Was vom Tage übrigblieb ...

Euer Filmtagebuch, Kommentare zu Filmen, Reviews

Moderator: jogiwan

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Maulwurf
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Re: Was vom Tage übrigblieb ...

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One Nite in Mongkok – Nacht der Entscheidung (Derek Yee Tung-Sing, 2004) 8/10

Mongkok ist ein Stadtteil von Hongkong, und einer der am dichtest besiedelten Plätze der Welt. 130.000 Menschen leben hier auf einem Quadratkilometer! Und mitten in diesem Moloch von Straßen, Plätzen und Menschen kommt es zu einem Streit zwischen zwei Straßenverkäufern, die sich beim Anpreisen gefälschter Rolex gegenseitig fertigmachen. Der Streit eskaliert, und binnen kürzester Zeit tobt ein brutaler Bandenkrieg zwischen Tim und Carl. Zwei Bossen, die sogar zusammen zur Schule gingen, und eigentlich mal Freunde waren …
Bandenkrieg in Mongkok also. Carl beauftragt Liu, Tim umlegen zu lassen, und Liu wiederum beauftragt den armen Schlucker Fu Lai mit dem Job. Die beiden kommen aus demselben Dorf, und so etwas verpflichtet. Doch Liu wird von der Polizei in Gestalt von Inspektor Milo unter Druck gesetzt. Um seinen Kopf zu retten verrät Liu seinen eigenen Mann an die Polizei, und um seinen Kopf wiederum nicht zu verlieren, versucht er gleichzeitig den Job durchzuführen. Inspektor Milo wiederum hat das Problem, dass er den Bezirk Mongkok zu durchkämmen hat auf der Suche nach Carl, Tim und einem unbekannten Killer. Also nimmt er ein paar Hundertschaften Bereitschaftspolizei und mischt alles auf was sich nicht rechtzeitig verstecken kann. Fu Lai freundet sich derweil mit einer Hure an, Dan-Dan, denn er braucht einen Guide in dieser großen Stadt. Fu Lai kann nicht lesen, nicht einmal Straßenschilder. Durch die Sache mit Dan-Dan bekommt er allerdings ihren Zuhälter Walter auf den Hals, der es weder lustig fand, dass Fu Lai ihm die Nutte weggenommen hat, noch dass er im Zuge dieser Aktion fürchterlich zusammengedroschen wurde.

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Das Szenario eines leseunkundigen Killers in einer fremden Stadt wird zwei Jahre später von Soi Cheang in DOG BITE DOG – WIE RÄUDIGE HUNDE noch einmal aufgegriffen werden, und dort wird es eine düstere Apokalypse in Müll-Dur sein. DOG BITE DOG wird die kompromisslose Version von MONGKOK sein, was aber diesen Vorgängerfilm beileibe nicht schlechter macht. Nur anders. Denn MONGKOK weicht filmisch und narrativ vom Standard der meisten HK-Actioner-Stangenware deutlich ab: Was zu Beginn fast wie ein Fake-Documentary von Sion Sono aussieht, mit Wackelkamera, ungestalten Kamerapositionen und sehr viel Authentizität, wechselt bald mal zu einem Großstadtdrama, dann wieder zu einer angedeuteten Liebesromanze, und zum Schluss hin zu einem bösen, düsteren und ultrabrutalen Gangsterflick, bei dem mehr Menschen auf der Strecke bleiben als man sich vorstellen kann. Auch der Blickwinkel der Geschichte ändert sich immer wieder – Mal stehen Fu Lai und Dan-Dan im Mittelpunkt, um dann urplötzlich von einer Nebenhandlung um Milo abgelöst zu werden, und dann wieder zu Liu zu wechseln. Auch wer das Mädchen ist, das zu Beginn auf so schreckliche Weise im Auto verbrennt, wird erst sehr spät aufgeklärt, aber auch dieser Erzählstrang wird auf stimmige Weise zu einem Ende gebracht, genauso wie der Erzählstrang um Ben, den jungen Polizisten, der seit zwei Tagen im Team ist, und in seinem kurzen Berufsleben bereits zwei Menschen erschossen hat. Gelegentlich hat es leichte Anflüge von HK-typischem Humor (der Informant Shitty Kong etwa kann nicht wirklich ernst genommen werden, obwohl er für die Fortführung der Story eminent wichtig ist), und vor allem Dan-Dan nervt über lange Strecken hinweg mit ihrer hysterischen Art und ihrer quäkigen Stimme. Dagegen stehen dann Szenen heftigster Brutalität, genauso wie Momente hauchzarter Zuneigung

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In MONGKOK steckt viel italienisches Genrekino aus der besten Zeit. Milo kämpft zwar gegen das Verbrechen, aber sein wahrer Feind ist eigentlich der Vorgesetzte, der seine Arbeit behindert oder in den Schmutz zieht wo es nur geht. Die Bandenkriminalität auf den Straßen steht Filmen wie CAMORRA (oder zeitlich passender SUBURRA) in nichts nach, und die Brutalität erinnert an SYNDIKAT DES GRAUENS. Das Ende hommagiert dann wiederum John Woos THE KILLER, ohne dabei aber peinlich zu wirken. MONGKOK ist düsteres und dreckiges Großstadtkino. Ein gelungener Versuch, das HK-Kino nach der Vereinnahmung durch die chinesische Filmindustrie am Leben zu halten. Und ein verdammt aufregender Trip in eine blutige Hölle, der sich seine vielen Auszeichnungen sehr wohl verdient hat.

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Maulwurf
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Exte: Hair Extensions (Sion Sono, 2007) 8/10

Irgendwo habe ich mal gelesen, dass die Japaner so einen Fetisch mit ihren Haaren haben. Dass sie auf schöne und lange Haare stehen und so etwas sehr bewundern, und in japanischen Horrorfilmen fällt ja auch immer wieder auf, dass das Grauen eigenartig oft mit Haaren einhergeht.

EXTE kann da als Beispiel, als Satire und als Hommage in einem stehen. Am Hafen werden Container voller Menschenhaar gefunden – Und eine Mädchenleiche. Bei der Obduktion der Leiche verliebt sich der hochgradig fetischisierte Gerichtsmediziner (oder sowas ähnliches) Yamazaki in die Leiche, stiehlt sie, und nimmt sie mit nach Hause. Dort fängt das Haar des toten Mädchens an wie wild zu wachsen – Nicht nur aus dem kahlgeschorenen Kopf, sondern auch aus Augen, Mund, und überhaupt allen Körperöffnungen. Und mit wie wild zu wachsen meine ich wahre Kaskaden an dichtem, schwarzem Haar, das alles bedeckt. Yamazaki freut sich, sein Fetisch sind eben Haare. Schnell realisiert er, dass die Tote schlechte Laune hat, und dass ihre Haare töten können. Also nimmt er ein paar Stränge Totenhaar, besucht die Schönheitssalons der Stadt, und bietet diese Stränge als Hair Extensions an. Hier kommt die eigentliche Hauptfigur ins Spiel, die angehende Stylistin Yuko Mizushima, die mit ihrer Freundin Yuki zusammen ein kleines Appartement bewohnt und regelmäßig üblen Ärger mit ihrer Schwester hat, die wiederum die eigene kleine Tochter Mamita bei Yuko abstellt. Yuko heftet für eine Prüfung ihrer Nichte eine dieser Extensions an, ohne zu wissen, dass die Haare nur eine Aufgabe haben: Ihren Träger auf grausamste Weise ins Jenseits zu befördern …

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Klingt wild? Ist wild! EXTE ist aber nicht nur ein typischer Japan-Horror der möglicherweise etwas haarigen Art. Quasi im Wash-and-Go werden auch noch Strähnchen wie Coming-of-Age und Drama gestreift, Kindesmisshandlung und Fetischismus thematisiert, und das ganze wird toupiert mit einem wahrlich grimmigen und bemerkenswerten Humor. Trotz seiner, für Sion Sono-Verhältnisse fast konservativ zu nennenden Haartracht, surft Sono durch die Narration wie eine wildgewordene Pippi-Langstrumpf-Frisur. Die Erzählperspektive bleibt zwar größtenteils bei Yuko, kaschiert das aber sehr geschickt, so dass sich vor dem Auge (also quasi unter dem Pony) des Zuschauers viele verschiedene Haarstränge auftun, die sich erst allmählich zu einem Zopf vereinigen und ein großes Ganzes ergeben. Die Rolle des durchgeknallten Yamazaki bleibt sehr lange im Unklaren, genauso wie der Sinn der Subhandlung um Mamita sich erst gegen Ende entflechtet. Aber bis dahin hat man sich von dem dichten Lockengewirr der Geschichte und den Bildern der hübschen Frisuren längst gefangen nehmen lassen und freut sich, dass es Filmemacher wie Sion Sono überhaupt gibt. Schwere Empfehlung für alle, die sich an Japan-Horror längst eine Glatze gesehen haben und denken, dass sie alle möglichen Farbschattierungen bereits kennen …

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Maulwurf
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Beitrag von Maulwurf »

A lizard in a woman’s skin (Lucio Fulci, 1971) 8/10

Nach der Erstsichtung beim 4. Terza Visione-Festival in Frankfurt schrieb ich damals dieses:
Maulwurf hat geschrieben:Florinda Bolkan macht Liebe mit Anita Strindberg, letztere wird ermordet, erstere träumt den Mord, und keiner glaubt ihr so recht dass sie den Mord nicht begangen hat. Jeder möchte ihr nun einreden dass sie einen an der Klatsche hat, nur der pfeifende Kommissar Stanley Baker hat da so seine Zweifel. Erinnert im Inhalt erstmal an den ein Jahr später entstandenen DIE FARBEN DER NACHT von Sergio Martino, ist aber vollkommen anders aufgebaut. Der psychedelische Beginn mit der starken Szene, wenn in einem Splitscreen das geile Sexleben der Anita und das dröge Amtischsitzenundschweigen der Familie Bolkan nebeneinander gestellt werden, die wilden Sexszenen (und in der gezeigten Version gibt Frau Strindberg wirklich absolut ALLES!), die Träume die an schlechte LSD-Trips erinnern, das alles zieht den Zuschauer in einen Strudel aus Drogen, Sex und Gewalt. Interessant, dass dann im Lauf der Geschichte die Bilder immer konventioneller werden, und die Wildheit sich peu a peu verabschiedet (bis auf die Verfolgungsjagd im Palast, die auf geniale Weise eine Hommage an Hitchcock mit psychedelischen Zooms und nervenzerfetzender Spannung verbindet) Das Ende kommt sogar recht zahm daher, dabei aber nicht minder spannend. Vielleicht, wenn Agatha Christie mit Drogen experimentiert hätte, vielleicht wäre dann so etwas dabei heraus gekommen. Spannend, interessant, … Anders!

Dieses Mal, in der US-Version anstatt der italienischen, gab es etwas weniger wilden Sex zu bestaunen, dafür hat mir die letzte halbe Stunde deutlich mehr zugesagt. Konventionelle Verhörszenen wechseln sich ab mit delirierenden Verfolgungsjagden, und das … ääh … Showdown, wenn man das so nennen darf, welches so gar nicht zum Stil der Zeit (und des bis dahin gezeigten Films) passt, zeigt, was für ein Meister der Filmkunst der Fulci mal war, wenn er hier stilistisch ganz andere Wege geht, und damit ungeheure Spannung aufbaut wenn er erklärt, wie denn die ganze Geschichte nun wirklich zusammenpasst. Große Filmkunst, und einer von Fulcis besten! Definitiv!!
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Maulwurf
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Re: Was vom Tage übrigblieb ...

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Zuletzt geändert von Maulwurf am Do 16. Jun 2022, 05:36, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von Maulwurf »

Samsara (Ron Fricke, 2011) 6/10

Samsara bezeichnet den immerwährenden Zyklus des Seins, die Abfolge von Werden und Vergehen und den Kreislauf der Wiedergeburten. SAMSARA, das ist eine Reise durch die Bilder dieser Welt. Aber es wird nicht zwingend auf die Schönheit der Natur und der unberührten (haha) Natur gedeutet; der Blick von SAMSARA ist weiter gefasst, universeller, und wir sehen neben beeindruckenden vietnamesischen Tempelanlagen und französischem Hochgebirge auch Hühnerfarmen und Massentötungen im Sekundentakt, genauso wie Dauerstau in Los Angeles und Changzhou. Abgelegene Hochtäler in Äthiopien stehen neben sich anbietenden Showgirls in Südostasien, die Türme von Mont Saint Michel neben Tanzertüchtigung in einem indonesischen Gefängnis. Die Massen die um die Kaaba in Mekka ziehen und eine tiefe Stille im Vatikan, Tempeltänzerinnen in Thailand neben swingenden Lederboys in Venezuela …

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Die Bilder sind zutiefst beeindruckend! SAMSARA ist auf 70mm gedreht und dürfte in einem geeigneten Kino mit einer entsprechenden Leinwand ein Erlebnis sein das man niemals vergisst. Umwerfende Bilder aus 25 Ländern und fünf Kontinenten, immer wieder geschickt verzahnt mit berührenden Großaufnahmen von Gesichtern. Die Tempeltänzerinnen, Stammesangehörige der Ibu (zeitgemäß in traditioneller Kleidung und mit Kalaschnikows) oder eine leise weinende Geisha. Bilder zum darin versinken und abtauchen. Aber gleichzeitig möchte ich mich allen Ernstes der Meinung von epd-Film anschließen: „Befremdlich die Auswahl, die sich im Negativen auf asiatische Soldaten in martialischen Positionen fixiert, während als einziger US-Vertreter ein durch Verwundung verunstalteter Offizier auf einem Heldenfriedhof posiert. [..]Befremdlich aber auch hier wieder die weitgehende Fixierung der US-amerikanischen Produktion auf exotische Menschen und Orte, von denen einige in den letzten Jahrzehnten fast zu Standardtopoi dokumentarischer Schaulust geworden sind: Indonesische Schwefelminen, chinesische Arbeiterkolonnen, brasilianische Müllhalden – alles in Panavision mit opulenter Musikbegleitung. Irgendwann kommt da der Gedanke, ob es – gerade bei dem von den Autoren für sich postulierten spirituellen Ansatz – nicht angemessener gewesen wäre, der Welt auch filmtechnisch mit weniger Gigantomanie und mehr Demut entgegenzutreten.“ (1)

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Genau so sehe ich es auch, denn spätestens mit den dicken Essern, den Patienten der Fettabsaugung und den leichtbekleideten Tänzerinnen in einem asiatischen Nachtclub entpuppt sich SAMSARA dann doch schlussendlich als eine moderne Variante eines Mondo-Filmes. Als ein Angehöriger des Genres, das niemand will, niemand mag, und dessen Hochzeit angeblich ach so lange zurück liegt: Schaut mal her, wie dekadent doch die Menschen in den exotischen Ländern sind, so scheint der Tenor dieses Filmes. Nur dass hier, anders als in den „klassischen“ Mondos der 60er- und 70er-Jahre, keine vergleichenden oder wertenden Off-Kommentare dazu abgegeben werden. Dies obliegt dem Zuschauer, der auf diese Art leicht zu der Überzeugung kommt, dass die Naturbilder schön sind, seine eigenen Wertungen und Vergleiche aber eher einseitig ausfallen lässt. Die Anblicke von Kindern auf asiatischen oder afrikanischen Müllkippen machen ja auch immer so betroffen! Wieso sieht man eigentlich nie Bilder von US-amerikanischen Müllkippen?
Die Auswahl der Drehorte scheint tatsächlich auf maximale Exotik ausgerichtet zu sein, wenngleich das Monument Valley und der Antelope Canyon für US-amerikanische Zuschauer sicher nicht unter den Begriff Exotik fallen, aber im Kanon der unsagbar faszinierenden Naturschönheiten natürlich niemals fehlen dürfen. Insgesamt bleibt ein gewisses zwiespältiges Gefühl zurück, welches von den opulenten Bildern eben nicht ganz an den Rand gedrängt werden kann – Das Gefühl, dass die Auswahl der Drehorte vielleicht doch nicht nur am maximalen Eindruck erfolgt ist …

(1) https://www.epd-film.de/filmkritiken/samsara

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Maulwurf
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Beitrag von Maulwurf »

Nacht der Wölfe (Rüdiger Nüchtern, 1982) 7/10

München-Haidhausen. Heute ein begehrtes Trendwohnviertel, lief die Gegend Anfang der 80er-Jahre noch als Glasscherbenviertel. Als eine der am dichtesten besiedelten Gegenden Münchens mit eher ärmeren Einwohnern. Hier haben die Revengers ihre Straße die ihnen „gehört“, und so benehmen sie sich auch. Sie sind mit dem örtlichen MC befreundet, sie terrorisieren Popper, ab und zu gibt es mal einen kleinen Einbruch, und ihr Stammcafé ist das Rialto, weil Gino, der Sohn vom Chef, einer der ihren ist. Die Polizei hat keine wirkliche Handhabe und kann nicht mehr machen als ein Auge auf die Jugendlichen zu haben. Bis eines Tages gegenüber vom Rialto eine türkische Bäckerei aufmacht, und mit den Türken kommt die Gang der Bloody Eagles ins Viertel. Dem jüngsten Sohn des türkischen Bäckers, Dogan, wird die Kutte geklaut, und Sabri, der Anführer der Bloody Eagles, fordert Kutte und Respekt ein. Beides verweigern ihm die Revengers – Bandenkrieg!

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Duke ist derjenige mit der schnellsten Faust und dem überheblichsten Gehabe, Mex aber ist der Anführer. Ein ganz Cooler, der sich auf seine „Kampfclique“ viel einbildet. Beton hat die Muskeln, Anschi die Titten, und Daniela findet Duke cool, aber eigentlich weiß sie nicht was sie will. Auf jeden Fall nicht mit den Typen abhängen. Aber was denn sonst? Aus Danielas Sicht wird der Film auch erzählt, und die zarte Annäherung an Dogan, eine Romanze im besten Romeo-und-Julia-Stil, nimmt entsprechend viel Platz ein. Trotzdem wird auf das Leben in und mit der Clique nicht verzichtet. Gemeinsam mit den Kumpels fährt man im Ford Granada durch das Viertel, hört dröhnend laut Accept, und zeigt dass man da ist und dass man lebt. Neue Musik wird durch einen Einbruch im örtlichen Musikgeschäft besorgt, und da zeigt sich dann auch das lokale Leben in einem räumlich kleinen Stadtviertel: Dani wird von der Polizei gekascht, und der Wachtmeister kennt ihren Vater und holt diesen. Es gibt keine Anzeige, es gibt keine Moralpredigt – Eine Ohrfeige und das ist alles. Wahrscheinlich weil man genau weiß, dass man damals selber nicht anders war. Und dass die Perspektiven in diesem Viertel halt einfach nun mal aus Knutschen, Saufen und kleinen Einbrüchen bestehen. Aus Großmannssucht und männlichen Ritualen.

Diese Rituale sind in eine künstlich wirkende Welt eingebettet. Duke und Mex tanzen irgendwann mal an der Jukebox. Ihr Tanz ist männlich-provozierend, und hat eine starke erotische Komponente. Sie tanzen in ihrer ganzen eigenen Welt, alles andere wird ausgeblendet, bis ausgerechnet Anschi dazukommt. Anschi die niemals einen BH anhat und gerne alles zeigt was sie hat. In dem Augenblick in dem Anschi zu den beiden Tänzern kommt ist die Stimmung futsch. Der Tanz ist vorbei, die Blicke sind böse und gemein. Eine bemerkenswerte Szene, die ausgerechnet am Morgen vor dem großen Kampf stattfindet. Die hier beschworene Körperlichkeit unter Männern ist - ja, eben bemerkenswert. Sie definiert eine Welt, in der Außenstehende keinen Zugang haben, und selbst die Mitglieder der eigenen Clique sind in diesem Augenblick Fremde. Genauso, wie die beiden Protagonisten der Gruppe sich abschotten, genauso schottet sich die Clique nach außen ab. Da draußen, da sind die Spießer und die Türken, und alle wollen nur rumnerven und Terz machen. Dabei wollen wir doch eigentlich nur unsere Ruhe …

Der Kampf zwischen den Gangs ist dann hart und gnadenlos inszeniert. Kein Showkampf und schon gar kein Tanz mehr, aber wer am Boden liegt wird in Ruhe gelassen. Und der Eintritt ist nur für harte Männer – Als Dogan und Dani, die in diesem Augenblick Fremden, die Szenerie betreten hören die anderen auf, und Dogans Tod, der auch verstanden werden kann als die Bestrafung eines Fremden ist für einen unerlaubten Eintritt in eine für ihn verbotene Welt, beendet den Kampf nachhaltig. Trotzdem ist dieser Kampf aber kein Blutbad auf Leben und Tod, keine 3. Halbzeit, sondern ein harter aber ehrlicher Kampf um Vorherrschaft und größere Muskeln. Obwohl vor allem Mex und Duke eher nach Hass und Fanatismus aussehen, und obwohl die Frage, wer für das gesprengte Loch im Dach des Türkenwohnheims verantwortlich war, obwohl diese Frage unbeantwortet im Raum stehenbleibt, trotzdem ist in diesem Kampf kein unversöhnlicher Hass zu spüren, sondern die Frage nach Respekt und Macht.

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Was zu Frage führt: Ist das realistisch? Realistisch ist Dani, die von dem Machogehabe Dukes gleichzeitig angezogen und abgestoßen wird. Realistisch ist Anschi, die Männer Männer Männer will. Aber sonst? Ich vergleiche NACHT DER WÖLFE mit THE LOVELESS von Kathryn Bigelow und Monty Montgomery aus dem gleichen Jahr, und ich stoße auf exakt die gleiche Künstlichkeit in der Darstellung der Männlichkeitsrituale. Junge Männer in knallengen Lederklamotten, die voneinander fasziniert sind und sich gegenseitig umschwirren wie Motten das Licht. Und das gleiche Artifizielle, das mich bei THE LOVELESS so gestört hatte, befremdet mich auch bei NACHT DER WÖLFE. Ich vergleiche mit der ZDF-Fernsehserie DIE STRASSE, die Hans-Werner Schmidt 1978 drehte, und die vom sozialen und städtebaulichen Umfeld her ebenfalls in Haidhausen gedreht worden sein dürfte. Wie realistisch DIE STRASSE wirkt, wie natürlich die Dialoge rüberkommen, und wie unromantisch das Setting ist. Aber DIE STRASSE ist Fernsehunterhaltung mit sozialem Anspruch, NACHT DER WÖLFE ist Kino mit … ja, mit was eigentlich?

Denn das Artifizielle in NACHT DER WÖLFE, noch hervorgehoben durch die vielen Laiendarsteller, ist Absicht, und gibt dem Film, obwohl er tief in seiner Zeit verortet ist, eine ungeheure Zeitlosigkeit. Wo DER WILDE tief in den 50ern feststeckt, wo DIE WARRIORS die späten 70er reflektieren und nur schwer transponierbar sind in eine andere Zeit, und wo THE LOVELESS den Fehler macht ein Bild einer definierten Zeit zu malen, die er wie mit den falschen Farben wiedergibt, da zeigt sich bei NACHT DER WÖLFE ein längerer Atem. Einer, der sich zwar spezifisch auf eine Zeit und auf die damit verbundenen Probleme bezieht, sich aber gerade durch die erwähnte Künstlichkeit über seine zeitbezogene Basis hinaushebt und die Probleme von Heranwachsenden zu allen Zeiten und in allen nicht so guten Vierteln der Großstädte der Welt erzählt.

Damit kann NACHT DER WÖLFE nicht als der Bandenfilm der 80er laufen, so wie es DIE WARRIORS für die ausgehenden 70er war. Aber er kann Jugendlichen damals genauso wie heute eine Identifikation bieten, denn weder die Balzkämpfe noch das Machogetue haben sich in irgendeiner Art geändert. Heute mag der Anteil an Jugendlichen mit Migrationshintergrund stärker sein, die Sprache ist brutaler geworden und die Musik erheblich schlechter, aber eigentlich kann NACHT DER WÖLFE problemlos in die heutige Zeit übertragen werden. Duke und Mex, Beton, Anschi und Dani, die laufen tatsächlich da draußen auf der Straße herum, und man kann ihnen auch heute noch begegnen, auch wenn sie heute eher Cetin oder Mustafa, Amir oder Karim heißen. Aber das ist es, was den Film stark und sehenswert macht. Das, und die herausragenden Darsteller, die geerdet und grundsolide aufspielen, als hätten sie in ihrem ganzen Leben noch nie etwas anderes gemacht. Es wird unbedingt Zeit, diesen Film wieder zu entdecken …
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Beitrag von Maulwurf »

Rang de Basanti – Die Farbe der Rebellion (Rakeysh Omprakash Mehra, 2006) 8/10

Der Fritzcarraldo hat mir kürzlich mit der Besprechung zu RRR richtig Lust gemacht den zu sehen. Wie ich finde eine gute Gelegenheit, den einzigen Bollywood-Film meines Lebens vorzustellen, bei dem ich ähnlich begeistert war (und bin) wie Fritz es bei RRR war. Nach der Erstsichtung vor mittlerweile sechs Jahren schrieb ich dieses:
Maulwurf hat geschrieben: Mein erster Bollywood-Streifen!!!! Die englische Journalistin Sue will vor Ort das Leben einiger indischer Revolutionäre aus den 20er-Jahren verfilmen. Zusammen mit indischen Freunden macht sie sich an die Arbeit, aber für die Kumpels ist Party wichtiger als Filmarbeit, und so gestaltet sich das alles etwas schwierig. Erst allmählich wachsen die Darsteller in ihre Rollen hinein, was zu einem sehr starken Film im Film führt. Als durch ein Unglück einer aus der Clique, ein Soldat, stirbt, und das Unglück seitens korrupter Politiker unter den Tisch gekehrt werden soll, vermischen sich Film und Realität: Die Freunde identifizieren sich mit ihren Filmrollen und beginnen Politik zu machen. Mit der Waffe in der Hand …

Bollywood. Er liebt sie, sie liebt ihn, sie brauchen mindestens 3 Stunden um das rauszubekommen, es gibt entsetzlich viel Tanzerei und Singsang, und das Ganze ist dann auch noch furchtbar gefühlsduselig. In RANG DE BASANTI wird auch getanzt und gesungen, aber es ist größtenteils gut in die Handlung integriert und passt eigentlich recht gut. Gefühlsdusel gibt es jede Menge, zusammen mit unglaublich viel Pathos, aber auch das ist erträglich (meine Tränendrüsen protestieren hier allerdings, die haben das Pathos vor allem gegen Ende anders empfunden – Erheblich bitterer und tragischer als das hier so lapidar klingen mag). Was es aber auch gibt ist einiges an Politik, an Kritik aktueller Zustände (wie etwa der allgegenwärtigen Korruption oder der Polizeigewalt), an Rebellion - und über allem ein unendlich gelöstes und angenehmes Flair. Der Film ist, zumindest bis zur Intermission, wie ein langer Urlaubstrip: Leicht und schokoflockig, und doch können die Bilder des safran-eingefärbten Film-im-Films immer wieder Akzente setzen, können immer wieder beeindrucken und für Spannung sorgen. Der zweite Teil kommt dann schon ernster und trauriger rüber, und die Bilder des Spielfilms zeigen Bilder aus der indischen Kolonialvergangenheit: Grausame Folter, Erschießungen, brutale Willkür, der Versuch Menschen zu zerbrechen, Hinrichtungen, aber auch viel Pathos (hah, da ist es wieder) und eine gehörige Portion Liebe zum eigenen Land. Was zwar bei deutschen Kritikern meistens nicht so gut ankommt, aber für mein Empfinden sehr glaubhaft und vernünftig vermittelt wird. Wem das nicht gefällt, der soll erstmal in einem Land unter der Diktatur einer fremden Militärmacht leben … Die Schauspieler sind absolut umwerfend, und im Nachhinein stelle ich fest, dass RANG DE BASANTI sich tiefer in den Kopf gesetzt hat als ich ursprünglich dachte. Trotz einiger Vereinfachungen ein toller Film, der tatsächlich Spaß macht und dabei das Hirn nicht vergisst. Und Soha Ali Khan ist wirklich umwerfend schön …!
Sechs Jahre später sind immer noch Bilder dieses Films im Kopf. Der Rave auf dem Tempelgelände ist mitsamt seiner leichten und einladenden Atmosphäre jederzeit abrufbar und lädt immer noch zum Träumen und Dabeisein ein, genauso wie das abgrundtief bittere Ende immer noch gegenwärtig ist. Nach wie vor ist RANG DE BASANTI mein einziger Bollywood-Film geblieben, wobei, den Kritiken nach, RRR aus dem Jahr 2022 in eine ganz ähnliche Richtung zu gehen scheint und sehr interessant klingt. RANG DE BASANTI jedenfalls ist nicht das „klassische“ Bollywood-Kino das man sich erwartet, sondern auch aus der zeitlichen Distanz heraus großes und packendes Erzählkino mit allem was Film so in sich hat. Große Empfehlung!
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Beitrag von Maulwurf »

The Lords of Salem (Rob Zombie, 2012) 7/10

Heidi ist Teil eines Radio-DJ-Teams in Salem, Neu-England. Sie hat eine Drogensucht erfolgreich überwunden und scheint sehr selbstbewusst zu sein, kämpft aber in Wirklichkeit mit den Nachwehen dieser Sucht. Als sie eines Abends die Platte einer Band namens The Lords of Salem auflegt wird sie von dieser Musik überwältigt. Heidi und auch einige andere Frauen finden sich plötzlich wieder in einer Herbstnacht im Jahr 1696, wo mehrere Hexen bei lebendigem Leibe verbrannt werden. Zwar geschieht den Frauen von heute nichts, aber etwas hat sich verändert. Die Wahrnehmung ist eine andere. Und ihre Vermieterin und deren Schwestern übernehmen zunehmend die Kontrolle über Heidis Verstand. Denn Heidi ist die eine, durch deren Körper die Wiederkunft des Satans vorbereitet wird. Oder nimmt Heidi eventuell doch bloß wieder Drogen …?

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Wer sagt denn, dass eine gute Geschichte durch ihren logischen Abschluss definiert sein muss? Warum kann eine Erzählung denn nicht einfach mal in die Irre laufen und einfach irgendwann aufhören? Und wie sehr können die Erwartungen des Mainstream-Publikums ad absurdum geführt werden? Wie weit ist es möglich, das blutgeile und schockgewohnte Horrorfandom des 21. Jahrhunderts tatsächlich zu schockieren – Indem nämlich auf eine in sich geschlossene Geschichte mit standardisierten Komponenten wie Anfang – Mitte – Ende verzichtet wird zugunsten eines Bilderrausches, der sich irgendwann mal, fast unmerklich, verselbständigt und in eine Richtung läuft, die eher in einem italienischen Genrefilm der 70er zu erwarten wäre?

Und gerade, wenn der Regisseur Rob Zombie heißt, und der geneigte Gorebauer Metzelei bis zum Gehtnichtmehr erwartet, gerade dann ist es umso angenehmer eine Kehrtwendung um 180 Grad zu erleben und einen Film zu sehen, der sich durch den langsamen und gründlichen Aufbau von Atmosphäre definiert. Der seine Figuren allmählich vorstellt, und der seinen Schrecken nicht aus dem Anblick von Innereien bezieht, sondern durch das Nebeneinanderstellen von Welten, unabhängig von deren zeitlichem Aufbau.

THE LORDS OF SALEM ist eine stille und eindringliche Ode an Filme wie Michele Soavis THE CURCH , der in aller Ruhe und genüsslich mit der Narration spielt, aufzeigt was das Medium Film alles kann, und sich dabei komplett weigert, die Erwartungshaltung eines modernen Kinogängers zu erfüllen. Rob Zombie schlägt ganz einfach einen anderen Weg ein als den standardisierten Weg den alle gehen. Für alle die Film immer wieder neu entdecken ist THE LORDS OF SALEM ein wahrer Augenschmaus mit einer feinen Geschichte, die anderen mögen sich bitte die CAMP BLOOD-Reihe so lange anschauen, bis sie den Unterschied verstanden haben …

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The crooked web (Nathan Juran, 1955) 7/10

Joanie arbeitet in Stans Drive-In, und ist dabei eigentlich auch gar nicht so unglücklich. Immerhin ist Stan doch ziemlich in sie verliebt, und sie in Stan. Nur das mit der Hochzeit klappt nicht so recht, aber das wird sicher noch kommen. Bis eines Tages ihr Bruder Frank vorbeischaut. Frank ist auf dem Weg nach Chicago, wo er ein Geschäft über die Bühne bringen will. Der alte Glücksspieler Stan wittert Geld und will mitmachen. Gemeinsam bootet man Franks eigentlichen Partner mit Hilfe eines 38er aus und macht sich auf den Weg nach Europa, einen Goldschatz heben, der dort in den letzten Kriegstagen verbuddelt wurde.
So weit so gut. Aber da ist noch diese Szene, in der Stan nicht da ist, und Frank Joanie besucht. Joanie freut sich richtig ihn zu sehen, und sie küssen sich sehr lang auf den Mund. Länger, als Bruder und Schwester es üblicherweise tun. Auch lernen wir, das Joanie gestern Abend gar nicht betrunken war, sondern Stan nur was vorgespielt hat. Man unterhält sich darüber, dass der Plan doch wohl gut gehen wird …?

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Prinzipiell ein kleiner und billiger B-Film, hat THE CROOKED WEB außer einigen sehr drolligen Momenten rund um Deutschland (wie etwa dem Umstand, dass hier der Krieg erst im Herbst 1945 zu Ende war, oder das gemütliche bayerische Lokal in Frankfurt, in dem die englisch singende Sängerin aussieht wie ein Mann der aussieht wie eine Frau), also abgesehen davon, dass die Reise nach New York über Ohio und weiter nach Colorado führt (wo der Ausgangsort war möchte ich gar nicht wissen. Miami??), also abgesehen von so manchem lustigen Detail (wie dem breiten Sandstrand bei Bad Nauheim, im Hintergrund die Berge),
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also abgesehen davon ist der Film gar nicht schlecht. Er ist spannend, und hat so manchen Twist mit dem ich nicht gerechnet hatte. Die wahre Identität der Charaktere wird recht früh aufgedeckt, und danach sehen die Leute immer aus wie Schauspieler, die sich benehmen müssen wie Schauspieler die anderen etwas vorspielen. Als Zuschauer fragt man sich dann sehr bald, ob dieser Twist jetzt berechnet wurde um den Partnern eins reinzuwürgen, oder ob wirklich eine Überraschung für das Trio vorliegt. Ein Umstand, aus dem durchaus eine gewisse Grundspannung gezogen wird.

Dank der kurzen Laufzeit ist das Tempo recht flott, es gibt keine Längen, und das Ende ist ohne einen actionlastigen 08/15-Showdown sehr ruhig und wirkt geradezu niederdrückend. THE CROOKED WEB ist sicher kein Highlight US-amerikanischer Thrillerkunst, und auch kein großer glänzender Noir. Eher ein Beispiel dafür, dass in der McCarthy-Ära das Können und auch das Wollen aus politischen Gründen gewaltig unterdrückt wurden, und das narrative Niveau der amerikanischen Filmindustrie teilweise gewaltig am Sinken war. Aber dafür wurde auf einem hohen technischen Niveau gefilmt (wenngleich hier auch eher sehr statisch als dynamisch) und mit starken Schauspielern hervorragend besetzt (Richard Denning wirkt wie eine Mischung aus Lex Barker und Ken Clark, mit genau dieser Sorte Testosteron im Blut), und da Mari Blanchard von den nicht so berühmten Darstellerinnen aus der B-Reihe definitiv eine der Schönsten welchen war (so eine Art Marilyn Monroe mit ungeheuer Sex-Appeal), gibt es eigentlich keine ernsthaften Gründe, an dem Film vorüberzugehen. Wenn man etwas für die kleinen und billigen Filmchen übrig hat …

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Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
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Maulwurf
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Re: Was vom Tage übrigblieb ...

Beitrag von Maulwurf »

Der Überfall – Es geht um mehr als Geld (Koldo Serra, 2018) 4/10

Eine alleinerziehende Mutter braucht 35.000 Euro, um einen korrupten Beamten des Jugendamts zu bestechen und so ihre Tochter wiederzusehen. Gerade als sie in einer Bank die letzten Details für einen Kredit abklärt, nehmen zwei Räuber die Anwesenden als Geiseln. Der Thriller beschreibt den Kampf einer hochintelligenten Frau, die alles versucht, trotz der schwierigen Lage die Bank lebend mit ihrem Geld zu verlassen .. (filmdienst.de)

Spanischer Heist-Movie, der so gerne die moderne Version von Sidney Lumets HUNDSTAGE sein möchte, und schlicht daran scheitert, dass er unsympathische Figuren, mit denen sich niemand identifizieren mag, in eine mühsam erzählte Geschichte steckt, die dann am Ende auch noch einen Twist zu viel hat, und damit ihre eigene Raffinesse ad absurdum führt. Wenige gute Momente wie das Fußballspiel, dem Bankräuber, Geiseln und Polizisten alle gebannt folgen, stehen viel zu lang ausgewalzten oder unnötig brutalen Szenen gegenüber, womit das Gesamtbild dann schnell im Schiefstand ist. Böse Zungen könnten nun behaupten, dass DER ÜBERFALL ein typisches Erstlingswerk ist, aber für den dritten Langfilm eines Regisseurs ist das Konzept reichlich unausgegoren. Und mehr Text ist mir der Film einfach nicht wert ...
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Jack Grimaldi
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