A Traffic Controller on Crossroads - Che Phun Ki (1986)

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Salvatore Baccaro
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A Traffic Controller on Crossroads - Che Phun Ki (1986)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

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Originaltitel: Nekoli chopyong

Produktionsland: Nordkorea 1986

Regie: Che Phun Ki

Darsteller: Ri Sol Hee, Ko Sam He, Ri Song Il, Ri Yong Nam, Ko Hyang Wol


Abt.: Salvatores kleine Nordkorea-Reise


„Warm rays of the sun are bathing you. / Overflowing with joy and happiness. / Oh, my lovely, dear street. / I sing a song of love for you.” Ernsthaft: Wie schlecht kann ein Film noch werden, der in seiner Vorspannsequenz damit beginnt, dass seine Heldin, die 23jährige Un Suk, die gerade ihre Prüfung zur Verkehrspolizistin bestanden hat und nunmehr als lebende Ampel das Verkehrschaos in Nordkoreas Hauptstadt Pjöngjang regeln darf, inmitten eines Fuhrparks von auf ihr Kommando losfahrender oder bremsender Vehikel ein Loblied auf die ihr anvertraute Fahrbahn anstimmt?

Während meines Urlaubs in Nordkorea muss ich feststellen, welche wichtige Funktion sogenannte „Traffic Controller“ bekleiden. Ohne diese wären die Straßen alsbald übersät mit Leichen von Passanten, brennenden PKWs, ineinander verkeilten Lastwägen. Ausnahmslos sind es junge Frauen in blauen Uniformen, deren roboterhafte Gesten das Rot und Grün der Ampelzeichen unterstreichen und an deren strengem Blick kein sich noch so sicherfühlender Verkehrssünder vorbeikommt. Egal, ob man das Tempolimit überschreitet, ob man die Straße an Stellen überquert, wo man das nicht darf, oder ob man im Truck seines Arbeitgebers private Haushaltsgegenstände geladen hat, für deren Transport man gar keine Lizenz besitzt – ohne Gnade ziehen die Verkehrspolizistinnen Dich aus dem Verkehr und nehmen Dich mit zur Wache, wo Du neben einer satten Geldstrafe auch gleich noch eine pädagogische Standpauke mit auf den Weg bekommst. Zumindest ist das der Arbeitsalltag von Un Suk, wie ihn uns der 1986 entstandene Film NEKOLI CHOPYONG präsentiert – eine nun wirklich eigenartige Mischung aus Liebesromanze, Tragikomödie und Lehrfilm, dessen selbsterklärte Agenda es ist, sein Publikum dafür zu sensibilisieren, dass die Regeln im Straßenverkehr dafür gedacht sind, eingehalten zu werden, und dass jeder Gesetzesübertritt einen Schaden für die gesamte Gesellschaft bedeutet, der nur empfindlich geahndet werden darf, wenn man die Ausnahme nicht zur Regel werden lassen möchte.

Zu Beginn des Films überführt Un Suk gleich zwei Männer, die es mit den bestehenden Gesetzen nicht so ernstnehmen: Gyong Chan ist der Fahrer eines LKWs, mit dem er im Auftrag einer Lebensmittelfabrik eigentlich Nahrungsgüter ausliefern sollte. Allerdings braust er nicht nur deutlich über dem Tempolimit durch die Straßen Pjöngjangs, sondern hat außerdem eine Waschmaschine im Laderaum, die nicht mal mit viel gutem Willen als Lebensmittel deklariert werden kann. Seine patzigen Antworten und generell sein uneinsichtiges Verhalten führen erst recht dazu, dass Un Suk ihn mit auf die Wache nimmt. Auch seinem Begleiter Nam Chol bleibt nichts anderes übrig, als sich abführen zu lassen, denn mitgefangen, mitgehangen – zumal es sich bei dem jungen Mann um den offiziellen Chauffeur des Chefs eines renommierten Forschungsinstituts handelt, und was hat der überhaupt mit Gesetzlosen wie Gyong Chan zu schaffen? Nach der obligatorischen Maßregelung, (bei der Un Suk und ihre Kolleginnen sich anhören und gebärden, als würden sie mit zwei kleinen Buben und nicht mit erwachsenen Männern sprechen), setzt es natürlich ein Ordnungsgeld – und den drohend gemeinten Hinweis, man wolle Nam Chol und Gyong Chan niemals wieder bei solch schweren Straftaten erwischen. Es dauert aber nicht lange und Un Suk stellt fest, dass sie mehr mit den beiden Männern verbindet als sie zunächst gedacht hat: Wie groß ist ihr Erstaunen, als sie zufällig erfährt, dass Nam Chol tatsächlich der Verlobte einer ihrer besten Freundinnen ist – und dass die Waschmaschine, die Nam Chol transportiert hat, ein frischerworbenes Haushaltsgerät ihrer eigenen Mutter darstellt: Als diese mit dem schweren Gerät am Straßenrand steht und verzweifelt nach einem Taxi Ausschau hält, bietet ihr der zufällig vorbeikommende Lieferwagenfahrer an, die Waschmaschine mitzunehmen und ihr bis vor die Haustür zu bringen. Schwer lastet nun Un Suks Gewissen: Hätte sie bei den beiden Männern nicht etwa ein Auge zudrücken sollen? Geht sie allgemein viel zu rigoros gegen Delinquenten vor, die sich vergleichbare banale Alltagsvergehen zuschulden kommen lassen? Sollte sie nicht besser auf ihr altruistisches Frauenherz hören statt auf die nackten, kalten Lettern der Verordnungen?

NEKOIL CHOPYONG wäre wahrscheinlich kein nordkoreanischer Propagandastreifen, wenn er die Antwort auf all diese Fragen nicht Un Suks Vorgesetzten in den Mund legen würde, die in einer zentralen Szene des Films einen langen Monolog hält, in dem sie für die konsequente Unterordnung der eigenen Emotionen unter die weisen Gesetzestafeln plädiert: Auch sie habe sich am Anfang ihrer Berufslaufbahn mit Gewissensbissen herumschlagen müssen. Die Augen seien ihr jedoch durch einen schlimmen Vorfall geöffnet worden. Ein junger Mann nämlich sei ihr mehrmals ins Netz gegangen, ein notorischer Raser, der immer wieder beteuerte, sie solle ihn nur noch einmal mit einem blauen Auge davonkommen lassen, und er würde fortan seinen Fuß vom Gaspedal nehmen. Eines Tages aber habe sie von einem schweren Unfall erfahren, mit dem besagter Geschwindigkeitsfanatiker sein tragisches Ende fand. Tja, hätte sie nur härter durchgegriffen, wäre der Knabe möglicherweise noch am Leben – und genau mit diesem Wissen habe sie seitdem ihren Beruf verfolgt: Ja keine Gnade walten lassen, denn damit richte man noch viel mehr Unheil an, als wenn man den Straftätern sofort die röteste Karte zeige, die man in petto hat. Un Suk und ihre Kolleginnen lauschen diesen Tiraden übrigens mit tränennassen Gesichtern, aus denen sich ablesen lässt: Nie wieder werden sie auch nur im Entferntesten auf die Idee kommen, einen Spaziergänger, der den Zebrastreifen verschmäht, oder einen Autofahrer, der um Millisekunden die Rotphase streift, vor der Konfrontation mit der vollen Härte der Justiz zu bewahren. Aber nicht nur Un Suk ereilt im Verlauf der moralinsauren Handlung die Erkenntnis, dass Schläge mit dem Lineal meist besser sind als einfühlsam-verständliche Worte. Auch Gyong Chan und Nam Chol sehen letztendlich ihr fehlerhaftes Verhalten ein: Letzterer, als die Verkehrspolizistinnen gar seinen Chef, besagten Forschungsinstitutsleiter, aufs Revier bitten und ihm mitteilen, dass sein Chauffeur schon mehrmals das Tempolimit überschritten hat, worauf Nam Chol von diesem höchstpersönlich die Ohren langgezogen bekommt; ersterer, indem er (andeutungsweise) romantische Gefühle für Un Suk entwickelt und durch die ihm nunmehr gewachsene Rosa-Rote-Brille vom Saulus zum Paulus wird, inklusive selbstkasteiendem Monolog, in dem er eingesteht, was für ein miserabler Staatsbürger er wegen seiner Raserei bislang gewesen sei, und beteuert, dass er sich fortan nicht die geringste Entgleisung mehr erlauben wolle.

Versteht mich nicht falsch: Ich bin der Letzte, der irgendeinen Genuss daraus schöpft, mit Vollgas durch die Landschaft zu brettern – (was allein daran scheitert, dass ich nicht mal einen Führerschein besitze.) Aber wie in vorliegendem Streifen die Gefahren des Großstadtstraßenverkehrs instrumentalisiert werden, um bedingungsloser Autoritätshörigkeit das Wort zu reden, das ist schon ein starkes Stück – und zudem unfreiwillig komisch darin, dass einem diese Oden an restriktive Strukturen im harmlosen Gewand einer tränenduseligen Seifenoper serviert werden. Höhepunkt des Treibens stellt eine weitere Musiksequenz etwa in der Mitte des einstündigen Films dar: Bevor Un Suk eine öffentliche Strafpredigt hält, in der sie ihren Zuhörern einpeitscht, dass Verkehrsschilder, Ampeln, Vorfahrtsregeln nicht zum Spaß erfunden worden seien, tritt ein Kinderchor auf, um zu Akkordeonklängen folgendes Liedchen zum Besten zu geben: „There is a zebra crossing nearby. / But he is crossing the road where it is not allowed. / What would become of him, if there was an accident? / He took to running across any part of the road. / And now it serves him right. / There is no need crying over spilt milk. / Our street is brimming over with joy and happiness. / Trees are dancing to pleasant melodies. / Let's keep the traffic regulation and it will give us safety and pleasure.” Tja, Du blöder Spaziergänger, was bist Du auch nicht über den Zebrastreifen flaniert. Nun liegst Du zu Brei gefahren im Straßengraben und wir vergießen keine Träne über Dich, bist Du doch selbst schuld an Deinem grausigen Ende! –

Hätte man mir damals in der Fahrschule solche Lehrvideos vorgeführt, hätte ich das mit dem Ding mit dem Führerschein vielleicht doch aus reiner Freude daran durchgezogen, live den Auflösungsprozess meines Verstandes mitzuerleben, puh…
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