Keine Zeit zu sterben
No time to die
Großbritannien/USA 2021
Regie: Cary Joji Fukunaga
Daniel Craig, Léa Seydoux, Rami Malek, Lashana Lynch, Ralph Fiennes, Ana de Armas, Ben Whishaw,
Naomie Harris, Rory Kinnear, Jeffrey Wright, Billy Magnussen, Christoph Waltz, David Dencik
- Keine Zeit zu sterben.jpg (121.69 KiB) 206 mal betrachtet
OFDB
Der neueste Bond. Der 25. Bond. Nach fast 60 Jahren Serie der Abschluss des fünften Bond-Darstellers Daniel Craig und, zumindest wurde es im Vorfeld so kolportiert, ein Höhepunkt der Serie. Bond hat sich vor fünf Jahren von seiner großen Liebe Madeleine getrennt und ist jetzt im Ruhestand. Als ihn ein Ruf seines Freundes Felix Leiter ereilt, der auf Kuba seine Unterstützung benötigt, zögert er zuerst. Aber dann macht er doch mit, ein James Bond passt halt einfach nicht in den Ruhestand. Schnell kommt heraus, dass in London eine biologische Waffe verschwunden ist, M offensichtlich seine Finger in dieser Sache drin hat, sein alter Feind Blofeld ebenfalls involviert ist, und die einzige Person, die zu Blofeld Zugang hat – Madeleine ist. Als auf Kuba alle Mitglieder von Spectre bei einer groß angelegten Aktion ums Leben kommen ist Bond eigentlich schon wieder mittendrin statt nur dabei. Er soll einen Schurken zu jagen, der mittels Viren den größeren Teil der Menschheit ausrotten will. In Wirklichkeit aber ist Bond hinter seinen eigenen Dämonen her (oder sie hinter ihm, das kann man sehen wie man will), und diese psychologische Verfolgungsjagd hat den weitaus größeren Anteil an der Handlung.
Doch was bleibt nach der Sichtung übrig? Ein verbraucht wirkender Daniel Craig, der in ein paar Szenen wirklich ausschaut wie sein eigener Großvater, und der den Schwung eines James Bond in vielen Szenen vermissen lässt. Rami Malek als ziemlich blasser Schurke, der versucht mit wenig Schauspiel und viel Manierismen Eindruck zu schinden und dabei weit hinter seinen Möglichkeiten bleibt. Ana de Armas, die tatsächlich trotz, oder vermutlich eher gerade wegen ihrer Comichaftigkeit der Höhepunkt des Films ist. Ralph Fiennes wirkt alt, Lashana Lynch hat wenig bis gar keine Ausstrahlung, und Léa Seydoux … Ääh, war da was?
OK, die Schauspieler geben wenig her, dann aber vielleicht die „üblichen“ Höhepunkte eines Bond-Films: Technische Gadgets, Actionsequenzen die den Standard ihrer Zeit definieren, exotische Schauplätze, schöne Frauen die durch das Bild segeln. Gut, letzteres ist in #meeto-Zeiten wahrscheinlich verboten. Die exotischen Schauplätze sind, bis auf die Opening-Sequenz in Italien eher in Grau gehalten und wirken, dem modernen Bond respektive Actionfilm angemessen, schmutzig und verlassen. Das Hauptquartier des bösen Safin wäre einem Ken Adams so niemals untergekommen, aber wahrscheinlich ist dies dem Unterschied zwischen den poppigen 1960ern und den prä-apokalyptischen 2020ern geschuldet. Nicht schön anzuschauen, aber wahrscheinlich effektiver, im Sinne der Handlung. Gleichzeitig soll damit aber natürlich auch der seelische Zustand James Bonds dargestellt werden - Seine Verzweiflung, seine Kampfesmüdigkeit, sein Lebensüberdruss. Wobei der Betonkomplex in KEINE ZEIT ZU STERBEN demjenigen in Christopher Nolans INCEPTION merkwürdig ähnelt, und das Gefängnis von Blofeld eine eindeutige Kopie des Gefängnisses von Nicolas Winding Refns BRONSON darstellt. Aber das sind sicher nur Details …
Die Actionszenen, früher mal das Wichtigste in einem Bond-Film, sind wuchtig, was aber in erster Linie dem Schnitt zu verdanken ist. Es fehlen die markanten Schurken mit überragenden Kampffähigkeiten genauso wie die aus der Bewegung heraus eindrucksvollen Kämpfe. Wenn Bond am Ende mit seinem 2000-schüssigen Gewehr den Betonturm erklimmt ist das ganze in eine lange Plansequenz eingebettet, was der Dramatik an dieser Stelle hervorragend zu Gute kommt. Aber sonst beherrschen zu weiten Teilen Unübersichtlichkeit und hektischer Schnitt die Szenerie. Und noch ein weiteres Element beherrscht den gesamten Film, und dieses Element gibt KEINE ZEIT ZU STERBEN dann auch den Todesstoß: Der Film ist ausgesprochen dialoglastig, um nicht zu sagen geschwätzig. Bei der finalen Konfrontation zwischen Bond und Safin hatte ich schon die Befürchtung, dass die beiden sich zu Tode quasseln wollen. Aber auch sonst wird, ganz im Sinne der Psychologisierung der Filmfigur Bond, geredet auf Teufel komm raus, was dem Film zwar einiges an Drama gibt, ihn aber als Actionfilm gleichzeitig auf das Abstellgleis führt.
Was bei einem Actioner aus dem neuen Jahrtausend häufig zu beobachten ist, und oft auch gar nicht schlecht daher kommt, nämlich die psychische Vertiefung der Hauptfigur, wirkt einem James Bond wie ein merkwürdiges und verwirrendes Anhängsel. Liam Neeson mag so etwas gut Gesicht stehen, Jason Bourne ist mit dieser Weise sogar zum Vorreiter moderner Krach-Bumm-Peng-Filme geworden (und hat nebenbei James Bond um Längen hinter sich gelassen). Aber bei einem Film um den Superagenten 007? Entsprechend wirken die Actionszenen in KEINE ZEIT ZUM STERBEN alle merkwürdig oberflächlich. Die Kämpfe zerfasern in ein Schnittgewitter und insgesamt steht da eine Belanglosigkeit im Raum, die ich von B- und C-Actionern vielleicht kenne, aber nicht von einem Multi-Millionen-Dollarfilm. Gerade die erste Hälfte des Films verguckt sich so dermaßen in die Psyche des Helden, dass ein Höhepunkt wie der Kampf in dem Kasino in Mexiko fast wie ein Fremdkörper wirkt, und nur dank der überragenden Ana de Armas gerettet wird, die zwar furchtbar übertrieben daherkommt, aber wenigstens die Aufmerksamkeit des Zuschauers auf sich zieht. Im Gegensatz zu der dümmlichen Ballerei außenrum, die allen Ernstes das Attribut uninteressant für sich beanspruchen kann. Uninteressante Kampfszenen in einem James Bond-Film? Ich hätte nie gedacht, dass ich so etwas einmal schreiben müsste …
Ich gebe gerne zu, dass das lange Showdown einigermaßen atmosphärisch rüberkommt, wenngleich es in seiner Entwicklung immer wieder durch endlose Dialoge ausgebremst wird, und den Kloß im Hals am Ende kann ich auch nicht leugnen. Aber ein Höhepunkt innerhalb dieser Serie sieht anders aus. Und gerade ausgewalzt auf zweieinhalb Stunden zeigen sich die Schwachpunkte des viel zu langen Films ganz klar in der mauen Umsetzung eines Formats, das gerne den Sprung vom Actionfilm zum Drama schaffen würde, sich aber noch nicht so recht traut den Fans lange weinerliche Monologe vorzusetzen. Der Abschied zwischen Bond und Madeleine am Bahnhof etwa ist zu lang, zu langweilig, zu Drama. Narrativ interessant umgesetzt, sicher, aber um Himmels Willen nicht Bond’isch. Was kommt als Nächstes? James Bond, der in einem regnerischen Paris an einem Bistrotisch sitzt, Rotwein trinkt und im Off über die Abgründe der Liebe sinniert?
Mit dem Tod verschiedener Haupt- und Nebenpersonen wäre KEINE ZEIT ZUM STERBEN genau der richtige Zeitpunkt für die Serie, das Zeitliche zu segnen. Das Format wirkt überholt und nicht mehr zeitgemäß, die Fans der alten Bonds können mit den neuen Inhalten nicht mehr viel anfangen, und die Fans der neuen Formate haben mehr als reichlich Auswahl an besseren Filmen, sowohl was das Drama als auch die Action angeht. In meiner persönlichen Hitliste kommt KEINE ZEIT ZU STERBEN tatsächlich an zweitletzter Stelle, vor STIRB AN EINEM ANDEREN TAG, der aber wenigstens actiongeladen und bunt war, dafür aber mit viel Dummheit geglänzt hat. Dumm ist KEINE ZEIT ZU STERBEN nicht, und die Idee, Bond eine überlastete Psyche zu geben ist interessant. Aber die Umsetzung ist grandios gescheitert. Eigentlich, ja eigentlich sollte dies ein guter Zeitpunkt sein zum Sterben. Ich meine, auch der Marlboro-Mann musste schließlich irgendwann mal abtreten …
5/10