetypisch „Französisches“ und hätte es nicht unbedingt gebraucht, wenngleich es durchaus eindrucksvoll anzusehen ist, wie Paul von seinen Freunden mit Gasmasken überfallen wird. Auch die Szene gegen Ende, in der Paul in einen Fluss springt und seine Freunde ihn zu retten versuchen, dürfte zu diesem Stilmittel zu zählen sein und Pauls Fantasie Ausdruck verleihen, statt in die reale Handlung eingebettet zu sein. Sauvaire filmte hierfür tatsächlich tauchende Punks. Eine besondere Rolle scheint auch die vom Monkeys-Sänger inspirierte Schminkmaskerade einzunehmen, die Paul in diesen Zwischensequenzen immer mal wieder aufgetragen hat.
Als Sozialstudie fungiert „Punk“ insoweit, als die Ursache für Pauls Orientierung und seine mal diffuse, mal ausbrechende Wut im Verhältnis zu seinen Eltern gesucht wird. Paul fehlt insbesondere eine Vaterfigur. Ich weiß nicht, inwieweit Sauvaire seinen Film exemplarisch verstanden wissen will, ein zerrüttetes Elternhaus begünstigt jedoch erfahrungsgemäß durchaus das Aufsuchen und Ausleben einer rebellischen Subkultur. Erfreulicherweise verurteilt Sauvaire weder Pauls Verhalten noch den Lebensstil seiner Clique, sondern zeigt kommentar- und wertfrei Licht- und Schattenseiten. Zu spüren ist zudem eine Sympathie für die Szene, ohne die der Film in dieser Form der engen Zusammenarbeit mit ihr wohl auch gar nicht hätte zustande kommen können. Die unverbrauchten Jung- und Laiendarsteller wissen zu überzeugen und die Dialoge klingen ungekünstelt und oftmals improvisiert. Interessant ist auch, dass Béatrice Dalle nach dem beinahe ebenso schlicht betitelten „New Wave“ erneut die Mutter eines Punks mimt. Letztendlich bleibt „Punks“ in seiner Aussage wenig eindeutig und folgt keiner klassischen Narration, steuert auch auf keine Pointe zu, zeichnet dafür jedoch ein bemerkenswert am tatsächlichen Milieu orientiertes Bild einer Alternative für wütende und frustrierte Jugendliche, die vor allem von den inszenierten Exzessen begeistert sein dürften und somit einen besseren, weil frischeren Eindruck von der Szene bekommen, als ihn der rückwärtsgerichtete, dokumentarische Blick diverser anderer Filme zum Thema zu transportieren vermag.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!