Jojo Rabbit - Taika Waititi (2019)

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Maulwurf
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Re: Jojo Rabbit - Taika Waititi (2019)

Beitrag von Maulwurf »

 
Jojo Rabbit
Jojo Rabbit
USA /Neuseeland / Tschechien 2019
Regie: Taika Waititi
Roman Griffin Davis, Thomasin McKenzie, Taika Waititi, Sam Rockwell, Scarlett Johansson, Rebel Wilson, Alfie Allen, Stephen Merchant, Victoria Hogan, Brian Caspe, James McVan, Luke Brandon Field, Bethany Adams, Judith Georgi, Joe Weintraub, Iva Sindelková, Sam Haygarth


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OFDB

Im Frühling 1945 lebt der 10-jährige Johannes Betzler, genannt Jojo, im kleinen deutschen Örtchen Falkenheim. Der Krieg scheint so weit weg zu sein, und Jojo ist ja so begeistert vom Führer und von Uniformen und vom Dritten Reich überhaupt. Wie alle 10-jährigen Jungens in dieser Zeit. Und wie so viele Jungs dieses Alters hat er auch einen unsichtbaren Freund – Adolf! Ja genau, den Adolf, der ihm Tipps und Tricks verrät, der ihn moralisch unterstützt, und der ihn nach Rückschlägen wieder aufrichtet. Wie im Jugendlager, in dem Jojo ein Kaninchen töten soll, was er aber nicht kann, und womit er sich zum Gespött der zäh-wie-Leder-und-hart-wie-Kruppstahl-Kameraden macht. Adolf macht ihm wieder Mut, Adolf richtet Jojo auf, und gibt ihm die Energie einfach loszurennen, dem referierenden Hauptmann eine Handgranate aus der Hand zu reißen, diese zu werfen – Und sie nach dem Abprallen an einem Baum direkt wieder vor die Füße zu bekommen. Danach ist Jojo gehbehindert und nicht mehr so hübsch wie früher, aber er lebt noch. Und seine Mutter, die alleinerziehende Rosie, liebt ihn immer noch.

Rosie. Rosie ist Jojos beste Freundin. Sie ist Jojos Vertraute, seine Motivatorin, seine Psychiaterin, und im Gegensatz zu Adolf auch aus Fleisch und Blut. Aber Rosie hat auch ihre Geheimnisse, und als Jojo eines davon entdeckt wird sein Weltbild nachhaltig erschüttert: Hinter der Wand, unter dem Dach, lebt versteckt ein jüdisches Mädchen. Das gar nicht aussieht wie ein Werwolf. Und beim Schlafen auch nicht an der Decke hängt, aber nach deren eigenen Aussage sind Käsebrote tödlich für Juden. Jojo bittet das Mädchen, Elsa, ihm alles über Juden zu erzählen, damit er ein Buch schreiben kann, das er dann dem Führer schenken will. Denn es ist gar nicht so einfach Juden zu erkennen, die schauen ja genauso aus wie alle …

Mehr mag ich nicht erzählen. Da passiert noch so unglaublich viel, und das Wissen über die Ereignisse könnte einem den Spaß verderben. Häh, was? Spaß? Spaß in einem Film über einen 10-jährigen in den letzten Tagen des Dritten Reichs? Ja, Spaß! Keine teutonisch-gelehrte Verbiestertheit, sondern ein lockerer und spielerischer Umgang mit den Erlebnissen von Jojo, konsequent aus der Sicht eines kleinen Jungen erzählt. Der lässige und dabei doch so unglaublich frustrierte Hauptmann K? Die Gestapomänner? Das jüdische Mädchen, das ihm sein Fahrtenmesser geklaut hat? Sein zweitbester Freund Yorki, denn der beste Freund muss ja Adolf Hitler sein? Ja, alles dies atmet den Geist eines abenteuerlichen und dabei doch hochgradig gefährlichen Lebens. Alles außerhalb der Wohnungstüre ist gefährlich, und dafür muss man sich erst bereit machen! Wie halt das Leben mit 10 Jahren so ist …

Der Film beginnt mit einer kongenialen Schnittorgie, bei der Riefenstahl-Bilder von Hitlerauftritten mit (deutschsprachigen) Beatles-Liedern und schreienden Teenies hinterlegt werden, und er endet mit dem Kriegsende genauso passend mit der deutschen Fassung von David Bowies Heroes. Alles dazwischen ist eine Achterbahnfahrt der Gefühle, ein ständiges Auf und Ab der Ereignisse, und das Lachen bleibt dem Zuschauer mindestens genauso oft im Hals stecken wie das Grauen überhandnimmt. Es gibt urkomische Momente, es gibt nacktes Entsetzen, und wie im Leben liegt das eine direkt neben dem anderen. Nazis sind nicht per se dämonisch und finster, sondern sie sind oft genug Menschen wie Du und ich. Sie sind Mitläufer in einem Regime, das alle, die nicht für das Regime waren, gnadenlos ausgemerzt hat. Und deren Sympathisanten gleich mit, was in JOJO RABBIT auch nicht ausgeblendet wird. Trotzdem werden hier Menschen porträtiert, keine Teufel, und allein dies macht JOJO RABBIT so absolut sehenswert. Neben dem schier unglaublichen Ideenreichtum natürlich. Und neben diesem Füllhorn an Gefühlen, die das Drehbuch über Charakteren und Zuschauern ausschüttet …

8/10
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
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