gestern im Kino gesehen
SHIN GODZILLA (SHIN GOJIRA, Japan 2016, Regie: Hideaki Anno, Shinji Higuchi)
Plötzlich beginnt das Meer in der Bucht von Tokio zu brodeln, Wasserdampf schießt in den Himmel und die See färbt sich blutrot. Der Flug- und Schiffverkehr muss eingestellt werden und ein eilig einberufener Stab aus Ministern und Experten rätselt über die Ursachen und die Konsequenzen des Ereignisses. Während man sich auf eine Naturkatastrophe beruft und beginnt, Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung einzuleiten, schiebt sich hinter einer Welle aus Schutt eine riesige Kreatur in die Straßen der Stadt. Panik bricht aus und eine Schneise der Verwüstung zieht sich durch mehrere Stadtteile. Als die hilflose Regierung sich zum Militärschlag gezwungen sieht, richtet sich das Wesen jedoch auf und beginnt eine Metamorphose. Es wächst weiter, reagiert auf die neuen Begebenheiten der Umwelt und stößt plötzlich Hitze und Radioaktivität aus. Dies zwingt die Kreatur ins Meer zurück, da der sich verwandelnde Riesenleib offenbar einer Kühlung bedarf. Wissenschaftler und Militärs wissen nun zumindest eines: Die Zeit läuft! Und sie ist knapp bemessen! Denn in wenigen Stunden wird das Monster größer und mächtiger zurückkehren und sich durch Tokio arbeiten. Unter Hochdruck wird auf die bevorstehende Katastrophe zu reagieren versucht…
Der erste japanische Godzilla seit über einer Dekade. Was erwartet einen da? Zunächst mal, nachfolgend in Anlehnung an einer Radiorezension von Jörg Buttgereit: SHIN GODZILLA liefert einen neuen Kanon, eine sehr moderne Bildsprache und eine enge Orientierung an den jüngsten Traumata Japans, allen voran an Fukushima und dem vorangegangenen Tsunami. Und eines hob Buttgereit hervor: Die eigentliche Protestbewegung gegen die Regierungsarbeit in Japan ist verhältnismäßig klein. SHIN GODZILLA ist jedoch ein Mainstreamprodukt und der bisher erfolgreichste Godzilla-Film! Bemerkenswert also, wie kritisch sich dieser Film mit der jüngsten Vergangenheit auseinander setzt. Hier darf man Respekt zollen! Die Frage ist nur, ob dies auch dem Großteil des Publikums in der westlichen Hemisphäre zugänglich ist. Jedenfalls: Zum Großteil arbeitet sich der Film an Katastrophenschutz und Regierungsarbeit, an Befehlsketten und Planungsphasen, an Gremien und Behörden ab. Und das ist, gelinde gesagt, nach 40 Minuten hochgradig langweilig. Schwierig, sich für die Detailfreude bei Entscheidungsstrukturen im Katastrophenfall zu begeistern. Aber trotzdem liegt mit SHIN GODZILLA auch ein waschechter Godzilla vor. Und was bietet der? eine angenehme und nicht aufdringliche Mischung aus Puppen- und CGI-Trick, ein ganz famoses Creature-Design, eine Bestie in nie dagewesener Größe und – wenn es dann mal richtig zur Sache geht – eine Zerstörungs- und Vernichtungsorgie, bei der sich jeder begeistert die Augen reiben dürfte. Ja, wenn Godzilla marschiert, weiß der Film absolut zu begeistern! Aber durch den Fokus auf die Befehlsketten wird SHIN GOJIRA für das westliche Publikum auch zu einem zweischneidigen Schwert, welches zwischen Langeweile und Frust sowie der erregten Begeisterung während der kataklysmischen Vernichtungsorgien pendelt.