Das praktische Filmtagebuch des Theoretikers
Moderator: jogiwan
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Re: Das praktische Filmtagebuch des Theoretikers
#22 - La Vampire nue
Filmdaten:
OT: La Vampire nue
Dt. Titel: "Die nackten Vampire" aka "Das Lustschloss der grausamen Frauen"
Land & Jahr: Frankreich 1969
Regie: Jean Rollin
Inhalt (SPOILER!):
Eines Nachts ereilt den jungen Pierre Radamante ein gleichermaßen unheimliches wie bizarres Erlebnis: eine junge Frau wird vor seinen Augen von ihren Häschern, finsteren Gestalten in bizarrer Maskierung, füsiliert. Bald schon muss er erkennen, dass sein Vater, der überaus vermögende Georges Radamantes, Vorsteher eines bedeutenden Wirtschaftsimperiums, in gar seltsame Machenschaften verstrickt ist. Heimlich verschafft sich Pierre Zugang zu einer der kryptischen abendlichen Gesellschaften, die auf dem Ansitz des Monsieur Papa stattfinden, und wird hier erneut zum Beobachter absurder Geschehnisse: Offenbar sind die Gäste der erlesenen Veranstaltung allesamt Mitglieder eines obskuren Selbstmordkultes und jagen sich frisch, fromm, fröhlich und frei(willig) einem absurden Losverfahren folgend mit Freuden eine Kugel ins Großhirn. Als das Los auf Pierre fällt, sucht dieser nachvollziehbarererweise sein Heil lieber in der Flucht. Es dauert nicht lange und Radamantes jr, wird die gesamte Wahrheit zuteil: Das Blut der Selbstmörder wird eben jener jungen Frau zugeführt, die Pierre eingangs erschossen sah, die aber den Löffel nicht reichte weil sie eine Untote ist – ein Vampir! Madame wird von einem Geheimbund mit Weltherrschaftsplänen, dessen Meister vom Stuhl niemand anderer als Pierres alter Herr ist, im Gewahrsam gehalten, verspricht man sich doch, mit Hilfe der bleichen Dame das Geheimnis der ewigen Jugend wie der Unsterblichkeit zu ergründen. Ah ja!
Pierre zieht seinen Freund Robert ins Vertrauen, einen aufgeschlossenen Künstler, um mit dessen Mithilfe das Vampirfräulein zu befreien, doch Robert kommt dabei ums Leben und Pierre gerät selber in die Gefangenschaft der Verschwörer. Schließlich erhält Pierre unerwartete Hilfe von einem reichlich abseitigen Typen, der sich seinerseits selber als Anführer einer weiteren Gruppe entschleiert – den Unsterblichen, der auch die Gefangene Badanates angehört.
Nun kommt es zu einem finalen Showdown zwischen den Verschwörern und den Vampiren, welcher an einem Strand stattfindet, der zumindest den Leuten bekannt vorkommen dürfte, die sich im Werk Rollins ein wenig auskennen…
Quelle:
Kritik:
An Jean Rollin scheiden sich die Geister. Die einen sehen in ihm einen Regisseur, der durchaus das Potenzial dazu gehabt hätte, bedeutende (surrealistische) Filme zu drehen, die anderen sehen in ihm eher einen Trash-Filmer, dessen Werke man alle vernachlässigen kann.
Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo dazwischen, wobei Rollin aufgrund der oft trashigen Inszenierung seiner Werke sich die Kategorisierung in Richtung Trash selbst zuzuschreiben hat.
Wenn man Werke wie "Les Raisins de la Mort", dt. Titel "Foltermühle der gefangenen Frauen" (bei uns beschlagnahmt) oder gar "Emmanuelle 6" betrachtet, trifft das Urteil "Trash" auf jeden Fall zu.
Gerade seine Frühwerke sind aber wohl anders. Auch der vorliegende Film ist ein interessanter Mix, der wohl am besten als surrealistischer Gruseltrash bezeichnet werden kann, eine Art psychedelischer Softsex-Gothic-Horror mit Sleaze-Elementen.
Man kann es kaum definieren, man muss es sich anschauen.
Seine "Vampirfilme" sind einfach keinem Genre zuzuordnen. Der geneigte Horrorfilm-Fan wird sich vermutlich aufgrund der langsamen, wenig gruseligen oder gar blutigen Inszenierung mit (echtem) Grauen abwenden. Einen wirklichen Unterhaltungswert hat der Film nicht wirklich.
Aufgeschlossene Zeitgenossen, die Interesse am abseitigen Film haben und keinen linearen Storyaufbau oder gar logische Erklärungen brauchen, die wenig Dialoge erfrischend finden und dem Trash nicht abgeneigt sind, können ein Blick riskieren. Zuviel darf man aber nicht erwarten, die Story ist doch recht pseudo-philosophisch verquastet.
Im Vordergrund steht ganz klar die psychedelische Bildersprache, die oftmals recht interpretationswürdig ist. Der Score ist imho ausgezeichnet, zum Teil so eine Art Free-Jazz, und trägt zur etwas durchgeknallten Atmo bestens bei.
Ach ja, der Plot (Geheimbund, reiche Leute, suche nach Unsterblichkeit) erinnerte mich zum Teil arg an "Martyrs", es könnte sein, dass Pascal Laugier bei seinem Landsmann a bisserl geklaut hat.
Aufgrund der relativen "Einzigartigkeit" knappe 7/10
Filmdaten:
OT: La Vampire nue
Dt. Titel: "Die nackten Vampire" aka "Das Lustschloss der grausamen Frauen"
Land & Jahr: Frankreich 1969
Regie: Jean Rollin
Inhalt (SPOILER!):
Eines Nachts ereilt den jungen Pierre Radamante ein gleichermaßen unheimliches wie bizarres Erlebnis: eine junge Frau wird vor seinen Augen von ihren Häschern, finsteren Gestalten in bizarrer Maskierung, füsiliert. Bald schon muss er erkennen, dass sein Vater, der überaus vermögende Georges Radamantes, Vorsteher eines bedeutenden Wirtschaftsimperiums, in gar seltsame Machenschaften verstrickt ist. Heimlich verschafft sich Pierre Zugang zu einer der kryptischen abendlichen Gesellschaften, die auf dem Ansitz des Monsieur Papa stattfinden, und wird hier erneut zum Beobachter absurder Geschehnisse: Offenbar sind die Gäste der erlesenen Veranstaltung allesamt Mitglieder eines obskuren Selbstmordkultes und jagen sich frisch, fromm, fröhlich und frei(willig) einem absurden Losverfahren folgend mit Freuden eine Kugel ins Großhirn. Als das Los auf Pierre fällt, sucht dieser nachvollziehbarererweise sein Heil lieber in der Flucht. Es dauert nicht lange und Radamantes jr, wird die gesamte Wahrheit zuteil: Das Blut der Selbstmörder wird eben jener jungen Frau zugeführt, die Pierre eingangs erschossen sah, die aber den Löffel nicht reichte weil sie eine Untote ist – ein Vampir! Madame wird von einem Geheimbund mit Weltherrschaftsplänen, dessen Meister vom Stuhl niemand anderer als Pierres alter Herr ist, im Gewahrsam gehalten, verspricht man sich doch, mit Hilfe der bleichen Dame das Geheimnis der ewigen Jugend wie der Unsterblichkeit zu ergründen. Ah ja!
Pierre zieht seinen Freund Robert ins Vertrauen, einen aufgeschlossenen Künstler, um mit dessen Mithilfe das Vampirfräulein zu befreien, doch Robert kommt dabei ums Leben und Pierre gerät selber in die Gefangenschaft der Verschwörer. Schließlich erhält Pierre unerwartete Hilfe von einem reichlich abseitigen Typen, der sich seinerseits selber als Anführer einer weiteren Gruppe entschleiert – den Unsterblichen, der auch die Gefangene Badanates angehört.
Nun kommt es zu einem finalen Showdown zwischen den Verschwörern und den Vampiren, welcher an einem Strand stattfindet, der zumindest den Leuten bekannt vorkommen dürfte, die sich im Werk Rollins ein wenig auskennen…
Quelle:
Kritik:
An Jean Rollin scheiden sich die Geister. Die einen sehen in ihm einen Regisseur, der durchaus das Potenzial dazu gehabt hätte, bedeutende (surrealistische) Filme zu drehen, die anderen sehen in ihm eher einen Trash-Filmer, dessen Werke man alle vernachlässigen kann.
Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo dazwischen, wobei Rollin aufgrund der oft trashigen Inszenierung seiner Werke sich die Kategorisierung in Richtung Trash selbst zuzuschreiben hat.
Wenn man Werke wie "Les Raisins de la Mort", dt. Titel "Foltermühle der gefangenen Frauen" (bei uns beschlagnahmt) oder gar "Emmanuelle 6" betrachtet, trifft das Urteil "Trash" auf jeden Fall zu.
Gerade seine Frühwerke sind aber wohl anders. Auch der vorliegende Film ist ein interessanter Mix, der wohl am besten als surrealistischer Gruseltrash bezeichnet werden kann, eine Art psychedelischer Softsex-Gothic-Horror mit Sleaze-Elementen.
Man kann es kaum definieren, man muss es sich anschauen.
Seine "Vampirfilme" sind einfach keinem Genre zuzuordnen. Der geneigte Horrorfilm-Fan wird sich vermutlich aufgrund der langsamen, wenig gruseligen oder gar blutigen Inszenierung mit (echtem) Grauen abwenden. Einen wirklichen Unterhaltungswert hat der Film nicht wirklich.
Aufgeschlossene Zeitgenossen, die Interesse am abseitigen Film haben und keinen linearen Storyaufbau oder gar logische Erklärungen brauchen, die wenig Dialoge erfrischend finden und dem Trash nicht abgeneigt sind, können ein Blick riskieren. Zuviel darf man aber nicht erwarten, die Story ist doch recht pseudo-philosophisch verquastet.
Im Vordergrund steht ganz klar die psychedelische Bildersprache, die oftmals recht interpretationswürdig ist. Der Score ist imho ausgezeichnet, zum Teil so eine Art Free-Jazz, und trägt zur etwas durchgeknallten Atmo bestens bei.
Ach ja, der Plot (Geheimbund, reiche Leute, suche nach Unsterblichkeit) erinnerte mich zum Teil arg an "Martyrs", es könnte sein, dass Pascal Laugier bei seinem Landsmann a bisserl geklaut hat.
Aufgrund der relativen "Einzigartigkeit" knappe 7/10
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"Dressing well is a form of good manners." - Tom Ford
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Re: Das praktische Filmtagebuch des Theoretikers
#23 - Prisoners
Filmdaten:
Originaltitel: Prisoners
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 2013
Regie: Denis Villeneuve
Darsteller: Hugh Jackman, Jake Gyllenhaal, Maria Bello, Paul Dano,
Handlung:
Die Ehepaare Dover (Hugh Jackman, Maria Bello) und Franklin (Terrence Howard, Viola Davis) feiern zusammen Thanksgiving. Als die beiden kleinen Töchter der Familien zum spielen raus gehen, sind sie auf einmal verschunden. Hektisch wird die Umgebung abgesucht und Nachbarn befragt, doch niemand hat etwas gesehen. Der einzige Hinweis ist ein altes Wohnmobil, welches am Vormittag in der Straße parkte. Schnell findet die Polizei besagtes Wohnmobil. Am Steuer sitzt der geistig behinderte Alex (Paul Dano), der zwar fliehen will, aber schon bald von Detective Loki (Jake Gyllenhaal) und der Polizei mangels Beweise auf freien Fuß gesetzt werden muss. Dover ist aber weiterhin von der Schuld des jungen Mannes überzeugt und fasst einen folgenschweren Entschluss.
Quelle: http://www.ofdb.de/plot/248920,573571,Prisoners
Kritik:
Überaus spannender Psychothriller mit grandiosen Darstellerleistungen.
Zwar ist die Kernfrage "wie weit würdest du gehen..." nicht wirklich neu, allerdings gelingt es Nachwuchs-Regiestar Villeneuve Story und Charaktere dermaßen ambivalent zu transportieren bzw. entwickeln, dass man trotz der kranken Tat nicht Gefahr läuft, in blinde Gut-Böse-Malerei zu verfallen und die fast 2 1/2 Stunden Laufzeit kaum Zeit zum Luftholen bekommt.
Villeneuve macht es dem Zuschauer alles andere als leicht, Partei zu ergreifen, sich moralisch entspannt zurückzulehnen und sich einfach von der spannenden Story unterhalten zu lassen. Wenn man ernsthaft versucht, sich in die Lage der Eltern und hierbei vor allem in die von Keller Dover hinzuversetzen, kann man nur zu dem Ergebnis kommen, dass seine Person dem größtmöglichen moralischen Konflikt ausgesetzt wird, den man sich vorstellen kann. Man schwankt zwischen Abscheu und Zustimmung, wird hineingerissen in die immer mehr aufkeimende Hoffnungslosigkeit, die auch durch das Fallenlassen jeglicher Menschlichkeit nicht aufgehalten werden kann, sodass die Zweifel an der Schuld den Point of no Return immer näher rücken lassen. Dover wird dabei so sehr in die völlige Ausweglosigkeit seines Handelns gedrängt, dass die Unerträglichkeit der Situation kaum noch gesteigert werden kann.
Die Inszenierung entspricht dem Können des Regisseurs (Polytechnique; Die Frau, die singt) und vermittelt eine düstere und hoffnungslose "skandinavische" Atmosphäre, die durch den unaufdringlichen Score unterstützt wird.
Jackman und Gyllenhaal liefern beide eine perfekte Leistung ab, wobei Jackman zwar das vordergründig intensivere Spiel zeigt, Gyllenhaal aber mit besonderer Mimik vielschichtiger wirkt und mir letztendlich besser gefallen hat. Ganz stark ist auch Newcomer Paul Dano, der inzwischen zu recht hoch gehandelt wird.
Vereinzelte Kritiken, die dem Film Logiklöcher und konstruierte Wendungen vorwerfen, kann ich nur bedingt verstehen. Zum einen möchte ich einen Film sehen, der - oft zugunsten der Spannung keinerlei Logiklöcher - enthält, und zum anderen würde in einem Psychothriller ohne "konstruierte" Wendungen jegliche Überraschungen fehlen und sich das Ganze auf eine Derrick-Folge reduzieren.
Gerade die stellt einen dermaßen intensiven Handlungsstrang dar, dass der Zuschauer hierdurch nicht nur , sondern ganz nebenbei auch die Tragik vermittelt wird, die die vorschnelle auslösen kann.
Perfektes Kino, das man unbedingt gesehen haben sollte.
8,5/10 (Tendenz zu 9)
Filmdaten:
Originaltitel: Prisoners
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 2013
Regie: Denis Villeneuve
Darsteller: Hugh Jackman, Jake Gyllenhaal, Maria Bello, Paul Dano,
Handlung:
Die Ehepaare Dover (Hugh Jackman, Maria Bello) und Franklin (Terrence Howard, Viola Davis) feiern zusammen Thanksgiving. Als die beiden kleinen Töchter der Familien zum spielen raus gehen, sind sie auf einmal verschunden. Hektisch wird die Umgebung abgesucht und Nachbarn befragt, doch niemand hat etwas gesehen. Der einzige Hinweis ist ein altes Wohnmobil, welches am Vormittag in der Straße parkte. Schnell findet die Polizei besagtes Wohnmobil. Am Steuer sitzt der geistig behinderte Alex (Paul Dano), der zwar fliehen will, aber schon bald von Detective Loki (Jake Gyllenhaal) und der Polizei mangels Beweise auf freien Fuß gesetzt werden muss. Dover ist aber weiterhin von der Schuld des jungen Mannes überzeugt und fasst einen folgenschweren Entschluss.
Quelle: http://www.ofdb.de/plot/248920,573571,Prisoners
Kritik:
Überaus spannender Psychothriller mit grandiosen Darstellerleistungen.
Zwar ist die Kernfrage "wie weit würdest du gehen..." nicht wirklich neu, allerdings gelingt es Nachwuchs-Regiestar Villeneuve Story und Charaktere dermaßen ambivalent zu transportieren bzw. entwickeln, dass man trotz der kranken Tat nicht Gefahr läuft, in blinde Gut-Böse-Malerei zu verfallen und die fast 2 1/2 Stunden Laufzeit kaum Zeit zum Luftholen bekommt.
Villeneuve macht es dem Zuschauer alles andere als leicht, Partei zu ergreifen, sich moralisch entspannt zurückzulehnen und sich einfach von der spannenden Story unterhalten zu lassen. Wenn man ernsthaft versucht, sich in die Lage der Eltern und hierbei vor allem in die von Keller Dover hinzuversetzen, kann man nur zu dem Ergebnis kommen, dass seine Person dem größtmöglichen moralischen Konflikt ausgesetzt wird, den man sich vorstellen kann. Man schwankt zwischen Abscheu und Zustimmung, wird hineingerissen in die immer mehr aufkeimende Hoffnungslosigkeit, die auch durch das Fallenlassen jeglicher Menschlichkeit nicht aufgehalten werden kann, sodass die Zweifel an der Schuld den Point of no Return immer näher rücken lassen. Dover wird dabei so sehr in die völlige Ausweglosigkeit seines Handelns gedrängt, dass die Unerträglichkeit der Situation kaum noch gesteigert werden kann.
Die Inszenierung entspricht dem Können des Regisseurs (Polytechnique; Die Frau, die singt) und vermittelt eine düstere und hoffnungslose "skandinavische" Atmosphäre, die durch den unaufdringlichen Score unterstützt wird.
Jackman und Gyllenhaal liefern beide eine perfekte Leistung ab, wobei Jackman zwar das vordergründig intensivere Spiel zeigt, Gyllenhaal aber mit besonderer Mimik vielschichtiger wirkt und mir letztendlich besser gefallen hat. Ganz stark ist auch Newcomer Paul Dano, der inzwischen zu recht hoch gehandelt wird.
Vereinzelte Kritiken, die dem Film Logiklöcher und konstruierte Wendungen vorwerfen, kann ich nur bedingt verstehen. Zum einen möchte ich einen Film sehen, der - oft zugunsten der Spannung keinerlei Logiklöcher - enthält, und zum anderen würde in einem Psychothriller ohne "konstruierte" Wendungen jegliche Überraschungen fehlen und sich das Ganze auf eine Derrick-Folge reduzieren.
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Re: Das praktische Filmtagebuch des Theoretikers
#24 - Elephant
Filmdaten:
Originaltitel: Elephant
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 2003
Regie: Gus Van Sant
Darsteller: Alex Frost, Eric Deulen, John Robinson
Inhalt:
Ein ganz normaler friedlicher Tag an einer ganz friedlichen Highschool irgendwo in den USA. Der sensible Elias (Elias McConnell) schießt seine Fotos, die schüchterne Michelle (Kristen Hicks) überlegt, wie sie sich vor dem Schulsport drücken kann, die magersüchtigen Schönheiten um die coole Carrie (Carrie Finklea) tauschen die neusten Gerüchte, und Muskelprotz Nathan (Nathan Tyson) wäre mit seiner Freundin lieber ganz woanders. Aus der friedlichen Highschool wird plötzlich ein Ort des Grauens. als plötzlich Alex und Eric bis unter die Zähne bewaffnet das Schulgebäude betreten...
Quelle: http://www.ofdb.de/film/41110,Elephant
Kritik:
Elephant wurde offensichtlich durch das Massaker an der Highschool von Columbine inspiriert.
Die mit Abstand dümmste Kritik zu diesem Film, die ich gelesen habe, interpretiert dessen Stärke als Schwachpunkt, ohne dies auch nur ansatzweise zu verstehen.
Dort ist die Rede davon, dass Elephant nicht erklärt, warum dies alles passiert und teilnahmslos, ohne Partei zu ergreifen, die Taten der beiden Jungen verfolgt. Dies sei zudem überaus langweilig, weil man das Gesehene daher auch nicht verstehen würde, der Film habe "keine Message".
Genau das ist das Grandiose an Elephant. Er erklärt nichts, er beobachtet nur, er zeigt keine Monster, die man hassen könnte und keine Opfer, mit denen man Mitleid habe müsste. Er ist neutraler Beobachter, parteillos, weder Ankläger noch Richter. Keine schlimme Kindheit wird zur Motivation erkoren, die es dem Betrachter erleichtern würde, diese Taten zu verstehen.
Es wir eben keine Schwarz-Weiß-Malerei betrieben, das Schicksal hat keine Rechtfertigung, ambivalent, zerrissen, das Grauen hat keine nachvollziehbare Motivation, Ambivalenz in Reinkultur.
Elephant gelingt es damit, gerade keine Anklage zu sein, was bei einem solchen Thema ansich schon unglaublich ist. Der Film lässt den Zuschauer daher komplett allein und ist damit mehr Doku, den Spielfilm.
Für Zuschauer wie den Kritiker mit obigen Aussagen, die das Denken komplett anderen überlassen und nur konsumieren wollen, ist Elephant absolut ungeeignet.
Obwohl der Film nur beobachtet - oder gerade deswegen - ist er für mich eines der verstörendsten Werke, das ich bislang gesehen habe.
9/10
Filmdaten:
Originaltitel: Elephant
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 2003
Regie: Gus Van Sant
Darsteller: Alex Frost, Eric Deulen, John Robinson
Inhalt:
Ein ganz normaler friedlicher Tag an einer ganz friedlichen Highschool irgendwo in den USA. Der sensible Elias (Elias McConnell) schießt seine Fotos, die schüchterne Michelle (Kristen Hicks) überlegt, wie sie sich vor dem Schulsport drücken kann, die magersüchtigen Schönheiten um die coole Carrie (Carrie Finklea) tauschen die neusten Gerüchte, und Muskelprotz Nathan (Nathan Tyson) wäre mit seiner Freundin lieber ganz woanders. Aus der friedlichen Highschool wird plötzlich ein Ort des Grauens. als plötzlich Alex und Eric bis unter die Zähne bewaffnet das Schulgebäude betreten...
Quelle: http://www.ofdb.de/film/41110,Elephant
Kritik:
Elephant wurde offensichtlich durch das Massaker an der Highschool von Columbine inspiriert.
Die mit Abstand dümmste Kritik zu diesem Film, die ich gelesen habe, interpretiert dessen Stärke als Schwachpunkt, ohne dies auch nur ansatzweise zu verstehen.
Dort ist die Rede davon, dass Elephant nicht erklärt, warum dies alles passiert und teilnahmslos, ohne Partei zu ergreifen, die Taten der beiden Jungen verfolgt. Dies sei zudem überaus langweilig, weil man das Gesehene daher auch nicht verstehen würde, der Film habe "keine Message".
Genau das ist das Grandiose an Elephant. Er erklärt nichts, er beobachtet nur, er zeigt keine Monster, die man hassen könnte und keine Opfer, mit denen man Mitleid habe müsste. Er ist neutraler Beobachter, parteillos, weder Ankläger noch Richter. Keine schlimme Kindheit wird zur Motivation erkoren, die es dem Betrachter erleichtern würde, diese Taten zu verstehen.
Es wir eben keine Schwarz-Weiß-Malerei betrieben, das Schicksal hat keine Rechtfertigung, ambivalent, zerrissen, das Grauen hat keine nachvollziehbare Motivation, Ambivalenz in Reinkultur.
Elephant gelingt es damit, gerade keine Anklage zu sein, was bei einem solchen Thema ansich schon unglaublich ist. Der Film lässt den Zuschauer daher komplett allein und ist damit mehr Doku, den Spielfilm.
Für Zuschauer wie den Kritiker mit obigen Aussagen, die das Denken komplett anderen überlassen und nur konsumieren wollen, ist Elephant absolut ungeeignet.
Obwohl der Film nur beobachtet - oder gerade deswegen - ist er für mich eines der verstörendsten Werke, das ich bislang gesehen habe.
9/10
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Re: Das praktische Filmtagebuch des Theoretikers
#25 - Die Frau in den Dünen
Filmdaten:
Originaltitel: Suna no onna
Herstellungsland: Japan
Erscheinungsjahr: 1964
Regie: Hiroshi Teshigahara
Darsteller: Eiji Okada, Kyôko Kishida, Kôji Mitsui, u. a.
Inhalt:
Ein Insektenkundler (Eiji Okada) ist am Meer unterwegs auf der Suche nach bestimmten Insektenspezien für seine Forschungen, da er vor hat ein Buch über dieses Thema zu schreiben. Gegen Nachmittag ruht er sich etwas aus und verpasst dadurch den letzten Bus zurück in die Stadt. Bewohner aus einem nahe gelegenen Dorf treffen ihn und bieten ihn an, dass er in einer der umliegenden Sandgruben übernachten könne, wo viele Bewohner ihre Häuser haben. Er ist etwas irritiert, stimmt jedoch zu.
Am nächsten Morgen muss er erfahren, dass die Strickleiter, mit der er in die Grube hinuntergelassen wurde, fort ist. Mit der Zeit wird ihm klar, dass er von nun an ein Gefangener ist, und der Frau in der Grube (Kyôko Kishida) helfen soll den immer wieder hinunter kommende Sand wegzuschaufeln, damit das Haus nicht vergraben wird. Er überlegt, wie er aus der Grube wieder hinauskommt...
Quelle: http://www.ofdb.de/film/18314,Die-Frau-in-den-Dünen
Kritik:
Basierend auf Kôbô Abes Roman, schuf der ehemalige Dokumentarfilmer Teshigahara ein avantgardistisches Meisterwerk aller erster Güte.
Die Story erscheint als Allegorie über die Sinnlosigkeit des Aufbegehrens gegen die Widrigkeiten des Lebens und der Suche nach dem vollkommenen, aber leider nicht existenten Glück.
Jumpai erkennt, dass er sich seinem Schicksal fügen muss, das Leben wie der allgegenwärtige Sand in vorgegebenen Bahnen läuft und absolute Freiheit nur eine Illusion ist.
Der Sand dringt durch jede Fuge der klapprigen Behausung der namenlosen Frau, ein Entrinnen ist aussichtslos. Genau so unsinnig wäre es, vor dem Leben und dem eigenen Schicksal wegzulaufen.
Die Grube steht also für das Leben selbst, auch dort ist nur dann ein wenig Glück zu finden ist, wenn man seine Kraft nicht damit verpulvert, gegen sein Schicksal anzukämpfen, sondern stetig und gemeinsam, in diesem Fall mit der namenlosen Frau, seine Kräfte auf das Machbare zu fokussieren - und darin das ganz persönliche Glück zu finden, anstatt sich auf Ziele zu konzentrieren, die man nie erreichen kann.
Letztendlich fügt sich der gefangene Jumpai seinem Schicksal und trägt nicht nur zum Überleben der Frau in der Grube, sondern des ganzen Dorfes bei. Als er auf Druck der Gemeinschaft die Frau vergewaltigen soll, um so als Belohnung für kurze Zeit das Meer sehen zu dürfen, baut sich eine zweite Interpretationsebene auf.
Eine Anklage gegen den bedingslosen Gehorsam des japanischen Volkes im 2. Weltkrieg oder gegen Egoismus und für Gemeinschaftsdenken? Alles ist denkbar und wird dem Betrachter und seiner Stimmungslage bzw. seinen Ansichten überlassen. Der Betrachter genießt damit eine Freiheit, die den beiden Bewohner der Grube nicht gewährt wird.
Der sperrige, aber nicht anstrengend klingende Score unterstreicht dabei die jeweiligen Stimmungen und die gekonnte Bildersprache ganz ausgezeichnet. Durch diese Kompositionen wird die spannungsgeladene Atmosphäre in der kammerspielartigen Inszenierung eindrucksvoll verstärkt.
In welch unterschiedlichen Einstellungen der allgegenwärtige Sand (Sand wie fließendes Wasser) eingefangen wurde, kann man schlichtweg nur als grandios bezeichnen.
10/10
Filmdaten:
Originaltitel: Suna no onna
Herstellungsland: Japan
Erscheinungsjahr: 1964
Regie: Hiroshi Teshigahara
Darsteller: Eiji Okada, Kyôko Kishida, Kôji Mitsui, u. a.
Inhalt:
Ein Insektenkundler (Eiji Okada) ist am Meer unterwegs auf der Suche nach bestimmten Insektenspezien für seine Forschungen, da er vor hat ein Buch über dieses Thema zu schreiben. Gegen Nachmittag ruht er sich etwas aus und verpasst dadurch den letzten Bus zurück in die Stadt. Bewohner aus einem nahe gelegenen Dorf treffen ihn und bieten ihn an, dass er in einer der umliegenden Sandgruben übernachten könne, wo viele Bewohner ihre Häuser haben. Er ist etwas irritiert, stimmt jedoch zu.
Am nächsten Morgen muss er erfahren, dass die Strickleiter, mit der er in die Grube hinuntergelassen wurde, fort ist. Mit der Zeit wird ihm klar, dass er von nun an ein Gefangener ist, und der Frau in der Grube (Kyôko Kishida) helfen soll den immer wieder hinunter kommende Sand wegzuschaufeln, damit das Haus nicht vergraben wird. Er überlegt, wie er aus der Grube wieder hinauskommt...
Quelle: http://www.ofdb.de/film/18314,Die-Frau-in-den-Dünen
Kritik:
Basierend auf Kôbô Abes Roman, schuf der ehemalige Dokumentarfilmer Teshigahara ein avantgardistisches Meisterwerk aller erster Güte.
Die Story erscheint als Allegorie über die Sinnlosigkeit des Aufbegehrens gegen die Widrigkeiten des Lebens und der Suche nach dem vollkommenen, aber leider nicht existenten Glück.
Jumpai erkennt, dass er sich seinem Schicksal fügen muss, das Leben wie der allgegenwärtige Sand in vorgegebenen Bahnen läuft und absolute Freiheit nur eine Illusion ist.
Der Sand dringt durch jede Fuge der klapprigen Behausung der namenlosen Frau, ein Entrinnen ist aussichtslos. Genau so unsinnig wäre es, vor dem Leben und dem eigenen Schicksal wegzulaufen.
Die Grube steht also für das Leben selbst, auch dort ist nur dann ein wenig Glück zu finden ist, wenn man seine Kraft nicht damit verpulvert, gegen sein Schicksal anzukämpfen, sondern stetig und gemeinsam, in diesem Fall mit der namenlosen Frau, seine Kräfte auf das Machbare zu fokussieren - und darin das ganz persönliche Glück zu finden, anstatt sich auf Ziele zu konzentrieren, die man nie erreichen kann.
Letztendlich fügt sich der gefangene Jumpai seinem Schicksal und trägt nicht nur zum Überleben der Frau in der Grube, sondern des ganzen Dorfes bei. Als er auf Druck der Gemeinschaft die Frau vergewaltigen soll, um so als Belohnung für kurze Zeit das Meer sehen zu dürfen, baut sich eine zweite Interpretationsebene auf.
Eine Anklage gegen den bedingslosen Gehorsam des japanischen Volkes im 2. Weltkrieg oder gegen Egoismus und für Gemeinschaftsdenken? Alles ist denkbar und wird dem Betrachter und seiner Stimmungslage bzw. seinen Ansichten überlassen. Der Betrachter genießt damit eine Freiheit, die den beiden Bewohner der Grube nicht gewährt wird.
Der sperrige, aber nicht anstrengend klingende Score unterstreicht dabei die jeweiligen Stimmungen und die gekonnte Bildersprache ganz ausgezeichnet. Durch diese Kompositionen wird die spannungsgeladene Atmosphäre in der kammerspielartigen Inszenierung eindrucksvoll verstärkt.
In welch unterschiedlichen Einstellungen der allgegenwärtige Sand (Sand wie fließendes Wasser) eingefangen wurde, kann man schlichtweg nur als grandios bezeichnen.
10/10
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Re: Das praktische Filmtagebuch des Theoretikers
#26 - Die Stunde, wenn Dracula kommt
Filmdaten:
OT: La Maschera del demonio
Herstellungsland: Italien / 1960
Regie: Mario Bava
Darsteller: Barbara Steele, John Richardson, Andrea Checchi, Arturo Dominici, Ivo Garrani u. A.
Inhalt:
Die im 17.Jahrhundert als Hexe enttarnte Asa wird nach der Schändung mittels einer Dornenmaske auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Sterbend verflucht sie noch die Nachkommenschaft ihrer Henker.
Um 1830 wird sie aus Versehen wieder zum Leben erweckt und macht sich sogleich ans Werk, um ihren eigenen Fluch zu erfüllen. Auch ihr Ebenbild Katia scheint zu ihren Opfern zu gehören, oder sind beide eine und dieselbe Person. Eine Reihe von Morden nimmt ihren Anfang...
Quelle: http://www.ofdb.de/plot/3340,8883,Die-S ... cula-kommt
Kritik:
Bei einer Liste meiner Favs des IGC darf natürlich ein Werk von Mario Bava nicht fehlen. Die Stunde, wenn Dracula kommt ist meiner Meinung nach sein bester Film ist - neben dem "Ur-Giallo" Blutige Seide".
Dieses Werk gilt wohl als DER Klassiker des italienischen Gothic-Horror-Kinos.
Vom Titel darf man sich nicht verwirren lassen, da der dt. Verleih wohl aus Marketinggründen unbedingt ein Zugpferd unterbringen wollte, sodass Dracula im Titel, aber nicht im Film auftaucht.
Dies ist aber nicht weiter schlimm, da dieser Grusler auch ohne den Ober-Blutsauger auskommt und eine perfekte Gruselatmo aufkommt. Zu Verdanken ist dies der grandiosen Inszenierung, da Settings, Kameraführung, Beleuchtung und Score perfekt zusammenpassen. Bava gelingt es zudem, ein mystische und spannende Geschichte zu erzählen, die keine Langeweile aufkommen lässt.
Zwar wirkt das Gezeigte mitunter unfreiwillig komisch, da sich die Sehgewohnheiten doch sehr geändert haben. Nichtsdestotrotz ist das Werk Bavas aus dem IGC nicht wegzudenken.[/quote]
8,5/10
Filmdaten:
OT: La Maschera del demonio
Herstellungsland: Italien / 1960
Regie: Mario Bava
Darsteller: Barbara Steele, John Richardson, Andrea Checchi, Arturo Dominici, Ivo Garrani u. A.
Inhalt:
Die im 17.Jahrhundert als Hexe enttarnte Asa wird nach der Schändung mittels einer Dornenmaske auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Sterbend verflucht sie noch die Nachkommenschaft ihrer Henker.
Um 1830 wird sie aus Versehen wieder zum Leben erweckt und macht sich sogleich ans Werk, um ihren eigenen Fluch zu erfüllen. Auch ihr Ebenbild Katia scheint zu ihren Opfern zu gehören, oder sind beide eine und dieselbe Person. Eine Reihe von Morden nimmt ihren Anfang...
Quelle: http://www.ofdb.de/plot/3340,8883,Die-S ... cula-kommt
Kritik:
Bei einer Liste meiner Favs des IGC darf natürlich ein Werk von Mario Bava nicht fehlen. Die Stunde, wenn Dracula kommt ist meiner Meinung nach sein bester Film ist - neben dem "Ur-Giallo" Blutige Seide".
Dieses Werk gilt wohl als DER Klassiker des italienischen Gothic-Horror-Kinos.
Vom Titel darf man sich nicht verwirren lassen, da der dt. Verleih wohl aus Marketinggründen unbedingt ein Zugpferd unterbringen wollte, sodass Dracula im Titel, aber nicht im Film auftaucht.
Dies ist aber nicht weiter schlimm, da dieser Grusler auch ohne den Ober-Blutsauger auskommt und eine perfekte Gruselatmo aufkommt. Zu Verdanken ist dies der grandiosen Inszenierung, da Settings, Kameraführung, Beleuchtung und Score perfekt zusammenpassen. Bava gelingt es zudem, ein mystische und spannende Geschichte zu erzählen, die keine Langeweile aufkommen lässt.
Zwar wirkt das Gezeigte mitunter unfreiwillig komisch, da sich die Sehgewohnheiten doch sehr geändert haben. Nichtsdestotrotz ist das Werk Bavas aus dem IGC nicht wegzudenken.[/quote]
8,5/10
"You can´t love animals and eat them too."
"Dressing well is a form of good manners." - Tom Ford
"Dressing well is a form of good manners." - Tom Ford
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- Beiträge: 4826
- Registriert: So 24. Jun 2012, 15:13
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Re: Das praktische Filmtagebuch des Theoretikers
#27 - Il Grande silencio
Filmdaten:
Dt. Titel: Leichen pflastern seinen Weg (mal wieder ein typisch dt. Titel, würg)
Originaltitel: Il Grande silenzio
Herstellungsland: Frankreich / Italien / 1968
Regie: Sergio Corbucci
Darsteller: Jean-Louis Trintignant, Klaus Kinski, Frank Wolff, Luigi Pistilli, Vonetta McGee, Mario Brega, Carlo D'Angelo, Marisa Merlini, Raf Baldassarre, u. a.
Inhalt:
Kopfgeldjäger töten in den Dörfern der tief eingeschneiten Rocky Mountains Gesetzlose, die ihre Verstecke in den Bergen verlassen mußten. Die Schwester eines Ermordeten heuert den Revolverhelden Silence an, um Rache zu nehmen. Als er anfängt für Ordnung zu sorgen, findet er in einem aufrechten Sheriff einen Verbündeten. Loco, der brutalste unter den Kopfgeld-jägern, ermordet jedoch den Sheriff und lockt Silence in eine hinterhältige Falle...
Quelle: http://www.ofdb.de/plot/1516,8041,Leich ... seinen-Weg
Kritik:
Il Grande silencio ist mMn einer der besten (Italo-)Western überhaupt (um genau zu sein, der zweitbeste^^).
Corbucci hat mit diesem Werk bewiesen, dass er zu den ganz großen Western-Regisseuren gehörte. Story, Inszenierung, Score (Morricone at it's best!)und darstellerische Leistungen (grandios: Klaus Kinski und der "stumme" Jean-Luis Trintignant) sind weit überdurchschnittlich.
Die (für einen IW ungewöhnliche) Winterlandschaft stellt den reinen Gegenpol zur ansonsten schmutzigen, brutalen und eigentlich sehr düsteren Atmo dar, wobei das "Anti-Happy-End" nochmal seinen drauf setzt und ein Schlag ins Gesicht des Betrachters bedeutet. Dieses macht den Film nicht nur traurig, sondern lässt den Zuschauer "depressiv zurück". Selbst unter den ja meist düsteren IW hat Il Grande silencio damit eine Ausnahmestellung.
Das hier Parallelen zur Leidensgeschichte Jesus Christis gesehen werden, verwundert dabei nicht, zumal die letzte Szene durchaus wie eine Kreuzigung wirkt. IW-typisch ist dabei das Handeln (Töten für Geld) des "Helden" aber sehr ambivalent.
9/10
Filmdaten:
Dt. Titel: Leichen pflastern seinen Weg (mal wieder ein typisch dt. Titel, würg)
Originaltitel: Il Grande silenzio
Herstellungsland: Frankreich / Italien / 1968
Regie: Sergio Corbucci
Darsteller: Jean-Louis Trintignant, Klaus Kinski, Frank Wolff, Luigi Pistilli, Vonetta McGee, Mario Brega, Carlo D'Angelo, Marisa Merlini, Raf Baldassarre, u. a.
Inhalt:
Kopfgeldjäger töten in den Dörfern der tief eingeschneiten Rocky Mountains Gesetzlose, die ihre Verstecke in den Bergen verlassen mußten. Die Schwester eines Ermordeten heuert den Revolverhelden Silence an, um Rache zu nehmen. Als er anfängt für Ordnung zu sorgen, findet er in einem aufrechten Sheriff einen Verbündeten. Loco, der brutalste unter den Kopfgeld-jägern, ermordet jedoch den Sheriff und lockt Silence in eine hinterhältige Falle...
Quelle: http://www.ofdb.de/plot/1516,8041,Leich ... seinen-Weg
Kritik:
Il Grande silencio ist mMn einer der besten (Italo-)Western überhaupt (um genau zu sein, der zweitbeste^^).
Corbucci hat mit diesem Werk bewiesen, dass er zu den ganz großen Western-Regisseuren gehörte. Story, Inszenierung, Score (Morricone at it's best!)und darstellerische Leistungen (grandios: Klaus Kinski und der "stumme" Jean-Luis Trintignant) sind weit überdurchschnittlich.
Die (für einen IW ungewöhnliche) Winterlandschaft stellt den reinen Gegenpol zur ansonsten schmutzigen, brutalen und eigentlich sehr düsteren Atmo dar, wobei das "Anti-Happy-End" nochmal seinen drauf setzt und ein Schlag ins Gesicht des Betrachters bedeutet. Dieses macht den Film nicht nur traurig, sondern lässt den Zuschauer "depressiv zurück". Selbst unter den ja meist düsteren IW hat Il Grande silencio damit eine Ausnahmestellung.
Das hier Parallelen zur Leidensgeschichte Jesus Christis gesehen werden, verwundert dabei nicht, zumal die letzte Szene durchaus wie eine Kreuzigung wirkt. IW-typisch ist dabei das Handeln (Töten für Geld) des "Helden" aber sehr ambivalent.
9/10
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"Dressing well is a form of good manners." - Tom Ford
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Re: Das praktische Filmtagebuch des Theoretikers
#28 - Sympathy für Mr. Vengeance
Originaltitel: Boksuneun naui geot
Herstellungsland: Südkorea / 2002
Regie: Park Chan-wook
Darsteller: Song Kang-ho, Sin Ha-gyoon, Bae Doona, Lim Ji-eun
Story:
Um seiner Schwester eine Nierentransplantation finanzieren zu können, arbeitet der taubstumme Ryu in einer Fabrik. Doch das Geld fehlt und die Zeit rennt, weshalb Ryu einen Deal mit zwielichtigen Organhändlern abschließt, der ihn seine eigene Niere kostet, seiner Schwester letztlich aber keine Rettung bringt. Nach langer Diskussion beschließen die beiden, die kleine Tochter des Geschäftsmannes Dong-Jin zu entführen, um das benötigte Geld von ihm zu erpressen. Doch die Entführung verläuft nicht wie geplant und das Kind kommt ungewollt zu Tode. Dong-Jin sinnt auf Rache und setzt alles daran, die Entführer zu finden... (quelle: ofdb.de)
Kritik:
"Sympathy for Mr. Vengeance" muss sich in der Tat nicht hinter "Oldboy" verstecken. Einen nihilistischeren und traurigeren Film hat man selten gesehen.
Die Handlungen der Protagonisten sind in letzter Konsequenz nachvollziehbar, sodass man in ihr Leiden hineingedrängt wird, aufgrund ihrer Unmenschlichkeit machen sie es dem Zuschauer aber völlig unmöglich, wirklich so etwas wie Sympathie zu entwickeln. Man wird ständig hin und hergerissen, kann keine Stellung beziehen und wird dazu gezwungen, sich der Ausweglosigkeit des Handelns zu stellen.
Die offensichtliche Kritik an den Klassenunterschieden vermittelt Park ganz nebenbei. Das Dong-Jin, der kaltherzige Unternehmer erst seine Tochter verlieren muss, um Menschlichkeit zu entwickeln, wäre eigentlich Fingerzeig genug. Dass dann aber das einzige Kind seines von ihm entlassenen Mitarbeiters stirbt, das er versuchte zu retten, zeigt auf, dass es keine Umkehr für einen einmal eingeschlagenen entmenschlichten Weg gibt.
Das selbstlose Motiv der versuchten Rettung der Schwester mündet im Tod eines unschuldigen Kindes, sodass die anfängliche Sympathie für den gehandicapten Ryu in Ablehnung umschlägt, wobei seine Rache an den Organhändlern gewisse Genugtuung auslöst. Der Rachefeldzug des kaltherzigen Dong-Jins, dessen Warmherzigkeit gegenüber dem sterbenden Jungen Mitgefühl auslöst, mündet in Folter, sodass man sich als Zuschauer geradezu getrieben fühlt, da man nicht nur keine Partei ergreifen kann, sondern seinen Hass gegen die Ungerechtigkeit des Lebens auf keinen der Handelnden projizieren kann. Selbst die Organhändlerin ist ein von Ihrer Sucht getriebene Verliererin.
Auch der Zuschauer wird getrieben. Getrieben durch die kalten, stillen Bilder, durch Sprach- und Hoffnungslosigkeit, Unmenschlichkeit, der Schwäche und Unvollkommenheit des Menschen.
Park liefert keine Täter, sondern macht klar, dass es letzten Endes nur Opfer gibt. Opfer der Mittellosigkeit, Opfer der bedingungslosen Liebe, Opfer der Habgier, Opfer der Rache, Opfer der Sühne.
Das leben kennt keine Gewinner. Das Leben kennt keine Unschuld.
9/10
Originaltitel: Boksuneun naui geot
Herstellungsland: Südkorea / 2002
Regie: Park Chan-wook
Darsteller: Song Kang-ho, Sin Ha-gyoon, Bae Doona, Lim Ji-eun
Story:
Um seiner Schwester eine Nierentransplantation finanzieren zu können, arbeitet der taubstumme Ryu in einer Fabrik. Doch das Geld fehlt und die Zeit rennt, weshalb Ryu einen Deal mit zwielichtigen Organhändlern abschließt, der ihn seine eigene Niere kostet, seiner Schwester letztlich aber keine Rettung bringt. Nach langer Diskussion beschließen die beiden, die kleine Tochter des Geschäftsmannes Dong-Jin zu entführen, um das benötigte Geld von ihm zu erpressen. Doch die Entführung verläuft nicht wie geplant und das Kind kommt ungewollt zu Tode. Dong-Jin sinnt auf Rache und setzt alles daran, die Entführer zu finden... (quelle: ofdb.de)
Kritik:
"Sympathy for Mr. Vengeance" muss sich in der Tat nicht hinter "Oldboy" verstecken. Einen nihilistischeren und traurigeren Film hat man selten gesehen.
Die Handlungen der Protagonisten sind in letzter Konsequenz nachvollziehbar, sodass man in ihr Leiden hineingedrängt wird, aufgrund ihrer Unmenschlichkeit machen sie es dem Zuschauer aber völlig unmöglich, wirklich so etwas wie Sympathie zu entwickeln. Man wird ständig hin und hergerissen, kann keine Stellung beziehen und wird dazu gezwungen, sich der Ausweglosigkeit des Handelns zu stellen.
Die offensichtliche Kritik an den Klassenunterschieden vermittelt Park ganz nebenbei. Das Dong-Jin, der kaltherzige Unternehmer erst seine Tochter verlieren muss, um Menschlichkeit zu entwickeln, wäre eigentlich Fingerzeig genug. Dass dann aber das einzige Kind seines von ihm entlassenen Mitarbeiters stirbt, das er versuchte zu retten, zeigt auf, dass es keine Umkehr für einen einmal eingeschlagenen entmenschlichten Weg gibt.
Das selbstlose Motiv der versuchten Rettung der Schwester mündet im Tod eines unschuldigen Kindes, sodass die anfängliche Sympathie für den gehandicapten Ryu in Ablehnung umschlägt, wobei seine Rache an den Organhändlern gewisse Genugtuung auslöst. Der Rachefeldzug des kaltherzigen Dong-Jins, dessen Warmherzigkeit gegenüber dem sterbenden Jungen Mitgefühl auslöst, mündet in Folter, sodass man sich als Zuschauer geradezu getrieben fühlt, da man nicht nur keine Partei ergreifen kann, sondern seinen Hass gegen die Ungerechtigkeit des Lebens auf keinen der Handelnden projizieren kann. Selbst die Organhändlerin ist ein von Ihrer Sucht getriebene Verliererin.
Auch der Zuschauer wird getrieben. Getrieben durch die kalten, stillen Bilder, durch Sprach- und Hoffnungslosigkeit, Unmenschlichkeit, der Schwäche und Unvollkommenheit des Menschen.
Park liefert keine Täter, sondern macht klar, dass es letzten Endes nur Opfer gibt. Opfer der Mittellosigkeit, Opfer der bedingungslosen Liebe, Opfer der Habgier, Opfer der Rache, Opfer der Sühne.
Das leben kennt keine Gewinner. Das Leben kennt keine Unschuld.
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Re: Das praktische Filmtagebuch des Theoretikers
#29 - Suspiria
Filmdaten:
Originaltitel: Suspiria
Herstellungsland: Deutschland/Italien 1977
Regie: Dario Argento
Darsteller: Jessica Harper, Stefania Casini, Flavio Bucci, Miguel Bosé, Udo Kier, Alida Valli, Joan Bennett, Margherita Horowitz, u. a.
Inhalt:
Die junge Ballett Tänzerin Suzy kommt aus den USA nach München, um dort an einer angesehenen Schule Tanz zu studieren. Als sie dort ankommt, beobachtet sie ein junges Mädchen, das aus der Schule flieht, um dann später in der eigenen Wohnung auf mysteriöse Art und Weise ermordet zu werden. Doch auch Suzy kommt die Schule zunehmend merkwürdig vor. Die Lehrerinnen führen ein hartes Regiment, nachts hört man seltsame Geräusche und etwas schleicht nachts durch den Schlafsaal. Suzy forscht den merkwürdigen Vorgängen nach und findet langsam aber sicher heraus, daß das Haus an sich eine unheimliche Geschichte hat und eine dunkle Macht beherbergt.
Quelle: http://www.ofdb.de/plot/350,8877,Suspiria
Kritik:
Suspiria ist der erste Teil der sogenannten Muttertrilogie (danach folgten Horror Infernal und Mothers of Tears) und imho der beste Teil, wobei Horror Infernal nicht wirklich schlechter ist.
Die Farbgebung in Kombination mit der Musik von Goblin ist schlichtweg grandios. Fast jede (relevante) Szene hat einen farblichen Schwerpunkt und wirkt wie ein Gemälde, welches mit passender Musik unterlegt wurde. Diese Farbdramaturgie übt auf den geneigten Betrachter eine Sogwirkung aus, die ihn tief in das Gesehene eintauchen lässt.
Die "Bonbonfarben" erzielen dabei eine gegenteilige Wirkung, da sie gerade nicht, wie man meinen könnte, eine heimelig-naive Atmosphäre erzeugen, sondern überaus bedrohlich wirken. Was eindimensionale Horrorfilme üblicherweise mit düsterer, dunkler Optik auf recht simple Art und Weise erreichen, erzeugt Argento mit völlig unüblichen Mitteln. Gerade dies kann als besondere und einmalige Leistung Argentos hervorgehoben werden.
So entstanden schaurig-schöne Szenen und damit einer der besten, mystischen Horrorfilme, der nicht nur das italienische Horrorkino prägte.
9/10
Filmdaten:
Originaltitel: Suspiria
Herstellungsland: Deutschland/Italien 1977
Regie: Dario Argento
Darsteller: Jessica Harper, Stefania Casini, Flavio Bucci, Miguel Bosé, Udo Kier, Alida Valli, Joan Bennett, Margherita Horowitz, u. a.
Inhalt:
Die junge Ballett Tänzerin Suzy kommt aus den USA nach München, um dort an einer angesehenen Schule Tanz zu studieren. Als sie dort ankommt, beobachtet sie ein junges Mädchen, das aus der Schule flieht, um dann später in der eigenen Wohnung auf mysteriöse Art und Weise ermordet zu werden. Doch auch Suzy kommt die Schule zunehmend merkwürdig vor. Die Lehrerinnen führen ein hartes Regiment, nachts hört man seltsame Geräusche und etwas schleicht nachts durch den Schlafsaal. Suzy forscht den merkwürdigen Vorgängen nach und findet langsam aber sicher heraus, daß das Haus an sich eine unheimliche Geschichte hat und eine dunkle Macht beherbergt.
Quelle: http://www.ofdb.de/plot/350,8877,Suspiria
Kritik:
Suspiria ist der erste Teil der sogenannten Muttertrilogie (danach folgten Horror Infernal und Mothers of Tears) und imho der beste Teil, wobei Horror Infernal nicht wirklich schlechter ist.
Die Farbgebung in Kombination mit der Musik von Goblin ist schlichtweg grandios. Fast jede (relevante) Szene hat einen farblichen Schwerpunkt und wirkt wie ein Gemälde, welches mit passender Musik unterlegt wurde. Diese Farbdramaturgie übt auf den geneigten Betrachter eine Sogwirkung aus, die ihn tief in das Gesehene eintauchen lässt.
Die "Bonbonfarben" erzielen dabei eine gegenteilige Wirkung, da sie gerade nicht, wie man meinen könnte, eine heimelig-naive Atmosphäre erzeugen, sondern überaus bedrohlich wirken. Was eindimensionale Horrorfilme üblicherweise mit düsterer, dunkler Optik auf recht simple Art und Weise erreichen, erzeugt Argento mit völlig unüblichen Mitteln. Gerade dies kann als besondere und einmalige Leistung Argentos hervorgehoben werden.
So entstanden schaurig-schöne Szenen und damit einer der besten, mystischen Horrorfilme, der nicht nur das italienische Horrorkino prägte.
9/10
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Re: Das praktische Filmtagebuch des Theoretikers
#30 - Komm und siehe...
Filmdaten:
Originaltitel: Idi i smotri
Herstellungsland: Sowjetunion
Erscheinungsjahr: 1985
Regie: Elem Klimov
Darsteller: Aleksei Kravchenko, Olga Mironova, Liubomiras Lauciavicius, u.a.
Handlung:
Weißrussland im Jahre 1943. Der Jugendliche Florian, genannt Fljora, geht gegen den Willen seiner Mutter zu den Partisanen. Als er sich ihnen anschließt, sind das Leben im Wald und der Kampf gegen die Besatzer für Fljora noch ein großes Abenteuer. Doch im Laufe des Films erlebt der Junge ein Martyrium. Zwischenzeitlich kehrt Fljora in sein Dorf zurück, das verlassen scheint. Einige Dorfbewohner wurden bei einer Vergeltungsaktion von SS, SD und Polizei erschossen. Auch Fljoras Mutter und seine Schwestern wurden ermordet. Nach einem missglückten Versuch, für die Überlebenden etwas zu essen zu organisieren, gerät Fljora in ein weiteres Dorf, das zum Ziel einer Vergeltungsaktion für Partisanenübergriffe wird...
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Komm_und_sieh
Kritik:
Dieses sowjetisches Kriegsdrama kann man mit nur einem Wort beschreiben: Unfassbar.
Unfassbar, wozu Menschen fähig sind und unfassbar, wie Klimov in der Lage war, diese Unmenschlichkeiten dem Zuschauer nahe zu bringen, ohne dabei ins patriotisch Verklärte abzudriften oder die Würde der Opfer durch allzu direkte Darstellungen anzutasten.
Was dieser Krieg und seine Verbrechen den Menschen angetan hat, welche Spuren er bei den Überlebenden und den vermeintlichen "Gewinnern" hinterließ, wird nur allzu deutlich, wenn man sich die Entwicklung Fljoras anschaut. Anfangs noch selbstbewusst an die heroische Verpflichtung zum Widerstand glaubend, endet er als psychisches Wrack, das um Jahre gealtert erscheint.
Die schauspielerische Leistung des Darstellers des Fljoras, Aleksei Kravchenko, ist absolut grandios und schon fast unerträglich eindringlich. Allein aufgrund seiner Mimik wird jedem klar, dass wir heutzutage trotz unserer umfassenden geschichtlichen Kenntnisse nicht ansatzweise Nachempfinden können, was die Menschen aufgrund des Größenwahns und des Hasses einiger Weniger durchleben mussten.
Die Rache der Partisanen an den Tätern hinterlässt weder diese noch den Zuschauer mit einer gewissen, menschlich eigentlich entschuldbaren, Befriedigung zurück. Klimov gelingt es so, entgegen vieler großer Produktionen, den Krieg so darzustellen, wie er wirklich war und ist. Grausam, entmenschlicht und vor allem ohne (heroische) Gewinner. Denn Gewinner gibt es nicht, am Ende haben alle ihre Menschlichkeit verloren. "Komm und siehe..." wird dabei nie plakativ oder gar kitschig, es wehen keine Fahnen im Wind, es werden keine stolzen Reden geschwungen und am Ende keine Orden verliehen.
Die teils surrealen Szenen erinnern ein wenig an "Apocalypse Now", wobei auch bei "Komm und siehe..." dadurch seine Aussagen nicht relativiert, sondern den Wahnsinn und das Unbeschreibliche intensiviert und für den Zuschauer erlebbarer gestaltet.
Der Titel des Films hat zweierlei Bedeutung. Zum einen leitet er sich aus dem 6. Kapitel der Offenbarung des Johannes ab. Der Ausruf „komm und sieh“ (in den Versen 1, 3, 5 und 7) bildet dort die Aufforderung, die Verheerungen zu betrachten, die durch die vier Reiter der Apokalypse angerichtet werden.
Das ist nicht nur eine sehr treffende Einordnung dessen, was der Zuschauer zu sehen bekommt, sondern auch die Umschreibung für die ungemein realistische Darstellung, die dem Zuschauer das emotionale Entrinnen unmöglich macht. Siehe, wie es sich (wirklich) zugetragen hat.
Der historische Hintergrund soll dabei, ohne dies zu benennen, der Massenmord der SS-Sondereinheit Dirlewanger am 22. März 1943 an den Bewohnern des Dorfes Chatyn sein. Das solche Gräueltaten von der SS (und der Wehrmacht), auf ihrem Rückzug in Weißrussland hundertfach begangen wurden, dürfte bekannt sein. Es ist daher umso erstaunlicher, dass die sowjetischen Behörden einen solch unpatriotischen Film absegneten.
Für mich unter den Top 3 der besten Filme der 80er und nach "Apocalypse Now" das beste Kriegsdrama überhaupt. Wenn die (umstrittene) Kategorisierung Antikriegsfilm zu einem Film passt, dann ist es "Komm und siehe..."
Fazit: Absolutes Must-see.
9,5/10
Filmdaten:
Originaltitel: Idi i smotri
Herstellungsland: Sowjetunion
Erscheinungsjahr: 1985
Regie: Elem Klimov
Darsteller: Aleksei Kravchenko, Olga Mironova, Liubomiras Lauciavicius, u.a.
Handlung:
Weißrussland im Jahre 1943. Der Jugendliche Florian, genannt Fljora, geht gegen den Willen seiner Mutter zu den Partisanen. Als er sich ihnen anschließt, sind das Leben im Wald und der Kampf gegen die Besatzer für Fljora noch ein großes Abenteuer. Doch im Laufe des Films erlebt der Junge ein Martyrium. Zwischenzeitlich kehrt Fljora in sein Dorf zurück, das verlassen scheint. Einige Dorfbewohner wurden bei einer Vergeltungsaktion von SS, SD und Polizei erschossen. Auch Fljoras Mutter und seine Schwestern wurden ermordet. Nach einem missglückten Versuch, für die Überlebenden etwas zu essen zu organisieren, gerät Fljora in ein weiteres Dorf, das zum Ziel einer Vergeltungsaktion für Partisanenübergriffe wird...
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Komm_und_sieh
Kritik:
Dieses sowjetisches Kriegsdrama kann man mit nur einem Wort beschreiben: Unfassbar.
Unfassbar, wozu Menschen fähig sind und unfassbar, wie Klimov in der Lage war, diese Unmenschlichkeiten dem Zuschauer nahe zu bringen, ohne dabei ins patriotisch Verklärte abzudriften oder die Würde der Opfer durch allzu direkte Darstellungen anzutasten.
Was dieser Krieg und seine Verbrechen den Menschen angetan hat, welche Spuren er bei den Überlebenden und den vermeintlichen "Gewinnern" hinterließ, wird nur allzu deutlich, wenn man sich die Entwicklung Fljoras anschaut. Anfangs noch selbstbewusst an die heroische Verpflichtung zum Widerstand glaubend, endet er als psychisches Wrack, das um Jahre gealtert erscheint.
Die schauspielerische Leistung des Darstellers des Fljoras, Aleksei Kravchenko, ist absolut grandios und schon fast unerträglich eindringlich. Allein aufgrund seiner Mimik wird jedem klar, dass wir heutzutage trotz unserer umfassenden geschichtlichen Kenntnisse nicht ansatzweise Nachempfinden können, was die Menschen aufgrund des Größenwahns und des Hasses einiger Weniger durchleben mussten.
Die Rache der Partisanen an den Tätern hinterlässt weder diese noch den Zuschauer mit einer gewissen, menschlich eigentlich entschuldbaren, Befriedigung zurück. Klimov gelingt es so, entgegen vieler großer Produktionen, den Krieg so darzustellen, wie er wirklich war und ist. Grausam, entmenschlicht und vor allem ohne (heroische) Gewinner. Denn Gewinner gibt es nicht, am Ende haben alle ihre Menschlichkeit verloren. "Komm und siehe..." wird dabei nie plakativ oder gar kitschig, es wehen keine Fahnen im Wind, es werden keine stolzen Reden geschwungen und am Ende keine Orden verliehen.
Die teils surrealen Szenen erinnern ein wenig an "Apocalypse Now", wobei auch bei "Komm und siehe..." dadurch seine Aussagen nicht relativiert, sondern den Wahnsinn und das Unbeschreibliche intensiviert und für den Zuschauer erlebbarer gestaltet.
Der Titel des Films hat zweierlei Bedeutung. Zum einen leitet er sich aus dem 6. Kapitel der Offenbarung des Johannes ab. Der Ausruf „komm und sieh“ (in den Versen 1, 3, 5 und 7) bildet dort die Aufforderung, die Verheerungen zu betrachten, die durch die vier Reiter der Apokalypse angerichtet werden.
Das ist nicht nur eine sehr treffende Einordnung dessen, was der Zuschauer zu sehen bekommt, sondern auch die Umschreibung für die ungemein realistische Darstellung, die dem Zuschauer das emotionale Entrinnen unmöglich macht. Siehe, wie es sich (wirklich) zugetragen hat.
Der historische Hintergrund soll dabei, ohne dies zu benennen, der Massenmord der SS-Sondereinheit Dirlewanger am 22. März 1943 an den Bewohnern des Dorfes Chatyn sein. Das solche Gräueltaten von der SS (und der Wehrmacht), auf ihrem Rückzug in Weißrussland hundertfach begangen wurden, dürfte bekannt sein. Es ist daher umso erstaunlicher, dass die sowjetischen Behörden einen solch unpatriotischen Film absegneten.
Für mich unter den Top 3 der besten Filme der 80er und nach "Apocalypse Now" das beste Kriegsdrama überhaupt. Wenn die (umstrittene) Kategorisierung Antikriegsfilm zu einem Film passt, dann ist es "Komm und siehe..."
Fazit: Absolutes Must-see.
9,5/10
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Re: Das praktische Filmtagebuch des Theoretikers
#31 - Go
Filmdaten:
Originaltitel: Go
Herstellungsland: Japan
Erscheinungsjahr: 2001
Regie: Isao Yukisada
Darsteller: Yosuke Kubozuka, Kou Shibasaki, Shinobu Otake, Taro Yamamoto, Tsutomu Yamazaki, Hirofumi Arai, Anri Ban, u. a
Label: Rapid Eye Movies
FSK: 16
Handlung:
Sugihara ist ein sogenannter “Zainachi”, ein junger Koreaner, der in Japan aufgewachsen ist. Er steht zwischen zwei Kulturen, fühlt sich keiner ganz zugehörig, so dass die Probleme des Erwachsenwerdens dadurch nur noch verstärkt werden. Jeder Tag ist für ihn ein Kampf gegen Vorurteile, gegen seinen herrischen und gewälttätigen Vater und zuletzt gegen sich selbst.
Als Sugihara auf der Party von der hübschen Sakurai angesprochen wird, entwickelt sich ein vorsichtige Liebe, die allerdings unter keinem guten Stern steht, da Sakurai Japanerin ist und sich Sugihara zuerst nicht traut, ihr seine Herkunft zu offenbaren...
Kritik:
Das (wiederholte) Zitieren aus Shakespears Romeo und Julia ist die zentrale Aussage dieses Films. Es wird zwar nicht die Geschichte zweier Liebender erzählt, die verfeindeten Familien angehören, aber zweier Kulturen, die seit dem 2. Weltkrieg nie wirklich Frieden miteinander geschlossen haben.
“Was ist ein Name?
Was uns „Rose“ heißt
Duftet immer lieblich,
Wie es auch hieße.“
(William Shakespeare, „Romeo und Julia“, 2. Akt, 2. Szene)
Bevor der Aufruf Shakespears Gehör findet, dass Liebe bedingungslos und nicht mit Vorurteilen behaftet sein sollte, muss Sugihara einen langen und beschwerlichen Weg voller Rückschläge bewältigen.
Yukisada bewegt sich bei seiner Inszenierung auf einem sehr schmalen Grat, wenn er die eigentlich sehr ernsten Themen mal schrill, parodisierend, überspitzt und auch recht brutal, mit schnellen Schnitten und aggressiver Musik in Videoclip-Ästhetik präsentiert. In diesen Momenten mag man das ernsthafte Anliegen einer Gesellschaftskritik nicht so recht glauben.
Da Yukisada aber Tempo und Stil sehr gekonnt wechselt, kann er die verschiedenen Stimmungen äußerst gut vermitteln und die ruhigen, gefühlvoll inszenierten Passagen sind ein guter Gegenpol, so dass sich letztendlich eine Homogenität entwickelt, die die Aussage des Films unterstreichen kann.
Auch Kulturinteressierte können einen Blick riskieren, weil hier das schwierige Verhältnis zwischen Japanern und der koreanischen Minderheit genauer betrachtet wird. Man mag kaum glauben, dass sich die Japaner hier fast auf dem Niveau der Amerikaner in den 50er und 60er Jahre und deren rassistischer Einstellung zur afroamerikanischen Minderheit bewegen.
Dabei kommt aber nicht nur die Kritik am japanischen Rassismus zu Sprache, sondern auch die selbstgewählte Abkapselung der koreanischen Minderheit, die nicht weniger rassistisch ist, und der Sugiharas Vater nicht entfliehen konnte. Die Gepflogenheiten an der koreanischen Schule erscheinen wie aus einem anderen Jahrhundert und Yukisada gelingt es, Japanern und Koreanern den Spiegel der Intoleranz vorzuhalten.
Das Happy-End mag man als zu schmalzig anprangern, ich würde es aber auch als Aufruf zu Toleranz und vor allem Akzeptanz interpretieren.
Fazit: Ein sehr gutes Jugenddrama, das die Probleme des Erwachsenwerdens im Kontext gesellschaftlicher Probleme mitreißend darzustellen vermag. Gerade in Zeiten von 'American Pie' und Konsorten eine anspruchsvolle aber auch unterhaltende filmische Umsetzung.
8/10
Filmdaten:
Originaltitel: Go
Herstellungsland: Japan
Erscheinungsjahr: 2001
Regie: Isao Yukisada
Darsteller: Yosuke Kubozuka, Kou Shibasaki, Shinobu Otake, Taro Yamamoto, Tsutomu Yamazaki, Hirofumi Arai, Anri Ban, u. a
Label: Rapid Eye Movies
FSK: 16
Handlung:
Sugihara ist ein sogenannter “Zainachi”, ein junger Koreaner, der in Japan aufgewachsen ist. Er steht zwischen zwei Kulturen, fühlt sich keiner ganz zugehörig, so dass die Probleme des Erwachsenwerdens dadurch nur noch verstärkt werden. Jeder Tag ist für ihn ein Kampf gegen Vorurteile, gegen seinen herrischen und gewälttätigen Vater und zuletzt gegen sich selbst.
Als Sugihara auf der Party von der hübschen Sakurai angesprochen wird, entwickelt sich ein vorsichtige Liebe, die allerdings unter keinem guten Stern steht, da Sakurai Japanerin ist und sich Sugihara zuerst nicht traut, ihr seine Herkunft zu offenbaren...
Kritik:
Das (wiederholte) Zitieren aus Shakespears Romeo und Julia ist die zentrale Aussage dieses Films. Es wird zwar nicht die Geschichte zweier Liebender erzählt, die verfeindeten Familien angehören, aber zweier Kulturen, die seit dem 2. Weltkrieg nie wirklich Frieden miteinander geschlossen haben.
“Was ist ein Name?
Was uns „Rose“ heißt
Duftet immer lieblich,
Wie es auch hieße.“
(William Shakespeare, „Romeo und Julia“, 2. Akt, 2. Szene)
Bevor der Aufruf Shakespears Gehör findet, dass Liebe bedingungslos und nicht mit Vorurteilen behaftet sein sollte, muss Sugihara einen langen und beschwerlichen Weg voller Rückschläge bewältigen.
Yukisada bewegt sich bei seiner Inszenierung auf einem sehr schmalen Grat, wenn er die eigentlich sehr ernsten Themen mal schrill, parodisierend, überspitzt und auch recht brutal, mit schnellen Schnitten und aggressiver Musik in Videoclip-Ästhetik präsentiert. In diesen Momenten mag man das ernsthafte Anliegen einer Gesellschaftskritik nicht so recht glauben.
Da Yukisada aber Tempo und Stil sehr gekonnt wechselt, kann er die verschiedenen Stimmungen äußerst gut vermitteln und die ruhigen, gefühlvoll inszenierten Passagen sind ein guter Gegenpol, so dass sich letztendlich eine Homogenität entwickelt, die die Aussage des Films unterstreichen kann.
Auch Kulturinteressierte können einen Blick riskieren, weil hier das schwierige Verhältnis zwischen Japanern und der koreanischen Minderheit genauer betrachtet wird. Man mag kaum glauben, dass sich die Japaner hier fast auf dem Niveau der Amerikaner in den 50er und 60er Jahre und deren rassistischer Einstellung zur afroamerikanischen Minderheit bewegen.
Dabei kommt aber nicht nur die Kritik am japanischen Rassismus zu Sprache, sondern auch die selbstgewählte Abkapselung der koreanischen Minderheit, die nicht weniger rassistisch ist, und der Sugiharas Vater nicht entfliehen konnte. Die Gepflogenheiten an der koreanischen Schule erscheinen wie aus einem anderen Jahrhundert und Yukisada gelingt es, Japanern und Koreanern den Spiegel der Intoleranz vorzuhalten.
Das Happy-End mag man als zu schmalzig anprangern, ich würde es aber auch als Aufruf zu Toleranz und vor allem Akzeptanz interpretieren.
Fazit: Ein sehr gutes Jugenddrama, das die Probleme des Erwachsenwerdens im Kontext gesellschaftlicher Probleme mitreißend darzustellen vermag. Gerade in Zeiten von 'American Pie' und Konsorten eine anspruchsvolle aber auch unterhaltende filmische Umsetzung.
8/10
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