Hitler's Harlot - Hy Del (1973)

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Salvatore Baccaro
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Hitler's Harlot - Hy Del (1973)

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Originaltitel: Hitler's Harlot

Produktionsland: USA 1973

Regie: Hy Del

Darsteller: Nancy Martin, Larry Barnhouse, Billi Best, April Grant, Gordon Freed
Nach dem zweifelhaften Genuss mancher Filme frage ich mich ernsthaft, weshalb ich mir diese eigentlich bis zum Schluss angetan habe. Die Pflicht des Chronisten hat manchmal die Form eines Kreuzes oder einer Geißel. Doch bei manchen Mach-werken sollte man doch vornherein wissen, was da auf einen zukommt. Ein US-amerikanischer Nazi-Porno aus dem Jahre 1973. Ich sollte doch im Vornherein wissen, was da auf mich zukommt. Ich drücke Play und lehne mich seufzend zurück…

HITLER'S HARLOT beginnt mit dem Mann, dessen Namen der Film trägt. Kurz und knapp, und ziemlich wahllos, berichtet ein Off-Sprecher zu Originalaufnahmen des Dritten Reichs, die man wohl aus irgendwelchen Wochenschauen relativ holprig zu-sammengesammelt hat, von dessen Geschichte. Im Jahre 1933 ist Hitler Reichskanzler geworden. 1936 zählt die NSDAP bereits 6 Millionen Mitglieder. 1944 hat sich Hitlers Traum von einem Tausendjährigen Reich in einen Alptraum für die Menschheit verwandelt. Den rechten Arm in die Höhe gereckt schreitet der Führer an jubelnden Volksmassen entlang. Wir sehen Haken-kreuzbanner, marschierende SS-Leute, Menschen in ärmlicher Kleidung, die auf Züge warten. Es fallen die Namen Auschwitz, Dachau, Treblinka. Dass wir es jedoch mit einem Film zu tun haben, der diese ersten eineinhalb Minuten mehr wie ein Alibi benutzt, um die nachfolgenden Swastika-Sexorgien moralisch zu rechtfertigen, machen bereits zwei Dinge deutlich, die beredtes Zeugnis ablegen von der Sorgfalt, die die Verantwortlichen bei ihren Recherchen aufgewendet haben müssen: Während der Off-Sprecher erklärt, dass es das Horst-Wessel-Lied gewesen sei, zu dem Hitlers schwarzen und braunen Sturmtruppen stets aufmarschiert seien, spielt, was einfach nur unfreiwillig komisch wirkt, von der Tonspur der Volksschlager HOCH AUF DEM GELBEN WAGEN. Ebenso rätselhaft bleibt, weshalb man ausgerechnet ein Bild des tschechischen Jugendstilmalers Alfons Mucha – es handelt sich um ZODIAC von 1896 – als Hintergrundfolie für den Vorspann gewählt hat. Bedenkt man, dass Mucha gleich nach dem Einmarsch Deutscher Truppen in Prag 1939 interniert worden und kurz darauf in Gefangenschaft an den Folgen einer Lungenentzündung verstorben ist, hört es mit der unfreiwilligen Komik fast schon wieder auf.

Aber eigentlich gehe ich wohl schon wieder viel zu verkopft an ein Machwerk wie das vorliegende heran. Deshalb gleich vorweg: HITLERS HARLOT ist ein Porno, nicht mehr, nicht weniger. Er beinhaltet die Essenz dessen, was das kurze Zeit später vor allem in Italien exploitierend explodierende NS-Lagerfilm-Genre oder auch der kanadische Kultklassiker ILSA – SHE-WOLF OF THE SS noch wesentlich geschmackloser auswalzen sollten: Bitterböse Nazi-Unholde und –Unholdinnen verhören und vergewaltigen unschuldige Frauen – im Prinzip also genau das, was Lee Frost schon Ende der 60er in LOVE CAMP 7 durchexerziert hat, nur eben noch minimalistischer, noch billiger, noch, wenn man so will, ehrlicher.

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Die drei HITLER'S HARLOT hauptsächlich konstituierenden Aspekte findet man schon gleich hübsch versammelt in der ersten Spielszene des Films: Ein SS-Mann mit fieser Fratze inspiziert, während die Tonspur im Hintergrund immer noch nicht müde wird, das Lied vom hohen, gelben Wagen in Dauerschleife runterzuleiern, vier Gefangene, die brav nebeneinander auf Warte-zimmerstühlen sitzen. Es sind, von links nach rechts: Eine Brünette, die alles dafür tut, ihrer Mimik einen Ausdruck von Entsetzen zu verleihen, und darin großartig scheitert. Eine Blondine, die einen eher gelangweilten Eindruck macht und kaugummikauend demonstrativ in irgendeine Zimmerecke starrt. Eine dritte Dame, deren natürliche Haarfarbe nicht zu bestimmen ist, da sie eine viel zu große und ziemlich hässliche Zopfperücke trägt. Ein Herr mit schiefsitzender Baskenmütze, Bart und Brille, der umher-blickt, als wisse er selbst nicht, was er eigentlich in diesem Raum und diesem Film soll.
Die drei besagten Kernaspekte von HITLER'S HARLOT sind: 1. Das schauspielerische Talent sämtlicher Darsteller tendiert in den Minusbereich. Zu erkennen ist gerade in dieser Anfangsszene ganz schön, was wohl die Regieanweisung an die einzelnen Mimen gewesen sein soll, nämlich cool zu wirken oder verängstigt oder verwirrt. Dass man keinem der Opfer zu irgendeinem Zeitpunkt seine Nöte und Leiden wirklich abnimmt, und dass auch die beiden Antagonisten – der bereits erwähnte SS-Mann sowie die obligatorische lesbische Kommandantin – mehr wirken wie bewusst karikierte Abziehbildchen von Nazi-Klischeefiguren, macht es mir von Anfang an schwer, den Film in irgendeiner Weise ernst zu nehmen. Andererseits ist ein besonders versiertes Schauspiel von den Darstellern, sofern es sich nicht im rein physischen Bereich bewegt, sowieso nicht gefordert. 2. Es fällt schwer, das zu glauben, aber gegen die Kulissen, mit denen das Auge in HITLER'S HARLOT verwöhnt wird, sehen sogar die, in denen Sergio Garrone 1976 sein Naziploitation-Doppelpack SS EXPERIMENT LOVE CAMP und SS CAMP 5 abdrehen wird, wie Meisterleistungen der Bühnenbaukunst aus. Exakt zwei Räume sind es, in denen vorliegender Film seine nicht vorhandene Handlung abrollt – das Wartezimmer mit seinem Interieur von vier Stühlen sowie das Büro der sogenannten Kommandantin, dessen Interieur aus einem Holzschreibtisch und einer überdimensionalen Hakenkreuzflagge besteht. Wo genau wir uns eigent-lich befinden, das kommt in HITLER'S HARLOT übrigens zu keinem Zeitpunkt zur Sprache. Das Einzige, was feststeht, ist: Sämtliche vier Häftlinge sollen irgendwie mit einem gewissen Jean Paul in Verbindung stehen, bei dem es sich wohl um einen Widerstandskämpfer handelt, über den sich die Frau Kommandantin und ihr SS-Sidekick nähere Informationen von ihren Opfern erhoffen. Alles Weitere bleibt im Dunkeln: Soll der Film in Deutschland spielen, im besetzten Frankreich, in einem Konzentrationslager, oder schauen wir etwa nur einer Gruppe Uniformfetischisten bei ihrem SM-Rollenspielen in irgendeinem US-Keller der Frühsiebziger Gegenkultur zu? 3. HITLER'S HARLOT wäre ein gefundenes Fressen für alle, die gerne auf den sogenannten male gaze eindreschen wollen, d.h. jene Perspektive eines Pornos, in dem das vorwiegend weibliche Sexualobjekt skopophilisch seiner Persönlichkeit entkleidet und auf eben diese reine Objektfunktion reduziert wird. Wenn der namenlose SS-Mann seine künftigen Opfer beäugt, dann paktiert er dabei mit der Kamera, die nach einem Schnitt genau seine Perspektive einnimmt und die Reihe der vier Gefangenen einmal von links nach rechts entlangschweift. Was diese kurze Kamerafahrt andeutet, löst der folgende Film dann auch vollkommen ein: HITLER'S HARLOT ist mal wieder ein Film, bei dem ich mich ernsthaft frage, ob tatsächlich auch nur irgendein Mensch irgendwo auf der Welt jemals von seinen völlig unästhetischen Balze-reien sexuell erregt worden ist. Eher stellt sich bei mir ein leichtes Gefühl von Ekel ein, wenn ich minutenlang einer Frau zusehe, die mit geschlossenen Augen und komplett mechanisch, als sei sie eine Fickmaschine aus de Sades Lustkeller, per Mund und Manus einen erigierten Penis bearbeitet. Noch am ehesten knistert es, wenn sich eins der inzwischen selbst geil gewordenen Opfer mit der Lagerkommandantin vergnügt, und beide ihre vor Öl schmierig glänzenden Körper aneinander reiben. Sollten die penetranten und oftmals asynchronen Stöhn-, Schleck- und Schmatzgeräusche aus dem Off, bei denen sich mir der Magen um dreihundertsechzig Grad dreht, dazu gedient haben, dieses zarte Knistern im Keim zu ersticken, haben sie ihre Aufgabe vortrefflich erfüllt.

Glücklicherweise gestaltet sich der restliche Soundtrack von HITLER'S HARLOT vergleichsweise angenehm. User lor_ hat in seiner Kritik auf der imdb eine beachtliche Liste all der Kompositionen zusammengestellt, die die Verantwortlichen scheinbar von überallher kostenlos zusammenscharten. Er oder sie nennt, unter anderem, Filmscores von Nino Rota, John Barry und Miklos Rosza, das Liebesthema aus GONE WITH THE WIND, sogar einen Fetzen aus The Doors‘ LIGHT MY FIRE will er oder sie erkannt haben. Irgendwie wirkt es, als hätten die Macher von HITLER'S HARLOT wesentlich mehr Zeit dafür aufgewendet, ihren Film halbwegs ansprechend akustisch auszukleiden – und sich dafür kein bisschen um den Rest geschert.

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Nach einer Dreiviertelstunde sterbenslangweiliger Sexhandlungen, einem Hauch von alberner Komik – nämlich wenn sich der Penis des einzigen männlichen Gefangenen wider dessen Willen beim Anblick einer Lesbenszene zu einem Micky-Mouse-Toneffekt salutierend in die Höhe hebt -, und einem etwas stärkeren Hauch Fetischismus – vor allem der Phallusersatz der Kommandantin, ein Prügelknüppel, wird ausführlich in die verschiedenen Opfervaginen ausgeführt -, endet HITLER'S HARLOT mit einem Finale, gegen das, erneut, die Schlusspointen von Sergio Garrones Lagerfilmchen raffiniert-komplexes Storytelling darstellen. Vollkommen aus dem Nichts materialisiert sich der sagenumwobene Jean Paul plötzlich unter Opfern und Tätern, und richtet mit seinem MG wild um sich schießend letztere und rettet erstere. Nach ein paar Sekunden ist das Töten schon vorüber, und die Kommandantin schleppt sich schwerverletzt zu einer der nackten Frauen, die von Jean Paul und seiner Clique offenbar zurückgelassen worden ist. Gemeinsam fallen die Damen übereinander her und besiegeln ihre Leben, scheint es, mit einer letzten Kopulation, die der Film auf fast zehn Minuten auswalzt, bevor das Bild von Farbe in Schwarzweiß kippt, und schließlich in neuerliche Originalaufnahmen des Zweiten Weltkriegs ausläuft: Während es Bomben auf Deutsche Städte hagelt und getroffene Gebäude zu Ruinen ausbrennen, unterrichtet uns unser geliebter Off-Sprecher davon, dass besagter Krieg am 8. Mai 1945 zu Ende ging und dass Deutschland damit die Möglichkeit gegeben worden ist, zu einer echten Demokratie zu werden. The End.

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Bitterböse Nazi-Unholde und –Unholdinnen verhören und vergewaltigen unschuldige Frauen. Wer unbedingt wissen will, wie ein typischer italienischer Naziploitation-Film aussehen würde, wenn er quasi ohne Geld und ohne Ideen in den frühen 70ern für den US-amerikanischen Porno-Markt gedreht worden wäre, ist mit HITLER'S HARLOT bestens beraten. Ich habe erstmal genug.
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