Die grünen Teufel - Ray Kellogg, John Wayne (1968)

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Salvatore Baccaro
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Die grünen Teufel - Ray Kellogg, John Wayne (1968)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

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Originaltitel: The Green Berets

Produktionsland: USA 1968

Regie: Ray Kellogg, John Wayne

Darsteller: John Wayne, David Janssen, Jim Hutton, Aldo Ray, Raymond St. Jacques, George Takei, Bruce Cabot, Irene Tsu


Acht Gründe, weshalb man den Film THE GREEN BERETS von John Wayne und Ray Kellogg aus dem Jahre 1968, rundheraus ablehnen kann

1) Mit bald zweieinhalb Stunden Laufzeit ist der Film definitiv zu lang geraten. Natürlich habe ich nichts gegen Filme, die die normierte Länge von 90 Minuten mit Siebenmeilenstiefeln überschreiten, ganz im Gegenteil. Aber die dünne Handlung, die von den Abenteuern der (historisch verbürgten) Spezialeinheit der „Green Berets“ während des Vietnamkriegs berichtet, trägt die Monumentallaufzeit zu keinem Zeitpunkt, was den Film wirken lässt wie ein Schlauchboot, das künstlich zu einem Flugzeugträger aufgeblasen wurde.

2) Der Film ist kinematographisch völlig uninteressant inszeniert. Einmal abgesehen von den (wenigen) Schlachtszenen, die für einen Film aus dem Jahre 1968 tatsächlich sehr aufwendig, sehr technisch versiert, sehr beeindruckend daherkommen, (die aber weit weniger als ein Drittel der exorbitanten Laufzeit einnehmen), erinnere ich mich an keine Montage-Entscheidung, keine Bildkomposition, keine Kameraeinstellung, die das Ganze über das todlangweilige kleine Einmaleins des Mainstream-Kinos hinausheben würde. Während 1968 schon die Weichen fürs Neue Hollywood gestellt werden, ergeht sich THE GREEN BERETS in einer altbackenden Mise en Scene, dass mir die Augen einschlafen.

3) Der Film versucht, die Figuren, die John Wayne in zahllosen Edelwestern verkörpert hat, aus dem mythischen Amerika der Siedlerzeit in die Gegenwart des Vietnamkriegs zu transferieren. Während man vielen, (allen?), Wayne-Western (mehr oder minder starke) geschichtsrevisionistische und, was die Darstellung der autochthonen Bevölkerung, rassistische Tendenzen unterstellen kann, lässt sich das in einem herkömmlichen Western, meiner Meinung nach, noch halbwegs dadurch entschuldigen, dass das komplette Genre ja nicht so sehr historische Wahrheiten rezipieren möchte, sondern sich voll und ganz der gebetsmühlenartigen Wiederholung mythologischer Strukturen, Bilder, Topoi hingibt. Anders GREEN BERETS: Wer einen Film wie diesen im Jahre 1968 herausbringt, in dem Wayne als Colonel Kirby statt Rothäute eben Vietkongs in die Ewigen Jagdgründe schickt, formuliert damit ein explizites politisches Statement - (und zwar keins, das ich irgendwie gutheißen kann.)

4) Das politische Statement, das GREEN BERETS formuliert, dürfte schon im Jahre 1968 eine nicht unbedeutende Anzahl Kinogänger zum Haareraufen gefunden haben - (man werfe einmal einen Blick in zeitgenössische Kritiken) – und mehr noch heute, wo die reaktionäre, neo-kolonialistische, imperialistische Propagandaschiene des Films niemals mehr in einem derartigen Blockbuster gefahren werden könnte. Falls THE GREEN BERETS seine Pro-Vietnamkriegs-Agenda irgendwie nachvollziehbar begründen würde, könnte man ja noch wenigstens mit dem Film in einen kritischen Diskurs treten. Aber alles, was den Drehbuchautoren Robin Moore und James Lee Barrett einfällt, um den Einsatz US-amerikanischer Militäreinheiten in Südostasien zu rechtfertigen, ist: Wir müssen die Welt vor der kommunistischen Krake retten!, Wir müssen Werte wie Freiheit und Friede verteidigen!, Wir müssen die lokale Bevölkerung Vietnams schützen! Immerhin zeigt der Film seine eigene Rhetorik der hohlen Phrasen und Gemeinplätze in einer Szene zu Beginn ganz offen, wenn Wayne & Co. ein paar Pressevertreter dadurch mundtot machen, dass sie ihnen die oben genannten Sätze mantraartig um die Ohren hauen - solange bis den Journalisten davon die Lippen ganz verklebt sind.

5) THE GREEN BERETS bedient sich einer bedenklichen Schwarzweißmalerei, bei der sämtliche US-Soldaten wahre Helden sind, die sich sowohl im Feld wie im zwischenmenschlichen Kontakt als absolut integer erweisen, während die zivilen Vieznamsen ausnahmslos als gutmütige, wenn auch einfältige, eine starke Hand bedürfende Reisbauern dargestellt werden und die Guerillas, wen wundert’s?, als reißerische Bestien, die ihre Herzensfreude daran haben, bis zum Scheitel bewaffnet im Dschungel darauf zu lauern, den unersättlichen Blutdurst zumindest temporär befriedigen zu können.

6) THE GREEN BERETS verfügt über eine der nervigsten (und ebenfalls bedenklichsten) Kinderfiguren der mir bekannten Filmgeschichte – einen kleinen Jungen, der seine Eltern im Krieg verloren hat, den ganzen Tag bei den US-Marines herumhängt und jeden Militär mit „You are funny!“ begrüßt. Bedenklich ist die Rolle nicht nur, weil jedes Mal, wenn der Bub ins Bild gerät, eine pseudo-asiatische Melodie zu spielen beginnt, (damit wir ja den Exotismus der Figur nicht aus den Augen verlieren), sondern auch, weil der Knabe letztendlich in die perfide Argumentationsstruktur des Films eingeflochten wird: Am Ende begleitet Wayne den Jungen in den Kitschpostkarten-Sonnenuntergang und gibt ihm mit auf den Weg, er (sprich, seine Generation) sei der Grund, weshalb sich die USA überhaupt die Hände in Vietnam schmutzig machen.

7) THE GREEN BERETS spielt zwar mitten im Krieg, kennt aber keinen Tod, kein Leid, keinen Schmerz, keine Verzweiflung, keine menschlichen Gefühle, die über Heroismus hinausgehen würden: Auch wenn manch ein Kämpfer sein Leben lassen muss, dann tut er das wie die Krieger auf historistischen Gemälden des 19. Jahrhunderts – selbst die Zeit bleibt noch stets für ein paar letzte pathetische Worte an die Kameraden: Kämpft weiter, damit ich nicht umsonst gestorben bin!

8) Auch die bereits erwähnten durchaus atemberaubenden Kriegsszenen voller Explosionen, Bombardements, Dschungelbränden bilden reine Schauwerte, die mir das Gemetzel in Vietnam nachgerade als ästhetisches Vergnügen präsentieren sollen. Es erinnert an die Futuristen, die angesichts der Bomben, die während des Ersten Weltkriegs auf italienische Städte fielen, in sicherer Entfernung die Zerstörungsorgien als Schauspiel genossen haben sollen – nur münzten Marinetti & Co. ihre Betrachtungen wenigstens in aufrüttelnde Kunstwerke um, während ein Film wie THE GREEN BERETS trotz aller lauter Musik, trotz aller martialischer Momente, trotz aller Materialschlachten letztendlich nur daran gelegen ist, mir eine Schlafmütze über den Kopf zu ziehen und mich vor Sechs ins Bett zu schicken, damit ich am nächsten Morgen früh genug wach bin, um meine Einberufung zu unterzeichnen.
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