Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Moderator: jogiwan

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karlAbundzu
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von karlAbundzu »

Tatort München: Schau mich an
In einem Abwasserkanal wird eine zerstückelte Leiche in einem Koffer gekommen. Batic, Leitmayr und Kalli begeben sich in die tiefen des Dark Nets, sie stoßen auf Tierquäl-, Folter - und Mordvideos.
Hui, harter Tobak. Auch wenn wir meist nur die Ermittler sehen während sie die einschlägigen Videos anschauen, doch die Tonspur, die Reaktion der Kommissare und unser Wissen um was da passiert, machen es fast unerträglich.
Der Fall ist spannend, hat in der Mitte einen frischen aufklärenden Twist. Dazu machte ich mir die ganze Zeit Sorgen um den Hund von Leitmayr, Lucki.
An manchen Stellen waren die Schlüsse der Ermittler nicht ganz nachzuvollziehen, entweder zu schnell erzählt oder Erkenntnisse ausgelassen. Und der Psycho überschreitet dann doch mal die Grenze zum abgenudelten Klischee, zB macht er im Schauspielunterricht den Travis Bickle.
Aber der Ekel und die Faszination der Serientäter, der Gewalt und Macht wird gut eingebracht.
Dazu bekommt Kalli mehr Raum und Persönlichkeit.
Mal sehen, ob er bleibt, wenn Nemec und Wachtveitl die 100 vollmachen.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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Reinifilm
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von Reinifilm »

karlAbundzu hat geschrieben: Mo 8. Apr 2024, 15:00 Tatort München: Schau mich an
In einem Abwasserkanal wird eine zerstückelte Leiche in einem Koffer gekommen. Batic, Leitmayr und Kalli begeben sich in die tiefen des Dark Nets, sie stoßen auf Tierquäl-, Folter - und Mordvideos.
Hui, harter Tobak. Auch wenn wir meist nur die Ermittler sehen während sie die einschlägigen Videos anschauen, doch die Tonspur, die Reaktion der Kommissare und unser Wissen um was da passiert, machen es fast unerträglich.
Der Fall ist spannend, hat in der Mitte einen frischen aufklärenden Twist. Dazu machte ich mir die ganze Zeit Sorgen um den Hund von Leitmayr, Lucki.
An manchen Stellen waren die Schlüsse der Ermittler nicht ganz nachzuvollziehen, entweder zu schnell erzählt oder Erkenntnisse ausgelassen. Und der Psycho überschreitet dann doch mal die Grenze zum abgenudelten Klischee, zB macht er im Schauspielunterricht den Travis Bickle.
Aber der Ekel und die Faszination der Serientäter, der Gewalt und Macht wird gut eingebracht.
Dazu bekommt Kalli mehr Raum und Persönlichkeit.
Mal sehen, ob er bleibt, wenn Nemec und Wachtveitl die 100 vollmachen.
In der Tat seit langem mal wieder ein „harter“ mit gelungenem Twist. Trotz der etwas holprigen Erzählweise wirklich gelungen!
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karlAbundzu
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von karlAbundzu »

Tatort Zürich: Von Affen und Menschen
Im Zürcher Zoo wird ein Schimpanse umgebracht. Fast folgerichtig passiert daraufhin eine Mordserie, bei dem die Kommissarinnen kaum hinterher ermitteln können, derweil sie beide auch ein Schlafdefizit nervt.
Sehr amüsanter Krimi, die Chemie zwischen Ott und Grandjean ist hervorragend, beide bekommen auch ein bisschen ihre private Geschichte, richtig tolles Buch, haufenweise schräge Figuren und stark mit richtigem Timing inszeniert.
Gefiel mir sehr gut.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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buxtebrawler
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von buxtebrawler »

Die "Polizeiruf 110"-Episode "Herbstzeit" erscheint voraussichtlich am 19.04.2024 bei OneGate noch einmal auf DVD:

Bild
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
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Reinifilm
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von Reinifilm »

Tatort Zürich - Von Affen und Menschen
Hmmm… ich und lustige „Tatort“-Folgen werden einfach nicht mehr die besten Freunde.
Dieser war zumindest nicht völlig peinlich (Münster, ich rede mit euch…) und bot sogar eine halbwegs vernünftige Story, hat mich aber trotz einiger Lacher nicht wirklich abgeholt. 05/10
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karlAbundzu
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von karlAbundzu »

Polizeiruf Halle an der Saale: Der Dicke liebt

Harter Stoff. Ein Mädchen verschwindet und wird tot und missbraucht gefunden. Koitzsch und Lehmann ermitteln. Sehr unterschiedlich und nicht gerade kommunikativ.
Der Verdacht fällt schnell auf den fettleibigen Lehrer, Single, Nachhilfegebend und leicht übergriffig. Mit einem Hang zu Stofftieren. Klingt ein bisschen sehr nach der Klischee Kiste, so dass mir relativ klar war, daß er es nicht sein kann. Aber der Schauspieler Sascha Nathan macht das wirklich hervorragend.
Das gibt es auch einen Prekariats-Mob, der ihn an den Kragen will. Die sind leider allzu sehr Abziehbilder.
Tatsächlich geht es neben dem Lehrer auch sehr um die Kommissare, die Aufklärung des Falls wird mit den persönlichen Geschichten verbunden. Koitzsch verliert gleich zu Beginn seinen Führerschein wegen Alkohol am Steuer, und battled sich mit Jack Londons König Alkohol Zitaten mit seinen Vorgesetzten. So setzt er seine Kombinationsgabe und seine alten Seilschaften ein, so wie Lehmann sein Einfühlungsvermögen, der zur Bewältigung so heftiger Sachen Halt in der Familie und dem Glauben hat, doch auch das hinterlässt dort Spuren.
Kurth und Schneider spielen das stark, gute Chemie zwischen den beiden, und das Setting im runtergerotzten Keller im Kommissariat passt auch.
Schön auch gefilmt, gerade, wenn die Tat und die Ermittlungen der beiden überblendet werden.
Der Titel bezieht sich anscheinend nicht nur auf die Krimistory, sondern auch auf die Suche nach Liebe von Koitzsch, der wohl die Konrektorin dated, doch um das völlig zu durchschauen fehlt mir leider der vorherige erste Fall, der nachgeholt werden wird, da die beiden mir gefallen.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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buxtebrawler
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Beitrag von buxtebrawler »

Polizeiruf 110: Der Dicke liebt

„Trinken, um zu vergessen. Trinken, um zu vergessen, dass man trinkt. Trinken aus Frustration.“

Zum 50. Jubiläum der Fernsehkrimireihe „Polizeiruf 110“ hatte man mit Henry Koitzsch (Peter Kurth, „Good Bye, Lenin!“) und Michael Lehmann (Peter Schneider, „Als wir träumten“) ein neues Hallenser Ermittlerduo eingeführt, das Ende Mai 2021 in „An der Saale hellem Strande“ erstmals aktiv werden durfte. Lange Zeit war zu befürchten, dass es bei dieser einen Ausnahme bleiben und kein zweiter Fall folgen sollte. Diese Sorge erwies sich jedoch als unbegründet, denn knapp drei Jahre später, am 21. April 2024, gab es in der Episode „Der Dicke liebt“ ein erneut von Clemens Meyer und Thomas Stuber geschriebenes und von Stuber auch inszeniertes Wiedersehen mit den beiden.

„Bitte stapeln Sie diese Kugeln.“

Der alternde Hallenser Kriminalhauptkommissar Henry Koitzsch verliert seinen Führerschein wegen Trunkenheit am Steuer und sieht sich nicht nur dadurch mit seinem Alkoholproblem konfrontiert, mit dem er jedoch relativ gelassen umgeht. Eine andere Konfrontation schmerzt mehr; ein Schmerz, den der Alkohol zu betäuben hilft: Die achtjährige Inka (Merle Staacken, „Zwei Weihnachtsmänner sind einer zu viel“) wird in einer Kleingartenkolonie ermordet und missbraucht aufgefunden. Koitzsch ermittelt zusammen mit seinem jüngeren Kollegen Michael Lehmann, unternimmt aber auch Alleingänge. So lernt er Inkas Eltern (Katrin Hansmeier, „Das letzte Schweigen“ und Matthias Walter, „Stubbe – Von Fall zu Fall“) ebenso kennen wie Inkas Mathe- und Nachhilfelehrer Herrn Krein (Sascha Nathan, „Im Westen nichts Neues“), einen alleinstehenden adipösen Sonderling mit exorbitanter Plüschteddy-Sammlung, der einen guten Draht zum Opfer hatte und sich nun auffallend stark um seine kleine Schülerin Juli (Romy Miesner) kümmert. Nicht nur für die Polizei wirkt er dadurch verdächtig. Bei der stellvertretenden Rektorin an seiner Schule handelt es sich ausgerechnet um Monika Hollig (Susanne Böwe, „Herbert“), mit der Koitzsch einst ein Blind Date hatte. Wird sie entscheidende Hinweise geben können?

„Versuchte Penetration mit einem Gegenstand.“

Koitzsch fährt Schlangenlinien. Koitzsch muss zum Rapport. Koitzsch tauscht Jack-London-Zitate mit dem Amtsarzt aus. Der Auftakt gehört ganz ihm. Szenenwechsel, Grundschule, Mathe-Unterricht: Dass Schülerin Inka verschwunden ist, lässt ein eingespieltes Telefonat der Mutter wissen – eines der ersten von vielen achronologisch über die Handlung gelegten Erzählelementen, die sich durch den Stil dieser Episode ziehen. Koitzschs und Lehmanns Büro sieht aus wie ein Kellerverschlag, Baustellenlärm inklusive. Das wirkt mindestens so abgerockt wie Koitsch. Jüngere Kolleginnen und Kollegen führen Befragungen durch, denn die Mordkommission ist noch gar nicht zuständig. Dies wird sie erst nach dem Leichenfund im Kleingarten. Vorher hat man als Zuschauerin oder Zuschauer bereits Lehrer Krein kennengelernt, ihm dabei zugesehen, wie er der kleinen Juli Nachhilfe gibt und wie er einkaufen geht, Bekanntschaft mit seiner Teddybärensammlung auf dem heimischen Sofa gemacht.

„Manchmal bin ich froh, dass ich keine Kinder hab‘…“

Dieser (von Sascha Nathan überragend zwischen bemitleidenswert, bedrohlich und abstoßend gespielte) scheint bei seiner Befragung auch sehr angefasst. Der Täter soll jedoch recht schwer gewesen sein, was den übergewichtigen Krein zusätzlich verdächtig macht. Davon unabhängig werden polizeibekannte Pädophile abgeklappert, ein Vorbestrafter wohnt gar nahe der Schule – und verstößt gegen seine Auflagen. Zu wichtigen Zeugen werden ausgenüchterte Obdachlose, die sich in der Nähe des Tatorts aufhielten. Ähnliches gilt für eine demente alte Dame, die man in ihrem Pflegeheim behutsam befragt. Derweil macht ein wütender Mob (u.a. Johannes Kienast, „Neue Vahr Süd“) bereits Jagd auf Lehrer Krein. Dieses Figurenpanoptikum passt zu diesem sozialrealistisch „Polizeiruf“, in dem es keinerlei Platz für optimistische Heldenfiguren gibt und der die Belastungen der beiden Ermittler aufzeigt, die nicht nur an Fällen wie diesem zu zerbrechen drohen, sich sogar untereinander in die Haare kriegen und dennoch fieberhaft nach Hinweisen suchen; so auch, als Koitzsch den „Tag der Volkspolizei“ mit Rechtsmediziner Reinhold (Andreas Leupold, „Kriegerin“) und seinem Ex-Kollegen Thomas Grawe (DDR-„Polizeiruf 110“-Veteran Andreas Schmidt-Schaller) feiert. Bei einer erneuten Inspektion des Tatorts findet man tatsächlich etwas. Klassische trifft auf unkonventionelle Polizeiarbeit in einem trotz bestem Sommerwetter düsteren sozialen Panorama.

„Manchmal ist es besser, wenn du als Ermittler nur am Rand stehst…“

Auch wenn „Der Dicke liebt“ trotz Whodunit? kein vornehmlich auf Spannung ausgerichteter Fall ist, wird seinem Publikum erst im letzten Drittel ein Wissensvorsprung gegenüber den Ermittlern gegönnt – der aber nur kurz währt. Am Ende dürfte sich jeder einen anderen Ausgang gewünscht haben, doch Meyer und Stuber ersparen ihren Zuschauerinnen und Zuschauern nichts. So wirkt denn das in die Sprachlosigkeit platzende „Summertime“-Lied ausgesprochen zynisch. Der nachdenkliche Epilog verwischt die Grenzen zwischen dem fertig wirkenden, lakonischen und direkten Gesetzeshüter Koitzsch und verurteilten Straftätern, wenn Koitzsch hinter Gefängnismauern mit einem Knacki wieder zur Flasche greift.

Die in einem modernen, zeitgemäßen Post-Neo-noir-Stil gehaltene Episode mit ihren verlangsamten Bildern, den Unschärfen, der sehr getragenen musikalischen Untermalung und den Kinderstimmen als Geräuschkulisse, diese fatalistische Abhandlung über Vorverurteilung, Selbstjustiz und Einsamkeit, ist ein Film wie ein Onkelz-Song (das Getragene, der negative Blick auf die Gesellschaft, die Kinderschänder-/mörder-Thematik, der Alkohol…); ein hervorragend gemachter Downer, nach dem man sich am liebsten die Decke über den Kopf zieht und sich eng an den/die Liebste(n) kuschelt – oder an seinen Lieblingsteddy…

Ein wie schon sein Vorgänger „An der Saale hellem Strande“ herausragender Beitrag zur „Polizeiruf 110“-Reihe, in dem lediglich die Zeit für ein ausführlicheres Täterporträt zu knapp bemessen scheint. 8,5 von 10 Jack-London-Zitaten dafür.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
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