Begierde - Tony Scott (1983)

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buxtebrawler
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Begierde - Tony Scott (1983)

Beitrag von buxtebrawler »

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Originaltitel: The Hunger

Herstellungsland: Großbritannien / 1983

Regie: Tony Scott

Darsteller: Catherine Deneuve, David Bowie, Susan Sarandon, Cliff De Young, Beth Ehlers, Dan Hedaya, Rufus Collins, Suzanne Bertish, James Aubrey, Ann Magnuson, John Stephen Hill, Shane Rimmer u. A.
Miriam, eine Untote aus einem ägyptischen Vampirgeschlecht, lebt vom Blut ihrer Liebhaber, im Gegenzug gewährt sie ihnen Unsterblichkeit. Als ihr Lover John rasant altert, sucht er Dr. Roberts auf. Bei einem Treffen verliebt sich Miriam in die Medizinerin...
Quelle: www.ofdb.de
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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buxtebrawler
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Re: Begierde - Tony Scott

Beitrag von buxtebrawler »

„Begierde“ des britischen Regisseurs Tony Scott ist entstanden im Jahre 1983, also noch bevor er mit „Top Gun“ zunächst gefällige Mainstream-Wege einschlug, und Scotts erste Arbeit in Spielfilmlänge überhaupt. Scotts grundsätzlich ja vorhandenes Talent, das ihn später einen Kracher wie „True Romance“ gelingen ließ, wird in diesem Debüt mehr als deutlich, denn „Begierde“ ist eine gewagte, kreative Neuinterpretation der klassischen Vampirthematik und gleichsam ein Kind seiner Zeit wie auf spezielle Weise zeitlos.

Denn die Vampirgeschichte, die ohne spitze Eckzähne, Bisse, Fledermäuse und Holzpflöcke auskommt und neben sexuellen Obsessionen und zwischenmenschlichen Abhängigkeiten die Angst vor dem Altern, der Sterblichkeit eines jeden Geschöpfs thematisiert, wurde getaucht in einen formvollendeten 80er-Gothic-Schick inkl. „Bauhaus“-Kurzauftritt und von der ersten bis zur letzten Sekunde in jenem Sinne durchästhetisiert. Dieser ganz eigene Look inkl. all seiner Stilelemente wirkt trotz seiner Inspiration durch die natürlich zeitlich einordbare Gothic-Kultur so artifiziell, kühl und „anorganisch“, dass er sich gänigen chronistischen Zügen weitestgehend enzieht und für ein eigenständiges Filmerlebnis bürgt. Auch die gelegentlich blutigen Szenen wurden in diese Ästhetik eingebettet, in die sich auch David Bowie hervorragend einfügt – wenn er ab einem gewissen Punkt auch lediglich als Objekt für die äußerst geschickte Arbeit der Maskenbildner fungiert, die aus Bowie einen rasend schnell alternden Mann gemacht haben, den ein böses Schicksal erwartet. Bowies relativ schnelles Ausscheiden aus der Handlung kommt überraschend; manch Zuschauer mag es dem Drehbuch nicht verziehen haben, dass fortan Susan Sarandon dessen Part als Liebesgespielin Catherine Deneuves übernimmt, jedoch eröffnete dies die gern genutzte Möglichkeit zur erotischen Darstellung gleichgeschlechtlicher Liebe.

Nicht unerwähnt bleiben sollte aber vor allem das für die 1980er – insbesondere in Horrorfilmen – ungewöhnlich langsame, verträumte Erzähltempo, die zeitweise völlige Vernachlässigung von Horrorcharakteristika und die emotionale Distanz des Zuschauers zu jener fremdartigen Atmosphäre, die aber durchaus beabsichtigt scheint und dann und wann durch aufwühlende Sequenzen wie das Aufeinandertreffen Johns (David Bowie) mit einer Musikschülerin aufbrochen wird. Das große Finale begibt sich letztendlich dann aber doch wieder eindeutig auf Horrorterrain und strahlt eine morbide Faszination aus, die zumindest mich vollauf befriedigt hat.

Fazit: Für die 1980er ungewöhnlich experimentell, für Genrefans vermutlich zu sehr „Kunstfilm“, für Arthouse-Freunde hingegen evtl. dann doch zu konventionell. Wer aber unbequemen Filmen, die sich gern mal zwischen die Stühle setzen, offen gegenübersteht, sollte sich nicht von manch negativer Kritik abschrecken lassen und „Begierde“ unvoreingenommen eine Chance geben. Schade, dass Tony Scott den Weg, den er mit „Begierde“ begonnen hat, nicht weitergegangen ist, sondern sich zunächst für politische Propagandafilme hat missbrauchen lassen.
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Arkadin
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Re: Begierde - Tony Scott

Beitrag von Arkadin »

buxtebrawler hat geschrieben: Scotts grundsätzlich ja vorhandenes Talent,
Ich würde mal das grundsätzlich streichen. Der Mann ist sogar sehr talentiert und ich schätze ihn in der Tat noch mehr als sein Bruderherz Ridley. :opa: Ich erinnere da nur an, neben den grandiosen "True Romance", an "Last Boyscout", und die beiden visuell gewagten und weit neben dem Mainstream liegenden "Domino" oder "Mann unter Feuer". Und, ja, ich gebe es zu für "Staatsfeind Nr.1" und "Spy Game" habe ich auch eine kleine Schwäche.

buxtebrawler hat geschrieben:Schade, dass Tony Scott den Weg, den er mit „Begierde“ begonnen hat, nicht weitergegangen ist, sondern sich zunächst für politische Propagandafilme hat missbrauchen lassen.
Warum der Plural? Okay, "Top Gun" lasse ich gelten. Aber welcher Film ist den noch ein "politischer Propagandafilm"? "Crimson Tide"? Ich glaube nicht. "Spy Game"? Auch weniger.
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buxtebrawler
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Re: Begierde - Tony Scott

Beitrag von buxtebrawler »

Arkadin hat geschrieben:Ich würde mal das grundsätzlich streichen. Der Mann ist sogar sehr talentiert und ich schätze ihn in der Tat noch mehr als sein Bruderherz Ridley. :opa: Ich erinnere da nur an, neben den grandiosen "True Romance", an "Last Boyscout", und die beiden visuell gewagten und weit neben dem Mainstream liegenden "Domino" oder "Mann unter Feuer". Und, ja, ich gebe es zu für "Staatsfeind Nr.1" und "Spy Game" habe ich auch eine kleine Schwäche.
Hat mich bis jetzt noch nichts von gereizt, außer eben "True Romance".
Arkadin hat geschrieben:Warum der Plural? Okay, "Top Gun" lasse ich gelten. Aber welcher Film ist den noch ein "politischer Propagandafilm"? "Crimson Tide"? Ich glaube nicht. "Spy Game"? Auch weniger.
Na gut, wenn's sein einziger war, umso besser. "Begierde" hat mich wirklich positiv überrascht, evtl. werde ich Herrn Scott dadurch weitere Chancen einräumen. 8-)
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Re: Begierde - Tony Scott

Beitrag von untot »

Begierde hat auch mich total fasziniert, von Anfang an, ich mochte die eigenwillige Story, auch finde ich die Bilder wunderbar ästhetisch, Catherine Deneuve ist eine bildhübsche Frau und auch Bowie passt hier, denn der Mann hat etwas charismatisches, dem kann man sich kaum entziehen.
Leider ist seine Rolle hier recht kurz, ich hätte sie mir etwas länger gewünscht, ich liebe Bowie, weniger seine Musik, ich seh ihn gerne Schauspielern, ihn könnte ich mir wirklich prima als Vampir vorstellen, das wär mal ein Film, der wär schon gekauft.
"Begierde" ist, mit seiner leisen, schwermütigen, ja fast zärtlich anmutenden Erzählweise und den grandiosen Bildern, sicher kein Film für jedermann, aber bei mir hat er nen bleibenden Eindruck hinterlassen.

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jogiwan
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Re: Begierde - Tony Scott

Beitrag von jogiwan »

Eigentlich sehr gelungener Streifen irgendwo im Spannungsfeld von Arthouse, Drama und Horror, der neben wunderbaren Darstellern auch eine interessante Interpretation des Vampir-Mythos präsentiert, die statt Horror eher in die existenzielle Richtung geht. Oftmals ist ja im Zusammenhang mit "Begierde" auch die Rede, dass der Streifen sehr "unterkühlt" und beinahe "steril" daherkommt, was ich abgesehen vom Anfang im Wave-Club überhaupt nicht so empfand. Die Atmosphäre ist ja eher sinnlich und traumartig, die Geschichte eher behäbig und melancholisch erzählt und auch wenn manchmal etwas zu sehr die Vorhänge durch die Gegend wehen und vereinzelnt Szenenübergänge allzu schroff montiert über die Bühne gehen, hat Tony Scott mit seinem Film schon einen elegischen Streifen abgeliefert. Normalerweise bin ich auch nicht der große Vampir-Fan, aber "The Hunger" hat meinen Nerv getroffen und zählt imho zu den interssantesten Genre-Streifen aus den Achtzigern, wobei man aber auch gut verstehen kann, dass diese Sichtweise nicht alle teilen.
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Adalmar
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Re: Begierde - Tony Scott

Beitrag von Adalmar »

"Begierde" zählt neben u. a. Murnaus "Nosferatu" zu meinen Lieblings-Vampirfilmen. Neben der kühlen, gleichsam jedoch schwelgerischen Ästhetik und einer hochoriginellen Musikauswahl hat mich die erstklassige Besetzung beeindruckt. Sehr empfehlenswert und sicher einer der bemerkenswertesten amerikanischen Horrorfilme der 80er.
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karlAbundzu
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Re: Begierde - Tony Scott

Beitrag von karlAbundzu »

HUNGER ist wirklich eine der Höhepunkte des Vampirfilms, und gleichzeitig sehr 80er wie auch zeitlos.
Tonys Karriere hat ja vieles abgedeckt, das meiste mochte ich sehr gerne und will hier wirklich noch einmal aus seinem späteren Werk DOMINO empfehlen!!!
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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Re: Begierde - Tony Scott (1983)

Beitrag von Lobbykiller »

Begierde (UK 1983) R: Tony Scott
-> Tony Scotts Debutfilm wartet pünktlich für 1983 mit einer gewissen MTV-Videoästhetik auf, die generell betrachtet das Groove-Cinema der 60er und 70er abgelöst hat (1983 war ja da das Changing Year). Dennoch kann man dem Film einiges abgewinnen. Es ist ein Vampirfilm. Es ist ein ungewöhnlicher Vampirfilm. Catherine Deneuve, Susan Sarandon und David Bowie haben allesamt starke Auftritte. Gleichzeitig ist es ein Drama, dass die tiefgreifendste Frage des menschlichen Seins thematisiert, die Frage nach der Möglichkeit der Unsterblichkeit.
Daher am Ende neben TRUE ROMANCE der 2. Film von Tony Scott, den ich ins Worth-a-Watch-Register eintrage. :D
Dennoch, wegen des fehlenden Under Funks kann ich höchstens 4/5 ziehen.
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karlAbundzu
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Re: Begierde - Tony Scott (1983)

Beitrag von karlAbundzu »

Da würde mich mal interessieren, woran du das changing year fest machst, stilistisch und mit Beispielen. Für mich ist es ja 1978. Der Beginn der 80er, denen ich sehr viel abgewinnen kann.
Ansonsten empfehle ich von Tony Scott noch Domino. Rockt.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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