Metalhead - Ragnar Bragason (2013)

Moderator: jogiwan

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horror1966
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Metalhead - Ragnar Bragason (2013)

Beitrag von horror1966 »

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Metalhead
(Metalhead)
mit Ingvar Eggert Sigurðsson, Sveinn Ólafur Gunnarsson, Thora Bjorg Helga, Hannes Óli Ágústsson, Þröstur Leó Gunnarsson, Pétur Einarsson, Halldóra Geirharðsdóttir, Diljá Valsdóttir, Sigrún Edda Björnsdóttir, Þórunn Arna Kristjánsdóttir
Regie: Ragnar Bragason
Drehbuch: Ragnar Bragason
Kamera: August Jakobsson
Musik: Petur Thor Benediktsson
FSK 16
Island / 2013

Es ist das Jahr 1970 und als Black Sabbath ihr erstes Album aufnehmen, wird in einem tristen Dorf im isländischen Nirgendwo die kleine Hera geboren (Thorbjörg Helga Thorgilsdóttir). Als Zwölfjährige muss sie mit ansehen, wie ihr großer Bruder durch einen tragischen Unfall aus dem Leben gerissen wird. Von dem traumatischen Erlebnis schockiert, übernimmt sie seine Persona samt Lederjacke, Motörhead-Shirt und E-Gitarre. Ihre ganze Jugend trägt sie fortan nur noch seine Klamotten, hört und spielt seine Musik. Trauer und Wut werden mit Songs von bekannten Metalbands und mit eigenen Heavy-Metal-Riffs ausgedrückt. Auch nach der Schulzeit fühlt sie sich von allen missverstanden - auch von ihren Eltern. Diese versuchen durch den Kirchenchor wieder ein wenig am Leben teilzunehmen. Gerade als Heras Rebellion immer destruktivere Ausmaße annimmt, zieht ein junger Priester in den Ort. Das Schicksal scheint sich zu wenden und Hera erkennt, dass sie nicht ihr ganzes Leben lang weglaufen kann ...


Fernab des amerikanischen Blockbuster Kinos sind es häufig gerade die eher kleinen und unscheinbaren Produktionen, die den größten Eindruck beim Zuschauer hinterlassen. Der vorliegende isländische Film "Metalhead" von Ragnar Bragason zählt ganz eindeutig dazu und präsentiert ein waschechtes Jugend Drama, in dessen Mittelpunkt die junge Hera steht, die im zarten Alter von nur 12 Jahren den tödlichen Unfall ihres über alles geliebten Bruders mit ansehen musste. Die Geschichte erzählt den daraufhin folgenden Zerfall einer zarten Kinderseele und beleuchtet dabei mehr als eindringlich die Verlorenheit eines Teenagers der am Schmerz zu zerbrechen scheint und deswegen in seine ganz eigene Welt flieht, um den Verlust eines geliebten Menschen nicht wirklich verarbeiten zu müssen. Dabei ist der Schauplatz der kargen, aber optisch absolut faszinierenden isländischen Winterlandschaft ein wesentlicher Teil der Erzählung und die wunderbar eingefangenen Bilder von Einsamkeit und Trostlosigkeit lassen einen stellenweise äußerst deprimierenden Eindruck entstehen, so das man als Betrachter eine hohe Identifikation zur Gemütslage der Hauptfigur aufbauen kann und dabei phasenweise selbst einige recht düstere Gedanken bei sich feststellen kann. Regisseur Bragason versteht es sehr gekonnt einen tief in das Geschehen mit einzubinden, das in den ersten gut 50 Minuten fast nur aus der sprichwörtlichen Sprachlosigkeit besteht. Innerhalb der Familie wird der Tod des Sohnes nämlich so gut wie überhaupt nicht thematisiert wodurch man unglaublich gut erkennen kann, das auch die Eltern nie wirkliche Trauerarbeit verrichtet haben. Das Ergebnis gibt sich in fast eisigem Schweigen zu erkennen, zudem trifft die mittlerweile 17-jährige Hera mit ihrem Verhalten bei den Eltern lediglich auf völliges Unverständnis. Einzig und allein die Flucht in ihre Musik scheint ihr einziger Halt zu sein, die fast völlige Annahme der Identität ihres verstorbenen Bruders ist dabei schon zu einer absoluten Selbstverständlichkeit geworden.

In dieser Phase des Filmes sind auch die Dialoge eher selten gesät, was die bedrückende Grundstimmung noch zusätzlich unterstützt, gleichzeitig aber auch wie eine zentnerschwere Last wirkt, die sich ganz unwillkürlich auch auf die Schultern des Zuschauers legt. Man leidet richtiggehend mit dem jungen Mädchen, das scheinbar vollkommen orientierungslos durch sein Leben geht und lediglich durch ständige Provokationen und selbstzerstörerische Aktionen ins Auge fällt, die sie auch innerhalb der Gemeinschaft zu einem totalen Außenseiter stempelt. Selten wurden Wut und Hilflosigkeit so dermaßen intensiv in Szene gesetzt wie in diesem Werk und die herausragende darstellerische Leistung von Hauptdarstellerin Thora Bjorg Helga sorgt dafür, das man hier einen extrem authentischen Eindruck über das Gefühlsleben eines Teenagers erlangt, das einem einzigen und nie enden wollenden Schmerz gleicht. Erst als ein neuer Pfarrer in die Gemeinde kommt, sind die ersten kleinen Lichtblicke in einem bis hierin eher düsteren Szenario zu erkennen, denn Hera kann nach einer gewissen Zeit Vertrauen zu dem Geistlichen fassen, der sich zudem auch noch als Heavy Metal Fan outet. Kurz danach kommt allerdings schon wieder der nächste Rückschlag, denn als der Mann die amourösen Gefühle des Mädchens nicht erwidert rastet dieses vollkommen aus und scheint nun wirklich jeglichen Halt verloren zu haben. Das Geschehen spitzt sich immer weiter zu und als man schon das Schlimmste befürchten muss, scheint durch eine visionsartige Erscheinung ihres toten Bruders endlich die nötige Wandlung in Hera von statten zu gehen damit sie nun endlich ein normales und ausgeglichenes Leben führen kann, in dem ihre Musik weiterhin eine wichtige Rolle spielen wird.

"Metalhead" ist zwar durch und durch ein echtes Drama, beinhaltet jedoch an einigen Stellen durchaus humoristische Momente die einem so manches Mal ein leichtes Schmunzeln ins Gesicht zaubern. Es handelt sich aber keinesfalls um eine Tragikomödie, doch die kleinen und manchmal nicht auf den ersten Blick zu erkennenden witzigen Einlagen sind absolut passend und verwässern keineswegs die ernsthafte Thematik der Geschichte. Insbesondere in den letzten Minuten fällt dann auch ein wenig die Schwermütigkeit von einem ab, die man fast die ganze Zeit über verspürt hat und so kann man auch das Ende der Erzählung richtiggehend genießen. Ragnar Bragason hat hier alles andere als den typischen Mainstream auf den Weg gebracht, vielmehr handelt es sich um ein Werk, dem man ohne Übertreibung das Prädikat "besonders wertvoll" verleihen darf. Dabei behandelt die Erzählung die vorliegende Thematik sehr tief gehend und konfrontiert den Zuschauer eventuell auch mit gewissen Ähnlichkeiten in der Art der Trauerbewältigung, was beim ein oder anderen auch schmerzhafte Erinnerungen wach rufen könnte. Sicherlich gab es bei vielen Leuten schon einmal ähnliche schmerzhafte Verluste, die mit der gleichen übermächtigen Ohnmacht verbunden waren, von denen auch die Hauptfigur Hera betroffen ist.

Letztendlich kann man bei "Metalhead" eigentlich nur zu einem weit überdurchschnittlich guten Gesamteindruck gelangen, denn dieser Film geht einem extrem unter die Haut. mit dafür verantwortlich zeichnet die grandios agierende Darsteller-Riege, wobei wie schon kurz erwähnt die Performance von Thora Bjorg Helga noch einmal gesondert hervor gehoben werden muss. Ihre Leistung als rebellischer Teenager ist einfach nur famos und man gelangt in keiner Phase des Geschehens zu der Einschätzung, das die junge Frau hier lediglich die Rolle in einem Film spielt. Man teilt jedes Tief und Hoch mit ihr und entwickelt dabei eine extrem hohe Identifikation, wie es ansonsten in anderen Filmen eher selten der Fall ist. Es mag sich an dieser Stelle vielleicht um eine eher unscheinbare und kleinere Produktion handeln, doch nicht umsonst wurde dieses Werk schon auf dem Fantasy Filmfest vielfach umjubelt. Klasse und Intensität eines Filmes sind eben nicht immer nur am Geld auszumachen und so kann man dann auch "Metalhead" definitiv zu den Geschichten zählen, die dem Betrachter auch ohne jeglichen Hochglanz das ganz große Kino in die eigenen vier Wände bringen.


Fazit:


Manchmal hinterlassen bestimmte Filme eine unglaublich nachhaltige Erinnerung beim Zuschauer und man muss das Gesehene auch erst einmal richtig sacken lassen, bevor man die richtigen Worte findet. "Metalhead" ist ein solcher Film und man sollte die vorliegende Geschichte auch nicht einfach so nebenbei anschauen. Die Erzählung verdient die volle Konzentration des Betrachters und kann auch nur so ihre gewaltige Kraft entfachen, die einen phasenweise mitten in die Eingeweide trifft.


9/10
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jogiwan
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Re: Metalhead - Ragnar Bragason (2013)

Beitrag von jogiwan »

klingt nach Hornbach-Werbung... ;)
it´s fun to stay at the YMCA!!!



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horror1966
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Re: Metalhead - Ragnar Bragason (2013)

Beitrag von horror1966 »

jogiwan hat geschrieben:klingt nach Hornbach-Werbung... ;)

Nee Baby, der ist wirklich absolut lohnenswert. :thup:
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buxtebrawler
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Re: Metalhead - Ragnar Bragason (2013)

Beitrag von buxtebrawler »

Erscheint voraussichtlich am 19.05.2017 bei Capelight Pictures noch einmal als Blu-ray/DVD-Kombination als "limited 3-Disc Collector's Edition"

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Extras:
- Doku: Until the Light Takes Us
- Musikvideo
- 24-seitiges Booklet

Quelle: http://www.ofdb.de/view.php?page=fassun ... &vid=78902
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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