Das Ende der Wahrheit - Philipp Leinemann (2019)

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Maulwurf
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Das Ende der Wahrheit - Philipp Leinemann (2019)

Beitrag von Maulwurf »

 
Das Ende der Wahrheit
Deutschland 2019
Regie: Philipp Leinemann
Ronald Zehrfeld, Claudia Michelsen, Alexander Fehling, Alex Prahl, Antje Traue, Urs Rechn, Alireza Bayram, Mohammad-Ali Behboudi, Timo Fakhravar, Herbert Forthuber, Norman Hacker, Walter Kreye, Christian Lex, Katharina Lorenz, Lene Oderich


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Dem BND-Mitarbeiter Martin Behrens gelingt es, über einen Asylsuchenden die Telefonnummer des derzeit meistgesuchten afghanischen Terroristen zu ermitteln. Mit Billigung seiner Vorgesetzten wird die Nummer an die Verbündeten übermittelt, die mit einer Drohne dann auch gleich reinen Tisch machen. Doch so einfach ist es nicht, denn die Terroristen wissen, woher die Information kam, und weil Behrens‘ Freundin Aurice in ihrer Eigenschaft als Investigativreporterin sowieso gerade einem illegalen Waffendeal auf höchster Ebene auf der Spur ist, wird Aurice von einem Terrorkommando kurzerhand hingerichtet. Zusammen mit ein paar zufällig Anwesenden in einem Bistro mitten in München massakriert. Behrens wird vom neuen Krisenmanager Lemke die Zuständigkeit entzogen, und nun kann Behrens alleine schauen wie er zurecht kommt. Denn der Chef Lemkes, Dr. Rauhweiler, wird in die Vorstandsetage derjenigen Firma wechseln, die weltweit für Waffenlogistik zuständig ist, gleich ob legal oder illegal. In diesem Fall letzteres, Dr. Rauhweiler möchte also nicht dass man ihm auf die Spur kommt. Behrens ist zwar ein ziemlich hartnäckiger Hund, aber die anderen haben halt deutlich mehr Macht. Sie haben zum Beispiel die Macht, Behrens als zweifelhaftes Individuum hinzustellen. Oder ihn in die Öffentlichkeit zu lancieren, womit er als Geheimdienstmann natürlich erledigt ist. Der einzige Ausweg für Behrens ist die Zusammenarbeit mit Lemke, den er in aller Offenheit als kleinen Pisser tituliert (was dieser auch tatsächlich ist) der das Klo nicht findet, und den er einfach nur zum Kotzen findet. Was durchaus auf Gegenseitigkeit beruht.

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Ist dies der Film, welcher der (zum Zeitpunkt der Sichtung) neue Bond KEINE ZEIT ZUM STERBEN gerne geworden wäre? Eine Mischung aus Thriller und Drama? Wo Bond sich nicht entscheiden kann welchen Weg er gehen will, mit schwachen Dialogen und uninteressanter Action eher auch mal langweilt, kommt DAS ENDE DER WAHRHEIT ziemlich wuchtig daher, und er weiß genau wo er hinwill. Die Dialoge sind messerscharf, die wenige Action auf den Punkt gebracht und sehr niederschmetternd, und die Figuren haben deutlich mehr Tiefe als die dümmlichen Figuren bei Bond. DAS ENDE DER WAHRHEIT zieht bereits ab den allerersten Minuten erbarmungslos nach vorne, wenn sich der Dolmetscher eines afghanischen Asylbewerbers als jemand entpuppt, der diesen Asylanten ganz genau kennt. Ihn mit den Fragen nach seinem geheimen Liebhaber schwer unter Druck setzen kann. Und der einfach mal eben die Telefonnummer eines Terroristen erfragten kann. Ohne eine einzige laute Szene wird hier eine unerhörte Spannung generiert, und wenn Behrens dann im nachfolgenden Meeting als Trottel hingestellt wird, und in der Parallelmontage dann die Schlapphüte ihrem privaten Alltag nachgehen, während gleichzeitig irgendwo auf der Welt eine Drohne startet um Tod und Verderben über eine ganze Familie zu bringen, dann sind das sehr spannende und nachdrückliche Momente voller Finsternis und Bosheit.

Da gibt es diesen grauenerregenden und ausgesprochen blutigen Überfall auf einen Konvoi deutscher Soldaten in Afghanistan, da gibt es die Hinrichtung der Journalisten, und da gibt es Axel Prahl als aalglatten Geschäftemacher zwischen illegalem Waffenexport, der CIA und dem BND, der so eine Eiseskälte und Verachtung ausstrahlt, dass es gruselt. DAS ENDE DER WAHRHEIT scheut sich nicht, auch bei Grausamkeiten draufzuhalten, kontert aber auch immer wieder mit jeder Menge Nähe und Zärtlichkeit. Die Charaktere sind ganz normale Menschen wie Du und Ich, keine Supermänner die weltmachtbeherrschende Superschurken bekämpfen, sondern gegen den geld- und machtgeilen Vorgesetzten in den eigenen Reihen versuchen vorzugehen. Und auch wenn der Film in den letzten Minuten stark schwächelt und meiner Meinung nach zu viel deutsche Befindlichkeit auf den Tisch legt, überwiegt im Ganzen doch dieser schwarzer Abgrund auf den Behrens zusteuert, und aus dem ihm niemand heraushelfen kann, bis auf einen: Seinen persönlichen Widersacher.

Ja, DAS ENDE DER WAHRHEIT ist der bessere Bond geworden. Der spannendere, realistischere und der knackigere. Mit Psychologie und Action in einem erstklassigen Mischungsverhältnis, und (fast) ganz ohne peinliche Momente. Natürlich ist DAS ENDE DER WAHRHEIT kein reiner Actioner, dafür ist er zu intelligent, aber genauso wie die Bond-Reihe zeigt er das Ende von Anstand und Würde zugunsten des unbeschränkten Profits. Und wer Spaß hat an Anspielungen auf das wirkliche Leben, der darf gerne die Schuhmode von Claudia Michelsen in ihrer allerersten Szene bewundern (und dabei an den thüringischen Verfassungsschutz zu NSU-Zeiten denken) und sich fragen, ob Alexander Fehling für die Rolle nicht auch deswegen ausgesucht wurde, weil er vor allem in seinem ersten Auftritt eine deutliche Ähnlichkeit mit dem, Ende 2018 in den Ruhestand verabschiedeten, Ex-Präsidenten des Verfassungsschutzes Hans-Georg Maaßen hat. Wenn dies das moderne Kino der 2020er-Jahre ist, dann darf das gerne so weitergehen.

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