Chatos Land - Michael Winner

Moderator: jogiwan

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Blap
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Chatos Land - Michael Winner

Beitrag von Blap »

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Chatos Land (Großbritannien 1972, Originaltitel: Chato's Land)

Ein roter Mann sieht rot, den Pöbel ereilt der Tod ...oder Cowboy-Nazis im Land der unbegrenzten Möglichkeiten

Chato (Charles Bronson) erschiesst in Notwehr den Sheriff einer staubigen Kleinstadt, das Halbblut kann unbehelligt aus dem Nest flüchten. Sofort giert die Stimme des Volkes nach blutiger und gnadenloser Vergeltung, unter der Führung des ehemaligen Südstaaten-Militärschädels Captain Quincey Whitmore (Jack Palance) wird die Verfolgung aufgenommen. Schnell ist eine Rotte zusamengetrommelt, kaum ein braver Bürger aus dem nahen Umland entzieht sich der Hatz. Vor allem Jubal Hooker (Simon Oakland) sowie dessen Brüder Elias (Ralph Waite) und Earl (Richard Jordan) treiben die Gruppe unnachgiebig an, Whitmore hat zunehmend Mühe den aufbrausenden Jubal unter Kontrolle zu halten. Chato kennt jeden Winkel der weitläufigen Gegend, er lockt seine Verfolger tiefer und tiefer in das ungastliche Ödland. Trotzdem finden die Männer um Whitmore schliesslich das Haus des Gejagten. Dort treffen sie nur Chatos Frau (Sonia Rangan), gegen den Willen ihres Anführers schänden einige Burschen das nahezu wehrlose Opfer, allen voran der ständig notgeile Earl Hooker. Damit haben die Fürchterlichkeiten noch längst nicht ihren Siedepunkt erreicht...

Regisseur Michal Winner arbeitete mehrfach mit Charles Bronson zusammen. Unvergesslich "Kalter Hauch" (The Mechanic, 1972) und "Ein Mann sieht rot" (Death Wish, 1974). "Death Wish" entwickelte sich zu einer Reihe um den von Bronson dargestellen Rächer Paul Kersey. Insgesamt entstanden fünf Filme, in denen der "Vigilante" für Ordnung sorgte, beim zweiten und dritten Teil nahm Winner ebenfalls auf dem Regiestuhl Platz. "Chatos Land" ist ein unterhaltsamer Fingerzeig auf die Reihe.

Im Western-Genre ist das Thema Rache gewissermaßem omnipräsent, insofern bietet der Plot auf den ersten Blick keine kreativen Ausritte. Doch "Chatos Land" begnügt sich nicht der genüsslichen Ausschaltung der Bösewichter. Der Streifen prangert mit Nachdruck das Thema Rassismus an, blickt skeptisch auf gefährlichen Gruppenzwang, verbunden mit Mangel an gesundem Eigensinn (heute spricht man wohl von Zivilcourage). Nun wird sich mancher Zuschauer fragen, ob hier nicht ein wenig zu offensichtlich und plakativ der Zeigefinger vor der Nase wedelt. Betrachtet man den Zeitpunkt der Entstehung des Films, scheint mir die eindeutige Verarbeitung der Thematik keinesfalls zu flach (oder gar als Alibi für diverse Härten eingestreut). Im Gegenteil, aus meiner Sicht funktioniert das Werk auf mehreren Ebenen, als konsequenter Rachereisser und gesellschaftskritsch aufgeladener Zaunpfahl (für manchen Zeitgenossen überdies als Spiegel mit unliebsamer Abbildung der eigenen Gedanken). Darüber soll nicht vergessen werden, dass das Drehbuch die Schraube beständig anzieht, die Handlung in eine stimmungsvolle Landschaft eingebettet wurde (Spanien diente bekanntlich auch vielen Italowestern als ausdrucksvolle Bühne). Wenn die ersten Geier über den Verfolgern kreisen, wütet in der Truppe der selbsternannten Gesetzeshüter längst der Zerfall, wird die Rangordnung zunehmend in Frage gestellt, fällt das Gefüge der Spaltung anheim.

Charles Bronson verkörpert Chato in Perfektion. Wenige Worte, sparsame (aber extrem ausdrucksstarke) Mimik und ein trainierter Körper. Aus dem Gejagten wird ein gnadenloser Rächer, die Hölle öffnet sich, verschlingt jeden Widersacher. So ist die staubig-heisse Landschaft Chatos stärkster Verbündeter, respektloser Pöbel endet im Taumel brüllender Verzweiflung. Interessant die Zeichnung der Gegenspieler des Helden, denn niemand bleibt auf das Format eines stumpfsinnigen Gewalttäters reduziert, sogar den Brüdern Hooker hängt man ein paar Kilo Menschlichkeit auf das abstossende Charakterskelett. Vor den Brüdern soll jedoch die Leistung des stark aufspielenden Jack Palance gewürdigt werden. Quincey Whitmore hängt vergangenen Tagen nach, kann sich noch immer nicht mit der Niederlage im Sezessionskrieg abfinden. In treibt der Wunsch nach einem späten Sieg an, egal ob ein in Notwehr handelnder Mensch gehetzt wird, irgendwie muss Trauma Bürgerkrieg verarbeitet werden. Schnell weicht die anfängliche Euphorie der Ernüchterung, Whitmore entgleitet die Kontrolle. Er ist von den perversen Auswüchsen einiger Begleiter angewidert, dessen ungeachtet zu sehr mit sich selbst beschäftigt, kann seine Führungsschwäche kaum noch verbergen. Jack Palance fällt damit der wohl vielschichtigste und gleichzeitig tragischste Charakter zu, neben Bronson ist Palance die Gallionsfigur dieses Western. Ich werde aus Platz- und Zeitgründen nicht auf alle Nebenfiguren eingehen, zumindest den Hooker-Brüdern sollen ein paar Worte gewidmet sein. Simon Oakland gibt Jubal Hooker, den ältesten der drei Brüder, unter dessen Knute der jüngste Teil des Trios kaum Luft bekommt. Ergo entlädt sich Earl Hookers Frustration in Form sexueller Ausschweifungen, während Elias sich weitgehend der Kontrolle des älteren Bruders entzieht. Ralph Waite bringt die Niedertracht des Elias Hooker vortrefflich auf den Bildschirm/die Leinwand, ein starker Kontrast zum fürsorglichen Familienvater, den Waite in der bekannten TV-Serie "Die Waldtonnen" (The Waltons, 1972-1981) darstellte. Ich gebe zu, die weiteren Mitwirkenden hätten allesamt eine Nennung verdient, man möge mir die Beschränkung auf die (meiner Auffassung nach) zentralen Herrschaften verzeihen.

"Chatos Land" ist kein Liebling selbstverliebter Kritiker und Miesmacher, allzu gern fällt das Wort "Klischee" in einem abwertenden Tonfall. Winner zeigt sich vom Italowestern beinflusst, ihm gelingt ein überzeugender Brückenschlag vom "modernen" zum "althergebrachten" Western. Modern bezüglich harscher Sprache und gesunder Härte, die Story beackert ein bereits zuvor häufig bestelltes Feld. Dank der erstklassigen Darsteller packt "Chatos Land" auf sehr ansprechende Art zu! Auch ohne "Bronson-Fanbrille" vermag sich der Streifen einen Platz auf dem Westernaltar des staubigen Todes zu sichern!

MGM hat "Chatos Land" auf einer hausüblichen DVD veröffentlicht. Die Qualität geht in Ordnung, Boni sucht der Fan leider vergeblich. Dank des günstigen Preises -der deutlich unterhalb von 10€ liegt- entkommt die Scheibe ohne Prügel für die etwas lieblose Aufmachung.

8/10 (sehr gut)

Lielingszitat:

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Adalmar
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Re: Chatos Land - Michael Winner

Beitrag von Adalmar »

Ich lege hier noch einen Punkt drauf (9/10). Für mich ist das einer der besten Bronson-Filme (zusammen mit "The Mechanic" und "Città violenta"), besonders sein stummes Auftreten harmoniert hier hervorragend mit seinem Charisma. Nebenbei eine blendend eingefangene Landschaft, eben Chatos Land.
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Blap
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Re: Chatos Land - Michael Winner

Beitrag von Blap »

Ich bevorzuge den "Action-Film-Bronson", mir ist Charlie in den "Death Wish" Streifen am liebsten (Teil 2 - 4 stammen aus dem Cannon-Stall, deren Produktionen ich sowieso abgöttisch liebe). Dazu weitere Cannon-Sausen, Werke wie "Ein Mann wie Dynamit" und "Murphys Gesetz" sind für mich unverzichtbar. Doch es geht auch ohne Cannon, der von J. Lee Thompson inszenierte "Der Liquidator" steht ebenso auf meinem Altar.

Was tut das zur Sache? Nichts, aber ich musste es zur Sprache bringen. "Chatos Land" gehört fraglos in jede Bronson-Abteilung einer Sammlung.
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Onkel Joe
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Re: Chatos Land - Michael Winner

Beitrag von Onkel Joe »

8 und 9 von 10, ich muss mir den nochmal besorgen.Hab den 2 mal in meinem Sammler Leben gesehen und fand den nicht so prall.Werde den Film aber nochmals eine Chance geben.
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buxtebrawler
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Re: Chatos Land - Michael Winner

Beitrag von buxtebrawler »

Erscheint voraussichtlich am 31.08.2018 bei Capelight als Blu-ray/DVD-Kombination im Mediabook inkl. Booklet:

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Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
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buxtebrawler
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Re: Chatos Land - Michael Winner

Beitrag von buxtebrawler »

Erscheint voraussichtlich am 01.03.2019 bei Capelight noch einmal auf Blu-ray:

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Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
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Arkadin
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Re: Chatos Land - Michael Winner

Beitrag von Arkadin »

buxtebrawler hat geschrieben:Erscheint voraussichtlich am 01.03.2019 bei Capelight noch einmal auf Blu-ray:
Nach und nach erscheinen jetzt scheinbar alle von Capelight als Mediabook veröffentlichten Filme ohne die verzichtbare DVD als preisgünstigere Bluray. Das Warten lohnt sich also.
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Maulwurf
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Re: Chatos Land - Michael Winner

Beitrag von Maulwurf »

Chatos Land
Chato's land
Großbritannien/Spanien/USA 1972
Regie: Michael Winner
Charles Bronson, Jack Palance, Richard Basehart, James Whitmore, Simon Oakland, Ralph Waite, Richard Jordan, Victor French, Sonia Rangan, William Watson, Roddy McMillan, Paul Young


Chatos Land.jpg
Chatos Land.jpg (72.67 KiB) 249 mal betrachtet
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Chato erschießt den Sheriff. In Notwehr, was aber keinen interessiert. Denn Chato ist ein Halbblut, also fast ein verschissener Apache, und Apachen sind das Letzte. „Nur Gott weiß was Er sich dachte, als Er die Apachen machte.“ Also wird eine Posse zusammengestellt, die Chato jagt. Eine Handvoll weißer Arschlöcher, die denken sie seien Halbgötter. Mindestens. „Um einen toten Indianer zu sehen reite ich meilenweit.“ Die denken, sie jagen einen verängstigten Indianer. Der Anführer, der frühere Südstaatencaptain Quincey, sollte es besser wissen, denn er hat nach dem Bürgerkrieg quer durch das ganze Land Indianer gejagt. Aber Quincey ist so glücklich und so stolz, endlich wieder seine alte Uniform anziehen zu dürfen, da kann das Gehirn auch ruhig mal aussetzen.
Doch nicht nur Quincey merkt relativ schnell, dass nicht sie den Indianer suchen, sondern dass der vielmehr hinter ihnen her ist, und sich einen Spaß daraus macht, sie immer tiefer in die Wüste zu locken. Doch als die Weißen Chatos Frau finden und sie bestialisch vergewaltigen ist Schluss mit lustig. Das Halbblut will blutige Rache.

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Und Regisseur Michael Winner hat anscheinend einen diebischen Spaß daran, die Überlegenheit der weißen Rasse Stück für Stück zu demontieren. Der White Trash, der hier nach Strich und Faden vorgeführt wird, fast möchte man sagen verarscht wird, gehört auch heute noch zum Bodensatz der menschlichen Gesellschaft, und ist auch heute noch voller Freude dabei wenn es darum geht, alles Fremde und Andersartige an der nächsten Straßenlaterne aufzuhängen.

Quincey, der in seinen Erinnerungen an die gute alte Zeit schwelgt, und nicht gemerkt hat wie alt er dabei geworden ist, ist dabei derjenige, der zwar einerseits die Truppe anführt, aber andererseits auch zu alt und zu weich geworden ist um sich durchzusetzen. Das hingegen macht der älteste der Hooker-Brüder, Jubal, der sich schon beim Zusammenstellen der Männer als extremistisches und rassistisches Arschloch entpuppt, das bereit ist für das Durchsetzen seiner eigenen Ansichten über Leichen zu gehen. Und willst Du nicht mein Bruder sein … An seiner Seite der mittlere Bruder Elias, der zwar distanziert-ironisch wirkt, dabei aber ein treuer Befehlsempfänger Jubals ist, und von diesem keinen Millimeter abweicht. Und der jüngste Bruder Earl, der nur und ausschließlich ans Vögeln denkt, und wenn er das nicht haben darf, sich die gewünschte Frau bevorzugt mit der Waffe in der Hand gefügig macht. Jack Palance als Quincey, Simon Oakland als Jubal, Ralph Waite als Elias und Richard Jordan als Earl – Unfassbar gute Schauspieler, die alles geben, und denen man nicht einmal im Tageslicht auf der Straße begegnen möchte. Kaum zu glauben, dass Ralph Waite seine große Rolle als Vater der WALTONS hatte …

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Die anderen Männer der Gruppe sind Mitläufer, sind schwache Männer, die Befehlen gehorchen und sich erst dann auflehnen, wenn es viel zu spät ist. In so einigen Szenen ist CHATOS LAND ein bitterer und verstörender Kommentar über Gruppendynamik und –zwänge. Über Mitläufertum und das Wesen von Führern. Und vor allem über das Resultat solcher Prozesse.

CHATOS LAND ist zwar erstmal ein starker Western, der von der ersten Minute an Gas gibt und keine einzige Sekunde langweilt. Aber gleichzeitig ist CHATOS LAND ein zutiefst depressiv machender Film über soziales Verhalten, der fast 50 Jahre nach seinem Entstehen immer noch brandaktuell ist. Und ordentlich reinhaut!

8/10
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
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