Das Quiller Memorandum - Michael Anderson (1966)

Moderator: jogiwan

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Prisma
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Das Quiller Memorandum - Michael Anderson (1966)

Beitrag von Prisma »


DAS QUILLER MEMORANDUM

● THE QUILLER MEMORANDUM / DAS QUILLER MEMORANDUM - GEFAHR AUS DEM DUNKEL (GB|1966)
mit George Segal, Senta Berger, Alec Guinness, Max von Sydow, George Sanders, Edith Schneider, Robert Helpmann, Robert Flemyng, Peter Carsten, Günter Meisner, Ernst Walder, Philip Madoc, John Rees, Claus Tinney, Herbert Fux,
John Moulder-Brown, Herbert Stass, u. a.
eine Produktion der Rank Organisation | Ivan Foxwell Productions | im Rank Filmverleih
ein Film von Michael Anderson


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»Unsere Arbeit hier in Europa ist auch kein ausgesprochenes Zuckerlecken!«
In Berlin sorgt die Ermordung zweier britischer Geheimagenten für Aufruhr. Daraufhin wird der US-amerikanische Agent Quiller (George Segal) nach Deutschland abgesandt um den Vorfall aufzuklären und in diesem Zusammenhang soll er den Kopf einer neo-nationalsozialistischen Gruppierung ausfindig machen. Seine erste Station ist eine Schule, von welcher sich erst kürzlich ein Lehrer mit Nazi-Vergangenheit das Leben nahm. Bei der Direktorin (Edith Schneider) gibt sich Quiller als Journalist aus, der angeblich einen Artikel über Nazis im Nachkriegsdeutschland schreiben möchte. Schon wenig später kommt es zum ersten Zwischenfall. Vor seinem Hotel wird der Agent von einem Unbekannten angerempelt und dabei wird ihm eine Droge verabreicht. Daraufhin wird er in das Versteck einer Untergrundorganisation verschleppt, deren Anführer sich Oktober (Max von Sydow) nennt. Man will seine wahre Identität und Informationen über seine Mission erfahren, doch auch nach erneutem Verabreichen einer Injektion kommt man zu keinem Ergebnis. Vielmehr fantasiert Quiller lediglich über die attraktive Lehrerin Inge Lindt (Senta Berger), die er zuvor an der Schule befragt hatte. Gibt es noch einen Weg zurück..?

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Regisseur Michael Anderson inszenierte mit "Das Quiller Memorandum" einen nicht uninteressanten Beitrag zum damals immer noch gut ausgelasteten Agenten-Genre, und dieser Film überzeugt mit einer eigenartigen Ruhe, oder man könnte es sogar Gelassenheit nennen, denn es wird alles versucht, nur wenige hektischen Tendenzen aufkommen zu lassen. Die Spannung ist eher von subtiler Natur und es kommt nur selten zu lauten Ausbrüchen, der Verlauf ist von einer beinahe zynischen Note durchzogen, so dass man sich hier im Klaren darüber sein sollte, was man geboten bekommen möchte. Meistens ruhige Bilder und ebenso ruhig agierende Protagonisten und Gegenspieler prägen das Gesamtbild nachhaltig und der Plot kann trotz, oder eben genau wegen seines simplen Aufbaus überzeugen. Im Grunde genommen verlässt sich die Produktion auf ihre stärkste Referenz, nämlich das absolut spektakuläre Staraufgebot. Der Einstieg geschieht schnell und flüssig und man vergibt der Geschichte, dass sie offensichtlich gewollt anfängt, vor sich hinzuplätschern. Es entsteht im Endeffekt eine doch sehr interessante und gerne angenommene Variante der stillen und vollkommen sterilen Abhandlung, die Regie offeriert so gut wie keine impulsiven oder halsbrecherischen Tendenzen, wie sie oft in vergleichbaren Formaten zu finden waren.

Quillers Mission wirkt letztlich sehr klar aufgebaut und scheint dem Empfinden nach auch in geregelte, oder vermutete Bahnen zu laufen. Überraschungen entstehen hauptsächlich aufgrund einiger Kapriolen der vorgestellten Personen, so dass die gebotenen Twists dem Wohlwollen des Zuschauers unterliegen. Der Film entfaltet trotz der Thematik einen recht edlen Charakter, wofür die Gentlemen sowohl auf der Seite von Recht und Ordnung, als auch die der Gegenseite verantwortlich sind, der Dreh- und Angelpunkt Deutschland vermittelt ein sehenswertes Flair. Aufgrund mangelnden Spektakels und der einfachen Handhabe dürfte "Das Quiller Memorandum" vielleicht nicht jedermanns Geschmack treffen, aber auf der Gegenseite stehen einige Vorzüge, die den Unterhaltungscharakter der Produktion unterstreichen. Selbstverständlich trägt der erlesene Kreis der Darsteller stark dazu bei, Weltstars, international anerkannte Akteure und bekannte deutsche Gesichter formen ein ansprechendes Profil.

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Die hervorragende Besetzungsliste wird von George Segal angeführt, der dem US-Agenten Quiller markante Konturen mit auf den Weg gibt. Gezeichnet wird ein Beobachter und Zuhörer ohne große Allüren, Auffassungsgabe und Wachsamkeit scheinen in einem gesunden Verhältnis zu stehen. Auch in Situationen der Bedrängnis ist es ihm meistens möglich, einen klaren Kopf zu bewahren und es besteht kein Zweifel daran, dass er sich auch gegen ausgekochte Gegner durchsetzen kann. Alec Guinness überzeugt mit Förmlichkeit und beinahe aristokratischer Eleganz, Max von Sydow kaschiert seine Brutalität mit höflichen Umgangsformen in der Silhouette eines Gentleman, abgerundet wird das Ensemble durch bekannte, internationale Mimen und eine deutsche Unterstützung, die aus diversen Kriminalfilmen bekannt ist. Beispielsweise sieht man die großartige Edith Schneider in einer sehr zwielichtigen Rolle, Peter Carsten und Günter Meisner in überzeugenden, wenn auch obligatorischen Auftritten, sowie Herbert Fux oder Herbert Stass in Kurzauftritten. Die weibliche Hauptrolle wird von der schönen Senta Berger getragen, von der nicht nur eine anziehende, sondern gleichzeitig eine unbegreifliche Note ausgeht.

Die Interaktion mit ihrem Partner George Segal wirkt rund und geht im Sinne der Geschichte mit ihren Finessen vollkommen auf. Viele Verbindungen stiften hier im Endeffekt eine gute Portion Verwirrung, so dass ein Großteil des Spannungsaufbau über die Charaktere und deren Botschaften aufgebaut werden. Inszenatorisch gesehen, unterscheidet sich "Das Quiller Memorandum" in diesen Bereichen, oder aufgrund alternativer Strategien schon auffällig bis deutlich von der Konkurrenz, wobei der Film im Vergleich zu anderen Genre-Produktionen auch nicht ausgekocht oder spektakulär wirkt. Empfundenermaßen gibt es zu wenig Action und der Plot gibt letztlich nicht den ganz großen Überraschungsmoment her, wenngleich man irgendwie nachdenklich zurückbleibt, was man vielleicht auch ratlos nennen darf, falls der Film für einen nicht sehr überzeugend war. Typische Zutaten runden den angenehmen Eindruck dieser Produktion ab, die eingängige Musik unterstützt Stimmungen, die Ausstattung ist angemessen und die Bebilderung ist stimmig, so dass zu sagen bleibt, dass Michael Andersons Film insgesamt einen durchaus überzeugenden Weg eingeschlagen hat. Unterhaltsam!
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buxtebrawler
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Re: Das Quiller Memorandum - Michael Anderson (1966)

Beitrag von buxtebrawler »

Erscheint voraussichtlich am 25.10.2019 bei Nameless/WVG auf Blu-ray in verschiedenen Mediabooks sowie in Amaray-Hülle und auch noch einmal auf DVD:

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Mediabooks

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Amarays

Extras:
Interviews mit G., A. Guinness, S. Berger u.a.
Originaltrailer

Quelle: OFDb-Shop
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
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Maulwurf
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Re: Das Quiller Memorandum - Michael Anderson (1966)

Beitrag von Maulwurf »

Ein starker Anti-James Bond mit viel Menschlichkeit, mit Schwächen und ganz ohne Gadgets. Mir gefällt, dass Quiller ein ganz normaler Mann zu sein scheint. Kein Supermann wie Bond, aber auch kein gepresster Söldner wie Harry Palmer aus den Len Deighton-Geschichten. Das macht Quiller sehr normal, geradezu bieder, und daraus entsteht eine ganz eigene Stimmung. Zusammen mit den Ruinen Berlins ergibt sich ein Agententhriller der ruhigen und besonderen Art.
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
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Maulwurf
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Re: Das Quiller Memorandum - Michael Anderson (1966)

Beitrag von Maulwurf »

 
Das Quiller-Memorandum: Gefahr aus dem Dunkel
The Quiller memorandum
Großbritannien 1966
Regie: Michael Anderson
George Segal, Alec Guinness, Max von Sydow, Senta Berger, George Sanders, Robert Helpmann, Robert Flemyng, Peter Carsten, Ernst Walder,
Edith Schneider, Philip Madoc, Günter Meisner, John Rees, Victor Beaumont, Harry Brooks Jr., Herbert Fux, Paul Hansard


Das Quiller Memorandum - Gefahr aus dem Dunkel.jpg
Das Quiller Memorandum - Gefahr aus dem Dunkel.jpg (109.52 KiB) 76 mal betrachtet
OFDB

Zwei britische Agenten wurden in Berlin ermordet. Beide hatten den Auftrag, eine Gruppe alter Neo-Nazis zu infiltrieren. Jetzt geht der Auftrag an Quiller, und der gibt gleich mächtig Gas: Erstmal wirbelt er eine Menge Staub auf indem er die richtigen Leute befragt und Unruhe verbreitet, dann verführt er Senta Berger, und zu guter Letzt hängt er seinen Überwacher vom (eigenen) Geheimdienst ab und wird anschließend von den Gegenspielern gefangen genommen. Mit Drogen wird er übel gefoltert, doch als alles nichts fruchtet gibt es den letzten Befehl: Bringt Quiller irgendwohin und tötet ihn …

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Der Erste Quiller-Roman war zumindest für den Schriftsteller Elleston Trevor so erfolgreich, das er unter dem Pseudonym Adam Hall noch weitere Romane um den Agenten ohne Schusswaffen schrieb. Einige davon habe ich gelesen und kann sie nur wärmstens empfehlen. Angenehm realistische Agentenromane, die mit einer gesunden Härte aufwarten und einen Helden haben, der Schusswaffen verabscheut und stattdessen das Nachdenken als Mittel zum Zweck benutzt. Außerdem macht Quiller auch mal Fehler, was ihn auf eine Stufe mit dem Leser hebt, und damit eine ganz enorme Identifikationsmöglichkeit bietet. Dass die Romane so ganz nebenher auch noch sauspannend sind möchte ich nur der Vollständigkeit halber erwähnen …

Diese Verfilmung des ersten Romans lässt den Helden zwar noch ein wenig als Gegenspieler von James Bond erscheinen, gibt ihm aber auch hier bereits angenehm menschliche Züge. Er verliebt sich in die göttinnengleich ins Bild gesetzte Senta Berger, und er lässt sich wie ein Anfänger von den Bösen gefangen nehmen. Was natürlich auch Kalkül gewesen sein könnte, denn Quiller ist auch in den Romanen ziemlich hart im Einstecken. Nichtsdestotrotz sollte er wohl in diesem Film bewusst als Gegenstück zu dem Superagenten 007 aufgebaut werden – Mit menschlichen Zügen, mit Schwächen, und ohne Gadgets. Ersteres hat nichts ganz so gut hingehauen, sein Hang zum Einzelgängertum, der in den Romanen auch immer wieder hervorgehoben wird, beschert George Segal im Film einige unsympathische und fast clowneske Züge. Aber insgesamt wirkt Segal angenehm unauffällig, und eben – menschlich. Fast bieder. Seine Enttäuschung bei der letzten Verabschiedung ist deutlich zu spüren und auch nachzuempfinden – Er kennt den Hintergrund, er weiß warum er überlebt hat, aber er wird es nie beweisen können. Für ihn geht das Leben weiter, und vielleicht ist es ein Leben, das ein klein wenig trauriger ist als zuvor.
Denn QUILLER ist kein Supermann der die Welt vom Übel befreit, und ist der Film aus, ist auch die Gefahr beseitigt. QUILLER spielt in einer realen Welt, mit zwielichtigen Gestalten in einer kaputten Umgebung, wo nicht einmal der eigene Auftraggeber über jeden Zweifel erhaben ist, und wo zum Ende des Films die Bedrohung mitnichten verschwunden ist. Sie ist einfach nur woanders, und der arme Depp, dessen Job es ist die Gefahr zu beseitigen, weiß genau, dass er wieder und wieder losziehen muss. Seine Haut zu Markte tragen muss, um etwas zu bekämpfen, was ihm eigentlich am Arsch vorbeigehen würde, wenn es nicht auf eine direkte und persönliche Art diesen Arsch perforieren würde …

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Durch die Originalschauplätze in Berlin und die Verwendung deutschsprachiger Schauspieler (Peter Carsten, Günter Meisner, Herbert Fux und einige mehr) wird diese Art Realität noch einmal stärker, und so treffen beispielsweise die Folterszenen den Zuschauer mit einiger Härte. Auch hier wird schnell klar, dass Quiller dies nicht zwingend ohne Blessuren überstehen wird, dass er kein Superagent aus dem Kintopp ist, sondern eigentlich nur ein ganz normaler Mann mit einem sonderbaren Beruf.

QUILLER ist spannend, wenn man weiß worauf man sich einlässt. Kein 08/15-Eurospy, sondern anspruchsvolle und stellenweise relativ harte Unterhaltung aus dem Agentenmilieu. Ausgesprochen sehenswert!

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6/10
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Jack Grimaldi
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buxtebrawler
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Re: Das Quiller Memorandum - Michael Anderson (1966)

Beitrag von buxtebrawler »

@Maulwurf: "Ausgesprochen sehenswert" ist bei dir 6/10...? :-?
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Das Quiller Memorandum - Michael Anderson (1966)

Beitrag von Maulwurf »

buxtebrawler hat geschrieben: Sa 13. Apr 2024, 16:09 @Maulwurf: "Ausgesprochen sehenswert" ist bei dir 6/10...? :-?
Da hast Du mich jetzt voll erwischt. :oops: Der Film selber ist stellenweise etwas spröde, weswegen er direkt nach der Sichtung die 6/10 bekommen hat. Mit dem Text hatte ich aber lange Zeit Probleme, und im Laufe der Wochen wurde er in der Erinnerung immer besser, ohne dass dabei die ursprüngliche Bewertung verändert wurde. Rückblickend würde ich mal sagen, dass die 7 zutreffender ist.
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Jack Grimaldi
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