Von der Schauburg zum Schauburgle

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sergio petroni
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Re: Von der Schauburg zum Schauburgle

Beitrag von sergio petroni »

149. Die Braut des Teufels (Terence Fisher, 1968)
Die beiden Freunde Duc de Richleau (Christopher Lee) und Rex van Ryn (Leon Greene) wollen ihren Kumpel
Simon in dessen Landsitz besuchen. Dumm nur, daß sie in eine Versammlung einer astronomischen Gesellschaft,
der Simon kürzlich beigetreten ist, hineinplatzen. Geleitet wird die ganze Sause von einem gewissen
Mocata (Charles Gray) dem Obermotz der (natürlich!) satanistischen Sekte. Der Duc und der Rex
merken gleich, daß sie unwillkommen sind, und da ersterer ein Diplom in Satanismus hat,
riecht dieser sogleich den Braten, respektive die Schwefelschwaden.
Ab jetzt lautet das Motto: Rettet Simons Seele! Dumm nur, daß Simon sich in seine Mitsatanistin
Tanith verguckt hat......

Terence Fishers Okkultismusstreifen aus dem Hause Hammer basiert auf Stories von Dennis Wheatley,
dem Stephen King der 1940er bis 1960er. Mit der gewissen hammerüblichen Naivität prallen hier
der mit Hypnosefähigkeiten ausgestattete Mocata und der offenbar allwissende Duc aufeinander.
In echte Gefahr gerät der Duc nie, dafür ist die ganze Sause dann doch zu harmlos ausgefallen.
Allerdings fallen herrliche englische Landsitze und zwei pompöse Teufelsanbetungen auf der Habenseite an.
Gelungenste Szene ist jedoch die Übernachtung der Protagonisten in einem großen Saal,
geschützt durch einen Kreis, den die Geister nicht betreten können. So wird allerlei Geisterspuk
aufgeboten, um die Helden zum Verlassen des Kreises zu bewegen.
Ähnlichkeiten mit "VIY" sind definitiv nicht zufällig!
Naiv und sympathisch, mit Charme!
6/10
DrDjangoMD hat geschrieben:„Wohl steht das Haus gezimmert und gefügt, doch ach – es wankt der Grund auf dem wir bauten.“
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sergio petroni
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Re: Von der Schauburg zum Schauburgle

Beitrag von sergio petroni »

150. Texas Chainsaw Massacre (David Blue Garcia, 2022)
Der 150. Film im Heimkino sollte wenigstens ein bißchen Jubiläumsfeeling aufkommen lassen.
So fiel die Wahl auf den neuesten Output des TCM-Franchises.

Wir befinden uns in einem heruntergekommenen Kaff in den Weiten Texas'. Die Immobilien sind günstig zu haben,
und so versucht sich eine Investorengruppe von jungen Influencern einen Traum zu verwirklichen.
Mit einer eigenen Stadt als Basis, sollen neue Channels, mehr Follower und mehr Einnahmen generiert werden.
Dieses offenbar hirnrissige Projekt hält nicht davon ab, daß sich eine ganze Busladung (doppelstöckig wohlgemerkt!)
voll Interessenten im Wüstenort einfindet.
Nur haben alle die Rechnung ohne Leatherface gemacht. Der hatte es sich die letzten fünfzig Jahre bei der
Pflegemama gutgehen lassen. Nun sollen die beiden aus ihrem Häuschen vertrieben werden.
Das kann natürlich gar nicht angehen. Und so wird die Kettensäge wieder angeworfen und
kommt tatsächlich exzessiver als jemals zuvor zum Einsatz........

Dem allgemeinen Trend ("Scream", "Halloween") folgend wird auch hier (nahezu) der Originaltitel verwendet.
Wie auch in "Halloween" wird mehr oder weniger an das Original angeknüpft und es werden die ganzen
Sequels ignoriert. Ist es auf der eine Seite Laurie Strode die den Racheengel spielt, ist es auf der anderen
Sally Hardesty, die die schießfeste Oma gibt. Und natürlich gibt es diesmal wie heutzutage üblich ein
richtiges Massaker (der vollbesetzte o.g. Bus, der die Aufschrift "willige Opfer" trägt),
will sagen: es splattert gewaltig.
"Texas Chainsaw Massacre" ist schön gefilmt, bietet ein paar annehmbare Suspense-Szenen und
trägt nicht gleich auf der Stirn den Hinweis "gedreht in Bulgarien" (obwohl er es ist).
Die kurze Laufzeit verhindert großartiges Nachdenken (was hilfreich ist) und bietet trotzdem
Raum für ein paar Gags zum Thema Gendern, Rednecks und E-Autos.
Nachhaltigkeit wurde hier allerdings nicht groß geschrieben!
6,5/10
DrDjangoMD hat geschrieben:„Wohl steht das Haus gezimmert und gefügt, doch ach – es wankt der Grund auf dem wir bauten.“
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sergio petroni
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Re: Von der Schauburg zum Schauburgle

Beitrag von sergio petroni »

151. Narcos - Mexiko Staffel 3 (2021)
Nachdem Oberboß Miguel Ángel Félix Gallardo gefaßt wurde, bricht wieder Krieg unter den mexikanischen Kartellen
aus. Am meisten davon profitiert das Juarez-Kartell unter Amado Carillo Fuentes (der Gallardo an's Messer lieferte).
Aber auch das Tijuana-Kartell unter der Familie Arellano Felix prosperiert. Lediglich Sinaloa hinkt hinterher.
Durch interne Streitigkeiten gehemmt, dauert es, bis sich "El Chapo" Guzman dort als der alleinige
Boß etabliert.
Die amerikanische Drogenbehörde DEA arbeitet derweil mit mexikanischen Stellen zusammen,
um mit Hilfe des Militärs Führungskräfte der Kartelle auszuschalten.
Dabei sind die Methoden auf allen Seiten wenig zimperlich.....

Immer hart an der Realität wird in der dritten Staffel von Narcos - Mexiko die Geschichte des
Drogenhandels in Mexiko weitererzählt. Wir befinden uns in den 1990ern. Die Handlung überschneidet
sich zeitlich mit den drei kolumbianischen Staffeln von "Narcos". Pablo Escobars Tod ist hier eine
Randnotiz wert. Danach führt hauptsächlich das Cali-Kartell die Geschäfte in Kolumbien weiter.
Somit bekommt man einige Darsteller der ersten drei Staffeln auch im neuesten Output der Serie
wieder zu sehen.
Am Rande wird auch die Frauenmorserie in Ciudad Juarez in den 1990ern thematisiert. Hunderte
von einfachen Arbeiterinnen fielen ihr zum Opfer. Geklärt wurde das ganze nie, offenbar waren
die Tode der einfachen Frauen nicht wichtig genug, um ernsthaft zu ermitteln.
Auch die mutige Arbeit der Journalisten findet Erwähnung. Enthüllende und zu Verhaftung führende
Recherchen stehen den vielen Toten auf seiten der schreibenden Zunft gegenüber.
Zudem wird auch die Verstrickung von Wirtschaft, politischer Führung und auch teilweise
des Militärs mit den Drogenhändlern dargestellt.

Dabei wird auf historische Genauigkeit wert gelegt, somit hat die Serie neben der spannenden Handlung auch
noch Dokumentarcharakter zu bieten.
Beim Charakter "El Chapo" wurde der eigentlich ganz anders aussehende Darsteller
in Aussehen und Sprache ganz auf das "Vorbild" getrimmt.
Ob des allerorten vorherrschenden Nihilismus ist "Narcos" allerdings eher ein Downer,
produktionstechnisch allerdings top.
Am Ende bleiben einige Handlungsstränge offen, eigentlich glasklare Grundlage für eine
vierte Staffel. Die soll aber nach offiziellen Angaben nicht geplant sein.
7,5/10
DrDjangoMD hat geschrieben:„Wohl steht das Haus gezimmert und gefügt, doch ach – es wankt der Grund auf dem wir bauten.“
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sergio petroni
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Re: Von der Schauburg zum Schauburgle

Beitrag von sergio petroni »

152. They Want Me Dead (Taylor Sheridan, 2021)
Hannah (Angelina Jolie) ist Feuerwehrfrau in den Bergen Montanas. Ihr Ding sind große Waldbrände.
Ihr Ex-Mann lebt auch in der Gegend, hat aber inzwischen mit Allison eine neue Lebenspartnerin,
die schwanger ist. Doch das ist nicht Hannahs Trauma. Sie kann nicht verkraften, daß bei
ihrem letzten Löscheinsatz mehrere Personen um's Leben kamen. Dabei ahnt sie nicht, daß
ihrer Gemeinde noch viel größeres Unheil droht.

Der Ex-Mafiabuchhalter Owen ist mit seinem Sohn Connor auf der Flucht vor einem
Killerteam. Dabei kommt er in Hannahs Gegend. Den Killern ist jedes Mittel recht.
Sie verursachen einen großen Waldbrand und räumen jeden aus dem Weg, der zwischen
ihnen und Owen bzw. Connor steht. Hannah sieht eine Chance, sich für ihren letzten
Einsatz zu rehabilitieren.

Der Darsteller, Drehbuchautor ("Sicario 1+2", "Hell Or High Water") und Regisseur ("Wind River")
Taylor Sheridan hat mit diesem Werk seinen dritten Spielfilm als Regisseur abgeliefert.
Ihm gelang ein schnörkelloser Actionthriller, in dem am Ende der ausufernde Waldbrand
die Hauptrolle übernimmt.
Das Killerduo agiert zu Beginn angenehm konsequent, verliert diese Linie aber im Laufe
des Films. Mit Aidan Gillen und Nicholas Hoult sind die beiden aber kongenial besetzt.
Angelina Jolie ihrereseits versucht tough rüberzukommen, wirkt aber irgendwie zu zierlich
für das, was sie alles einstecken muß. Da ist die kampf- und schießerprobte werdende Mutter Allison
die weitaus glaubwürdigere Amazone.

Temporeich, hier und dort ein bißchen Drama (nicht zuwenig, nicht zu viel) und fertig ist
die recht kurzweilige (aber auch kurzlebige) Actionsause.
Ich warte nach "Hell Or High Water" noch immer auf den nächsten Geniestreich
von Taylor Sheridan. Vielleicht sollte er sich mal wieder auf's Drehbuchschreiben beschränken.
6,5/10
DrDjangoMD hat geschrieben:„Wohl steht das Haus gezimmert und gefügt, doch ach – es wankt der Grund auf dem wir bauten.“
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Re: Von der Schauburg zum Schauburgle

Beitrag von sergio petroni »

153. Buba (Arne Feldhusen, 2022)
Der Kleinkriminelle Buba Otto (Bjarne Mädel) lebt mit seinem älteren Bruder Dante (Georg Friedrich) zusammen.
Zusammen drehen sie kleinere Dinger, um über die Runden zu kommen. Dabei hat Buba seit
Kindheitstagen seinem Bruder gegenüber einen Schuldkomplex, glaubt er doch, wenn es ihm selbst gut geht,
geht es seinem Bruder schlecht. Eingeredet wurde ihm das ganze von seiner Großmutter.
Nun sorgt Buba für den Rest seines Lebens dafür, daß es ihm nie zu wohl wird, um somit seinen Bruder zu schützen.
Dies führt zu einigen grotesken Situationen. So zum Beispiel, wenn Buba als Stuntman in einer Westernshow
immer dafür sorgt, die ganz besonders schmerzhafte Aufgaben zu bekommen. Der große Bruder weiß um diesen
Schuldkomplex von Buba, und nutzt diesen leidlich aus.
Als die beiden Brüder ("die Ottos") sich entschließen, größer in's Geschäft einzusteigen,
sind albanische Drogenhändler unter ihrem Boß Doro (Maren Kroymann) die erste Wahl, aber keine gute.
Als dann Bubas Jugendliebe auftaucht, ist das Chaos perfekt. Buba darf sich natürlich
nicht erneut verlieben, denn das wäre ja schlecht für seinen Bruder.....

Da ich die Serie "How To Sell Drugs Online (Fast)" nicht kenne, habe ich erst beim Schauen
mitbekommen, daß Bjarne Mädel hier seine Rolle aus der Serie spielt. Es handelt sich
um ein Prequel zur Staffel 1.
Wenn man jetzt glaubt, Mädel+Feldhusen=Gute Unterhaltung, dann trifft das auf "Buba"
leider nur bedingt zu. Die erste Hälfte des Films besteht aus zumeist lahmen Gags und Wiederholungen.
Gewollt schräg lautet das Motto. Die zweite Hälfte zieht dann merklich an, was Tempo und Gagdichte
angeht. Die Russenmafia taucht noch auf, und es stellt sich heraus, daß Bubas Angebetete
eine
► Text zeigen
Da kommt dann tatsächlich ein wenig "Bube, Dame, König, Gras"-Feeling auf.
Ist aber insgesamt dann doch zu wenig. Und das Ende kennen die Seriengucker dann schon.
5,5/10
DrDjangoMD hat geschrieben:„Wohl steht das Haus gezimmert und gefügt, doch ach – es wankt der Grund auf dem wir bauten.“
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Re: Von der Schauburg zum Schauburgle

Beitrag von sergio petroni »

154. Mondblut (Paul Annett, 1974)
Der reiche Industrielle Tom Newcliffe (Calvin Lockhart) besitzt ein riesiges Anwesen inmitten eines Waldes gelegen.
Sein Sicherheitschef Pavel (Anton Diffring) überwacht das Haus und den umgebenden Wald mithilfe modernster
Technik und unzähligen Kameras und Mikrofonen. Als Newcliffe eine illustre Gästeschar zu sich auf's Anwesen
einlädt, ist die Stunde Pavels und seine Mitarbeiter gekommen. Unter den Neuangekommenen soll sich ein
Werwolf befinden, den es festzusetzen gilt.....

Der von Amicus produzierte Streifen versucht sich als Genrebastard und bedient sich auf der Kriminalebene
bei Agatha Christie, auf der Horrorebene beim Werwolffilm und auf der Actionseite bei "Graf Zaroff".
Mit dem Gimmick, daß der Zuschauer als Detektiv mit eingebunden wird, ist ausdrücklich eine
Hommage an Mister Gimmick Himself William Castle verbunden.
Hauptdarsteller Calvin Lockharts Karriere stagnierte zu jener Zeit. Neben ihm sind die immer gern gesehenen
Peter Cushing, Anton Diffring und Charles Gray am Start.
Doch leider fehlt es "Mondblut" an Tempo und Höhepunkten, und das trotz der recht kurzen Laufzeit.
Die Werwolfhatz ist wenig dramatisch, das Ende etwas abrupt. Zudem bleiben die Charaktere
etwas zu blaß, um mit ihnen mitzufiebern.
Da hätte durchaus mehr daraus werden können.
5/10
DrDjangoMD hat geschrieben:„Wohl steht das Haus gezimmert und gefügt, doch ach – es wankt der Grund auf dem wir bauten.“
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Re: Von der Schauburg zum Schauburgle

Beitrag von sergio petroni »

155. Midnight (Kwon Oh-seung, 2021)
Do-sik ist ein Serienkiller und in der südkoreanischen Metropole Seoul auf der Jagd nach einsamen Frauen.
Sein neuestes Opfer ist So-Jeong, deren Bruder Jong Tak Polizist ist und eigentlich immer ein wachsames Auge auf seine Schwester hat.
Als So-Jeong nicht pünktlich nach Hause kommt, macht sich Jong-Tak auf die Suche. Dabei kreuzen sich seine Wege mit
Kyeong-Mi und ihrer Mutter, die beide taubstumm sind und sich zusammen einen schönen Abend machen wollten.
Doch daraus wird nichts, denn auch ihre Wege kreuzen sich mit denen des Killers und fortan macht Do-sik
Jagd auf die vier Personen. Dabei nutzt er die körperlichen Gebrechen seiner Opfer gnadenlos aus.....

Der Debutfilm von Kwon Oh-seung legt es darauf an, seine Zuseher mit Szenen zu fesseln, in denen diese ständig
denken (oder dem Bildschirm zurufen): Nein, tu das nicht / So blöd können die nicht sein / Aus dieser
Situation kommt der Killer jetzt nicht mehr raus / etc.
Und damit übertreibt er es gnadenlos. Die teilweise recht guten Kritiken konnte ich nicht nachvollziehen.
Das Ganze ist kompetent gefilmt, fahrende und fliegende Kameras fangen das Großstadtleben und die Hetzjagden
technisch einwandfrei ein. Doch gibt es häufig mit einer Selbstverständlichkeit vorgetragene Logiklöcher,
die den Thrillergenuß für mich doch nachhaltig störten. Man könnte natürlich auch sagen: Der Regisseur
gibt sich zuwenig Mühe, den Zuseher an der Nase herum zu führen.

Exemplarisch die Szene auf dem Polizeirevier. Die taubstummen Frauen, der Mörder und der Bruder Jong-Tak des jüngsten Opfers
sind auf einer Polizeiwache und werden befragt. Do-sik lügt einigermaßen glaubhaft und wird von den Polizisten freundlich
verabschiedet. Es gibt, man höre und staune, keine Personalienaufnahmen, denn damit wäre das Lügengebilde Do-siks gleich geplatzt.

Viel Wert wird auf Verfolgungsjagden per pedes gelegt. Und zwar meist zwischen dem athletischen Do-sik und Kyeong-Mi. Dabei hetzt der Killer
die junge, zierliche Frau kilometerweit durch die Straßen und kann sie doch nie einholen. Kommt es dann dennoch zur persönlichen
Konfrontation, geht die junge Frau als Siegerin hervor.

Die Jagd findet ihr Ende in einer belebten Fußgängerzone. Dabei wirkt Kyeong-Mi wie eine Paria, scheinbar helfen die zahlreichen
Passanten eher dem Killer als der jungen Frau. Vielleicht wollte der Regisseur auf Mißstände im Umgang mit behinderten
Personen aufmerksam machen, vielleicht auch auf die Stellung der Frau in der koreanischen Gesellschaft.
Als spannungsbildende Maßnahmen eignen sich diese Szenen ob ihrer Plumpheit jedenfalls nicht.
Gerade noch so 4,5/10.
DrDjangoMD hat geschrieben:„Wohl steht das Haus gezimmert und gefügt, doch ach – es wankt der Grund auf dem wir bauten.“
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Re: Von der Schauburg zum Schauburgle

Beitrag von sergio petroni »

156. Dexter - Staffel (2006)
Dexter Morgan arbeitet als Forensiker bei der Miami Metro Police. Sein Spezialgebiet: Die Analyse von Blutspritzern.
Seine Berufung: Töten.
Dexter wurde von Harry Morgan, einem Cop, großgezogen. Harry erkannte schon früh den mörderischen Trieb in
Dexter. Wohl wissend, daß dieser nie verschwinden würde, versuchte Harry die Triebe Dexters in gewisse Bahnen
zu lenken. Er trichterte seinem Stiefsohn einen Codex ein, nachdem er nur der Verurteilung entgangene
Mörder richtet.
So führt Dexter ein Doppelleben. Tagsüber als Cop, dessen Schwester übrigens in der gleichen Abteilung arbeitet
und als Freund von Rita und Ersatzvater ihrer zwei Kinder.
Nachts als gnadenloser Killer, der seine Opfer zerstückelt und im Meer versenkt.
Per Voiceover erklärt uns Dexter seinen Gemütszustand. Er glaubt, zu Gefühlen unfähig zu sein und daß
niemand sein Wesen verstehen würde.
Als in Miami eine Mordserie beginnt, deren Opfer blutlos, zerstückelt und an prominenten Plätzen präsentiert
werden, ist auch Dexter für die Ermittlungen zuständig. Und tatsächlich empfindet er so etwas wie
Bewunderung für die Perfektion des Mörders, glaubt in ihm vielleicht einen Seelenverwandten
zu erkennen. Als der Killer Dexter immer näher kommt, entdeckt dieser etwas Unglaubliches.
Sein ganzes Weltbild gerät in's Wanken.....

In zwölf Folgen a 55 Minuten präsentiert uns Showtime eine Serie, die an blutigen Details und Nacktheit
nicht spart und die uns einen Serienkiller als Protagonisten präsentiert.
Michael C. Hall als Dexter und Jennifer Chamberlain als seine Schwester Debra lernten sich während
der Dreharbeiten näher kennen und waren dann für zwei Jahre verheiratet.
James Remar spielt Dexters Ziehvater. Der minimalistische Soundtrack von Daniel Licht paßt wie die Faust
auf's Auge.
Die Serie war wohl von vorneherein für mehrere Staffeln geplant. Daß dann aber inklusive des kürzlich erschienen
"New Blood" an die hundert Stunden Unterhaltung zusammenkommen würden, konnte niemand ahnen.
Stellt sich natürlich die Frage: Woher bloß die Zeit nehmen für alle Folgen....
6,5/10
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Re: Von der Schauburg zum Schauburgle

Beitrag von sergio petroni »

157. Spuk in Hill House (Mike Flanagan, 2018)
Die Crains haben das schlecht beleumundete Hill House erworben. Die Familie besteht aus den fünf Kindern
Steven, Shirley, Theodora, Nell und Luke sowie dem handwerklich begabten Vater Hugh und der Mutter Olivia,
ihres Zeichens Innenarchitektin. Der Plan: Das Haus den Sommer über renovieren und dann gewinnbringend
wieder verkaufen. Doch das Haus hat andere Pläne....

Während Olivia die Grundrisse von Hill House dokumentiert, plant sie zugleich ihr "Für-immer-Haus". Das Traumhaus der Familie,
das von den Gewinnen erbaut werden soll. Doch gerade Olivia ist es, die die eigentümliche Stimmung im Hill House
besonders wahrnimmt. Seltsame Träume machen ihr zu schaffen, doch auch in den Wachphasen scheint
nicht alles mit rechten Dingen zuzugehen.
Schließlich kommt es zu einer grauenvollen Nacht, in der die Crains Hill House fluchtartig verlassen müssen.
Etwa zwanzig Jahre später trifft sich die Familie aus einem traurigen Anlaß wieder. Die Lebensläufe aller
sind von den damaligen Geschehnissen geprägt. Als man gemeinsam die vergangenen Zeiten
aufarbeitet, scheint Hill House wieder seine Fühler nach den Crains auszustrecken......

Den Roman von Shirley Jackson hatte ich vor Urzeiten mal gelesen, hatte also kaum noch Erinnerungen daran.
Der Verfilmung in Serienform durch Mike Flanagan ("Oculus", "Before I Wake") eilte ein sehr guter Ruf voraus.
Dennoch hat es einige Zeit gedauert, bis ich die Sichtung durchzog; etwa 600 Minuten an Material gucken sich halt
nicht so einfach weg. Abschließend kann ich sagen, ich habe jede einzelne davon genossen;
die Serie war für mich einfach ein tolles Erlebnis.

Auf Einzelheiten der Handlung zu sprechen zu kommen, hieße spoilern; und das wäre schade.
Die Geschehnisse werden nicht nichtlinear erzählt, zudem oftmals auch aus der Sicht von mehreren Beteiligten.
Somit entsteht ein in Anklängen Kurosawasches Puzzle, das mit kreuzunheimlichen Szenen aufwartet,
zugleich aber auch zutiefst menschlich daherkommt.
Es wird sich Zeit gelassen, die einzelnen Charaktere einzuführen und sich weiterentwickeln zu lassen,
so daß der Zuschauer zu jedem Protagonisten eine Beziehung aufbauen kann. Auch die teils recht langen
Gespräche zwischen Hugh und seiner Frau sind nie langweilig oder kitschig. Dennoch mußten sich die
Serienmacher bewußt sein, daß manch Vorwurf lauten könnte: Zu gedehnt, langatmig und ausgewalzt,
hätte kompakter erzählt werden können.

Alles Vorwürfe, die meiner Ansicht nach nicht zutreffen. Ja, man hat sich Zeit gelassen. Das führte in meinem Fall
jedoch zu einem noch größeren Mitfiebern. Und ja, keine der 600 Minuten war zuviel.
9/10
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Re: Von der Schauburg zum Schauburgle

Beitrag von sergio petroni »

158. Dark Glasses (Dario Argento, 2021)
Ein Killer geht um in Rom. Seine Opfer: Prostituierte.
Sein neuestes Ziel: Diana. Doch Diana kann flüchten, wird aber von dem Killer gnadenlos verfolgt
und in einen Unfall gedrängt. Dabei verliert Diana ihre Sehkraft und der junge Chin seine Eltern.
Fortan sind Diana und Chin in einer Art Schicksalsgemeinschaft miteinander verbunden.
Ihr Zusammenhalt wird auf die Probe gestellt, denn der Killer ist weiter hinter Diana her......

Da ist er nun. Nach zehn Jahren Abstinenz der neueste Film von Dario Argento. Und wenn man ihm
glauben darf, noch lange nicht sein letzter. Wie üblich präsentiert Argento uns eine Mördergeschichte,
die sowohl im Ganzen (z.B. die Motivation des Täters) als auch im kleinen (z.B. der hanebüchene Mord
an den beiden Polizisten) auf allzu großen Realitätsbezug pfeift. Soweit so gut, soweit so gewohnt.
Es scheint sich allerdings bei Argento eine gewisse Altersmilde eingeschlichen zu haben.
Das Paar Diana und Chin soll uns menschlich nähergebracht werden, die Charaktere bekommen
bei weitem mehr Leben eingehaucht als frühere Protagonisten. Als Beispiel: Das zu Diana/Chin reziproke Paar
Lori und der blinde Franco (Karl Malden) in "Die neunschwänzige Katze".

Überhaupt geht es wie eigentlich immer bei Argento um das Sehen/nicht Sehen können/Sehen müssen.
Insofern überragend die stimmungsvolle Eingangssequenz der beginnenden Sonnenfinsternis über Rom, die Dianas
Schicksal zugleich vorwegnimmt. Als sie mit einer normalen Sonnenbrille Richtung Sonne schaut,
scheint sie sich keinerlei Sorgen um ihr Augenlicht zu machen. Kurze Zeit später hat sie es verloren.
Danach folgen stimmungsvolle Aufnahmen aus Roms Straßen, architektonisch gelungene Gebäude vorweg
und einige rohe Morde. Hierbei ergeht sich Argento dankenswerterweise nicht in einem Blood-and-Guts-Überbietungswettbewerb.
Die zweite Hälfte spielt in einem Rom vorgelagerten Wäldchen, zumeist bei Dunkelheit. Dies scheint doch tatsächlich
dem geringen (oder während der Dreharbeiten ausgehenden) Budget geschuldet. Die vielfach erwähnten
deplatzierten Wasserschlangen reihen sich nahtlos unter Insekten, Raben oder auch Ratten ein.
Und natürlich darf ein auf Kehlen fixierter Hund mit einer entscheidenden Szene nicht fehlen.

Ein wie ich finde durchaus versöhnliches Alterswerk Argentos. Natürlich dreht Argento keinen "Deep Red"
mehr. Argento wird älter, verändert sich. Wir desgleichen. Und so wie wir uns das zugestehen bzw. eingestehen müssen,
müssen wir das ihm genauso zugestehen.
7/10
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