Sasori - Scorpion - Shun'ya Itô (1972)

Moderator: jogiwan

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Blap
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Sasori - Scorpion - Shun'ya Itô (1972)

Beitrag von Blap »

Sasori - Scorpion (Japan 1972, Originaltitel: Joshû 701-gô: Sasori)

Matsu (Meiko Kaji) verliebte sich in einen Polizisten, der sie bösartig ausnutzte und für seine verbrecherischen Umtriebe mißbrauchte. Zutiefst verletzt wollte Matsu Rache an ihrem Peiniger nehmen, doch der Anschlag auf das Leben des Widerlings scheiterte. Die junge Frau landet in einem Zuchthaus, ihr Verflossener macht derweil grosse Karriere und geniesst das Leben in vollen Zügen. Im Knast herrschen entsetzliche, unmenschliche Zustände. Abstossende Wärter, sowie von diesen bevorzugte Insassinnen, drangsalieren und quälen mit grösster Freude, der alltägliche Terror ist nahezu unfassbar. Mit ihrer eigenwilligen, sturen Art macht sich Matsu die Machthaber des Gefängnisses zum Feind, nach einem Fluchtversuch wird sie mit aller Härte bestraft. Doch Matsu gibt keinen Millimeter weit nach, keine Macht der Welt scheint sie brechen zu können. Angetrieben von ihrer unbändigen Gier nach blutiger Rache, durchlebt Matsu die Hölle auf Erden. Da ihr Ex die für ihn lästige Frau endgültig loswerden möchte, bringt er einen niederträchtigen Plan ins Rollen...

Vor "Lady Snowblood" schlüpfte Meiko Kaji in die Rolle der Nami Matsushima, genannt Matsu, einer ebenfalls von Rache angetriebenen Frau, die dieses Ziel über alles andere stellt, sogar über ihr eigenes Leben. Insgesamt spielte Meiko Kaji die tragische Rolle der Matsu in vier Filmen, welche allesamt in den Jahren 1972 und 1973 entstanden. Anders als z.B. "Lady Snowblood" schwelgt "Sasori" nicht in schönen Bildern, sondern kommt mit einer harten, erdigen und teils regelrecht dreckigen Optik daher. Ab und an verwandelt sich das Szenario in eine Art Theaterbühne, diese Momente erscheinen in einer weniger harschen Form, sind aber nicht minder intensiv. Immer wieder arbeitet Regisseur Shun'ya Itô mit symbolischen Elementen. So verteilt sich das Blut der Defloration als roter Kreis auf weissem Stoff, erscheint als japanische Flagge. Es ist schon nahezu beängstigend, mit welcher Intensität Meiko Kaji die Figur Matsu auf die Leinwand bringt. Dazu bedarf es nicht vieler Worte, auch auf wüstes Entgleisen der Gesichtszüge wird verzichtet, die Präsenz dieser schönen Frau raubt dem Zuschauer den Atem. Zwar findet man hier typische "Women in Prison" Elemente in geballer Form, sadistische Wärter, ein ekelhafter Direktor, sadistische Mitinsassen, lesbischen Sex etc., jedoch wirken diese Szenen nicht wie Schauwerte die dem Selbstzweck dienen. Hier wird überzeugend ein hoher künstlerischer Anspruch vermittelt, ohne sich dabei in verquaster, pseudointellektueller Sülze und hohlen Gesten zu verlieren. Jeder Moment sitzt, packt den Betrachter eiskalt oder glutheiss im Nacken, Gnade wird nicht gewährt!

Am Auftakt der Sasori Reihe gibt es keine ernsthaften Kritikpunkte. Vielleicht hätte ich mir die Szenen ausserhalb der Gefängnismauern ein wenig ausführlicher gewünscht, besonders im Hinblick auf das Finale, doch wäre der Film dadurch eventuell seiner Atmosphäre -zumindest teilweise- beraubt worden. Zarte Gemüter sollten "Sasori" lieber meiden, wer allerdings eine wüste Orgie aus Sex und Gewalt erwartet, ist hier aber ohne Zweifel ebenfalls an der falschen Adresse (Für Freunde dieses Sports, empfehle ich ausdrücklich die "Laura" Filme von Bruno Mattei. Die ich übrigens auch sehr schätze, obwohl sie ein ganz anderes Kaliber sind). Shun'ya Itô ist eine Perle japanischer Filmkunst gelungen, ein intensives und eindrucksvolles Werk, gekrönt durch eine absolut phantastische Hauptdarstellerin! In Deutschland wurde der Film von Rapid Eye Movies veröffentlicht. Sehr zu empfehlen ist das Box-Set "Sasori Vol. 1-4". Man erhält die vier Sasori Streifen mit Meiko Kaji in ordentlicher Qualität, die Aufmachung des Sets ist ansprechend, der geforderte Preis sehr moderat.

Sehr gut und sehr beeindruckend! Dicke 8/10!

Lieblingszitat:

"Machst du wohl endlich das Maul auf!"
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Santini
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Re: Sasori Scorpion - Shun'ya Itô

Beitrag von Santini »

Muß man einfach kennen und gern haben. ;)

Meiko Kaji ist die perfekte Besetzung.

Die Sasori Filme sind sehr ansprechend, künstlerisch, verspielt und innovativ umgesetzt, und "trotzdem" Exploitation pur.

Auch eine absolute Empfehlung meinerseits. ;)
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buxtebrawler
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Re: Sasori - Scorpion - Shun'ya Itô

Beitrag von buxtebrawler »

Das Regiedebüt „Sasori – Scorpion“ des Japaners Shun'ya Itô aus dem Jahre 1972 ist ein künstlerischer Exploitation-Film, der „Woman in Prison“- mit „Rape and Revenge“-Motiven vereint und der erfolgreiche Auftakt zu einer mehrteiligen Reihe war. Matsu (Meiko Kaji, die auch das Titellied singt) wird von ihrem Geliebten, dem korrupten Polizeibeamten Sugimi (Isao Natsuyagi), an die Mafia verraten. Vergewaltigt, gedemütigt und tief enttäuscht will sie Rache an Sugimi üben. Doch der Plan misslingt und bringt sie ins Frauenzuchthaus, wo die Misshandlungen und Demütigungen weitergehen…

„Sasori – Scorpion“ gehört keinesfalls zur Riege billiger, schmuddeliger WIP-Flicks, sondern schafft ein wahrlich bedrückendes Ambiente des der Willkür sadistischer Gefängniswärter und den Attacken soziopathischer, unsolidarischer Insassinnen hilflos Ausgeliefertseins, insbesondere nach einem gescheiterten Fluchtversuch Matsus. Tapfer erträgt sie ihre Situation und lässt alles Unrecht über sich ergehen, jedoch nicht, ohne sich Kraft ihrer Intelligenz und ihres Geschicks immer dann zu wehren, wenn es die Situation gerade auf irgendeine Weise erlaubt. Sie wird dadurch zu einem exotischen Fremdkörper in einer Welt von Parasiten, ihr Ziel – die Rache an ihren Peinigern – nie aus den Augen verlierend, unbeugsam, stolz und allen Widrigkeiten zum Trotz nicht kleinzukriegen. Ihre Rolle wird meisterlich von Meiko Kaji gespielt, die nicht nur eine bezaubernde Schönheit ist, sondern ein faszinierendes, subtiles Mienenspiel beherrscht und eine geheimnisvolle, abgründige und doch so aufrechte Aura entwickelt.

Das Gezeigte schürt Emotionen und Empathie mit Matsu, als ohnmächtiger Zuschauer leidet, hofft und hasst man mit ihr. Natürlich darf auch der Sleaze- bzw. Erotikanteil nicht fehlen, dementsprechend bekommt man auch hier reichlich nackte Damenhaut geboten, wobei der Film jedoch stets seinen sinnlichen Stil bewahrt. Diesen möchte ich insofern als künstlerisch bezeichnen, als die Kameraarbeit häufig originell ausfiel, mit artifiziellen Beleuchtungen und Farben gearbeitet wird und sich gar der eine oder andere surreale Effekt wiederfindet. „Sasori – Scorpion“ ist demnach nicht nur aufgrund der Zurschaustellung von Gewalt und Nacktheit ein bildgewaltiger Film, sondern verfolgt einen darüber hinausgehenden Anspruch. Der Revenge-Part, auf den die Handlung hinausläuft, ist nicht bloßes Alibi, sondern eine spürbare Katharsis als Befriedigung für den Zuschauer, die Matsu aus allen Geschlechter-Klischees löst und aus ihr ein emanzipiertes Wesen macht, das am Ende erhobenen Hauptes den Gang zurück in die kalten Betonmauern antreten lässt, gegen deren Schrecken es immunisiert erscheint.

An all diesen filmischen Vorzügen ändert auch das Overacting der Darsteller, insbesondere der Gefängniswärter, nichts, negativ fällt lediglich die schlechte Choreographie vieler Gewalt- und Kampfszenen auf, die ihre Protagonisten beispielsweise nur allzu offensichtlich danebenschlagen lässt und dadurch den sorgsam aufgebauten Realismus gefährdet. Dennoch ist „Sasori – Scorpion“ ein absolut empfehlenswerter, harter, intensiver Film, weitab europäischer, rein selbstzweckhafter Schmuddelproduktionen, der auf das richtige Publikum länger nachwirkt – mein Interesse an der Reihe und ähnlichen Fernost-Produktionen hat er jedenfalls geweckt.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Adalmar
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Re: Sasori - Scorpion - Shun'ya Itô

Beitrag von Adalmar »

Für mich definitiv die besten "Women in Prison"-Filme, falls man sie aufgrund ihrer Ambitioniertheit überhaupt dazuzählen möchte. Meiko Kaji ist eine meiner Film- und auch Musikikonen, habe zwei Poster von ihr in meinem Zimmer. :knutsch: Das ist um so bemerkenswerter, da es die einzigen sind. :mrgreen:

Dass die Frau so umwerfend singen kann, ist zusammen mit ihrer schauspielerischen Wirkung fast zu viel des Guten. :?





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buxtebrawler
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Re: Sasori - Scorpion - Shun'ya Itô

Beitrag von buxtebrawler »

Adalmar hat geschrieben:Für mich definitiv die besten "Women in Prison"-Filme, falls man sie aufgrund ihrer Ambitioniertheit überhaupt dazuzählen möchte. Meiko Kaji ist eine meiner Film- und auch Musikikonen, habe zwei Poster von ihr in meinem Zimmer. :knutsch: Das ist um so bemerkenswerter, da es die einzigen sind. :mrgreen:

Dass die Frau so umwerfend singen kann, ist zusammen mit ihrer schauspielerischen Wirkung fast zu viel des Guten. :?
Hui, da ist aber jemand verliebt :kicher:
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Sasori - Scorpion - Shun'ya Itô

Beitrag von buxtebrawler »

Adalmar, hast du nicht Lust, uns die weiteren Filme der Sasori-Reihe vorzustellen? :)
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Adalmar
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Re: Sasori - Scorpion - Shun'ya Itô

Beitrag von Adalmar »

Gut sind die alle. Nur mit Vorstellen wird es jetzt momentan etwas schwierig, da ich nichts Schriftliches dazu vorliegen (OFDb-rezensiert habe ich nur den ersten Teil) und im Moment noch so viele ungeguckte DVDs habe. Ich überlege es mir, vielleicht kriege ich demnächst ja mal Lust dazu. Übrigens, wenn jemand jetzt sein Herz für Meiko Kaji entdeckt hat, empfehle ich unbedingt Kaidan nobori ryû / Blind Woman's Curse von Teruo Ishii, da ist sie sooo hinreißend!

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Der Vollständigkeit halber hier mein Text zum ersten Teil:

Nach ihren Auftritten in der "Stray Cat Rock"-Filmserie verließ Meiko Kaji die Nikkatsu-Studios, die aufgrund von Finanzschwierigkeiten vermehrt Erotikfilme produzierte. So war "Sasori: Scorpion" der erste Film, den Meiko Kaji darauf mit den Toei-Studios drehte - und in dem sie gleich starken Einfluss auf die Gestaltung ihrer Rolle nahm, was sich hundertprozentig auszahlte. Zudem interpretierte sie das Titellied, dessen Text vom Regisseur Shunya Ito verfasst wurde.

Ito, der zunächst wegen ihrer Eigenwilligkeit Schwierigkeiten mit Meiko hatte, sollte bald seine Hauptdarstellerin zu schätzen wissen, und so schufen sie eine brodelnde Mixtur aus sadistischer Gewalt, schmerzvoller Erotik und avantgardistischen Brechungen (Filmsets mit plötzlich sich in Gang setzenden Drehbühnen, Verweise auf das Kabuki-Theater, eine durch eine Glasscheibe von unten gefilmte Vergewaltigung...) Wie später in Lady Snowblood, nur in einem stilistisch völlig entgegengesetzten Gewand, kämpft sich Kajis Hauptfigur Nami Matsushima, Matsu genannt, mit finsterem Blick und ohne viele Worte zu machen, durch eine feindliche Welt, bis sie Rache nehmen kann.

Meiko Kaji verschmilzt dermaßen mit ihrer Rolle, dass sie nie etwas anderes ausstrahlt als den Schmerz und das unbeugsame Bedürfnis nach Rache, das sie - betrogen um ihre Unschuld, ihre Liebe und ihre Freiheit - empfindet. Dass ihre Rolle etwas freizügiger gestaltet ist als in ihren späteren Filmen, wirkt sich nie als erotische Stimulation aus, sondern verstärkt nur den Eindruck der Hilflosigkeit, die durch die Entblößungen ausgedrückt werden. Den Glasboden, über dem Matsu missbraucht wird, verlässt sie nicht, auch als Sugimi, ihr Geliebter, sie höhnisch mit Geldscheinen bewirft. Als sie aufblickt und der Schmerz in ihrem Blick der Rachedrohung weicht, färbt sich der Glasboden glühend rot. Ihre rechte Brust bedeckt sie nach der Vergewaltigung bis zum ersten Racheakt nicht; sie konserviert den Zustand der Vergewaltigung, will jeden Gedanken an Vergebung in sich abtöten. Archaische Erzählmuster werden evoziert, die unweigerlich zu einem blutigen Ende führen, keine Versöhnung zulassen. Wenn Matsu lächelt, dann ist sie am meisten zu fürchten.

Den Gefängnisaufenthalt duldet Matsu mit stummer Gleichgültigkeit. Die Foltern, denen sie ausgesetzt ist, erträgt sie ohne Widerspruch, nur wenn sie eine Gelegenheit zur Gegenwehr sieht, fügt sie ihren Peinigern mit kleinen, fast versehentlich scheinenden Tricks großen Schaden bei. Einer wildgewordenen Mitgefangenen knallt sie wie beiläufig eine Glastür vor den Kopf, worauf ihre Gegnerin sich unter einem schlagartigen Wechsel der Lichtverhältnisse in einen Kabuki-Dämon verwandelt und auf Matsu mit einer Glassscherbe losgeht.

Gewalt ist in diesem Gefängnis omnipräsent. Bei deren Inszenierung wird der Film leider etwas schwach. Schläge und Tritte gehen überdeutlich am Körper vorbei, bei einer Erdrosselung schließen sich die Hände nicht einmal andeutungsweise um den Hals. Das ist so eindeutig, dass es wie Absicht wirkt, trotzdem hätte man da sorgfältiger arbeiten müssen. Aber der Film bietet genug Brutalität, um dennoch alles andere als harmlos zu sein, und setzt sie mit einiger Symbolkraft um - so erscheint sowohl bei der Entjungferung als auch beim finalen Racheakt ein runder, sich ausbreitender Blutfleck als Sonnenkreis der japanischen Flagge und wirft so die Frage auf, ob Matsu eher ein Symbol für die japanische Nation in ihrer schwierigen Lage nach dem Weltkrieg darstellt oder als Opfer der landestypischen sozialpolitischen Strukturen markiert wird.

Trotz der Spannung und der Gewaltlastigkeit des Films kann daher keine Rede von sinnfreier Unterhaltung sein. Shunya Itos Film zeigt das künstlerische Potential, das Genrefilme in der Hand kluger Regisseure besitzen. Und mit Meiko Kaji hat er die Traumbesetzung für die Rolle der Sasori an Bord. So begann eine Filmreihe, die heute mindestens so sehenswert ist wie damals.
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Adalmar
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Re: Sasori - Scorpion - Shun'ya Itô

Beitrag von Adalmar »

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