Unholy Ground - Günther Brandl (2016)

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Salvatore Baccaro
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Unholy Ground - Günther Brandl (2016)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

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Originaltitel: Unholy Ground

Produktionsland: Deutschland 2016

Regie: Günther Brandl

Cast: Günther Brandl, Helmut Brandl, Monika Brandl, Nadja Holz, Mia Feller, Katharina Buchberger, Alois Brandl, Peter Eherer, Florian Parzer



Habt ihr schon mal etwas von den Brandl-Geschwistern Günther, Helmut und Monika gehört?

Ja?

Ich bis vor Kurzem nicht, und stehe deshalb staunend vor der Tatsache, dass das Trio, wie sie auf ihrer Homepage schreiben, seit 1998 inzwischen sagenhafte 59 Kurz- und Langfilme gedreht hat – und zwar, wohlgemerkt, ausnahmslos ohne die Unterstützung irgendwelcher professioneller Produktionsstudios, sondern komplett im Alleingang, sprich, finanziert aus der eigenen Tasche, schauspielerisch bestückt mit Personen aus dem eigenen Freundes- und Familienkreis, eigenhändig inszeniert, geskriptet, geschnitten, vertont, vermarktet.

Beeindruckend ist dabei die Bandbreite, die die Brandls mit ihrem Oeuvre abdecken: Statt sich auf ein einziges Genre zu konzentrieren, wildern die Geschwister freimütig überall. In ihrer uferlosen Filmographie finden sich James-Bond-Pastiches (JAMES BOND – SILVERSTAR, 1998); eine eigene Tomb-Raider-Adaption (TOMB RAIDER, 1998); Western (ER KANNTE KEIN ERBARMEN, 2001); Teenage-Liebesdramen (ONLY A FEW SECONDS, 2002); Fantasy-Epen (HERO QUEST, 2004); Erotikkomödien (WET DREAMS; 2007); Historien-Dramen (MATZEDER, 2012); Ehedramen (DER GARTEN EDEN, 2019); Endzeitfilme (THE AGE OF GENESIS, 2020); Psychothriller (TALK TO ME, SWEET DARLING, 2020); sowie diverse Horrorschocker, seien sie nun grimmig wie TANZ DER TOTEN (2002) oder parodistisch wie MOOR-MONSTER (2014).

In ihrer Bescheidenheit ziemlich sympathisch finde ich die Selbsteinschätzung, die die Brandls auf ihrer Homepage vom eigenen Schaffen geben: „Unsere Filme sind definitiv nichts für den allgemeinen Geschmack. Sie sind speziell. Nicht was die Themen angeht, sondern die Machart“, heißt es dort. „Das liegt ganz einfach an unserer Philosophie. Bei uns steht in erster Linie das Machen der Filme im Vordergrund. Die Resonanz beim Publikum ist zweitrangig. Die Qualität der Film ebenfalls. Deshalb setzen wir auch bewusst Grenzen in Sachen Professionalität. Das sieht man den Filmen auch an. Manche finden das schlecht, manche aber auch gut. Das ist uns bewusst. Uns geht es aber ganz einfach darum, unser Hobby auszuüben, und es dann mit so vielen Menschen wie möglich zu teilen. Ein primär kommerzielles Interesse gibt es aber nicht.“ Kurzum: Augenscheinlich schielen die Brandls gar nicht auf den etablierten Filmmarkt: Sie wollen mit ihren Streifen nicht reich werden, und schon gar nicht scheinen sie hohe Kunst™ kreieren zu wollen. Alles, was sie antreibt, ist die Leidenschaft, mit Schnürsenkel-Budgets und einer Handvoll Bekannter Filme unterschiedlichster Couleur zu fabrizieren – und wenn diese begeisterte Zuseher finden, dann ist das ein angenehmer Nebeneffekt, jedoch nicht der Primärzweck des ganzen Unterfangens.

Über 58 Filme aus der Brandl-Werkstatt kann ich kein Urteil abgeben, einen jedoch habe ich mir zur letzten Weihnachtszeit relativ unvoreingenommen besehen, UNHOLY GROUND von 2016 nämlich, den die Macher in ihrem Katalog als „Okkult-Horrorfilm“ führen. Angesichts der (realen!) Sexszenen, die den knapp zwei Stunden langen Streifen bereichern, würde ich ihm zusätzlich das Etikett „Pornohorror“ umhängen – und, wenn ich recht darüber nachdenke, ist UNHOLY GROUND im Grunde der Film, den ich seinerzeit erwartete, als ich mir den US-amerikanischen Hardcore-Horror SUCCUBUS XXX besehen habe: Eine Orgie aus nacktem Fleisch, sprudelndem Blut und Reminiszenzen an das Exploitation-Kino der 70er Jahre, die mich früh schon derart in ihr von Sperma, Satansgeifer, Schweinedärme besudeltes Korsett eingewickelt hat, dass ich freudig über alle technischen Unzulänglichkeiten, über die teilweise recht katastrophale Post-Synchronisation, über das laienhafte Schauspiel, über die inkohärente Story, über jede plakative blasphemische Entgleisung hinwegsehe, und mich pudelwohl fühle wie die Brandls selbst: Nicht, weil ich einen Film aus reiner Freude an der Sache auf die Beine gestellt habe, sondern weil ich in den Genuss eines Films komme, der aus reiner Freude an der Sache auf die Beine gestellt wurde.

Schweden 1789: Das Königreich befindet sich im Krieg im Russland. Fünf schwedische Soldaten, von denen einer eine Kugel im Leib stecken hat und bereits deliriert, erreich ein entlegenes Dörflein, wo sie die Landbevölkerung bitten, sie bei sich aufzunehmen, und sich vor allem um ihren verletzten Kameraden zu kümmern, sie seien in einen russischen Hinterhalt geraten und die einzigen Überlebenden der zwölften Kompanie. Das Dorf selbst wirkt wie ausgestorben, da sich die meisten Männer selbst im Krieg befinden, jedoch scheint die eigenartige Stimmung, die über dem Ort ruht, und die Abweisung, die die Soldaten von den meisten Bewohnern erfahren, noch mit etwas anderem zu tun zu haben. Dieses Dorf, sagt einer der Soldaten, (verkörpert von Helmut Brandl), wirkt wie aus der Zeit gefallen: Man hat den Eindruck, man sei zurückgereist in der Zeit. Möglicherweise rührt diese Einschätzung auch von der ostentativen Gottesfürchtigkeit her, die die Gemeinde an den Tag legt: Da kasteit sich der Pfarrer noch selbst; da eilt man zur Beichte, sobald ein unreiner Gedanken einen gestreift hat, oder man schlecht über irgendwen gesprochen hat; da befinden sich unter den Dorfbewohnern mehrere Mönche und eine Nonne, die wiederum alles sind, was an Botenpersonal Gottes die letzte Pestepidemie überstanden hat: Früher hat es um das Dorf herum zwei Klöster gegeben, von denen heute jedoch bloß noch Ruinen übrig sind, wie einer der Mönche unseren Soldaten erklärt. Dass die Gemeinde offenkundig absolut autark ist, sprich, sich komplett selbstversorgt und keinerlei Handel oder andere Beziehungen zur Außenwelt unterhält, ist bei alldem nur der letzte Tropfen, der noch fehlt, um das Fass voller Fragezeichen zum Überlaufen zu bringen, das in unseren Helden bis hierhin gewachsen ist: In irgendein Geheimnis scheinen sie hineingestolpert, und sie können nicht so einfach wieder weg, da ihr Kamerad, wie der Dorfarzt versichert, sich noch immer nicht außerhalb der Lebensgefahr befindet.

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Inzwischen hat eine Gruppe Dörfler die Ankunft der Soldaten als böses Omen gedeutet: Gegenseitig versichern sie sich, dass irgendetwas Unheilvolles alsbald wieder losbrechen würde, das die Gemeinde bereits zuvor molestiert hat. Kurzerhand packt man seine Siebensachen und tritt die Flucht in den Wald an. Weit kommt die Ausreißerbande jedoch nicht: Man schafft es gerade mal bis zur Gemarkungsgrenze der Ortschaft, als die beiden panischen Herren und die eine panische Dame von körperlosen Entitäten attackiert wird, die in bestem EVIl-DEAD-Style den Forst beleben und in Gestalt von Ästen auf sie losgehen. Hinzukommt, dass den Flüchtigen plötzlich Blutströme aus den Augen rinnen, und sie bei lebendigem Leib zu zerfallen beginnen: Als die Dame nach dem Arm eines der Herren greift, hat sie auf einmal eine halbskelettierte, verweste, dampfende Extremitäten in Händen. Keiner der Truppe schafft es lebend über die Dorfgrenzen hinaus – und auch im Örtchen selbst geraten die Dinge in bedenkliche Schieflage: Ein Geistlicher nämlich zieht sich in einen Dachstuhl zurück, knüpft sich eine Schlinge und erhängt sich mit der an Gott adressierten Beteuerung, er könne das alles nicht noch einmal durchstehen. Der Leib des Suizidanten ist noch nicht erkaltet, und schon steigt eine Gruppe Personen, die ihre Gesichter hinter Ziegenmasken verstecken, die Stiege zum Speicher hinauf, um den klerikalen Leichnam vom Balken zu schneiden und ihn für ein offenkundig satanisches Ritual zu zweckentfremden: Vor allem auf das Herz des Toten hat man es abgesehen, das man ihm aus den Brustkorb schneidet und sodann in einem Gefäß zum Köcheln bringt. Was auch immer diese Zeremonie im Detail bedeuten soll, sie scheint jedenfalls Erfolg zu zeitigen, denn irgendwo außerhalb des Dorfs fängt der Erdboden zu qualmen an, als sei eine Kolonne Kettenraucher in ihm verscharrt, und erneut erweist UNHOLY GROUND Sam Raimis EVIL DEAD die Reverenz, wenn die Toten oder Dämonen oder wer auch immer es ist, der sich da aus dem Hummus schält, daraufhin von einer durch die Nacht dahinsausenden POV-Kamera verkörpert wird. Lange bleibt das Böse nicht ohne Leib: Die subjektive Kamera schafft es ins Schlafzimmer der Nonne Schwester Liska, die wir bereits zuvor kennengelernt haben, als sie scheinbar grundlos einen der Soldaten zu würgen versuchte, und die, wie einer der Mönche entschuldigend erklärte, unter einem zerrütteten Verstand leidet, seit die Pest ihr gesamtes Konvent ausmerzte. Was Schwester Liska nunmehr widerfährt, lasst wiederum mich für einen kurzen Moment an meinen Augen zweifeln: Eine riesige Kralle oder Tentakel fällt über die Gottesbraut her, um sie vaginal zu penetrieren – und zwar nicht simuliert, sondern tatsächlich in Form hardcore-pornographischer Close-Ups, die keine Einzelheit des Vorgangs meiner Phantasie überlassen. Parallel dazu manifestiert sich übrigens bei unseren Ziegenmaskenträgern ein menschengroßer Kokon, in dem innerhalb weniger Minuten eine Dame ausgebrütet wird, die mutmaßlich ein Dämon in Weibsgestalt ist, und vor der diejenigen, die das Zeremoniell ausgeführt haben, nach ihrer „Geburt“ ehrfürchtig auf die Knie fallen. Fürs Protokoll: Nicht mal fünfundzwanzig Minuten dauert UNHOLY GROUND bis hierhin, und wir sind verwöhnt worden mit Hentai-Sex, mit derben Körperdekonstruktionseffekten, mit Querverweisen auf EVIL DEAD und Fulci (der Priester am Glockenseil; die blutweinenden Äuglein), mit Okkult-Ritualen aus dem reichhaltigen Fundus satanischer Ikonographie…

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In der Folge verliert UNHOLY GROUND immer mehr die sowieso von Anfang an kaum vorhandene Contenance: Offeriert wird uns die tragische Geschichte einer Dorfbewohnerin namens Svende. Deren Mann Mikael befindet sich seit geraumer Zeit an der Front, und hat ebenso lange kein Lebenszeichen mehr von sich hören lassen, sodass selbst die beiden Töchter Aaltje und Marie nicht mehr daran glauben, ihren Vater heil wiederzusehen. Svende indes möchte nicht wahrhaben, dass ihr Gatte wahrscheinlich Opfer des Krieges wurde. Regelrecht manisch klammert sie sich an die fixe Idee, er könne jede Sekunde im Türrahmen stehen. Genau hier setzt die ihrem Kokon entstiegene Dämonin an, die mitbekommen hat, dass Svende zufällige Zeugin des Teufelsritual wurde, und die der Witwe nunmehr das Angebot unterbreitet, dafür zu sorgen, dass sie ihren Mikael bald wieder in die Arme schließen könne. Alles, was die Dämonin dafür verlangt, ist, dass sie ihr ihre älteste Tochter Aaltje im Gegenzug überlasst. Svende zögert nicht, sofort in diesen Rumpelstilzchen-Deal einzuschlagen: Die Nacht darauf weckt sie ihre Teenagetochter und lotst sie unter fadenscheinigen Vorwänden in eine Höhle außerhalb des Dorfs, wo die Dämonin inzwischen residiert. Dir wird nichts passieren!, macht Svende ihrer irritierten Tochter weis, selbst dann noch, als diese sich splitterfasernackt und mit gespreizten Beinen gefesselt auf dem Felsboden wiederfindet. Draußen brodelt wieder das Erdloch, aus dem sich neben einem schleimig-grünen Licht erneut eine überdimensionale Tentakel herausschlängelt. Deren Zielort dürfte klar sein: Auch Aaltje kommt, wie Schwester Liska, in den Genuss, einer Fangarm-Penetration, die, so suggeriert es der Film zumindest zwischen den Zeilen, sie mit den Keimen des Bösen infiltriert. Recht teilnahmslos steht derweil Mutter Svende dabei und ist in Gedanken nur damit beschäftigt, sich die Rückkehr ihres Ehemanns auszumalen. Freilich ist Aaltjes Vergewaltigung durch Höllenmächte nicht das einzige bizarre Vorkommnisse, von dem die gottesfromme Gemeinde durchgerüttelt wird: Schwester Liska hat nunmehr einen der Mönche namens Bruder Kjell, (gespielt von Günther Brandl) off-screen verführt sowie ihren Mageninhalt voller Verachtung gegen ein an ihrer Zimmerwand hängendes Kruzifix entleert; der verwundete Soldat hat nunmehr endlich seinen Seelenfrieden gefunden, wobei es einigen Dorfbewohnern jedoch seltsam erscheint, dass seine Kameraden sich weigern, das Totengebet mitanzustimmen, das die Gemeinde für den Verblichenen intoniert; eine blinde Seherin namens Jorunn, (gespielt von Monika Brandl), geisterte mehrfach durch die komplexe Handlung, und stammelte prophetische Ankündigungen, die wenig Hoffnung darauf wecken, dass die ganze Chose in einem Happy End münden wird.

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Die Lage spitzt sich zu: Aaltje spuckt die Hostie wieder aus, die ihr beim Sonntagsgottesdienst gereicht worden ist; die Gemeinde schöpft erst recht Verdacht, als Mikael plötzlich auftaucht, Fragen ausweicht, wo er denn so lange gesteckt habe, und sich überhaupt außerordentlich abweisend und abwesend verhält; Svende indes ist überglücklich, ihren Gatten zurückzuhaben, und vollzieht sogleich den Beischlaf mit ihm (im Softcore-Modus), während in der Kammer nebenan Aaltje die Hände nach ihrer unschuldigen Schwester Marie ausstreckt, und sie zum Inzest animiert. Mehr und mehr greift die Gottlosigkeit wie eine Seuche um sich, und es dauert nicht lange und unter den wachsamen Augen eines ausgestopften Ziegenbockkopfes vollziehen sich auf einer Lichtung am Dorfrand Nacht für Nacht unaussprechliche Sex-Orgien, bei denen Dämonin Lilith als Zeremonienmeisterin agiert, die die nackten Leiber der brünstig gewordenen Dorfbewohner wie Marionetten dirigiert. Unbefugte Blicke verbittet sich die stetig wachsende Gemeinschaft Gottentsagender allerdings: Als einer der schwedischen Soldaten beim Nachtspaziergang unbeabsichtigt in die Bumsereien des Teufelszirkels stolpert, hetzt Lilith ihm ihren Höllenhund auf den Hals. Dieser wird verkörpert von jemandem in einem lausigen Halloween-Kostüm irgendwo zwischen Werwolf und Braunbär, und obwohl die Garderobe eigentlich eher unfreiwillig komisch ausschaut, jagt sie unserem Kriegsrock doch genügend Angst ein, dass er sich vor der Bestie in ein Maisfeld flüchtet. Natürlich ist gegen das Untier kein Kraut gewachsen und die Fangzähne umschließen kurze Zeit später die Gurgel des jungen Mannes. Ob die Brandls mit dieser Szene bewusst die Blindenhund-Szene in SUSPIRIA hatten zitieren wollen, kann ich nicht sagen, jedoch erinnert sie doch sehr stark, was Bildkomposition und vor allem Plastikmaul des Untiers betrifft, an diesen ikonischen Moment in Argentos Horrorklassiker. Worin ich mir sicher bin, ist, dass die Brandls spätestens jetzt, etwa bei Laufzeithälfte, ganz bewusst auf jedwede Kohärenz und Sinnhaftigkeit ihrer sowieso recht fragmentarischen Geschichte pfeifen, und sich dafür entscheiden, einfach nur noch Gore und Porn und atmosphärischen Schauer zu zelebrieren, ohne Rücksicht darauf, ob die weiteren Plot-Volten sich schlüssig zusammenfügen oder ob sie einander eklatant widersprechen: Mikael stirbt blutspuckend; Svende wird von den Dörflern in einen Turm gesperrt, wo sie vor Hunger, Dunkelheit, Einsamkeit den Verstand verliert; einige aufrechte Dorfbewohner versuchen, sich den Heerscharen des Teufels gegenüber wehrhaft zu zeigen, und bekommen es mit weiteren Ungeheuern in pelzigen Kostümen, mit Plastikhörnern und Gummimaskenschnauzen zu tun; zwischendurch enthüllen die schwedischen Soldaten, die ursprünglich ja eigentlich als unsere Identifikationsfiguren aka Helden eingeführt worden sind, dass sie in Wirklichkeit selbst schon lange tot sind und Lilith sie nach einem letalen Gefecht mit den russischen Gegnern angeworben habe, dafür zu sorgen, dass das Dorf zum Spielball der dunklen Kräfte wird; dass sie ihren verstorbenen Kamerad gezielt über den Haufen schossen, um einen Vorwand zu haben, sich im Dorf einzunisten, und dass sie es gewesen sind, die mit Ziegenmasken bekleidet das Ritual vollzogen, das Lilith zur Wiedergeburt verholfen habe, (was wenig Sinn ergibt, wenn man bedenkt, dass Lilith die Soldaten ja bereits zuvor kontaktiert hatte, zu einem Zeitpunkt also, wo sie noch gar nicht beschworen worden ist); zwischendurch enthüllt uns ebenso Jorunn das schreckliche Geheimnis, das über ihrem Geburtsort schwelt: Im Jahre 1771, als die Pest besonders schlimm wütete, sei ein Fremder im Dorf aufgetaucht. Sein Versprechen: Er wird das Dorf von der Seuche befreien, wenn ihm die Dörfler einen kleinen Liebesdienst leisten würden. Konkret sollten sie eine Urne mit Asche entgegennehmen, eine Urne freilich nicht mit der Asche von irgendwem, sondern von derjenigen Person, die der Leibhaftige höchstselbst zuletzt auf Erden in Besitz genommen habe. Einen Teil der Asche habe man in einem Turm verwahrt, den Rest um das Dorf herum verteilt. Zwar habe die Pest sich tatsächlich daraufhin zurückgezogen, doch den Dorfbewohnern sei es auch nicht mehr unmöglich gewesen, den Ort zu verlassen – und zudem sei man in den Fokus Satans geraten, der seither alles daran setzte, die Asche an sich zu bringen und sich erneut in lebendiger Gestalt zu manifestieren. Wie gesagt, nach der Sinnhaftigkeit dieser Backstory sollte man nicht fragen, sich vielmehr zurücklehnen und das Feuerwerk genießen, das die Brandls an wahlweise trashig-charmanten und transgressiv-verstörenden Bildern in der letzten halben Stunde des Films in exzessivster Weise abfackeln.

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Die herausstechenden Schauwerte von UNHOLY GROUND sind natürlich zuallererst die diversen Szenen, in denen handgemachte Splattereffekte und primäre Geschlechtsorgane im Fokus stehen: Erstere oszillieren auf eigenartige Weise zwischen einer durchaus ansehnlichen Machart, die tatsächlich ein bisschen etwas von dem Geist atmet, der 70er und 80er Gore-Gratins à la Fulci oder Raimi beseelt hat, und dem Äquivalent einer Geisterbahn, bei der hinter jeder Ecke, die das Wägelchen nimmt, uns eine Gestalt im Karnevalskostüm, ein ausrangiertes Plastikgerippe oder ein mit Dampf betriebenes Monstrum zu erschrecken versucht. Es wirkt durchaus knuffig, wenn beispielweise Liliths Höllenbestien auftreten, deren Kostüme nichts wären, mit dem ich mich auf eine öffentliche Halloweenfeier trauen würde, und dann schlägt die Knuffigkeit schnell in Irritation und leichtes Unbehagen um, wenn Liliths Schoßhund mit einer Frau kopuliert, und man dem Darsteller in seinem Fellberg offenkundig einen Dildo umgeschnallt hat, der per Knopfdruck literweise Fake-Sperma absondert – eine Sexszene, bei der mir natürlich sofort die zoophilen Ausschreitungen in Borowczyks LA BETE in den Sinn kommen, wo sie jedoch eindeutiger als Parodie markiert sind. Inwieweit die Brandls UNHOLY GROUND ernstnahmen, inwieweit sie ihren Film als alptrauminduzierenden Schocker geplant haben, inwieweit ihnen ein Schalk im Nacken gesessen hat, der sich bei jedem Tabubuch köstlich amüsierte – ich weiß es nicht. Was ich indes mit Sicherheit sagen kann, ist, dass UNHOLY GROUND ziemlich treffsicher genau den Nerv trifft, der mich diesen Film trotz aller Defizite im inhaltlichen und technisch-ästhetischen begeistert umarmen lässt. Möglicherweise ist es genau diese Mixtur aus Camp-Momenten und grimmigen Grenzübertritten, die mich in Flammen setzt: Dass die Brandls beispielweise Liliths Höllenhund, wenn er eins seiner Opfer durchs Maisfeld verfolgt, konsequent im Zwielicht zeigen, sodass das alberne Kostüm zumindest teilweise verschleiert wird; dass eine Szene wie die, in der Svede allein mit ihrem schlechten Gewissen im Turmverließ eingesperrt ist, ins Delirium verfällt, sich irgendwann selbstverletzt und vor Hunger versucht, den Putz von den Wänden zu kratzen, keinen Grund zum Schmunzeln birgt, sondern wirklich aufwühlend inszeniert wurde; dass im Gegenzug dann aber sämtliche Orgien allein durch die Art und Weise, wie die Montage die einzelnen Kopulationsgrüppchen rapide zusammenschneidet, und uns förmlich zuschmeißt mit haarsträubenden Konstellationen aus Mönchen und Nonnen, aus Männern und Dämoninnen, aus Frauen und tierähnlichen Wesen, im Grunde eher wie überdeterminierte Eulenspiegeleien wirken; dass die Brandls einerseits offenkundig in einer authentischen Stabkirche drehten – (da würde mich mal interessieren, was sie dem zuständigen Pfarrer zu dem Film erzählt haben, für den sein Gotteshaus die Kulisse hergeben sollte) –, dass sie sich die Mühe machen, einen ebenso authentischen Friedhof mit Totenköpfen und sonstigem satanischen Mumpitz zu schmücken, dass sie licht- und soundtechnisch für einen Amateurstreifen wahrlich ansehnliche und anhörbare Geschütze auffahren, dass sie aber andererseits bei ihren Ungeheuern auf Requisiten zurückgreifen, wie man sie auf dem Grabbeltisch des örtlichen Woolworths vermuten würde; dass UNHOLY GROUND einerseits so tut, als würde er eine nachvollziehbare, sich logisch entrollende Geschichte erzählen, andererseits aber mitunter mehr wie ein rein assoziativ geschnittener Experimentalfilm anmutet, der in seinem Finale vollends die noch vorhandenen losen Narrationsfäden durchtrennt, und wortwörtlich in eine Unterweltsvision abtaucht, die José Mojica Marins oder Olaf Ittenbach stolz gemacht hätte; dass UNHOLY GROUND überhaupt manchmal den Anschein erweckt, der Film wolle auf mehr hinaus als auf eine weirde Teufelsspukgeschichte mit Groschenromanniveau, wenn er die Bigotterie einer vorgeblich erzfrommen Gemeinde entlarvt, wenn er ständig an der Handlungsperipherie die Schrecken des Krieges malt, wenn er, wie gesagt, im Finale unerwartet in nahezu transzendente oder theologische Sphären abhebt, und dann doch immer wieder darauf pocht, einfach nur ein B-Movie zu sein, in dem alle paar Minuten irgendwer etwas Gotteslästerliches veranstaltet, irgendwer grausig ums Leben gebracht wird, oder irgendwer irgendwem einen Blow Job angedeihen lässt.

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Wer weiß, vielleicht beantwortet es mir all die Fragen, die dieser seltsame Film in mir aufwirft, wenn ich mir ein Herz fasse und mir nun auch noch die übrigen 57 Filme aus der Brandl-Werkstatt zu Gemüte führe…
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