Die Sonntagsfrau - Luigi Comencini (1976)

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jogiwan
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Die Sonntagsfrau - Luigi Comencini (1976)

Beitrag von jogiwan »

Die Sonntagsfrau - Luigi Comencini (1976)

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Originaltitel: La donna della domenica

Alternativtitel: the sunday woman

Herstellungsland: Frankreich / Italien, 1976

Regie: Luigi Comencini

Darsteller: Jacqueline Bisset, Marcello Mastroianni, Jean-Louis Trintignant, Aldo Reggiani, Pino Caruso, u.a.

Story:

Der Turiner Architekt Garrone wird Opfer eines bizarren Mordes. Seine Ermittlungen führen den aus Sizilien stammenden Commissario Santamaria (Marcello Mastroianni) in die höchsten Kreise der Turiner Society. Doch nicht nur Großindustrielle, verarmte Aristokraten und zwielichtige Kunsthändler säumen ab sofort seinen Weg - sondern auch die geheimnisvolle Femme Fatale Anna Carla Dosio (Jacqueline Bisset), die ebenfalls in den Fall verstrickt zu sein scheint. Der Commissario steht vor einem schier unlösbaren Puzzle.
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Santini
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Re: Die Sonntagsfrau - Luigi Comencini (1976)

Beitrag von Santini »

Scan meiner dt. VHS:

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jogiwan
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Re: Die Sonntagsfrau - Luigi Comencini (1976)

Beitrag von jogiwan »

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Anna Carla Dosio (Jacqueline Bisset) ist die gelangweilte Frau eines Turiner Groß-Industriellen. Ihre Tage verbringt sie mit intellektuellen Plänkeleien und Nonsens-Diskussionen über die korrekte Aussprache angelsächsischer Wörter mit ihrem homosexuellen Freund Massimo Campi (Jean-Louis Trintignant). Hauptziel ihrer Spötteleien sind dabei der Werteverfall der Gesellschaft und die zunehmende Verrohung der Sitten innerhalb der sogenannten „feinen Gesellschaft“ Turins. Und dieser personifiziert sich für Carla in dem unsympathischen Architekten Garrone, der obszön und fluchend die noblen Veranstaltungen der High Society in ihren Grundfesten erschüttert. In einem handgeschriebenen Brief an Massimo wünscht sich Anna Carla nichts sehnlicher als die rituelle Ermordung des Architekten, der Anstand und Sitte bedroht.

Als dieser kurze Zeit später tatsächlich mit einem steinernen Penis erschlagen wird, landet dieser Brief aufgrund rachsüchtiger Hausangestellten, die zuvor fristlos entlassen wurden, in den Händen der Polizei. Komissar Santamaria (Marcello Mastroianni) nimmt die Ermittlungen, wird jedoch von höchster Stelle instruiert, diese mit Samthandschuhen und höchster Diskretion durchzuführen. Massimo und Anna Carla sind natürlich aufgrund des Briefes ziemlich verdächtig, haben jedoch außer ihrer persönlichen Abneigung keinerlei Motiv. Anna Carla sieht vielmehr in dem Fall die Möglichkeit, die Langeweile ihres Alltages zu beenden und beteiligt sich mit Massimo auch eifrig an den Ermittlungen. Und auch Lello (Aldo Reggiano), recherchiert auf eigene Faust, als er erfährt, dass sein geliebter Freund Massimo ins Visier der Polizei geraten ist. Der Fall zieht immer weitere Kreise und immer mehr Personen beteiligen sich an den Nachforschungen. Doch dann geschieht ein zweiter Mord...

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Über den Film „Die Sonntagsfrau“ von dem italienischer Regisseur Luigi Comencini aus dem Jahre 1975 hab ich im Vorfeld ja noch nie was gehört. Und eigentlich habe ich mir auch eher einen handfesten, italienischen Krimi bzw. einen Polizeifilm erwartet. Aber die Geschichte über den Mord an dem schmierigen Architekten bietet ja nur die Rahmenhandlung für einen herrlich-selbstironischen Film, der die sogenannte High-Society portraitiert und deren Verhalten mit allerlei bissigen Dialogen demaskiert. So tritt die Kriminalhandlung des Öfteren dezent in den Hintergrund und bietet Platz für die Enttarnung von Doppel- und Scheinmoral der feinen Gesellschaft, die sich mit ihrem Verhalten so gerne vom gewöhnlichen Proletariat abgrenzen möchte, aber im Grunde doch mit den gleichen, durchaus menschlichen Problemen zu kämpfen hat. In diesem Punkt erinnert mich der Film persönlich sehr stark an Michelangelo Antonionis „Blow Up“, in dem ebenfalls eine Krimihandlung dazu dient, das Zeitgefühl einer Gesellschaftsschicht bzw. einer ganzen Generation zu dokumentieren. Und so ist die Kriminalgeschichte in „Die Sonntagsfrau“ auch nur der Aufhänger für den Blick hinter die Kulissen der reichen und feinen Leute in Turin, die gelangweilt und ohne sinnvoller Beschäftigung die Tage verstreichen lassen.

Und was soll ich sagen, „Die Sonntagsfrau“ ist seit langem wieder mal ein Film, der so was von genau meinen Geschmack getroffen hat. Diese auf den ersten Blick etwas seltsame Mischung aus Kriminalfilm und Gesellschaftssatire mit ihren bissigen Dialogen und grotesken Entwicklungen ist so was von stimmig geraten, dass man dem Film auch gerne verzeiht, dass er nicht wirklich spannend ausgefallen ist und auch das Motiv des Mörders zutiefst giallo-esk in der letzten Minute aus dem Hut gezaubert wird. Vor allem die Charaktere des Films sind sehr interessant ausgefallen. Da gibt es einerseits die gelangweilte Industriellen-Gattin, für die der Kriminalfall eine gelungene Abwechslung in ihrem tristen Alltag darstellt. Dann der Möchtegern-Intellektuelle Massimo, der noch bei seinen Eltern wohnt, vor denen jedoch die Tatsache verbergen muss, dass er homosexuell ist. Dessen Freund Lello, dessen Selbstwertgefühl nicht gerade von der Tatsache gesteigert wird, dass sein Freund nicht zu ihm stehen will. Dann gibt es noch die bigotten Schwestern, die Probleme mit Prostituierten haben, im Tonfall aber denen um nichts nachstehen und über alle dem steht der gebildete Komissar Santamaria, der teils belustigt, teils desinteressiert die ganzen Entwicklungen beobachtet. Nach dem Mord steht er zwar vor einem Rätsel, es werden ihm jedoch laufend von Personen, die selbst Nachforschungen anstellen, Informationen zugespielt. So fügt sich langsam das Puzzle zusammen und zum Schluss löst sich das Mysterium dann auch fast von selbst.

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Ein Grund warum „Die Sonntagsfrau“ auch so gut funktioniert ist wohl die Tatsache, dass für den Streifen ein absolut grandioses Ensemble gecastet wurde. Jacqueline Bisset verkörpert die lasziv-gelangweilte Dame der oberen Gesellschaft mit jeder Pore ihres wunderschönen Körpers. Jean-Louis Trintignant spielt den homosexuellen Freizeit-Philosophen, der hingerissen ist zwischen spießbürgerlichen Adel und homosexueller Lebensweise auch sehr facettenreich und überzeugt in jeder Sekunde. Und über Marcello Mastroianni muss ja ohnehin nicht mehr viel gesagt werden. Den Womenizer vor dem Herrn kennt ohnehin jeder und wer ihn in „Die Sonntagsfrau“ beobachtet, der wundert sich auch nicht, warum der gute Herr zur Elite der Schauspielerei gezählt wird. Aber auch die restlichen Darsteller, allen voran der sympathische Aldo Reggiano sind sehr gut gewählt und verleihen dem Film im darstellerischen Bereich die volle Punktezahl.

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Koch Media bringt mit „La Donna della Domenica“ ein weiteres Schmankerl aus der Italo-Ecke, welches wunderbar aufbereitet auch jeden Fan von italienischen Filmen begeistern sollte. Irgendwo zwischen Komödie, Giallo und Poliziotteschi angesiedelt, begeistert dieser dialog-lastige Streifen mit Wortwitz, skurrilen Charakteren und einer durchdachten Geschichte über die gesamte Laufzeit. Man merkt, die Nähe von Comencinis Werk zum anspruchsvollen Film, als zu herkömmlichen Werken aus der Giallo-Schmuddelecke, die im selben Zeitraum zuhauf gedreht wurden. Der Soundtrack von Ennio Morricone ist sowieso wieder grandios, die Inszenierung gelungen und sowieso und überhaupt, sollten italophile Leser gar nicht mehr lange überlegen, sondern sich sofort diesen tollen Streifen organisieren. Den wo andere Werke bei der Kombination aus Gesellschaftssatire und Krimi kläglich gescheitert sind, überzeugt dieser Streifen auf der ganzen Linie. „Die Sonntagsfrau“ ist ein Film für jeden Wochentag, ein wahres Highlight in jeder Sammlung und ein weiterer eindrucksvoller Beweis, dass in meinem Geburtsjahr nur tolle Filme gedreht wurden. 8-)

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Malastrana
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Re: Die Sonntagsfrau - Luigi Comencini (1976)

Beitrag von Malastrana »

Den mag ich auch sehr gerne! Schöne, spritzige & originelle Unterhaltung, ein etwas anderer "Giallo"!
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Die Kroete
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Re: Die Sonntagsfrau - Luigi Comencini (1976)

Beitrag von Die Kroete »

Ich befand den, im gegensatz zu Jogi, zu keinem Zeitpunkt als langweilig.
Man darf natürlich dabei nicht außer Acht lassen, daß der Film von seinen überaus gut, ausgeprägten Charakteren lebt und diese betont offensichtlich, den Zuschauer von der eigentlichen Aufklärung des Mordes, an dem Architekten, ablenken läßt.

Was für mich nicht klar ersichtlich war ist der Umstand, ob das am Ende des Films gezeigte Verhältnis, zwischen der Anna Carla Dosio und dem Commissario, erst während den Ermittlungen oder schon davor, zustande kam. Anspielungen dahingehend gab es ja während der Handlung schon mal, die ein oder andere. ;)
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jogiwan
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Re: Die Sonntagsfrau - Luigi Comencini (1976)

Beitrag von jogiwan »

Die Kroete hat geschrieben:Ich befand den, im gegensatz zu Jogi, zu keinem Zeitpunkt als langweilig.
Inwiefern fand ich den langweilig? Der ist doch absolut super! :?
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Die Kroete
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Re: Die Sonntagsfrau - Luigi Comencini (1976)

Beitrag von Die Kroete »

jogiwan hat geschrieben:
Die Kroete hat geschrieben:Ich befand den, im gegensatz zu Jogi, zu keinem Zeitpunkt als langweilig.
Inwiefern fand ich den langweilig? Der ist doch absolut super! :?
Hatte ich hier so raus gelesen:
jogiwan hat geschrieben:... dass man dem Film auch gerne verzeiht, dass er nicht wirklich spannend ausgefallen ist und auch das Motiv des Mörders zutiefst giallo-esk in der letzten Minute aus dem Hut gezaubert wird...
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Re: Die Sonntagsfrau - Luigi Comencini (1976)

Beitrag von dr. freudstein »

versteh ich auch nicht. Ich las da nur was von einer gelangweilten Frau in der Einleitung, aber damit meinte Jogschi ja nicht sich selbst. Ansonsten las ich nur Begeisterung und Lobeshymnen in seiner Kritik. Oder bist du im falschem fred oder am falschem Getränk :?
Edit:
aha ein kleiner Satz trug zur Einschätzung bei, aber der rest doch eher weniger
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Die Kroete
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Re: Die Sonntagsfrau - Luigi Comencini (1976)

Beitrag von Die Kroete »

Ich setze langweilig nicht mit mißfallen gleich! ;)
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Re: Die Sonntagsfrau - Luigi Comencini (1976)

Beitrag von buxtebrawler »

„Wir kommen immer nur zu spät, wenn wir jemanden verhaften wollen!“

Der vornehmlich im komödiantischen Fach beheimatete italienische Regisseur Luigi Comencini („Genosse Don Camillo“) verfilmte 1975 den erfolgreichen Roman „Die Sonntagsfrau“ des Autorenduos Carlo Fruttero und Franco Lucentini, der drei Jahre zuvor erschienen war. Die Krimikomödie mit gesellschaftssatirischem Anstrich entstand in italienisch-französischer Koproduktion.

Der Turiner Architekt Garrone (Claudio Gora, „Sacco und Vanzetti“) hat sich nicht sonderlich viele Freunde gemacht, was man ihm eines Tages damit quittiert, ihn mit einer großen steinernen Penisskulptur zu erschlagen. Der sizilianische Kommissar Santamaria (Marcello Mastroianni, „Allein mit Giorgio“) nimmt zusammen mit seinem Partner de Palma (Pino Caruso, „Suspected Death of a Minor“) die Ermittlungen auf. Die erste Spur führt zur gelangweilten Industriellengattin Anna Carla Dosio (Jacqueline Bisset, „Mord im Orientexpress“) und ihrem offensichtlich homosexuellen, dies jedoch nicht offen zugebenden Bekannten Massimo Campi (Jean-Louis Trintignant, „Leichen pflastern seinen Weg“): Der Polizei wurde von ehemaligen Bediensteten Annas, die nicht gut auf ihre Ex-Chefin zu sprechen sind, ein Brief zugespielt, in dem Anna sich gegenüber Adressat Massimo über das Mordopfer auslässt und ihm den Tod wünscht. Doch die beiden bleiben nicht die einzigen Verdächtigen, denn so zahlreich Garrones Gegner waren, so zahlreich sind auch die möglichen Motive und so löchrig sämtliche Alibis. Anna und Massimo sehen die Chance auf ein aufregendes Abenteuer und schalten sich in die Ermittlungen ein; auch Massimos heimlicher Lebensgefährte Lello (Aldo Reggiani, „Die neunschwänzige Katze“) beteiligt sich schließlich, um die Unschuld Massimos zu beweisen…

„Er trägt ein sehr warmes Jäckchen und steht auf Böcke.“ – „Worauf…?“ – „Auf Böcke: Er ist handgestrickt schwul!“

Diese Romanverfilmung wurde zu einem hochkarätig besetzten, sehr geschwätzigen Whodunit?-Krimi mit mehr als nur einem komödiantischen Touch. Der sizilianische Kommissar erlebt in Turin zwar nicht unbedingt einen ausgemachten Kulturschock, beobachtet das Treiben insbesondere der vermögenden Oberschicht jedoch mit einigem Befremden. In der Turiner Bourgeoisie kennt jeder jeden, hält jeweils nicht viel voneinander oder ist sich spinnefeind und degeneriert zunehmend in seiner Dekadenz vor sich hin. Ein ungewöhnlich besetzter Trintignant in einer von zwei überzeichneten Schwulenrollen, einige pikante und schlüpfrige Details, viel Turiner Lokalkolorit und italienische Lebensart dominieren den Film, der sein Puzzle aus Giallo-, Poliziesco- und Komödien-Elementen zusammensetzt und erst ganz am Schluss löst. Leider versäumt man es dabei, Spannung oder Dramatik aufzubauen, sodass der eigentliche Fall komplett in den Hintergrund tritt und den zahlreichen inneritalienische Befindlichkeiten karikierenden Dialogen den Vortritt lässt. Die herausragende Besetzung hält derweil bei der Stange und das lieblich sommerliche Turin, das der „Suspiria“- und „Tenebrae“-Kameramann Tovoli in warmen Farben einfängt, ist eine Augenweide. Letztlich ist „Die Sonntagsfrau“ aber mehr eine Gesellschaftssatire denn Kriminalfilm, die für nicht in Italien gelebt habende und mit damaligen gesellschaftlichen Verhältnissen Italiens nicht vertraute Zuschauerinnen und Zuschauer bisweilen unverständlich zu bleiben droht.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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