Eine der kreativsten Leistungen der deutschen Filmindustriellen in den 60ern und 70ern dürfte es gewesen sein, populäre Schlagernasen mittels noch so abwegiger Plot-Prämissen an den Wörthersee zu verfrachten, und sich damit, ganz uneigennützig, ein paar schöne Urlaubswochen unter österreichischer Alpensonne zu sichern. Gerade die Drehbuchautoren der umtriebigen Lisa-Film haben zu den Hochzeiten der berühmt-berüchtigten Produktionsfirma unter den Auspizien der Herren Spiehs und Löwinger im Akkord daran gearbeitet, immer neue Vorwände zu erfinden, weshalb solche illustren Charakterdarsteller wie Roy Black, Ilja Richter, Chris Roberts oder Gunther Philipp unbedingt eine Reise nach Kärnten antreten müssen – und selten, glaube ich, war einer dieser Vorwände derart fadenscheinig und plakativ wie in der Erfolgskomödie RUDI, BENIMM DICH!, mit der Franz Josef Gottlieb (Regie) und Erich Tomek (Drehbuch) sich im Jahre 1971 als veritable Erben der Surrealismus-Avantgarde outeten.
Auf die Frage, was denn der Niederländer Rudi Carrell, der in vorliegendem Machwerk einen verrückten Erfinder namens Rudi mimt, am Wörthersee verloren habe, gibt Tomek folgende Antwort: Rudi hat einen Roboter konstruiert, der ebenfalls auf den Namen Rudi hört, und über zwei beeindruckende Eigenschaften verfügt: Er ist der menschlichen Sprache mächtig, und kann zumindest die Mahnung, dass Rudi sich benehmen solle, wenn der mal wieder ein paar hübschen Frauenhintern hinterherlinst, mit elektronisch-verfremdeter Fistelstimme auszuposaunen, (wohingegen er selbst femininen Gesäßen ebenfalls nicht abgeneigt ist, und sich mehr als einmal als Rockspitzler betätigt.) Zudem ist er darauf programmiert, sobald jemand vor ihm in die Hocke geht (vorzugsweise Dr. Gunther Philipp), diesen per Arschtritt kopfüber in den Wörthersee befördern. Kein Wunder, dass Rudis Roboter aufgrund dieser Palette an Kunststückchen ein begehrtes Objekt ist: Gunther Philipp, seines Zeichens Vorzeige-Kapitalist und Firmenmogul, hat es auf die Blechbüchse ebenso abgesehen wie Ernst H. Hilbich als Babywäschevertreter Friedrich Schiller (!). Außerdem mit von der Partie: Chris Roberts, als unablässig trällernder bester Freund Rudis und Schürzenjäger, mit dem Carrell, ohne dass Roberts‘ Figur auch nur ansatzweise etwas zum Handlungsprogress beizutragen hat, die Reise nach Österreich unternimmt, um Philipp in seinem Ferienresort aufzuspüren; Anita, spätere Muse Mike Oldfields und vorherige Muse Roy Blacks, die als Rudis Nichte in nicht akzentfreiem Deutsch und weißem Norwegerröckchen schlagernd über Felder und Auen spaziert, wenn sie nicht mit einer Bubenbande Cowboy und Indianer spielt, oder sich als zukünftige Braut imaginiert; Hansi Kraus als verwöhnter Knabe, der seine Tage elitär auf Tennisplätzen bestreitet; sowie Angelica Ott als rechte und linke Hand Philipps, in die sich wiederum Rudi verguckt, und Blondschopf Heidi Hansen als von Roberts angehimmelt Doris. Irgendwo in dieser konfusen, sich von Kalauer zu Kalauer und von Heile-Welt-Hymne zu Heile-Welt-Hymne hangelndem kunterbunten Familienspaß fliegt übrigens auch noch ein Lottoschein herum, mit dem Anita das große Geld gezogen hat, und zwei Koffer werden in schöner Regelmäßigkeit miteinander verwechselt, sodass Rudi bald mit der Babywäsche Hilbichs hausieren geht, und dieser sich als Rudi ausgibt, um seinerzeit am finanziellen Mehrwert des Roboter-Rudis zu profitieren, während, zu allem Überfluss, auch noch zwei geistig minderbemittelte Ganoven das Parkett betreten, und ihrerseits alles daran setzen, sich Rudis Erfindung unter den Nagel zu reißen, und der Generaldirektor von Philipps Firma sich als Rudi-Carrell-Double entpuppt, (was vor allem damit zu tun hat, dass Carrell beide Rollen verkörpert, und sich per atemberaubendem Split-Screen-Verfahren mit sich selbst unterhält.)
Es ist wie mit dem Strang an Pornos, die Aristide Massacessi Anfang der 80er im Dutzend billiger in der Dominikanischen Republik heruntergekurbelt hat: Man sieht RUDI, BENIMM DICH! von seiner ersten Sekunde zwei Dinge an, die konstitutiv für seine Produktionsbedingungen gewesen sind - zum einen, dass das ökonomische Interesse Spiehs und Löwingers jedwede etwaigen künstlerischen Erwägungen bei Weitem überflügelt haben muss, und, zum andern, dass sich das Team offenbar einfach nur eine angenehme Zeit in Kärnten machen wollte, quasi einen Urlaub, der als Randprodukt noch einen Spielfilm und damit wirtschaftlichen Zuwachs abwirft – eben genauso wie D’Amato Streifen wie PORNO HOLOCAUST oder SESSO NERO sichtlich in den Stunden beiläufig herunterprügelte, wenn er nicht sonnenbadend am Sandstrand schlummerte. Genau das verschafft RUDI, BENIMM DICH! – und vielen vergleichbaren Produkten der Lisa-Film – allerdings ganz eigene und eigenwillige Qualitäten: Dadurch, dass der Film offenkundig keine kohärente Geschichte erzählen möchte, sondern eine wahllose Aneinanderreihung von debilem Slapstick, Sangeseinlagen und absolut kontingenten Plot-Entwicklungen ist, seine Darsteller gnadenlos changieren – (am nervtötendsten wohl Hilbich als Friedrich Schiller, demgegenüber sich sogar das Over-Acting von Dr. Philipp ausnimmt wie eine neorealistische Pflichtübung) –, seine Schlagermomente (bis auf eine einzige Ausnahme) ohne Plot-Bezug stumpf aneinandergeheftet werden – (neben Anita und Rudi ist es vor allem Chris Roberts, der schmettert, was die Lungen hergeben; mein Lieblingssong in vorliegendem Film: „Ich bin so happy mit Dir!“) –, und das Drehbuch sich mehr als einmal in den eigenen schiefen Kapriolen verheddert, machen diese naive Wundertüte nicht nur zu einem spannenden Zeitdokument – (ernsthaft, frage ich mich, diese Art von Humor hat seinerzeit die Bäuche unzähliger freiwillig zahlender Kinobesucher zum Hüpften gebracht?!) -, sondern kann, in der richtigen Stimmung, als surrealistisches Filmexperiment gelesen werden, dessen Glorie gerade in seiner Heterogenität und seiner Dissonanz besteht. Denn: es ist kein bisschen witzig, wenn Gunther Philipp auf einem viel zu kleinen Motorroller in einen Gemüsestand rast, und er schaut einfach nur furchtbar aus, Rudis Roboter, bei dem es sich unverblümt um eine blaue Papphülle handelt, in die man ein armes Kind gestopft haben muss, und es berührt mich schon beinahe peinlich, wenn die minderjährige Anita davon fabuliert, wie schön es sei, wenn sie endlich Neunzehn wäre, denn das sei das beste Alter, um sich einen Mann anzulachen, oder singend erklärt, ihre Mami und ihr Papi, das seien schon zwei dufte Typen, und während die Mami wäscht und kocht, würde Papi brav das Geld nach Hause bringen – (wobei zumindest letzterer in vorliegendem Film durch völlige Abwesenheit glänzt.)
Was RUDI, BENIMM DICH! freilich nachdrücklich vom Surrealismus französischer Prägung mit seinem dezidiert gesellschaftsumwälzerischen Impetus trennt, das ist der ihm immanente Konservatismus. Nachdem wir uns eineinhalb Stunden mit anstrengenden Figuren, unglaublichen Story-Wicklungen und reichlich konstruierten Problemchen herumgeschlagen haben, fügt sich das bizarre Paralleluniversum der Lisa-Film zurück ins Lot, ohne wirklich aus diesem geraten zu sein: Per Arschritt-Move werden die erwähnten Halunken von Roboter-Rudi in eine Baumkrone befördert, Rudi und Philipps Assistentin liegen sich schmachtend in den Armen, und Chris Roberts fährt mit der Liebste, die ihm ebenfalls nebenbei zugefallen ist, mit dem Schnellboot noch eine letzte Runde über den Wörthersee. Opium fürs Volk, sicherlich, doch zugleich derart mit irgendwelchen bewusstseinserweiternden oder bewusstseinsdämpfenden Kräutern versetzt, dass nicht viel fehlt, und die betäubende Substanz wirkt ihrer eigenen Agenda entgegen. Hab ich euch heute eigentlich schon gesagt, dass ich euch liebe!?