Pig - Michael Sarnoski (2021)

Moderator: jogiwan

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fritzcarraldo
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Pig - Michael Sarnoski (2021)

Beitrag von fritzcarraldo »

Oldenburg Filmfestival. Casablanca Kino.
"Who has my pig?"
Pig
3847741.jpg
3847741.jpg (317.68 KiB) 490 mal betrachtet
(USA 2021)
Regie: Michael Sarnoski
Mit Nicolas Cage, Alex Wolff, Adam Arkin.
Einsiedler Rob Feld (Nicolas Cage) lebt mit seinem Trüffelschwein irgendwo in der Wildnis. Sein einziger Kontakt ist Amir (Alex Wolff), der für viele seiner Kunden direkt bei Feld die teuren Trüffel kauft und abholt. Eines nachts wird Rob überfallen und sein Schwein gestohlen. Zusammen mit Amir begibt er sich in die Zivilisation auf die Suche nach dem Schwein.
Es ist schon so eine Sache mit Nicolas Cage. In den letzten Jahre lieferte er immer wieder nur Massenware ab, um es mal vorsichtig zu formulieren. Natürlich waren immer wieder auch Ausreißer nach oben dabei. MANDY ist da sicher ein gutes Beispiel. Wobei ich persönlich den tollen und wenig bekannten ARMY OF ONE vorziehen würde. Das ist aber Geschmacksache. Cage und seine Filme sind aber darüberhinaus auch immer wieder gerne auf dem Filmfest in Oldenburg gesehen. Er war ja vor ein paar Jahren sogar mal auf dem Filmfest in Oldenburg zu Gast. Und ja, PIG ist wirklich sehenswert. Wer jetzt aber eine Art John Pig äh Wick (sorry für das blöde Wortspiel :P ) erwartet hatte, lag völlig falsch. Der Film entpuppt sich für alle Personen als Reise zu sich selbst und steht damit in guter Tradition des Filmfestes Oldenburg, welches ja immer auch das US-Independent Kino im Fokus hat. In Teilen erinnerte mich PIG sogar an CALIFORNIA SOLO mit dem grandiosen Robert Carlyle, als Ex-Rockstar auf der Suche nach sich selbst. CALIFORNIA SOLO konnte man vor ein paar Jahren ebenfalls in Oldenburg bestaunen. Auch hier hat Rob Feld eine Vergangenheit, die es aufzuarbeiten gilt. Und es ist einfach so. Wenn Cage ganz ruhig agiert, ohne seine berühmten Grimassen, wie schon im oscarprämierten LEAVING LAS VEGAS, dann ist er einfach eine Schau. Dies soll nicht heißen, dass er umgekehrt nicht grandios sein kann. Siehe FACE/OFF. Aber gerade hier passte es wunderbar. Ein wirklich schöner Film. Und als dann am Schluß noch eine kleine, aber feine Coverversion von Springsteens I´M ON FIRE erklingt, ging ich beseelt aus dem Kino.
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karlAbundzu
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Re: Pig - Michael Sarnoski (2021)

Beitrag von karlAbundzu »

Ein Mann lebt allein im Wald und sammelt mit seinem Schwein Trüffel. Einziger Kontakt ist in jungen smarter Typ, der seine Trüffel an die Restaurants bringt. Eines Nachts wird sein Schwein gekleut. Um es wieder zu finden geht er auf eine Reise in seine eigene Vergangenheit.
Mein Faible für den unabhängigen us-amerikanischen Film jüngeren Datums (also nach 1990) begang ja durch Besuche des Filmfestes Oldenburg. So wa es passend, dass er dort lief, leider ohne mich, so dass ich ihn jetzt nachholte.
Denn dies ist kein Actioner, hier ist kein Liam Neeson, der aufräumt mit der Gastro-Mafia, sondern ein reflektierter alter Mann, der seine Vergangenheit mit sich selbst konfrontiert, um sein liebstes zu finden. Begleitet wird er von einem jungen Mann, so ist es auch ein Film über diese Beziehung.
Schöne langsame lange Aufnahmen, ungewöhnliche leicht schräge Dialoge, überaschende Gewalt, ein gutes Buch, herrliche Kamera, zurück genommender wunderschöner Soundtrack, gute Songauswahl, und in den Hauptrollen zwei gute Schauspieler: Nic Cage und Alex Wolf.
Die Stadt wird als Stadt gezeigt, aber eben auch eine Art Haus, in den verschiedenen Ebenen man sich einzurichten hat. Aus dem man mal fliehen muss.
Traurig und vesöhnlich auch noch.
Mir hat er sehr gut gefallen.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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Arkadin
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Re: Pig - Michael Sarnoski (2021)

Beitrag von Arkadin »

Ich schrieb nach der Kinosichtung:

Ich hatte vorher nicht viel über den Film gehört. Nur, dass Nicolas Cage die Hauptrolle spielt. Einen Einsiedler, dem sein geliebtes Trüffelschwein gestohlen wird, und der sich nun aufmacht es sich zurück zu holen.

Erwartet habe ich einen kompromisslosen Action-Film in Richtung „John Wick“ mit Nicolas Cage in Selbstjustiz-Modus. Vor allem, weil Regisseur Michael Sarnoski in der Einführung zum Film als „der Regisseur von ‚Love of the Dead‚“ vorgestellt wurde. Das klang irgendwie nach einem Indie-Low-Budget-Zombie-Funsplatter-Film, ist aber wie ich jetzt gesehen habe ein 10 Jahre alter Kurzfilm, der – glaubt man den spärlichen Reviews – eine morbide und ruhige Liebesgeschichte erzählt.

Tatsächlich macht „Pig“ zunächst den Eindruck genau in diese angenommene „I Will Find You And I Will Kill You“-Richtung zu gehen. Denn Rob – die Figur die Cage spielt – begibt sich auf der Suche nach seinem Schwein in die Stadt, wo er geheime Verstecke und zwielichtige Typen kennt. Dann gerät er noch in eine Art Underground-Fight-Club. „Okay, jetzt weiß man wo der Hase hinläuft“, denkt man da bei sich. „Habe ich es doch gewusst!“ Doch dann schlägt der Hase einen Haken und „Pig“ läuft eine völlig andere Richtung.

Denn mitnichten ist Rob ein ehemaliger Gangster oder Killer, sondern ging früher einer völlig anderen Profession nach. Welcher möchte ich an dieser Stelle nicht verraten, um nicht zu viel zu spoilern. Eigentlich ist es auch egal, denn im Grunde ist Rob auch nur der Katalysator der Geschichte, in der sein junger Trüffel-Kunde Amir – ein glatter, hipper Geschäftsmann mit Sportwagen und Klassik-Vorliebe – die eigentliche Hauptrolle inne hat. Denn er lebt im Schatten seines dominanten Vaters, der ihm gegenüber keine Liebe mehr entgegenbringen kann. Der nicht an ihn glaubt und seit einem schweren Unfall, der seine Frau und damit Amirs Mutter in ein lebenslanges Koma schickte, zu keinen Gefühlen mehr fähig ist. Der sich in seiner Villa vergräbt und hinter seinem Geld und seiner Macht versteckt.

Generell geht es in „Pig“ um nicht verarbeitete Trauer. Der Unfähigkeit nach einem Verlust ins Leben zurückzufinden. Abzuschließen und weiter zu machen. Die unterschiedlichen Arten, wie man mit Verlust umgeht. Aber auch mit dem Verlust der eigenen Träume und Ideale, wie eine großartige Szene in einem fancy Restaurant zeigt, in der Rob den Chefkoch damit konfrontiert, was aus ihm geworden ist und wie sehr er sein früheres Ich betrogen hat. Sich verkauft an etwas, woran er nie glaubte. Das ist ganz großartig gespielt von Cage und David Knell.

Überhaupt Cage. Weit entfernt von seinem Markenzeichen des mega acting. In diesem Film verzieht kaum einmal das Gesicht. Und wenn er wirklich zweimal die tiefen Gefühle Wut und Trauer zeigt, so ist dies ausgesprochen effektiv und wirkt sehr echt. Kein larger than life, sondern real life. Cage ist brillant als Rob, der sich stoisch durch den Film schiebt. Von seiner beeindruckenden Präsenz her erinnert er (auch von den Pfunden, die er hier – neben langen Rauschebart und Haaren – mit sich herumträgt) an den späten Depardieu, der auch wie ein wanderndes Bergmassiv durch seine reine Physis die Leinwand ausfüllt und einfach nur da sein muss, um den Film zu tragen. Die Nebenrollen sind ebenfalls exzellent besetzt. Von Alex Wolff als Amir, der als Stereotype beginnt, um sich dann zum emotionalen Mittelpunkt des Filmes zu entwickeln, über eben David Knell in seiner kleinen Rolle, hin zu Adam Arkin als Amirs Vater.

Regisseur Michael Sarnoski weiß in seinem Langfilmdebüt genau, was er da tut und widersteht der Versuchung, den Film zu einem typischen „ein Mann holt sich sein Eigentum zurück“-Film werden zu lassen. Ganz ruhig und mit viel Wärme erzählt er seine Geschichte. Unaufgeregt, aber mitreißend. Das Einzige was man aussetzten könnte ist, dass Cage vom Anfang bis zum Ende mit blutverschmiertem Gesicht und Bart herumläuft, obwohl sich die Geschichte über mehrere Tage zieht und er mehr als einmal die Gelegenheit hätte, sich endlich mal das Gesicht zu waschen.

Aber das ist Meckern auf hohem Niveau. Spannend auch, dass sich der Film (wie ein Freund ganz richtig bemerkte) bei seinem Finale an einem sehr populären Pixar-Film orientiert. Welcher das ist, sei hier aus oben genannten Gründen nicht verraten. „Pig“ ist eine große und sehr gelungene Überraschung. Ein sehr gefühlvoller Film, der einen noch lange beschäftigt, und der alles richtig macht.
Früher war mehr Lametta
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fritzcarraldo
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Re: Pig - Michael Sarnoski (2021)

Beitrag von fritzcarraldo »

Ja. Toller Film. Hatte meinen Senf 😏 ja schon dazu abgegeben.

Hier als Tipp noch ein Podcast zum Film

"Drei Gänge, ein Schwein und Nic Cage."

https://projektionen.podigee.io/b59-pig

oder

https://open.spotify.com/episode/0QDaOz ... =copy-link
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McBrewer
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Re: Pig - Michael Sarnoski (2021)

Beitrag von McBrewer »

Ich muss ja gestehen, das ich mir PIG ganz anders vorgestellt hatte.
Quasi eine John Wick/96 hours - Story, nur mit Schwein statt Hund/Tochter & einen völlig entfesselten Nicolas Cage. Wenn man die letzten Filmprojekte von Nick Cage kennt, gar nicht so abwegig.
Und man ist auch schnell im Film, Cage lebt im Wald zusammen mit seinen Trüffelschwein , das dann auch alsbald verschleppt wird.
Der Nick macht sich auch sogleich, noch blutverschmiert, auf die Suche nach seinem Haustier...NEIN: Freundin ! Den was nun die nächsten 90 Minuten die Zuschauerin & Zuschauer erlebt ist eher eine emotionale, wie auch kulinarische Reise des Protagonisten in seine Vergangenheit, als eine brutale Rachestory. Und Nicolas Cage hält sich mit eine etwaigen Overacting auffällig unauffällig zurück, das es dem Film richtig gut tut.
Dabei überrascht auch das minimale Gewaltlevel, so das ich auch noch einmal ungläubig auf das FSK16 Siegel der BluRay blickte.
Dieser Film überrascht von Anfang bis zum Ende
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jogiwan
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Re: Pig - Michael Sarnoski (2021)

Beitrag von jogiwan »

Bei Nicolas Cage Filmen ist man ja mittlerweile auf alles gefasst und auch „Pig“ entpuppt sich als völlig zwangsorginelles Filmchen, dass den Zuschauer auf Teufel komm raus überraschen möchte. Man nehme die simple Story eines handelsüblichen Rachethrillers inklusive John-Wick-Parallel-Universum aus der näheren Vergangenheit, ersetze die Frau/Geliebte durch ein Trüffelschwein, den Elite-Soldaten durch einen Sterne-Koch, den Oberbösewicht durch einen Gastro-Zampano und das blutiges „Grande Finale“ durch einen emotionalen Showdown ohne Blut und fertig ist Film-gewordenes „Whataboutsim“, der wie selbstverständlich sämtliche Plotholes ignoriert. Der Murks funktioniert wohl nur, weil dem Zuschauer einfach alles bekannt vorkommt und man das ja auch schon in abgewandelter Form dutzendfach gesehen hat. Mit seinem Bezug zur Nobelgastronomie ist “Pig“ auch ein sinnbildlicher Beitrag wie ideal geschaffen für die übersättigte Wohlstandsgesellschaft, die alles hat und alles kennt und wo nur noch die völlige Übertreibung als letzter Ausweg bleibt. Ich fand „Pig“ einfach nur langweilig und langatmig und – um beim Thema zu bleiben - wie die mit edlen und ausgesuchten Zutaten gespickte Speisekarte eines megahippen und angesagten Lokals, auf der man erst nichts findet, was einem schmecken würde.
it´s fun to stay at the YMCA!!!



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Arkadin
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Re: Pig - Michael Sarnoski (2021)

Beitrag von Arkadin »

:(
Ich mag den Film ja sehr, sehr gerne und er hat mich - siehe oben - auch sehr berührt.
Dieser Verriss tut da echt weh. Aber gut, andere Menschen, andere Meinungen. Sonst wäre es ja auch langweilig.
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Re: Pig - Michael Sarnoski (2021)

Beitrag von Reinifilm »

Arkadin hat geschrieben: Sa 30. Apr 2022, 09:40 :(
Ich mag den Film ja sehr, sehr gerne und er hat mich - siehe oben - auch sehr berührt.
Dieser Verriss tut da echt weh. Aber gut, andere Menschen, andere Meinungen. Sonst wäre es ja auch langweilig.
Erst „Very Bad Things“, jetzt „Pig“ - irgendein Troll hat den Account von Jogi gehackt. :shock:
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