bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Moderator: jogiwan

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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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[•REC] 2
Das Ende vom ersten Teil ist der Anfang vom zweiten: das Wohngebäude ist weiterhin hermetisch abgeriegelt, alle Zugänge blockiert und die Infizierten und alle Anderen sitzen immer noch drin fest. Der Kontakt zum entsendeten Gesundheitsbeamten ist abgerissen und die Einsatzleitung entschließt sich, ein SWAT-Team unter der Leitung des Wissenschaftlers Doktor Owen in das Gebäude zu schicken. Wenn sie ihre Aufgabe erledigt haben, können sie das Wohnhaus wieder verlassen und die Evakuierung der Lebenden kann beginnen.
Nach dem Erfolg des Seuchenzombiehorrors [•REC] schoben die spanischen Regisseure Balagueró und Plaza im Jahre 2009 eine Fortsetzung hinterher, die sich nach dem Fragen aufwerfenden Ende des Vorgängers natürlich geradezu aufdrängte. Man knüpft nahtlos an den ersten Teil an und entsendet eine Spezialeinheit in das hermetisch abgeriegelte Gebäude in Barcelona, in dem die Seuche ihren Anfang nahm und normale Menschen in rasende Bestien verwandelte, die durch ihre Bisse wiederum weitere Menschen infizieren. Mit dabei ist der Wissenschaftler Dr. Owen, der sich bald als Entsandter der Kirche entpuppt...

...denn der [•REC]’sche Zombiehorror wird in seiner Fortsetzung zu einem Zombie-/Okkult-Horror-Crossover mit Exorzisten-Thematik und ein bisschen „Mad Scientist“ schwingt auch noch mit – was da munter übertragen wird, ist nämlich dämonische Besessenheit, gegen die man dann auch schon mal mit Gebeten und Kruzifixen vorrückt. All das klingt reichlich albern, was es irgendwie auch ist. Da sich aber erst im Laufe der Handlung nach und nach (mehr oder weniger) herausstellt, was es mit all dem auf sich hat, ist neben dem üblichen Mitfiebern mit kaum näher charakterisierten Figuren für Spannung gesorgt, die in einem Finale mündet, das zwar wieder wie im Vorgänger mit der Nachtsichtkamera arbeitet, ansonsten aber so ganz anders, jedoch ähnlich gelungen und faszinierend ist.

Doch der Weg dahin ist mitunter etwas holprig gepflastert mit den zu erwartenden Zutaten wie Panik, Schocks, Infizierungen und Tod. Die Make-up-Effekte sind gelungen und das Blut fließt, aber man übertreibt es nicht und veranstaltet keine Splatterorgie. Den Charme seines Vorgängers, der sich insbesondere aus dem typisch spanischen Flair mit seinen mitunter etwas skurrilen Charakteren ergab, erreicht man dabei leider nicht; der mittlerweile zwar bekannte, doch nett variierte Einsatz der Handkameras für den dokumentarischen Stil macht aber einiges wett. So sorgt es durchaus für Kurzweil, sich perspektivisch und stilistisch zwischenzeitlich in einem Ego-Shooter zu wähnen oder denselben Zeitabschnitt noch einmal aus einer anderen Perspektive zu sehen zu bekommen.

Ja, auch [•REC] 2 macht Spaß, sofern man nicht die Nase voll vom „Mockumentary“-Stil hat. Flottes Tempo, einige frische Ideen und ein spannendes Finale bescheren ein kurzweiliges Horrorvergnügen, das mir auf der Storyebene allerdings etwas spanisch vorkommt.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Stimme der Dunkelheit
Julia (Jill Schoelen) erlebt eine erst unbequeme, dann furchtbare Nacht. Währen sie babysittet, erscheint ein Besucher vor der Haustür, der angeblich mit seinem Wagen liegen geblieben ist und Hilfe holen will. Doch vorsichtshalber läßt sie ihn nicht herein, belügt ihn aber über die Hilfe, da das Telefon nicht funktioniert. Doch ihr Besucher wird immer hartnäckiger... Fünf Jahre später ist Julia immer noch traumatisiert, als sie Kinderkleidung in ihrem Schrank an der Uni findet. Das genügt natürlich der Polizei kaum aus, allein die Frauenbeauftragte der Uni, Jill (Carol Kane) glaubt ihr, vor allem, weil sie Ähnliches schon selbst erlebt hat (siehe: "Das Grauen kommt um 10"). Und durch sie kommt auch der ehemalige Detective John Clifford (Charles Durning) wieder ins Spiel, der beginnt, Ermittlungen anzustellen...
14 Jahre nach US-Regisseur Fred Waltons („Die Horror-Party“) Regiedebüt und Überraschungserfolg „Das Grauen kommt um 10“ bekommen die Freunde jenes Psycho-Thrillers mit „Stimme der Dunkelheit“ eine Fortsetzung spendiert, für die man erneut Carol Kane („Hundstage“) als Jill und Charles Durning (ebenfalls „Hundstage“) als John Clifford gewinnen konnte.

Wie schon der Vorgänger beginnt „Stimme der Dunkelheit“ damit, dass ein unbedarfter Babysitter (Jill Schoelen, „Stepfather“, „Skinner ...lebens gehäutet“ als Julia) es mit einem Psychopathen zu tun bekommt, der diesmal allerdings die Kinder nicht direkt bestialisch ermordet, sondern entführt und unentdeckt entkommt. Im Gegensatz zum Mörder aus „Das Grauen kommt um 10“ ruft er nicht an, sondern steht – ohne, dass der Zuschauer ihn zu sehen bekommen würde – vor der Haustür und gibt vor, eine Autopanne zu haben. Das Telefon spielt insofern erneut eine Rolle, dass Julia gebeten wird, einen Pannendienst zu rufen. Jahre später: Julia bewohnt ein Studentenwohnheim und hat noch immer an den damaligen Vorfällen zu knabbern – erst recht, als der Täter wieder in ihr Leben tritt. Doch Jill, die seinerzeit „Das Grauen kommt um 10“ überlebte und somit Ähnliches erlebt hat, steht Julia zur Seite, während der mittlerweile als Privatermittler tätige John Clifford den Täter sucht...

Der episodenhafte Aufbau dieser Fortsetzung ist recht ähnlich mit dem des Originals. Mit der nervenzerfetzenden Spannung des Originalprologs kann der des Sequels nicht mithalten, doch der schwächelnde Mittelteile aus „Das Grauen kommt um 10“ ist hier wesentlich stimmiger gestaltet worden. In anonymer Großstadtatmosphäre wird ein unbekannter, psychisch derangierter Kindesentführer gesucht, während sich Julia einer diffusen, weil eben unbekannten und motivlosen Bedrohung ausgesetzt sieht, die bis in ihr Privatestes, ihr Zimmer im Studentenwohnheim, vordringt, und sie versuchen muss, nicht den Verstand zu verlieren und leichtfertig als paranoid und nicht zurechnungsfähig abgetan zu werden.

Das schreit natürlich geradezu nach einem großen, originellen Finale, das wiederum dem des Originals in nichts nachsteht, erneut ein Lehrstück in Sachen Suspense wurde und ebenfalls verdammt gruselig ausfiel, dass es einen erschaudern lässt. Woran es aber leider mangelt, ist die Charakterisierung des Täters. Was in „Das Grauen kommt um 10“ evtl. übertrieben wurde, wurde hier etwas vernachlässigt. Etwas mehr über dessen Beweggründe bzw. seine schräge Gedankenwelt zu erfahren, wäre wünschenswert gewesen. Wie der Film ein Geheimnis aus ihm macht und es geschickt verhindert, sein menschliches Antlitz zu zeigen, ist aber gelungen und trägt dazu bei, eine unheimliche Aura um ihn zu erschaffen. Jedoch fiel es mir sehr schwer, zu akzeptieren, dass dieser als Bauchredner das Kunststück beherrscht haben soll, seine Stimme derart zu verstellen, dass sie klingt, als käme sie von einem anderen Ort. Dieser Unfug will einfach nicht in einen ansonsten letztlich mit beiden Beinen auf dem Boden der Tatsachen stehenden Thriller passen.

Überzeugen konnte mich aber erneut Carol Kane, die als mittlerweile reife Jill mütterliche Schutzinstinkte für Julia entwickelt und als selbstbewusste, intelligente Frau nachstellenden Irren den Kampf angesagt hat. Durning als John Clifford mit dem richtigen Riecher wurde diesmal nicht die Rolle eines zweifelhaften schießwütigen Bullen zuteil, sondern die des erfahrenen, aber gerade deshalb auch skeptischen Ermittlers, der trotz seiner Freundschaft zu Jill diese auch schon mal auf die Palme bringt. Die differenzierten Charakterzeichnungen wissen zu gefallen, wobei aber die logische Konsequenz ist, dass der Film nicht vor Action strotzt. Im Gegenteil, „Stimme der Dunkelheit“ geht angenehm subtil zu Werke und garantiert dadurch gegen Ende umso wirksameren Schrecken.

Am gewöhnungsbedürftigsten empfand ich die fragwürdige Frisur der ansonsten attraktiven Julia, womit ich das undefinierbare Etwas auf dem Haupt der Studenten-Julia und nicht die kecke Kurzhaarfrisur der Babysitter-Julia meine. Aber auch die 1990er waren eben gerne mal geschmacksverirrt. Schauspielerisch macht sie aber eine gute Figur und hat durch ihr Mitwirken in den eingangs erwähnten Filmen ohnehin einen Stein bei mir im Brett. Fazit ziehend möchte ich diese Fortsetzung allen Freunden des Vorgängers sowie wahrhaftiger Psycho-Thriller im Allgemeinen ans Herz legen und würde sogar so weit gehen, zu behaupten, dass „Stimme der Dunkelheit“ in seinen stärksten Momenten ein wenig an „Das Schweigen der Lämmer“ erinnert – wenn das nichts ist?

Wie auch „Das Grauen kommt um 10“ ist „Stimme der Dunkelheit“ hierzulande sträflich unbekannt. Doch während Waltons Debüt noch nicht einmal eine DVD-Auswertung zuteil wurde, erschien seine Fortsetzung im Herbst 2011 in der keinen roten Faden erkennen lassenden „Cinema Finest Collection“ von MIG, die auf dem Cover peinlicherweise „Sequel“ mit „Prequel“ verwechselt und der Reputation des Films sicherlich keinen Gefallen damit tut, ihn großspurig als den „Vorläufer zu Scream!“ anzukündigen. Du meine Güte...
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Dead End
Die vierköpfige Familie Harrington fährt wie jeden Heiligabend zur Verwandtschaft der Mutter. Dieses Jahr ist auch der neue Freund der Tochter mit dabei und Vater Frank (Ray Wise) will zur Abwechslung eine Abkürzung ausprobieren, die die Familie abseits von jeglicher Zivilisation durch tiefe und dunkle Wälder führt. Auf der stockfinsteren Straße treffen sie auf eine verstörte junge Anhalterin mit einem Säugling im Arm, der sie ihre Hilfe anbieten und sie schließlich mitnehmen. Dies entpuppt sich wenig später als fataler Fehler...
Das Regiedebüt der französischen Regisseure Jean-Baptiste Andrea und Fabrice Canepa aus dem Jahre 2003, die französisch-US-amerikanische Koproduktion „Dead End“, ist ein Horrorfilm, der zunächst das volle Backwood-Horror-Klischeebrett aufzufahren scheint: Familie Harrington inkl. Freund der Tochter nimmt am 24.12. auf dem Weg zur Verwandtschaft eine unbekannte Abkürzung, hat einen Autounfall, muss feststellen, dass das Mobiltelefon keinen Empfang hat, trifft auf undurchsichtige Gestalten, trennt sich und läuft allein durch die Gegend. Doch dann kommt doch alles ganz anders...

„Dead End“ ist einer dieser mehr oder weniger originellen Filme, die auf einen finalen mehr oder weniger überraschenden Plottwist zusteuern. Der Weg dorthin zeigt das Porträt einer vierköpfigen Familie, deren Mitglieder angesichts der Extremsituation, in der sie sich befinden, eines nach dem anderen den Verstand verlieren – bevor sie nacheinander den Löffel abgeben. Ein familiärer, bisher unausgesprochen gebliebener Abgrund nach dem anderen tut sich auf, tief und unüberwindbar. Begleitet wird die Farce von einem wahrlich kohlrabenschwarzen Humor, wie ich ihn aus Frankreich so nicht unbedingt erwartet hätte. Das geht bis hin zu sparsam, aber sorgfältig eingesetzten blutigen Effekten, bei denen manch Zuschauer das Lachen auch schon einmal im Halse stecken bleiben dürfte.

Die US-amerikanischen Schauspieler Ray Wise („RoboCop“, „Katzenmenschen“) als Familienvater, Lin Shaye als diesem nicht sonderlich zugeneigte Mutter, („Nightmare – Mörderische Träume“, „Critters – Sie sind da“, „The Hidden – Das unsagbar Böse“), Alexandra Holden („Gnadenlos schön“) als aufgewecktes Töchterchen und Mick Cain („Mißbraucht – Eine Tochter schlägt zurück“) als wild pubertierende Supernervensäge von Sohn sowie Billy Asher als cooler, aber verliebter Freund der Tochter und Amber Smith („American Beauty“) als geheimnisvolle weißgewandete Lady, die ihr totes Baby mit sich herumschleppt, haben nicht nur zum Teil recht bekannte Namen vorzuweisen, sondern geben, insbesondere Wise und Shaye, alles und stellen eine ganze Bandbreite verschiedener Emotionen glaubwürdig dar. Die Waldkulissen sorgen für die passende Atmosphäre der Desorientierung und Düsterheit. Die Kamera tut gut daran, in einigen kruderen Momenten nicht voll draufzuhalten, sondern lediglich einzelne Körperteile einzufangen und somit die Phantasie des Zuschauers anzuregen und das ästhetische Empfinden Zartbesaiteterer zu schonen. Die knappe Spielzeit von nicht einmal 80 Minuten verhindert jegliche Länge, Timing und Dramaturgie funktionieren einwandfrei.

Vordergründig ein Stück schwer unterhaltsamer Mystery-Horror, ist „Dead End“ für mich eine Parabel auf wacklige Familiengefüge, die regelmäßig zu Weihnachten zerbersten und somit ein weiterer schöner Anti-Weihnachtsfilm. In jedem Falle ist er ein starkes Regiedebüt mit einem Plottwist, den zumindest ich nicht vorausgeahnt, es allerdings auch nicht darauf angelegt hatte. „Dead End“ lässt sich aufgrund seiner Qualitäten und ausgeprägten familienpsychologischen Ebene perfekt genießen, ohne in krimiartige Ratereien zu verfallen. Sehr guter Stoff!
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Sennentuntschi
Bizarre Morde stellen die Polizei in einem Schweizer Bergdorf vor ein Rätsel! 1975, in einem einsamen Bergkaff in den Graubündner Alpen: Ein Mann wird in der Kirche erhängt aufgefunden – offenbar Selbstmord. Während des Trauerzuges taucht eine stumme und zerlumpte junge Frau auf, die mit ihrem wilden Äußeren den Dorfbewohnern unheimlich ist. Man ist schnell überzeugt, dass die Frau, die anscheinend von der nahe gelegenen Höhenalp gekommen ist, vom Teufel, besessen und für den Tod des Kirchdieners verantwortlich ist. Nur der Dorfpolizist Reusch (Nicholas Ofczarek) glaubt nicht an Spukgeschichten und nimmt sich ihrer an. Dabei stößt er auf ein altes und unaussprechlich düsteres Geheimnis …
Ein Pfaffe hing am Glockenseil...

„Absinthus spiritus sanctus und simsalabim!”

Mit seiner Verfilmung einer seit Generationen überlieferten Alpensage ist es dem schweizerischen Regisseur Michael Steiner („Grounding – Die letzten Tage der Swissair“) in schweizerisch-österreichisch-französischer Koproduktion gelungen, nach einem u.a. durch Finanzierungsprobleme schwierigen Entstehungsprozess im Jahre 2010 einen Film zu veröffentlichen, der in einer ungewöhnlichen Mischung Mystery-, Märchen-, Horror- und Heimatfilm-Elemente zu einem originellen, eigenständigen Ganzen vereint.

Die Gegenwart: Ein kleines Mädchen stößt beim Spielen auf einen sie mit einem Spiegel blendenden Jungen und auf eine verscharrte Knochenhand. Wie sich herausstellt, gilt der Junge seit 1975 als vermisst... Schnitt ins Jahr 1975: Ein Pfaffe wird aufgeknüpft aufgefunden. War es Selbstmord? Während der Beerdigung taucht eine mysteriöse junge, stumme Frau (Roxane Mesquida, „Rubber“) auf. Der Dorfbevölkerung ist sie suspekt, für die örtliche Kirche ist sie ein vom Teufel besessener Dämon. Polizist Reusch (Nicholas Ofczarek, „Tatort“) glaubt nicht an den Hokuspokus und nimmt sie unter seine Fittiche. Doch durch die erbarmungslose Jagd der Kirche ist sie gezwungen, ein Leben auf der Flucht zu führen, das sie schließlich hoch in die Berge führt, wo sich Senner Erwin (Andrea Zogg, „Tatort“), dessen behinderter Sohn Albert (Joel Basman, „Löwenzahn – Das Kinoabenteuer“) und der flüchtige Frauenmörder Martin (Carlos Leal, „Zerrissene Umarmungen“) dem Absinth-Rausch hingeben. Im Vollsuff rufen sie das Sennentuntschi herbei, das, wie es die Legende besagt, nach einem Ritual auftaucht und den einsamen Älplern zur Verfügung steht, sich im Falle sexuellen Missbrauchs aber grausam rächt, indem es ihnen die Haut abzieht und zu Puppen verarbeitet.

Wer ist diese Frau wirklich? Ist sie eine geschundene Kreatur oder tatsächlich das dämonische Sennentuntschi? Und wer wenn nicht sie ist für den Tod des Pfaffen verantwortlich? Diese und andere Fragen wirft die Handlung auf, die in der ausgedehnten Rückblende ins Jahr 1975, die den eigentlichen Film darstellt, in ineinander verschachtelten, unterschiedlichen Zeitebenen erzählt wird. Dabei wirken die pittoresken Bilder der Alpengegenden tatsächlich wie einem schwülstigen Heimatfilm entlehnt, konträr dazu vollzieht sich aber die Geschichte um Aberglaube, Mord, Vergewaltigung und menschliche Abgründe, während Reusch nach Art eines Krimis bzw. Thrillers ermittelt und den Zorn der Bevölkerung auf sich zieht. Die Mystery-Anleihen lassen den Zuschauer lange Zeit im Dunkeln, was es nun genau mit der Sennentuntschi-Sage und dem unbekannten, doch hochattraktiven Mädchen auf sich hat. Das sowohl um Horror- als auch Rape-and-Revenge-Drama-Elemente angereicherte, durchaus grafische Finale wirkt innerhalb diese der Heimatidylle bizarr und auf eine ganz eigene Art erschreckend.

Den Weg dorthin gestalten die Schauspieler durch hervorragende Leistungen, die die mehrschichtigen Charakterisierungen ihrer Rollen gut und emotional herausarbeiten. Auch gibt man sich recht freizügig, was im Falle Roxanne Mesquidas für etwas Erotik sorgt, während die Nudität der männlichen Darsteller den Realismus gewisser Szenen unterstreichen soll. Das Spiel mit den Zeitebenen erfordert etwas Konzentration seitens des Zuschauers und wurde darüber hinaus für ein paar kreative, künstlerische Kniffe genutzt. Die größte positive Überraschung ist für mich die Regie Steiners, die es schafft, all diese unterschiedlichen Zutaten zu einem homogenen Ergebnis zusammenzuführen und eine ganz eigene Atmosphäre ähnlich der eines düsteren Märchens für Erwachsene zu erschaffen, wie sie in diesem Bereich einzigartig, aber auch gewöhnungsbedürftig sein dürfte. Denn „Sennentuntschi“ nutzt das Potential der lokal beschränkten Sage, um den ihr innewohnenden Grusel filmisch gekonnt und spannend umzusetzen, sich dabei diverser Charateristika des phantastischen Films zu bedienen, aber fest in den Alpen verwurzelt zu bleiben, anstatt einen an den Mainstream angepassten 08/15-Horror herunterzurattern. Will sagen: Die Verquickung gemeinhin als idyllisch bis kitschig verstandenen Lokalkolorits mit Mystery und Horror erlaubt einen wenn nicht neuen, so doch mindestens seltenen Blick auf die Alpenregion, ist mutig und verdient Applaus! Unterstützung erhält man dabei von einem außergewöhnlichen Soundtrack, der zeitweise ebenfalls mit Gewohnheiten und Erwartungshaltungen brechen dürfte und mich insbesondere während des Abspanns mit einer eingängigen Hard-/Prog-Rock-Nummer (?) aufhorchen ließ.

Wer möchte, kann in „Sennentutschi“ sicherlich Bezugnahmen auf ein Leben Ausgestoßener auf der Flucht, Einfluss der Kirche, Missbrauch Schutzbefohlener, Hexenjagden etc. entdecken, aber sich – wie ich es empfehlen möchte – auch einfach zurücklehnen und Steiners nicht zuletzt wunderbar sinnlichen Film genießen, der sich kaum um Konventionen schert und für mich eine der Überraschungen des Jahres ist.
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Aura – Trauma
Eine an Anorexie leidende junge Frau entkommt aus einer psychiatrischen Klinik und lernt auf der Suche nach Hilfe einen jungen Mann kennen. Später wird sie wieder eingefangen und zu ihren Eltern gebracht, die bald darauf von einem Killer mit einer mechanischen Schlinge enthauptet werden. Dies sind nicht die einzigen Opfer in der Stadt und bald darauf machen sich das Mädchen und der junge Mann auf, eine Verbindung zwischen den Opfern zu suchen. Dabei geraten sie selbst in große Gefahr.
Nach der Zusammenarbeit des berüchtigten italienischen Regisseurs Dario Argento mit George Romero für den Episodenhorrorfilm „Two Evil Eyes“ wurde „Aura – Trauma“ 1993 seine erste echte US-Produktion, wenn auch italienisch koproduziert, sowie sein erster Film mit Tochter Asia Argento in einer der Hauptrollen.

Komplett in den USA spielend, vermengen sich in „Aura – Trauma“ ein unverkennbar argentoesker Horror-Giallo und eine berührende Außenseiterromanze. Die Heranwachsende Aura (Asia Argento, „The Stendhal Syndrome“) ist an Bulimie erkrankt und möchte ihrem Leben ein Ende bereiten, wird aber vom in der tagesaktuellen Medienbranche tätigen David (Christopher Rydell, „Flesh and Bone“) gerettet. Der in der Stadt umtriebige Mörder, der seine Opfer mittels eines elektronischen Schneidedrahts enthauptet, knöpft sich eines Tages auch Auras Eltern vor, die daraufhin erst recht nicht mehr daran denkt, in die Klinik zurückzukehren, sondern mit Davids Hilfe den Mörder zu ermitteln.

Aus den in den vorigen Jahrzehnten erschaffenen Werken bekannte Giallo- und Argento-Charakteristika finden sich in „Aura – Trauma“ noch so einige: Neben dem erst am Ende enttarnten Mörder mit schwarzen Handschuhen wäre das der psychopathologische Hintergrund des Tatmotivs, der diesmal strenggenommen gar doppelt auftritt, denn auch Aura hat ihre psychischen Probleme. Auch Dopplungen kennt man ja aus Argentos Arbeiten, ebenso den Umstand, dass einer Person etwas Entscheidendes, das zur Auflösung beitragen könnte, ins Unterbewusstsein gerutscht ist und ihr lange Zeit partout nicht einfallen will. Darüber hinaus bekommt Argentos Publikum erneut eine kreative Kameraarbeit mit schönen, schnittlosen Fahrten geboten. Selbst eine gewisse Tiersymbolik fand wieder ihren Einzug, hier sind es Amphibien und Schmetterlinge. Somit sollte sich Argentos Stammpublikum trotz des Ortswechsels über den Atlantik gut zurechtfinden.

War es hingegen die Architektur, die in früheren Filmen Argentos sehr künstlerisch in Szene gesetzt wurde, muss dieser Aspekt hier deutlich zurückstecken zugunsten einer als Tristesse gezeichneten Kleinstadt, die in um Realismus bemühten Bildern eingefangen wird. Mit Asia Argento bekommen wir eine sehr junge Hauptdarstellerin, die unheimlich süß wirkt und nicht nur bei David, sondern auch beim männlichem Publikum Beschützerinstinkte wecken dürfte. Ihre Rolle als todessehnsüchtige, einen Großteil der Handlung über sedierte Teenagerin mit Essstörung (wobei anscheinend Magersucht mit Bulimie verwechselt wird, aber das nur am Rande), meistert sie mit Bravour. Zwischen ihr und David entwickelt sich die Liebesbeziehung zwei sehnsüchtiger, einsamer Menschen, die unter schlechten Vorzeichen steht, aber gerade deshalb etwas Besonderes ist und meine Empathie gewinnt. Das ist ungewöhnlich für einen Giallo und steht diesem hervorragend zu Gesicht. Die psychologischen Theorien um die Ursachen für Auras Probleme, mit denen Dario Argento, der auch das Drehbuch schrieb, einen eigenen innerfamiliären Fall von Essstörung verarbeitet, stehen in einem sensibel eingeflochtenen Zusammenhang mit dem Täter. Als weitere intelligente Nuance der Handlung gibt es Seitenhiebe auf den Umgang der Medien mit der mysteriösen Mordserie.

Die Rolle Davids wurde weniger als die eines toughen Einzelgängers konstruiert, als er vielmehr selbst ein problembehafteter junger Mann ist, der in einer Art „Wir beide gegen den Rest der Welt“-Mentalität in seiner Beziehung zu Aura einen Anlass und Sinn sieht, zu kämpfen. Dadurch hat er nicht viel mit den charismatischen männlichen Hauptrollen anderer Gialli zu tun, was gewöhnungsbedürftig, aber nicht minder interessant ist. Piper Laurie („Carrie“) als Auras diabolische, hexenhafte Mutter Adriana ist ein recht großer Name auf der Besetzungsliste, übertreibt es hier und da aber ein wenig mit dem Overacting. Als ebenso übertrieben mag man es empfinden, die mittels gelungener Tom-Savini-Effekten und für Argento überraschend unblutigen abgetrennten Köpfe teilweise noch sprechen und sogar schreien zu lassen, wirklich gestört haben mich diese Zutaten aber nicht, zumal auch andere Gialli Argentos gerne mal ein bisschen im Übersinnlichen fischten. Letztendlich handelt es sich eben zweifelsohne um einen Horror-Giallo, der in vielen Einstellungen – nicht zuletzt im kruden Finale – auf derartige Genrekonventionen setzt.

Was mich wirklich in diesem von mir ansonsten als angenehm stimmig, spannend und atmosphärisch empfundenen Film gestört hat, ist der stellenweise wirklich extrem unpassende Soundtrack Pino Donaggios, der die Wirkung so mancher Szene ernsthaft gefährdet. Das ist sehr ärgerlich, aber anscheinend Querelen zwischen Produktion und Regie geschuldet. Am überwiegend positiven Gesamteindruck dieses Neo-Giallos, dessen Verzahnung abseitiger Romantik mit psychologisch motivierten Morden in Horroratmosphäre mir ausgesprochen gut gefallen hat, ändert das aber kaum etwas. Allen Unkenrufen zum Trotz wurde ich positiv überrascht, nicht zuletzt von Asia Argento in ihrer von den von mir gesehenen bisher besten Rolle.
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Night of the Demons
Eine Grupper Jugendlicher möchte am Halloweenabend eine wilde Party in einem verwunschenen Haus feiern, das früher als Crematorium und Leichenhalle diente. Aus einer spaßigen Beschwörung vor einem alten Spiegel wird schließlich blutiger Ernst und einer nach dem anderen fällt den blutrünstigen Dämonen zum Opfer...
„Saufen oder verrecken, yiiiihihihahaha...“

„Night of the Demons“ von US-Regisseur Kevin Tenney („Witchboard“, „Anthony II“) ist ein typischer 80er-Ami-Horror-Videotheken-Spaß aus der B-Riege. Die Story ist minimal: Eine Halloween-Party inkl. spaßiger Dämonenbeschwörung im sagenumwobenen alten Hull House gerät außer Kontrolle, als dämonische Kräfte tatsächlich zu wirken beginnen, Jagd auf die Eindringlinge machen und einen nach dem anderen ebenfalls in einen Dämonen verwandeln.

Man bekommt einen Teenager-„Tanz der Teufel“-Abklatsch inkl. stereotyper Charaktere, gelungener Masken und blutiger Spezialeffekte, atmosphärisch morbider Gruselhauskulissen und etwas schwarzem Humor geboten. Tenneys Film braucht eine ganze Weile, bis er so richtig in die Gänge kommt, in der man die Charaktere – eine Bande Klischee-Teenies inkl. zeigefreudiger Mädels, eingefangen von einer voyeuristischen Kamera – vorgestellt bekommt, unter ihnen „Scream Queen“ Linnea Quigley („Graduation Day“, „Return of the Living Dead“), Alvin Alexis („Ein Concierge zum Verlieben“) und Hal Havins („Witchtrap“). Amelia Kinkade etabliert als Angela die Rolle der verführerischen Gothic-Schönheit, die zur Oberdämonin wird und als Aufhänger für zwei Fortsetzungen herhalten musste. Die darstellerischen Leistungen schwanken zwischen etwas fragwürdig und zweckmäßig, doch das Drehbuch hält immer mal wieder eine Überraschung wie aufreizende Tanzszenen oder gewisse charakterliche Entwicklungen parat. Auch, was die Effekte betrifft, wurde manch krude Idee verarbeitet, beispielsweise eine besondere Art, einen Lippenstift verschwinden zu lassen...

An der geballten 80er-Jahre-Stimmung, die man – vermutlich abhängig vom eigenen Geburtsjahr – entweder liebt oder hasst, ist besonders schön die Allgegenwart der Punk-Subkultur, was sich nicht nur in den Charakteren, sondern auch in ständig auftauchenden Emblemen damals angesagter Bands widerspiegelt. Der eigentliche Soundtrack aber besteht aus einer gewohnten, mal gefälligen, mal stimmigen bis wirklich hörenswerten Synthesizeruntermalung. Alle Bemühungen, eine makabre Atmosphäre zu erzeugen, werden leider von der billigen deutschen Synchronisation torpediert, doch man schlägt sich wacker und sollte als erfahrener Filmfreund in der Lage sein, diesbzgl. zu trennen.

Herausragendes hat „Night of the Demons“ nicht zu bieten und so wirklich gruselig ist hier kaum etwas, aber dass sich der Film selbst nicht bierernst nimmt, sollte bereits anhand der Zeichentrick-Titelsequenz deutlich werden. Der Härtegrad jedoch ist aus damaliger Sicht als gehoben zu bezeichnen und allgemein dürfte der Film seinerzeit ein kleiner Knaller auf den Pausenhöfen gewesen sein, wenn er auch für sein Entstehungsjahr 1988 bereits ein wenig hinterhinkend wirkt. Wer mit anspruchsloser 80er-Horrorkost, wie man sie damals mit ein paar Kumpels heimlich geguckt und sich über die handgemachten SFX (oder den Titten...) gefreut hat, auch heutzutage noch etwas anfangen kann, sollte Tenney und seiner kurzweiligen, unterhaltsamen Dämonenbrut ruhig mal eine Chance einräumen – wer bis zum Ende durchhält, bekommt sogar noch eine nette Pointe spendiert.
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Night of the Demons 2
Der Halloweenabend nähert sich mal wieder und die Schüler des katholischen St. Rita Internats fiebern der großen Party entgegen. Perry, einer der Schüler, beschäftigt sich mit dem Übersinnlichen und interessiert sich besonders für das mysteriöse Hull House, in dem vor Jahren am Halloweenabend grauenvolle Dinge geschehen sind. Seine Freundin Shirley macht sich über ihn lustig und stachelt ihre Freunde auf, die Halloweenparty in dem leerstehenden Anwesen zu feiern. Die Stimmung steigt und die Teenies beschließen eine Geisterbeschwörung zu starten. Doch der Spaß ist schnell vorbei, als Angela, die Königin der Dämonen erscheint. Perry, der Schlimmes ahnt, bricht mit der schwerbewaffneten Nonne Gloria auf, seine Freunde zu retten …
1994, sechs Jahre nach Kevin Tenneys „Night of the Demons“, wurde der britische Regisseur Brian Trenchard-Smith („Insel der Verdammten“) mit der Fortsetzung der Dämonensause betraut. Diesmal sind es die Schüler eines katholischen Internats, die anlässlich des Halloween-Fests leichtsinnigerweise das alte Hull House aufsuchen, wo noch immer Angela als Oberdämonin ihr Unwesen treibt.

Trenchard-Smith’ Film legt ein grundsätzlich höheres Tempo an den Tag und setzt auf die bekannten Ingredienzien des Vorgängers. Das bedeutet, dass man erneut ein tricktechnisch sehr ansprechendes Zombiedämonen-artiges Feuerwerk geboten bekommt, das mit diesmal wirklich reichlich Humor angereichert wurde. Natürlich darf auch wieder ein zünftiger Sleaze-Anteil nicht fehlen, der die weiblichen Teenage-Protagonistinnen gerne zeigt, wie die Natur sie schuf. Die Handlung spielt sich hingegen nicht mehr hauptsächlich in den gruseligen Gemäuern des Hull House ab, sondern gleichberechtigt im Katholiken-Internat. Denn die Dämonen überqueren den die Außenwelt schützenden Wassergraben mittels eines Lippenstifts – DES Lippenstifts – und lassen in der spießigen Bude ordentlich die Latexpuppen tanzen.

Eine weitaus größere Rolle als zuvor spielen Erwachsene in Form des eher weltlichen Paters Bob (Rod McCary, „Die Schlampe – Karriere um jeden Preis“) und der strengen, stets mit einem Lineal fechtenden und dazwischenhauenden Schwester Gloria (Jennifer Rhodes, „Slumber Party Massacre“). Beide machen eine ebenso ungewöhnliche wie gewöhnungsbedürftige Entwicklung durch, indem der als Sympathieträger eingeführte Pater Bob zum ignoranten, den Spuk nicht wahrhaben wollenden Skeptiker wird, während Schwester Gloria von der gottesfürchtigen Spielverderberin zur mit Weihwasser bewaffneten Kampfnonne aufsteigt, die den Dämonen zusammen mit Streber Perry (Robert Jayne) den Kampf ansagt.

Doch bevor es mit geweihten Wasserpistolen auf Dämonenjagd geht, müssen sich erst einmal zahlreiche stereotype Teenies in solche verwandeln. Unter dem potentiellen Dämonenfutter befindet sich mit Melissa alias „Maus“ (Merle Kennedy) das Mauerblümchen der Clique und die Schwester Angelas, die seit den Ereignissen im ersten Teil von schlimmen Alpträumen geplagt wird, die Wirklichkeit werden sollen. Bibi (Cristi Harris, „Night of the Scarecrow“), „Z-boy“ (Darin Heames, „Dr. Giggles“) und Co. werden indes als zwar reichlich klischeebehaftet und für ein katholisches Internat so gar nicht fromm dargestellt, sind aber trotz ihrer rabiaten Art Streber Perry gegenüber keine wirklichen Unsympathen. Sieht es zunächst noch danach aus, dass triebgesteuerte Teenies Slasher-typisch als leichte Opfer herhalten sollen, schlägt der Film doch einen etwas anderen Weg ein, indem er ein gewisses Mitfiebern mit seinen Charakteren erlaubt und sich dabei nicht auf ein „Final Girl“ beschränkt.

Was die Effekte betrifft, wird hier ein ordentliches Brett aufgefahren, das es gerne bluten, splattern und ätzen lässt und einige originelle Ideen bereithält, die für kurzweiliges Vergnügen sorgen. In dieser Hinsicht ist eigentlich alles im grünen Bereich und somit für gute Unterhaltung gesorgt. Angela, erneut gespielt von Amelia Kinkade, schwankt wieder zwischen ihrem verführerischen menschlichen Erscheinungsbild als düstere Schönheit und ihrer entstellten Dämonenfratze. Zur Unterhaltung beitragen sollen zynische Sprüche, mit denen sie ihre Opfer bedenkt, was zum dominanteren, leider häufig recht albernen Humor des Films passt. Noch offensichtlicher als der Vorgänger nimmt sich „Night of the Demons 2“ kein Stück ernst. So ist die zunächst evtl. irritierende, vordergründig pro-religiöse Komponente mit der zur Heldin avancierenden Dominanonne natürlich Religionploitation pur und vollkommen ungeeignet, dem Katholischen Filmdienst Sympathiebekundungen abzuringen. Möglicherweise war die Dämonenhatz gar Inspiration für den zwei Jahre später erschienenen „From Dusk till Dawn“.

Obwohl in den 1990ern gedreht, riecht „Night of the Demons 2“ noch stark nach 80er-Videothekenkost und scheint, was seine Atmosphäre angeht, fest mit dem vorausgegangene Jahrzehnt verwurzelt. Zwar wirkt alles eine Ecke professioneller und erfahrener als 1988 bei Tenney, Charaktere und Stil des Films scheinen aber einer vergangenen Epoche entsprungen. Mit der Professionalität wird es im Übrigen auch nicht übertrieben, denn wer in Szene mit größeren Menschenansammlungen auf die Statisten achtet, wird Zeuge recht unbeholfener Bewegungen – was mich an die Tanzszenen des Films denken lässt, in denen Angela aber mit einer erotischen Einlage erneut hervorsticht. Im Gegensatz zum punkigen Popkulturgehalt des Vorgängers hat hier der Metal Einzug erhalten (was meine Theorie bzgl. des 80er-Retro-Schicks bestätigen dürfte), erfreulicher- und überraschenderweise aber sogar mittels eines Stücks der Death-Metaller von „Morbid Angel“. Dem angezogenen Tempo zum Trotz gibt es dann doch hier und da kleinere Längen, die zusammen mit der übertrieben Albernheit der Handlung verhindern, dass ich zu einem vorbehaltlos positiven Gesamturteil komme. „Night of the Demons 2“ war aber nah dran und gefällt mir damit unterm Strich ein bisschen besser als das Original.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Night of the Demons 3
So hatten sich die Kids Halloween nicht vorgestellt. Was als wilde Nacht mit Bier, Fun und Girls geplant war, mündet in einen unglaublichen Alptraum ohne Ende. Ein schreckliches Missverständnis im lokalen Supermarkt führt zu einer blutigen Schießerei mit der Polizei. Mit einem Schwerverletzten in der Mitte suchen die Kids Unterschlupf in Hull House. Seit einem Massaker-Jahre zuvor steht diese düstere Villa leer. Man wird dennoch erwartet, von der verführerischen Hexe Abigail, die nur darauf aus ist, das Tor zur Hölle aufzustoßen. Ganz weit...
„Es ist zu spät, wir sind alle verdammt!“

TV-Serien-Regisseur Jim Kaufman schuf mit der zweiten und bis dato letzten Fortsetzung der Dämonenhorrorreihe im Jahre 1997, entstanden in US-amerikanisch-kanadischer Koproduktion, ihren Tiefpunkt. Eine Gruppe Jugendlicher gerät in der Halloween-Nacht in einen Konflikt mit der Polizei und flieht ins berüchtigte und dann doch gar nicht so leerstehende Hull House, wo bereits in den vorausgegangenen Filmen Angela und ihre Dämonenbrut steppten...

Zunächst lernt der Zuschauer eine grenzdebile Bande jugendlicher Schwachköpfe kennen, die im fahrenden Auto ihrem idiotischen Balzverhalten frönen, indem sie mit ihren Waffen rumfuchteln und sich gegenseitig umzubringen drohen, begleitet von vulgärem, pseudocoolem Gequatsche. Parallel stellt man uns zwei sexy Mädels vor, von denen die Blonde bereits erfolgreiche Cheerleaderin ist, während es die Brünette, übrigens in einem lächerlichen Katzenkostüm, erst noch werden will, aber immer im Schatten der Blonden steht und daher ein ein wenig angeknackstes Selbstbewusstsein hat. Das klingt doof, ist es auch und macht bereits deutlich, mit welchem oberflächlichen Scheiß man es hier zu tun bekommt. Von den Punk- und Metal-Einflüssen der gar nicht so üblen ersten beiden Teile der Reihe ist hier nichts mehr übrig. Wie dem auch sei, die beiden Mädels werden uns jedenfalls als Sympathieträgerinnen verkauft, deren Wege sich mit dem der Spacken kreuzen, als sie dummerweise in deren Auto einsteigen und eine Tankstelle ansteuern.

Was jetzt passiert, ist für mich bereits der Höhepunkt des Films, hat aber so überhaupt nichts mit seinem eigentlichen Thema und Genre zu tun, sondern wirkt eher einem Jugenddrama entlehnt. Einer der wild pubertierenden Jungs möchte ein paar Bier an der Tankstelle kaufen und zeigt einen gefälschten Ausweis vor. Der schmierige, unsympathische Verkäufer verweigert ihm den Verkauf und es kommt zu einem Wortgefecht, in Folge dessen der Verkäufer ein Gewehr hervorholt und auf den Jugendlichen zielt. Doch dessen Kumpel wiederum entreißt ihm das Gewehr und zielt nun seinerseits auf ihn, um ihm zu verdeutlichen, wie es sich anfühlt, in den Lauf einer geladenen Waffe zu blicken. In diesem Moment betreten Bullen den Laden und halten die Szenerie für einen Überfall. Diese entpuppen sich als äußerst schießwütig und ballern auf alles, was nach minderjährig und möglicherweise in Verbindung zum vermeintlichen Täter stehend aussieht. Der Jugendliche mit dem Gewehr schießt einen der Bullen durch die Scheibe und lebt fortan mit der Gewissheit, jemanden erschossen zu haben – doch der Bulle überlebt, da er eine schusssichere Weste trug. Diese intelligente, kritische Darstellung der Polizei passt so gar nicht zum Rest des Films, überzeugt aber auf ganzer Linie in Sachen Spannung und Dramatik. Die Betrachtungsweise ist differenziert, die Charaktere plötzlich ambivalent. So versucht der paragraphenreitende Verkäufer den Jungs einen Diebstahl in die Schuhe zu schieben, worauf der hinzugerufene, smarte Bullenvorgesetzte aber nicht hereinfällt. Dieser durchschaut, was vorgefallen ist, vorverurteilt niemanden und sucht fortan nach der Clique.

Doch kaum ist dieses Intermezzo beendet und unsere juvenilen Delinquenten auf dem Weg zum Hull House, verflacht der Film erneut in Rekordgeschwindigkeit und macht deutlich, dass Kaufman besser ein Jugenddrama gedreht hätte statt diese Horrorschmierenkomödie. Die jugendlichen Spacken versucht man uns von nun an zumindest teilweise ebenfalls als Sympathieträger statt als Dämonenfutter zu verkaufen, was nicht nur den Bodycount empfindlich einschränkt, sondern schlicht nicht funktioniert, solange die Eröffnungssequenz noch im Bewusstsein ist. Das Hull House wirkt nicht mehr halb so morbide wie die diesbezügliche Ausstattung der ersten beiden Teile, sondern sieht nach billigen Kulissen aus. Konnten Tenney und Trenchard-Smith noch mit sorgfältig umgesetzten, handgemachten Masken, Make-up- und blutigen Spezialeffekten überzeugen, so agiert man hier qualitativ gleich eine ganze Klasse darunter. Der Einsatz digitaler Animationstechniken hat nun auch hier Einzug erhalten, was für den visualisierten Übergang von der Außenwelt zum verwunschenen Hull House in Ordnung geht, niemals aber für plastisch wirken sollende Effekte. Wann immer in diesem Zusammenhang CGI zum Einsatz kommen, sind sie 100%ig deplatziert und verfehlen in ihrer billigsten Umsetzung jegliche angestrebte Wirkung. Besonders schlimm wird es, wenn billige CGI direkt auf allerbilligste handgemachte SFX treffen und beispielsweise ein digitale Schlange von einer Sekunde auf die andere durch einen simplen Handschuh ersetzt wird. Einfach nur schlecht. Die eine oder andere krude Idee, häufig im Zusammenhang mit sexueller Symbolik, entschädigt aber bisweilen.

Denn dafür ist „Night of the Demons 3“ der Sleaze-Höhepunkt der Reihe, wodurch man anscheinend ebenso wie mit oft infantilem, unlustigem Humor diese atmosphärische Nullnummer aufzupeppen versucht. Zu den bereits erwähnen Mädels gesellt sich aus den Reihen der Unsympathen eine kurzhaarige Blonde, die die Rolle der verruchten, bösartigen Femme fatale einnehmen soll. Amelia Kinkade, die wieder die Angela gibt, abwechselnd mit menschlichem und dämonischem Antlitz, war aber auch schon mal verführerischer und könnte hier die Mutter der Rotzlöffelbande sein. Die übrigen Schauspieler wurden komplett durchgetauscht, sind mir glaube ich gänzlich unbekannt und machen ihre Sache soweit zweckmäßig.

Entsprechend geeicht und in der Erwartungshaltung heruntergeschraubt, kann dem Genrefreund auch diese zweite Fortsetzung kurzweilige Unterhaltung bescheren, die allerdings größtenteils im Trash- und Sleaze-Bereich anzusiedeln wäre – denn so gelungen der Ausflug ins Jugenddramatische auch war, in Sachen wirklichen Horrors wirkt Kaufmans Film unbeholfen und hat nicht viel zu bieten.
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Mann beißt Hund
Ein Kamerateam begleitet den Killer Ben bei der Arbeit. Launig berichtet er über seinen Job und sein Leben. Bald weicht die anfängliche Distanz der Reporter der Kumpanei mit dem Mörder. Schließlich helfen sie sogar bei der Beseitigung der Leichen und legen selbst Hand an...
Begleitet von einem Kamerateam geht Serienmörder Ben seiner Arbeit nach. In Schwarzweißbildern wird eingefangen, wie er Menschen ermordet, vergewaltigt und ihre Leichen entsorgt. Das Kamerateam unterstützt ihn nach Kräften und packt auch selbst mit an, wenn es nötig wird. Man zeichnet Bens selbstverliebte Monologe genauso auf wie gemeinsame Kneipenbesuche und darf gar seine Familie kennenlernen.

Im „Mockumentary“-Stil drehten die Belgier Rémy Belvaux, André Bonzel und Benoît Poelvoorde 1992 diese rabenschwarze Satire, die einerseits einen Mann porträtiert, der laut, lebenslustig und sehr von sich eingenommen ist, ein kleinbürgerlicher Rassist, der seine Familie und die schönen Künste liebt und durchaus zu Gefühlen fähig ist, aber überhaupt kein Problem damit hat, zwischen sich als Privatperson und seinem „Beruf“, dem er in erster Linie zum „Geldverdienen“ nachgeht, knallhart zu trennen. Mitgefühl für seine Opfer ist ihm vollkommen fremd, zynisch und sachlich sein Umgang mit ihnen. Das sensationsgeile Kamerateam begleitet ihn auf Schritt und Tritt, gibt sich selbst trotz Mittäterschaft aber zurückhaltend und schüchtern.

Der realistische Stil des Films inkl. Wackelkamera und Tonschwankungen fesselt gleichermaßen wie die hervorragende schauspielerische Leistung Poelvoordes, der Ben in all seiner Vielschichtigkeit verkörpert und durch dessen Charaktertypus parodiert. Trotz der rohen Explizität des Gezeigten erscheint es absurd, grotesk und häufig skurril, woraus sich der eigenwillige Humor des Films ergibt, über den man sich möglicherweise dann und wann erschreckt, denn immerhin wird man voyeuristischer Zeuge von Morden, Vergewaltigungen und absoluter Kaltblütigkeit. Für diese gelungene, mutige, tabubrechende Umsetzung gebührt dem Filmteam mein Respekt.

Als auf die seinerzeit einsetzende „Reality TV“-Welle abzielende Satire erscheint mir „Mann beißt Hund“ aber ein bisschen plump, insbesondere da mir Meisterwerke wie beispielsweise Ruggero Deodatos „Cannibal Holocaust“ allgegenwärtig sind. Insofern waren weder Thema noch Tabubrüche des Films in irgendeiner Weise neu, lediglich die spezielle Art des Humors dürfte ein Alleinstellungsmerkmal sein. Man hätte sich gerne die Mühe machen dürfen, noch ein wenig Handlung um den Torso herumzubasteln, die beispielsweise auf das potentielle Publikum solcher Aufnahmen eingeht. Den Konsumenten des Films den Spiegel vorzuhalten und durch ihre Begeisterung für „Mann beißt Hund“ aufzuzeigen, dass sie selbst den Voyeurismus in sich tragen, der „Reality TV“ & Co. zum Erfolg verhilft, ist einerseits eine durchaus intelligente Herangehensweise, ignoriert letztlich aber den Unterschied zwischen Fiktion und Realität bzw. das Differenzierungsvermögen des Zuschauers. Nicht zuletzt lässt sich dieser Spiegel, gerade auch von der Kritik, auch umkehren und auf die Regisseure richten, denn ein evtl. moralischer Ansatz lässt sich schnell anzweifeln, das bewusste Bedienen eines voyeuristischen Publikums zum Vorwurf erheben.

Wie das Kamerateam auf Ben gestoßen ist, was ihre ursprünglichen Beweggründe waren etc. wäre nicht nur interessant gewesen, sondern hätte auch eine über die gezeigten Nuancen hinausgehende Entwicklung der Charaktere erlaubt. „Mann beißt Hund“ wollte aber vermutlich einfach ein dreckiger, schneller Film sein und das ist gelungen.
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Queen City Rocker

Wer hätte gedacht, dass einer der besten 80er-Filme ausgerechnet aus Neuseeland kommt und ein erschreckend unbeachtetes Dasein fristet? Gelegenheitsregisseur Bruce Morrison hat 1986 mit „Queen City Rocker“ seinen anscheinend bis dato letzten Spielfilm gedreht, ein Jugendbandenfilm angesiedelt im neuseeländischen Auckland.

Ska ist Mitglied einer Jugendbande, die aus Punks, Skins und anderen Außenseitern besteht. Die ausschließlich aus den Nachfahren neuseeländischer Ureinwohner bestehende Bande um Anführer Flak sieht in Skas Haufen eine unliebsame Konkurrenz. Ihm geht es um letztlich völlig wertlose Territorialansprüche, er gibt nichts auf Skas Bemühungen um Zusammenhalt. Doch in Ska brodelt es gewaltig, seit seine Schwester für einen anrüchigen Escort-Service arbeitet, der dem reichen Pfeffersack Ryder gehört. Ska und seine Jungs verwüsten dessen Etablissement und holen seine Schwester dort heraus. Als daraufhin die Gewalt eskaliert, sichert Flak Ska seine Unterstützung zu…

Klassenkampf, unten gegen oben, ist das Thema dieses actiongeladenen, rasanten Streifens. Darüber hinaus geht es um Freundschaft, um Zusammenhalt und um Subkultur. Ganz selbstverständlich legt Ska zu Hause eine Hardcore-Platte auf und ist seine Bande eines sehr gemischten äußeren Erscheinungsbildes. Punks, Skins und Straßenkids im Zusammenhalt gegen Popper, Autoritäten und die Oberschicht. Dieser Umstand muss nicht besonders betont oder pathetisch übertrieben zelebriert werden, nein, das ist einfach so und die Ausgangssituation dieses Films. „Queen City Rocker“ atmet dabei so dermaßen Ästhetik und Zeitgeist der 80er, wie ich es schon lange nicht mehr gesehen habe, nur eben angenehmerweise aus Sicht der Underdogs. Das bedeutet, dass sich die 1980er hier nicht in erster Linie in Form von scheußlichen Frisuren und affigen Klamotten zeigen, sondern in einer quietschbunt-vergnügten Ansammlung von Details, die ein Lebensgefühl zum Ausdruck bringen, das Erinnerungen bei allen weckt, die selbst dabei waren.

Was seine Handlung betrifft, ist „Queen City Rocker“ herrlich konsequent in seiner Aussage, einfach das zu zerstören, was einem ein Dorn im Auge ist, und die korrupte, mafiöse Oberschicht direkt zu attackieren. Die Romanze zwischen Ska und seiner aus „gutem Hause“ stammenden Freundin schlägt aber durchaus eine Brücke. Das Ende drückt zusätzlich aus, dass Geld eigentlich unwichtig und es nicht wert ist, sich dafür zum Affen zu machen. Klasse!

Hauptdarsteller Matthew Hunter („Tödliche Ernte – Kinder des Zorns II“) als Ska kommt mit seinem einen trüben Gesichtsausdruck aus, wirkt damit aber keinesfalls unbeholfen, sondern nachdenklich und auf gewisse Weise cool. Alle weiteren Schauspieler sind gut aufgelegt; hier und da etwas Overacting veranschaulicht, was zum generell natürlich exploitativ-übertriebenen Spektakel passt, das sich aber nie der Lächerlichkeit preisgibt. Manch eine Kampfchoreographie verdient zwar eher das Prädikat „zweckmäßig“ statt „hochqualitativ“, doch für so eine Low-Budget-Produktion geht das alles in Ordnung. „Queen City Rocker“ ist ein ganz starker, atmosphärischer, spannender, dramatischer, tragischer, actionreicher, rebellischer, romantischer Film, der zu keiner Sekunde langweilt und Pflichtstoff sein sollte für alle „Juvenile Delinquent“-, Jugendbanden- und Subkultur-Film-Fans sowie für Freunde der glorreichen 1980er.

Die deutsche VHS ist für ein Taschengeld zu haben. Greift zu, bevor es jemand anderes tut!
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