The Unbelievable - Tat-Nin Chan (2009)

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Salvatore Baccaro
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The Unbelievable - Tat-Nin Chan (2009)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

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Originaltitel: The Unbelievable

Produktionsland: Hongkong 2009

Regie: Tat-Nin Chan

Darsteller: Xiaohua Chen, Fazheng Situ, Six-Ching Szeto


Seit Mitte der 90er zählt die Fernsehshow GWAI TAM zu einem der Dauerbrenner des Kabelfernsehens Hongkongs. In den sich laufzeittechnisch jeweils zwischen 45 Minuten und einer Stunde einpendelnden Episoden stehen paranormale Phänomene im Vordergrund, denen die Moderatoren und Moderatorinnen mit Unterstützung von buddhistischen oder taoistischen Priestern auf den Grund gehen. Die verwackelten Handkameras, mit denen das Team seine Aktionen vorzugsweise filmt, richten sich dabei auf solche aufsehenerregende Ereignisse und Situationen wie verwunschene Friedhöfe, von ruhelosen Seelen heimgesuchte Behausungen oder bizarre Rituale, die dazu dienen sollen, mit der jenseitigen Geisterwelt Kontakt aufzunehmen. Während die entweder als authentisch ausgegebenen Videoaufnahmen oder aber als solche gekennzeichneten Re-enactments angeblich tatsächlicher Vorkommnisse den Großteil der Sendezeit einnehmen, werden gegen Ende jeder Folge Live-Anrufer ins Fernsehstudio durchgestellt, wo diese von ihren eigenen Erfahrungen mit dem Übernatürlichen berichten dürfen, und sowohl die mehrheitlich aus jungen Menschen bestehenden Moderations-Crew sowie die geistlichen Autoritäten sodann ihren Senf zu den Lagerfeuergeschichten hinzugeben.

Auf diese Mischung aus X-FACTOR, PARANORMAL ACTIVITY und MONDO CANE wäre ich wohl niemals aufmerksam geworden, hätte mir nicht jemand die 2009er Hongkong-Produktion THE UNBELIEVABLE zugespielt, bei der es sich im Kern um eine Folge von GWAI TAM in Spielfilmlänge handelt, - minus freilich die Live-Studioszenen, dafür aber mit einer Extraportion an spektakulären und vor allem spekulativen Fallstudien sowie einer inflationären Menge an Tiersnuff, wie ich ihn jenseits der goldenen Tage des italienischen Kannibalenfilms vielleicht niemals in einer derartigen sowohl quantitativen wie qualitativ abstoßenden Dichte erlebt habe. Vor geraumer Zeit hatte ich eine weitere Hongkong-Produktion – nämlich GONG GUI ZAI von 1983 – in diesen heiligen Hallen als den wohl infamsten Tiersnuff-Streifen stigmatisiert, der mir jemals untergekommen ist. Dass so etwas überhaupt möglich ist, hätte ich mir selbst niemals träumen lassen, doch vorliegender Film schafft es tatsächlich mühelos, noch dessen ekelerregendsten Szenen in den Schatten zu stellen. Unglaublich, wahrhaft!

Zunächst einmal ist THE UNBELEIVABLE ein furchtbar langweiliges und furchtbar dilettantisches Unterfangen, das sich in einer Reality-Show-Optik, die ästhetisch ungefähr auf dem Niveau des Nachmittagsprogramms eines beliebigen Privatsenders rangiert, von einer hanebüchenen Episode zur nächsten hangelt. Dabei besteht das Filmteam aus einem salbungsvoll schwatzenden etwas älteren Buddhisten-Priester, ein paar hippen jungen Männern, die über die Funktion von Statisten kaum einmal hinauskommen, sowie einer jungen Dame, die immer wieder dafür herhalten muss, für die in wahrer Mondo-Manier als absolut authentisch modellierten, jedoch freilich primär Laienschauspiel auf niedrigstem Level bietenden Gruselexperimente in die Breche zu springen. Unter anderem soll unsere Heldin in einem von umherwandernden Gespenstern bevölkerten Haus zusammen mit einer Gefährtin eine spiritistische Sitzung abhalten, deren Zweck es ist, mit den ruhelosen Seelen in Kontakt zu kommen. Die übrige Crew sitzt ein paar Räume weiter vor ihren Monitoren, während die beiden Frauen mittels Beschwörungsformeln, Ouija-Boards und Klopfgeräuschen die Totenwelt auf sich aufmerksam machen sollen. In einem weiteren Segment verschlägt es die Dame auf einen Friedhof, der anmutet wie die Kulisse eines billigen Horrorschockers aus den 50ern oder 60ern, wo wiederum der Leichnam eines Hexers zur Zielscheibe des Interesses unserer investigativen Reporter wird. Beide Episoden enden mit Heulkrämpfen, schrillen Schreien, Todespanik der Moderatorin: Im Spukhaus häufen sich auf einmal beängstigende Poltergeisteskapaden, es fliegen Gegenstände umher, das Licht flackert im Geisterbahn-Modus; auf dem Friedhof greift gar das abgemagerte Skelett des Hexers aus seinem Sarg heraus nach der jungen Frau. Jeweils eilen ihr sodann ihre Kollegen zu Hilfe, in letzter Sekunde wird der Budenzauber zurück in die Gruft verbannt, und man wischt sich erleichtert den Schweiß von der Stirn, - was das Filmteam allerdings nicht davon abhält, nur eine Minute später die nächste fragwürdige Aktion zu starten und die Moderatorin erneut in (vermeintliche) Lebensgefahr zu versetzen.

Wäre dies der ganze Inhalt von THE UNBELIEVABLE könnte man über den Film hinwegsehen als einer der ambitionslosesten, uninspiriertesten, drögsten Vertreter zeitgenössischer Found-Footage-Horrorstreifen, der ein einziges dramaturgisches Schema in Endlosschleife abspult, dessen Darsteller und Szenarien die Glaubwürdigkeit einer Münchhausiade besitzen, und der es zu keinem Zeitpunkt schafft, auch nur einen Hauch von Nervenkitzel zu entfalten – und angesichts dessen ich mich frage, wie sich die zugehörige Sendung so lange im Fernsehen Hongkongs halten konnte, wenn diese ebenfalls nicht mehr zu bieten hat als lauwarme Gespenstergeschichten, primitivste Schauereffekte und Emotionen, die sich allein in angsterfülltem Kreischen artikulieren. Andererseits ist das vielleicht einmal mehr ein Mentalitätsding, und die Menschen in Hongkong haben ein ganz anderes Verhältnis zur paranormalen Welt, wie sie GWAI TAM als bare Münze verkauft? Trotzdem würde das nicht erklären, weshalb ein Publikum einer solchen Produktion verzeiht, dass nicht mal ein Mindestmaß an kinematographischen Standards eingehalten und nicht mal der halbherzige Versuch unternommen wird, mehr aus dem Sujet herauszuschlagen als hysterische Handkamerabilder, ihre Angst bekundete Figuren und oberflächlich-plakative Erklärungen aus dem priesterlichen Mund, was genau der jeweilige Geist nun mit dieser oder jener Aktivität bezweckt habe. Wie bereits angedeutet, bleibt THE UNBELIEVABLE jedoch nicht hierbei stehen, sondern begibt sich mehr als einmal in Gefilde, wo sicherlich selbst dem hartgesottensten Splatter- und Gore-Aficionado die Hutschnur reißt. Namentlich sind es zwei längere Szenen, für die ich eigentlich gar nicht anders kann als die Verantwortlichen hinter und vor der Kamera dieses Machwerks mit tiefster Verachtung zu überziehen.

Dass ich GONG GUI ZAI als Referenz heranziehe, hat seinen Grund: Auch in THE UNBELIEVABLE springt man kurzzeitig auf den etablierten Mondo-Zug auf, um uns obskure Zeremonien des ruralen Thailands näherzubringen, wo offenbar der gesamte Film entstanden ist – und wie in GONG GUI ZAI gehört zu den speziellen Exorzismen und Reinigungsriten, denen die Landbevölkerung frönt, nicht zuletzt, dass vermeintliche Schamanen solche Tiere wie Fische, Hühner, Kröten entweder als Ingredienzien für das Gebräu in ihren Hexenkessel verwenden, oder aber gleich bei lebendigem Leibe mit den eigenen Zähnen zerfleischen. Kleine Eidechsen werden mittels Hammer und Nagel auf Holztischen fixiert, worauf man ihnen per Messerschnitt die Körper halbiert; Aale und Kröten werden mit bloßer Hand zerquetscht, dass die Eingeweide nur so spritzen; das mit Abstand Abscheulichste ist indes sicherlich die lange Sequenz, in der sich ein Hexendoktor daranmacht, einem Hahn die Kehle durchzubeißen. Endlos zieht sich der Todeskampf des Tieres, dem der den Eindruck eines wahren Irren erweckende Mann seine Zähne immer und immer wieder in den Hals schlägt, Federn ausspuckend, an der elastischen Haut abrutschend, es schließlich tatsächlich schaffend, dem Vogel eine Fleischwunde beizubringen, anhand derer sich sein Mund immer weiter und tiefer in das Innenleben des armen Tieres vorarbeiten kann. Dazu tut unser Filmteam das, was es den gesamten Streifen über in solchen Situationen tut: Man wendet sich erschüttert ab, die Frauen schreien affektiert, die Männer ziehen Grimassen der Ungläubigkeit – eine Heuchelei in Reinkultur, denn wer soll das denn bitteschön glauben, dass solche Aufnahmen rein zufällig als reines Dokumentarmaterial in den Kasten gebracht wurden, und der sogenannte Schamane nicht vor Drehbeginn offengelegt hat, was er gleich mit dem Hahn in seinem Schoß zu tun beabsichtigt?

Um das bedenkliche Bild abzurunden, das THE UNBELIEVABLE abgibt, hat man es sich ebenfalls nicht nehmen lassen, gleich zu Beginn mit dem Zeigen indexikalischer Menschenleichen gleich noch einen weiteren Tabubruch zu begehen. Unsere Helden nämlich reisen im Eröffnungssegment in eine von einem Tsunami heimgesuchte Küstenregion, vorgeblich, um einen Plausch mit den Seelen der durch die Flutwellen Umgekommenen zu halten. Das gibt dem Film allerdings vor allem die Gelegenheit, uns minutenlang mit Videoaufnahmen und Photographien von teilweise schrecklich entstellten Wasserleichen zu konfrontieren. Aus dem Off erklärt die Moderatorin, dass sie die Augen vor all dem Leid habe schließen müssen. Die Kameralinse freilich bleibt unverschlossen. Fast möchte man FACES OF DEATH und Konsorten gar nicht mehr so pietätlos finden…
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