Die Teufelspuppe - Tod Browning (1936)

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Maulwurf
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Die Teufelspuppe - Tod Browning (1936)

Beitrag von Maulwurf »

 
Die Teufelspuppe
The devil-doll
USA 1936
Regie: Tod Browning
Lionel Barrymore, Maureen O'Sullivan, Frank Lawton, Rafaela Ottiano, Robert Greig, Lucy Beaumont,
Henry B. Walthall, Grace Ford, Pedro de Cordoba, Arthur Hohl, Juanita Quigley, Claire Du Brey


The devil-doll.jpg
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Zwei Männer können aus einem Straflager fliehen, und jeder der beiden hat ein Motiv für die Flucht. Marcel ist Wissenschaftler und will um jeden Preis seine Experimente mit der Verkleinerung von Lebewesen fortführen. Paul Lavond war vor 17 Jahren Bankdirektor, wurde aber von seinen Kompagnons hintergangen und musste für deren Veruntreuungen ins Bagno. Die beiden können sich in Marcels Unterkunft in den Sümpfen verstecken, wo Marcels Frau Malita all die Jahre erfolgreich weiter experimentiert hat. Mittlerweile ist es möglich, Lebewesen wie zum Beispiel Hunde oder Pferde, auf ein Sechstel ihrer ursprünglichen Größe zu schrumpfen. Das Gehirn schrumpft dabei natürlich auch, was ein Problem darstellt, aber Malita hat einen Weg gefunden das Gehirn zu erhalten, wenngleich auch unter der absoluten psychischen Kontrolle eines Menschen. Als Marcel an einem Herzinfarkt stirbt ist es an Malita, Paul zu erklären, wie er ihre Experimente für seine Rache einsetzen kann.
Und so lernen wir Miss Mandilip kennen. Miss Mandilip ist der steckbrieflich gesuchte Paul Lavond in der Verkleidung und dem Gestus einer alten Frau, der zusammen mit Malita ein Spielwarengeschäft in Paris betreibt. Und so ganz nebenher seine alte Mutter pflegt, sich unerkannt um seine Tochter kümmert, und auch nicht vergisst, dass er ja den Grafen von Monte Christo machen will und eine Rache auszuüben hat.

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Ich kann mir nicht helfen, ich mag die Art wie Tod Browning seine Märchen für Erwachsene erzählt. So wenig ich bisher von ihm kenne (Schande über mich), so sehr faszinieren mich diese wenigen Filme. DIE TEUFELSPUPPE zum Beispiel – Browning erzählt ruhig und ohne Aufregung eine vollkommen überkandidelte und spinnerte Story, die gerade durch seinen Erzählstil schon fast realistisch wirkt. Die Darsteller chargieren als ob sie den Begriff Overacting gerade erst erfunden hätten, und durch diese Kombination aus völlig idiotischem Realismus und überzogener Darstellung entsteht eine ganz eigene Stimmung, in der man meint, dass jederzeit alles möglich ist. Henry B. Walthall als Marcel rollt mit den Augen und ist wirklich der perfekte Mad Scientist – Da ist kein Platz mehr übrig für irgendwelche normalen Gedanken, der Mann hat einfach gewaltig einen in der Krone. Viele Jahre Straflager, eine gefährliche monatelange Flucht durch die Sümpfe, und kaum zuhause angekommen beherrscht nur ein einziger Gedanke sein Denken: Die Experimente müssen weitergehen!
Lionel Barrymore als Paul Lavond schafft das Kunststück, dass ein Mörder, der ständig so redet als ob er stockbesoffen wäre, das so ein Mann unsere Sympathien bekommt. Ja dass man sogar hofft, dass Happy-End dieses Mal bedeutet, dass Lavond heil davonkommt und sein Glück findet. Bei aller Knarzigkeit und Knorrigkeit, bei allen stieren Blicken mit denen dieser Mann um sich wirft wie ein rächender Gott mit seinen Blitzen, so ist er doch ein von Grund auf guter und netter Mensch. Ein sympathischer Mörder mit einem hemmungslosen Hang zum wilden Grimassieren. Dass Miss Mandilip einem wie eine merkwürdig mörderische Version von Miss Doubtfire vorkommt unterstreicht nur diesen Spagat, den Lionel Barrymore mit Hilfe seiner Gesichtsentgleisungen problemlos hinbekommt.

Und natürlich Rafaela Ottiano als Malita, im angesagten 1935’er-Elsa Lanchester-Look mit weißer Strähne im Haar und weit aufgerissenen Augen. Wobei, Humphrey Bogart hatte diese Strähne in DAS ZWEITE LEBEN DES DR. X ja auch, vielleicht trägt man sowas als Madman ja, was weiß denn ich. Malita auf jeden Fall ist die Ehefrau des Mad Scientists, und steht ihrem über alles geliebten Mann in Nichts nach. Das Endziel heißt, alle Menschen auf ein Sechstel ihrer Größe zu schrumpfen, und dieses Ziel wird unnachgiebig verfolgt, koste es was es wolle. Auch die Blicke Maritas könnten lebende Wesen erstarren lassen, und selbst ihr Hund schaut aus wie aus dem Hundeirrenhaus ausgebrochen … Overacting eben …

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Das Thema heißt also Attack of the 1 ft. Woman!! Wenn die kleine Lachna mit ihren geschätzt 20 Zentimetern Größe einen tatsächlichen Mord begeht, dann spielt sich das letzten Endes zwischen zwei Polen ab: Auf der einen Seite der vollkommen durchgeknallte Wahnsinn einer 30 cm-Frau, die durch ein Schlafzimmer krabbelt um einen Mord zu begehen, und auf der anderen Seite pure Hochspannung, weil unsere Sympathie mit Lachna durch die Puppenhäuser streift. Diese Szenen sind erstklassig getrickst und fesseln gerade durch ihren narrativen Wahnsinn, und weil sie eben in einer Realität aufgehängt sind, in der sie auf eine irrwitzige Art glaubhaft wirken und damit Hochspannung verbreiten. Trashiger Grand Guignol, der in der modernen Welt ein solides Fundament zum Wirken hat.

Da stört auch das entsetzlich kitschige, Hays-Code-adäquate Ende auf dem Eiffelturm nicht mehr, und an die nervenzerfetzende … Stimme von Lionel Barrymore hat man sich dann auch irgendwann so halbwegs gewöhnt. In Summe ist DIE TEUFELSPUPPE liebenswertes, dramatisches und völlig abgefahrenes Horror-Thriller-Kino mit Jack Arnolds unglaublichem Mr. C als Attentäter und Miss Doubtfire als Gräfin von Monte Christo. Mehr kann man wirklich nicht verlangen …

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