Was vom Tage übrigblieb ...

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Moderator: jogiwan

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Maulwurf
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Harry Brown (Daniel Barber, 2009) 7/10

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Harry wohnt in einer üblen Gegend am Rande einer großen Stadt, irgendwo dort, wo der Himmel immer nur grau ist und wo der Verkehr auf der Schnellstraße neben dem Wohnblock niemals abreißt. Wenn Harry seine kranke Frau im Hospital besuchen will müsste er durch eine Fußgängerunterführung unter der Schnellstraße. Aber diese Unterführung ist fest in der Hand einer Gruppe von Jugendlichen, die jeden terrorisieren der da durch möchte. Schläge und Tritte sind das mindeste für die Passanten, weswegen Harry immer einen Umweg macht. Es kommt die Nacht in der das Krankenhaus anruft, dass seine Frau im Sterben liegt, und weil Harry diesen Umweg machen muss, ist sie bereits tot als er eintrifft. Ein paar Tage später kommt sein bester Freund, der schon länger von den Jugendlichen drangsaliert wurde, zu Tode – Sein Körper wird zerschlagen und mit Messereinstichen in der Unterführung gefunden.
Harry hat die Schnauze voll und will etwas gegen die Bande unternehmen. Harry besorgt sich eine Waffe und nimmt das Gesetz in die eigene Hand. Harry ist über 70 Jahre alt …

Ein geriatrischer Actionfilm? Michael Caine zeigt uns hier, wie würdevolles Altern wirklich aussieht. Kein Liam Neeson, dem man sein Alter nicht ansieht, und auch kein Sylvester Stallone, dem man seine kräfteraubenden Heldentaten nicht wirklich abkauft. Stattdessen ein alter Mann, Probleme mit der Lunge und verdammt einsam, der sich eine Waffe nimmt (tatsächlich nimmt er sich die gesamte Artillerie die so auf dem Tisch rumliegt, aber das ist eine andere Geschichte) und das macht, was er vor x Jahren in Nordirland als Soldat einer Eliteeinheit auch schon gemacht hat: Schmerzen zufügen, Schmerzen ertragen, Fallen stellen, töten. Dass das alles nicht mehr so schnell geht wie früher ist klar, und diese altersbedingte Langsamkeit prägt den Film und seine Erzählung. Sie gibt genau das richtige Tempo vor für diese bittere und irgendwie einigermaßen realistische Geschichte über einen früheren Soldaten, der die Ungerechtigkeit da draußen einfach nicht mehr erträgt, weil sie ihn in seinem eigenen Leben fesselt und ihm seine Existenz unerträglich macht.

Da ist die alleinerziehende junge Mutter, die von einem vorbeifahrenden Moped aus erschossen wird. Einfach so. Weil sie gerade dort mit ihrem Kinderwagen steht. Da ist der Mann dessen Auto demoliert wird, und als er sein Eigentum verteidigen will in Sekundenschnelle zu blutigem Brei getreten wird. Diese Art Ungerechtigkeit meine ich, und die kennt jeder von uns, gleich welches Alter und welchen sozialen Status man hat. Und es ist diese Ohnmacht, die schon einen Paul Kersey angetrieben hat, und die auch Harry Brown die nötige Energie gibt. „Du solltest zur Polizei gehen. Weißt Du was, das machen wir jetzt.“ „Ich war schon längst bei der Polizei…“, und die Augen sind weit aufgerissen und drücken Hilflosigkeit und tiefsitzende Qualen aus. Angst. Das Gefühl der Ohnmacht …

Die Kernaussage fällt aber, wenn Harry vorgehalten wird, dass er die gerade stattfindenden Aufstände, die Molotow-Cocktails, die brennenden Autos und die Schüsse, den Hass und das Blut, den erbitterten Kampf gegen die zurückweichenden Polizisten, dass er das alles bereits kennt: „Das ist nicht Nordirland, Harry.“ „Nein, ist es nicht. Diese Menschen dort, die haben für etwas gekämpft. Für eine Sache. Für die da draußen ist es nur unterhaltsam.“

Wenn man HARRY BROWN nach der Sichtung an sich vorbeiziehen lässt, dann fehlen einem irgendwie die Worte. Die Worte, diese Welt da draußen adäquat zu beschreiben. Den Nihilismus und die Zerstörungswut, denen man so hilflos gegenübersteht. Genauso wenig wie die daraus resultierenden Gefühle beschrieben werden können. Ohnmacht. Und immer wieder diese Angst. HARRY BROWN gibt dem normalen Menschen eine Stimme, und auch wenn diese Stimme die einer 38er Smith & Wesson ist, so scheint es doch nicht der selbstjustizielle Weg eines Paul Kersey zu sein den Harry Brown da geht, sondern „nur“ der Befreiungsschlag eines gequälten Menschen. Wo da der Unterschied liegt? Eine schwierige Frage - Vielleicht im Alter des Protagonisten? Oder doch nur im Empfinden des Rezensenten?

HARRY BROWN ist gelungenes Actionkino für Fortgeschrittene. Vor allem für diejenigen fortgeschrittenen Alters …
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Maulwurf
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Black boots, leather whip (Jess Franco, 1983) 6/10

BlackBootsLeatherWhipBLU.jpg
BlackBootsLeatherWhipBLU.jpg (21.3 KiB) 549 mal betrachtet

Al Pereira hat einen Haufen Schulden, und gerade als er deswegen flüchten müsste steht diese atemberaubende Blondine in seinem Zimmer und bietet ihm eine Menge Geld, wenn er eine Tasche aus dem Kofferraum eines Autos besorgt. Das mit dem Besorgen ist kein Problem: Zuerst die Tasche zum Preis zweier Toter, und danach die Blondine. Doch dann entpuppt sich die Frau als Gattin seines Gläubigers, und sie macht ihm einen Vorschlag: Er erledigt das ganze Kartell zu dem ihr Mann gehört, und sie beide wären danach frei. Bloß ob das wirklich so einfach ist?

Wenn Jess Franco da doch nur ein wenig mehr hineingesteckt hätte! Schlecht ist der Flick nämlich beileibe nicht, und als Erotik-Noir funktioniert er auch recht gut. Aber es wäre halt noch mehr gegangen. Die Bande besteht aus einem Autohändler, einem Transsexuellen, dessen Liebhaber, einer blinden Ärztin und einer Domina. In einer alptraumhaften Szene muss Pereira sich komplett ausziehen (die Strümpfe behält er übrigens an!) und wird von der Domina ausgepeitscht, während die Ärztin von den Geräuschen aufgegeilt wird und es sich mit einer Art Spazierstock selbst besorgt. Und alle tragen Wäsche aus Goldlamé! Von solchen Dingen noch mehr, dafür weniger Autos die durch Pfützen fahren und Antonio Mayans der über Schrottautos klettert, und dann wäre da wirklich was Vernünftiges bei rumgekommen. Aber so habe ich immer das Gefühl, dass Franco, wie so oft, den Spaß am halbfertigen Film verloren hat und sich zu früh um andere Projekte gekümmert hat. Was bei 12 abgedrehten Filmen im Jahr 1982 auch kein Wunder ist. Trotzdem, obwohl noch spürbar Luft nach oben ist, ein hübsch gemachter Erotik-Thriller mit einigen starken Momenten.

Die Zweitsichtung, einige Jahre später und von der Severin-BD, zeitigte dann eine etwas andere Gewichtung. Vor allem die erste Hälfte des Films entpuppte sich als ordentlich gemachter Neo-Noir der etwas düstereren Sorte, der zwar stellenweise recht gemäch(t)lich daherkommt, aber gut anzuschauen ist. Ab dem Höhepunkt, nämlich der grotesk-alptraumhaften Szene mit dem Auspeitschen Al Pereiras, wird dann allerdings das Tempo noch träger, und die vorher so hübsch aufgebaute Stimmung kippt schnell ins Langweilige. Zu viele Dialoge, zu wenig stimmungsvolle Aktionen, und diese zweite Hälfte zieht sich bis zum gelungenen Ende dann doch ziemlich.

Trotzdem hat mir der Film beim zweiten Mal deutlich besser gefallen, was wohl vor allem an der Blu-ray liegt. Es ist halt schon bemerkenswert, was ein sehr gutes und crispes Bild und guter Ton ausmachen können! Sicher ist BOTAS NEGRAS, LÁTIGO DE CUERO nicht Francos bester, aber mit ein wenig Sitzfleisch auf jeden Fall gut anschaubar.
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Maulwurf
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Rupture – Überwinde Deine Ängste (Steven Shainberg, 2016) 5/10

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Die alleinerziehende Mutter Renee wird auf offener Straße entführt. Das volle Programm: Elektroschocker zum Betäuben, Klebeband um den Kopf, schnell in einen Van gesteckt, anketten an Händen und Füßen, und dann eine endlos lange Reise mit unbekanntem Ziel. In einem seltsamen Industriekomplex findet Renee sich wieder an eine Trage geschnallt und einer medizinischen und psychischen Terrorbehandlung ausgesetzt die darauf abzielt, dass sie sich ihren tiefsten Ängsten stellen muss. Sie soll sich, so drücken die „Ärzte“ es aus, nicht zu Tode ängstigen, sondern darüber hinaus gehen …

Wieso tue ich mir eigentlich immer wieder solche Filme an? Ich meine, ich liebe alte(!) Krimis und Thriller, Western, Gangster- und Polizeifilme, und ich habe ein ganz großes Herz für den deutschen Film, sowohl vor als auch nach dem Krieg. Was in drei Teufels Namen hat mich geritten, einen Film auszuleihen, der eine klaustrophobische Terrorhandlung mit Science-Fiction-Elementen mischt? Wahrscheinlich nur meine Verehrung zu Noomi Rapace, die hier verschwitzt und im Tanktop als MacGyver im CUBE eine wie immer erstklassige Figur macht.

Und ich gebe auch gerne zu, dass RUPTURE im Prinzip ordentliche Unterhaltung ist, die ein schmutzig-herabgekommenes Setting mit einer Terrorhandlung des neuen Filmjahrtausends kombiniert und daraus eine nette Idee mit einem nicht absehbaren Ende zieht. So wie HOSTEL ohne Blut und Schmerz, sondern eben mehr der bereits erwähnte MacGyver, aber mit einem sehr vorsichtigen Hang zum Ausloten von Grenzbereichen. Die Sache mit den Spinnen ist eklig, zumindest wenn man Spinnen eklig findet, das mit dem Ertrinken war bei DAS BOURNE ULTIMATUM extremer und eindringlicher dargestellt, und die Lüftungsschächte, durch die Renee gefühlt stundenlang kriecht, sind angenehm sauber und rattenfrei. Ein mainstreamiger Klaustrophobie- und Terrorfilm also, der sich selber dadurch immer wieder selber schadet, dass eben zu wenig Atmosphäre eingesetzt wird um die bedrückte Stimmung aus Angst und Ängsten glaubwürdig rüberzubringen, der aber auf der anderen Seite sauber und stringent erzählt wird und sinnlose Nebenhandlung weitgehend vermeidet. Nicht jeder Versuch eines Blockbusters muss zweieinhalb Stunden lang sein, man kann solche rudimentären Geschichten, kaum zu glauben, tatsächlich auch kürzer und zielgenauer erzählen!

Aber der Verdacht liegt nahe, dass ich einfach nicht die Zielgruppe für solche Filme bin. Mit meinen oben dargelegten filmischen Schwerpunkten sollte ich von sowas tunlichst die Finger lassen. Wer weiß, vielleicht werde ich ja auch einmal entführt und mit Popcorn-Filmen der Jahre nach 2000 gefoltert, bis sich irgendwann etwas in meinem Körper verändert. Ja, auch solche Ängste können einen Menschen fertig machen. Und einen Maulwurf erst …
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Maulwurf
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Der Hexenclub (Andrew Fleming, 1996) 3/10

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Nancy, Bonnie und Rochelle sind drei fast normale Teenager an einer High-School in Los Angeles. Bonnie hat eine Hautkrankheit, Rochelle ist schwarz, und Nancy etwas, nun sagen wir, exaltiert. Was ausreicht, um die Drei an der Schule zum Gespött und zur Zielscheibe aller schlechten Witze zu machen. Die Mädchen haben einen Hexenzirkel gegründet, aber um Macht zu erlangen benötigen sie noch eine vierte Hexe. Als Sarah an die Schule kommt haben sie diese vierte Hexe gefunden, und nach der Beschwörung einer alten Gottheit kommt tatsächlich eine fremde Macht über sie. Denn Sarah hat wirkliche Hexenkräfte, und kann diese in dem Freundeskreis auch zur Entfaltung bringen. Aber vorhandene Macht korrumpiert schnell, und es tauchen Fragen auf wie: Wie kann man einen Liebeszauber rückgängig machen? Ist Laura naturblond? (Wir bekommen es heraus, in dem wir ihre Haare ausfallen lassen) Und wer von den Arschlöchern auf der Schule muss alles sterben?

Im Prinzip maskiert sich DER HEXENCLUB als Teeny-Drama um ein paar Mädchen, die einfach anders sind als die Masse, und darum „Opfer“ sind. Das wahre Drama hinter dem Overacting und den lustigen Effektspielereien, nämlich das grausame Teenagerdasein, wenn man nicht zum Mainstream gehört, das verschwindet leider ziemlich schnell zugunsten einer nicht wirklich interessanten 08/15-Geschichte um Mädchen die nicht realisieren, dass zu großer Macht auch große Verantwortung gehört. So aber ist das alles ein wenig Firlefanz mit Kerzen, Gewitter und der wunderbaren Assumpta Serna (aus Jorge Graus HUNTING GROUND) als Hexe und gütiger weiser Mutter hinter den Kulissen. Immer wenn es dramatisch sein soll zieht ein Gewitter auf und Blitze schlagen ein, die Teenager sind durch die Bank dümmlich, und das Overacting von Fairuza Balk ist anfänglich hübsch anzuschauen, übertreibt aber gegen Ende hin ziemlich und wird irgendwann nervig. Die ekligsten Szenen sind von Dario Argento geklaut, die Mädels tragen teilweise Gothic-Chic, was aber überhaupt nicht zur verwendeten Musik passt, und wahrscheinlich bin einfach nicht die passende Zielgruppe für Teenie-Dramen. Wieso ich mir solche Filme anschaue? Möglicherweise eine höhere Macht die mich darauf hinweisen will, dass ich mir zu viel Mist anschaue und mich endlich wieder auf diejenigen Filme konzentrieren sollte, die mir auch etwas sagen …

Keine gänzlich vertane Zeit, aber auch nichts was in Erinnerung bleiben wird. Außer dem zahnintensiven Grinsen von Fairuza Balk …
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Maulwurf
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Beitrag von Maulwurf »

Heiße Hölle Bangkok (André Hunebelle, 1964) 5/10

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In Asien häufen sich Pestfälle, und der Mann vom amerikanischen Geheimdienst ermittelt genau dazu, als er in Bangkok ermordet wird. Hubert Barton alias OSS 117 wird also nach Bangkok geschickt um herauszufinden, ob hinter dem Auftreten dieser Pestausbrüche vielleicht ein Plan steckt. Bei der örtlichen Niederlassung des Dienstes lernt er die attraktive Eva Davidson kennen und flirtet auf Teufel komm raus („Sie haben blonde Haare und grüne Augen. Die Frau, die mir immer in meinen Träumen erscheint, hat ebenfalls blonde Haare und grüne Augen …“), sein Herz verliert er aber an die schöne Lila Sinn („Sie haben schwarze Haare und grüne Augen. Die Frau in meinen Träumen hat auch immer schwarze Haare und grüne Augen …“), die Schwester des mysteriösen Dr. Guna Sinn, der als Modearzt die Frauen der gesamten amerikanischen Kolonie Bangkoks in ihrem Tagesablauf unterhält. Guna Sinn scheint, weil er ja Arzt ist, mit dem Fall in Verbindung zu stehen, was zur Frage führt, ob Hubert seiner Lila trauen kann. Und was ist mit Eva Davidson, die ein Verhältnis mit Dr. Sinn hat? Spielt sie vielleicht falsch? Und wo ist der Sinn?

Hiermit möchte ich, nach nur zwei gesehenen OSS 117-Filmen, dem Regisseur André Hunebelle öffentlich und vorläufig für alle Zeiten das Talent absprechen, ein guter Regisseur gewesen zu sein. So ein schlechtes Gespür für Timing, für den Einsatz von Musik oder gar für den Einsatz von Jump Cuts habe ich das letzte Mal bei den Spätwerken von Jess Franco gesehen. Da ist diese lange Sequenz, in der Hubert sich aus der Gewalt eines Folterers befreit, und zusammen mit Lila von einer Insel flüchten muss. Also lenkt Hubert die sechs Mann Inselarmee hinter sich her, damit Lila ein Motorboot stehlen und ihn auf der anderen Seite der Insel einsammeln kann. Die komplette Szene, also ab dem Beginn der Flucht bis zum geglückten Ende, kommt völlig ohne Musik aus. Weswegen die Actionszenen alle etwas müde wirken, die Dynamik leidet, und der völlig deplatzierte Witz mit dem Wasserbüffel noch viel mehr in die Hose geht also sowieso schon. Hey das ist ein Film!! Also das Zusammenspiel von Bild und Ton, wo unter Einsatz von Schnitttechnik und verschiedenen Aufnahmewinkeln eine unterhaltsame Fiktion erzeugt werden soll …

Aber es geht ja noch weiter: Hubert und Lila flüchten also auf dem Motorboot, als plötzlich aus einer Bucht ein zweites Motorboot herauskommt – Die Verfolger, bewaffnet mit einer Maschinenpistole. Spätestens(!) jetzt kommt einem sofort das klassische James Bond-Thema in den Kopf, das bei jedem halbwegs normalen Regisseur in diesem Augenblick als Original oder schlecht kopierter Track einsetzen und die Szene perfekt untermalen würde. (Dass die Musik hier auch noch gut gepasst hätte tut ein Übriges…). Was macht Hunebelle? Er lässt die Szene ganz ohne Musik ablaufen …

Wenn der Kerwin Mathews nicht so einen Lausbubencharme hätte. Wenn Pier Angeli nicht geradezu unverschämt und liebevoll an die Karin Dor aus den Edgar Wallace-Filmen erinnern würde. Wenn die letzten 20 Minuten, das Showdown in einem alten Kloster, nicht so einen herrlich trashigen Charme hätte. Wenn das nicht alles so furchtbar billig und einfach gestrickt wäre, dass es schon wieder drollig ist. Wenn nicht, ja dann wäre HEISSE HÖLLE BANGKOK langweilig und furztrocken. So aber sehen wir gequält zu, wie Menschenmassen durch das Kloster laufen und laufen und laufen, und Hubert hinterherschleicht und schleicht und schleicht. Auf der anderen Seite dann mit Zeitraffer und Schnitten hingetrickste Kämpfe, wunderbare Außenaufnahmen von Bangkok, viele alte amerikanische Autos (die meisten davon in der gleichen Farbkombination!), und der Dialog aller Dialoge, gewissermaßen die Mutter aller ZAZ-Filme: „Verlassen Sie sofort das Büro!“ „Nein, das tue ich nicht.“ „Na gut, dann kommen sie rein …“

HEISSE HÖLLE BANGKOK demonstriert auf das deutlichste den Unterschied zwischen dem James Bond-Original und so einigen der Eurospy-Nachahmer. Mehr als nette Nachmittagsunterhaltung kommt hier leider nicht bei rum. Und die Bereitschaft, die nachfolgenden Filme ohne den charmant-trockenen Kerwin Mathews durchzustehen ist einigermaßen gesunken …
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Mari-Cookie and the killer tarantula (Jess Franco, 1998) 6/10

Irgendwo in den Tiefen des Internets begraben.jpg
Irgendwo in den Tiefen des Internets begraben.jpg (7.4 KiB) 502 mal betrachtet

Jogi schrieb über MARI-COOKIE:
jogiwan hat geschrieben: Fr 7. Okt 2022, 07:56... zeigt nackte Frauen und Strip-Einlagen mit einer Alibi-Handlung über eine Spinnenfrau, die in ihrem Refugium Menschen in Spinnweben gefangen hält. Dabei ist hier alles billig ausgefallen, von der Plastikspinne mit Menschengesicht bis hin zu den Stripeinlangen, die so etwas wie Erotik erst gar nicht bemühen.
Womit durch den ersten Satz auch gleich die Inhaltsangabe erledigt wäre. Und grundsätzlich hat der Mann ja auch Recht damit, dass hier alles sehr billig rüberkommt, dass die Effekte nicht so richtig knorke sind, und dass der Film tatsächlich:
... nicht mehr [ist], als eine Aneinanderreihung von Strip-Einlagen, die kostengünstig in einem Club gefilmt wurden ...
Im Prinzip ja, aber … Das große und dicke Aber beginnt mit dem Auftritt von Michelle Bauer als Sheriff in schwarzer Reizwäsche mit Sheriffstern, Minislip, Cowboystiefeln und großem Cowboyhut. Alles echt, inklusive des Auftretens und der Gestik, direkt übernommen aus dem vorletzten John Wayne-Klischee-Streifen. Dann folgt der Auftritt Amber Newmans als Kunstturnerin mit Rad Handstand Flick-Flack und einer sexuellen Ausstrahlung, dass der Bildschirm fast platzt und die Hosennaht gleich mitnimmt. Und neben diesen beiden noch Lina, zwar etwas in die Jahre gekommen, aber dafür voller Spiel- und Zeigefreude, mit ständigem Perücken- und Kostümwechsel, und mit einer etwas zu langen aber äußerst erotisch-plakativen Darbietung in einem Nachtclub gemeinsam mit Amber Newman, die einiges in den Schatten stellt, was in den sogenannten Pornos der letzten 20 Jahren dargeboten wurde.

Lina darf gleich in mehrere Persönlichkeiten schlüpfen, wobei ihr die Spinnenfrau, die in ihrem Haus Menschen in Spinnennetzen gefangen hält, und an denen sie bei Bedarf dann rumknabbern darf, sichtlich Spaß macht. Sie reißt die Augen auf, sie zischt, sie geiert, sie spreizt die Beine, sie posiert in Stellungen die purer feuchter Sex sind, und wenn am Ende alle anwesenden Frauen sich verbünden und den einen anwesenden Mann erniedrigen wabert eine dicke Wolke dominanter Sinnlichkeit durch die Räumlichkeiten.

Die Gefangenen in den Netzen äußern sich nur singend (Kennt jemand noch den Film WASSER – DER FILM von 1985, in dem ein Guerillakämpfer geschworen hat nur noch zu singen, bis er seine Heimat befreit hat? Genau so …), Michelle Bauer als Erotic-Private Dick-Sheriff rockt die Hütte bei jedem einzelnen Auftritt, und irgendwie hatte ich bei der Sichtung den Eindruck, dass alle Beteiligten richtig Spaß hatten. Spaß, der sich beim Zuschauen zumindest auf mich übertragen hat (auf Jogi wohl leider nicht), und irgendwie war ich die ganze Zeit nur am Kichern und am Staunen. Das Spätwerk Jess Francos ist größtenteils sicher hartes Brot und sicher nur den ganz eingefleischten Franco-Fans zu empfehlen, MARI-COOKIE aber kann richtig Spaß machen, wenn dem Zuschauer bewusst ist, dass wir hier von einer Komödie reden. Und Komödie, da war Franco manchmal gar nicht so schlecht wie man meinen könnte. Insofern man sich darauf einlässt. Und insofern klar ist, dass die Zeiten von VAMYPROS LESBOS oder 99 WOMEN definitiv vorbei sind.
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Re: Was vom Tage übrigblieb ...

Beitrag von Maulwurf »

Awake (Joby Harold, 2007) 6/10

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Für Clay Bereford wird ein Alptraum Realität: Bei seiner Herztransplantation wirkt die Betäubung nicht umfassend – Sein Körper ist bewegungsunfähig, seine Augen sind zugeklebt, aber sein Bewusstsein ist wach und die Nervenbahn aktiv. Bei vollem Bewusstsein muss Clay mitbekommen, wie seine Brust aufgeschnitten und sein Brustkasten auseinandergestemmt wird. Und dann hört er, wie sich die Chirurgen unterhalten: Darüber, dass er während der OP sterben soll, damit sie einen Haufen Geld von der Versicherung bekommen …

Fieser kleiner Thriller für zwischendurch, der an einigen Stellen ein wenig zu redselig ist, dafür aber an anderen Stellen ganz schön auf die Kacke haut. Gerade die Szenen in der OP sind harter Stoff und können echte Alpträume verursachen. Die Schauspieler sind bis auf Lena Olin (die bei mir zugegeben einen Alltime-Traumfrau-Bonus hat) nett aber nicht wirklich brauchbar, aber das braucht es auch gar nicht, denn Regisseur Joby Harold schafft es, in 80 Minuten eine interessante Geschichte zu erzählen, die für genau diesen Zeitraum fesselt. Keine Nebenplots, kaum Abweichungen von der Linie, stattdessen volle Konzentration auf das Wesentliche: Ein Mann soll während einer Herzoperation getötet werden, und der bekommt das live und am ganzen Körper gelähmt mit.

Ein Horrorszenario wie man es sich nur vorstellen kann, gut umgesetzt und auf den Punkt gebracht. Passt!
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Der Teufel und die Zehn Gebote (Julien Duvivier, 1962) 7/10

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Der Teufel erzählt uns in mehreren Episoden, wie er die Menschen immer wieder dazu bringt, die Zehn Gebote zu übertreten, und wie er sie dabei an der Nase herumführt. Eine junge Frau, die ihren erfolglosen Mann liebt, lässt sich von einem reichen Charmeur becircen und als Lohn für eine Liebesnacht ein wertvolles Schmuckstück schenken. Ihr Plan, wie sie ihrem Mann den Besitz dieses Schmucks erklären will, ist klug, geht aber nach hinten los. In der nächsten Episode will ein Priester den Mörder seiner Schwester töten. Dann ist da Gott, der sich höchstpersönlich darum kümmert, dass die Menschen wieder an ihn glauben, und der Götzenbilder anderer Götter sicherheitshalber entsorgt. Ganz großartig ist der soeben gekündigte Bankkassierer, der einem Bankräuber gerne und voller Vergnügen den gesamten Inhalt der Kasse übergibt. Und dem Räuber dann anschließend das Geld wieder abluchsen will, um mit seiner Freundin ein schönes Leben führen zu können. Und zu guter Letzt ist da noch der junge Mann, dem beigebracht wurde, dass man Vater und Mutter ehren soll. Und der zuerst lernen muss, dass seine Mutter gar nicht seine Mutter ist. Und anschließend erfährt, dass sein Vater gar nicht sein Vater ist …

Die Stoßrichtung dieses Omnibusfilms ist nicht so ganz klar: Das Segment "Homicide point ne seras" ist ein lupenreiner Noir, fast ein wenig vergleichbar mit einem Film wie SCHIESSEN SIE AUF DEN PIANISTEN. Dunkel, hintergründig, pessimistisch. "Bien d'autrui ne prendras" ist dann das andere Extrem, eine reine Komödie mit Nouvelle Vague-Anklängen, die einen agilen Jean-Claude Brialy gegen einen sinistren Louis De Funès stellt und mit dieser Konstellation ausgesprochen komisch ist. Die anderen Episoden, inklusive der nur in Deutschland veröffentlichten Episode „L'oeuvre de chair ne désireras qu'en mariage“ sind mal mehr und mal weniger heitere Geschichtchen, die zum Schmunzeln reizen und einer gewissen Grunderotik nicht abgeneigt sind. Ah, und die Rahmenhandlung um den Hausmeister im Kloster und seinen Schulfreund, den Bischof, bietet dann einige deftige Fremdschäm-Kalauer, ist aber nicht unwitzig.

Was ist der Konsens dieser unterschiedlichen Erzählungen? Das Ende der Episode, in der Fernandel Gott darstellt, kann auf jeden Fall als Grundlage heißer Diskussionen laufen. Der Krimi, in dem Charles Aznavour und Lino Ventura sich irgendwann mit einem einzigen geladenen Gewehr gegenüberstehen ist spannend und hat auch eine klare Aussage, die ich aber dann wiederum in den Stories über den Schmuck und über das Nicht-Kennen der eigenen Ehefrau wiederum vermisse. Das Zusammenspiel von Brialy und De Funès hätte gerne noch länger dauern dürfen, dafür hat die Rahmenhandlung, ich erwähnte es, einiges an Fremdschäm-Szenen im Bauch, wenngleich da auch manches an Komik unterwegs ist.

Die Abfolge der Szenen stellt sich halt etwas uneinheitlich dar, was beim Zuschauer durchaus zu Verwirrung, und daraus resultierend zu Enttäuschung führen kann. Es stellt sich aber auch die Frage: Muss man über solche Dinge nachdenken? Kann man DER TEUFEL UND DIE ZEHN GEBOTE nicht einfach als heitere Nachmittagsunterhaltung ansehen, die Spaß machen soll, die unterhalten soll, die vielleicht auch den ein oder anderen Gedankengang anstößt, die aber auf keinen Fall tiefgründiges Irgendwas sein will. Denn trotz gelegentlicher Alterungserscheinungen in Form von punktueller Betulichkeit oder Biederkeit ist der Film auf jeden Fall eines: Charmant und bezaubernd. Großartige Schauspieler und wunderschöne Frauen in kleinen liebevoll dargebrachten Geschichten, die allemal ein Lächeln auf das Gesicht des Zuschauers zaubern können. Wer älteres französisches Kino liebt kann her nichts verkehrt machen.
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Nachts auf den Straßen (Rudolf Jugert, 1952) 7/10

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Nachts auf den Straßen.jpg (23.4 KiB) 464 mal betrachtet

Heinrich Schlüter ist selbständiger Fuhrunternehmer, und fährt die Strecke München-Stuttgart-Karlsruhe-Frankfurt im Linienverkehr. Heinrich hat viel gearbeitet, dann kam der Krieg, und jetzt, ganz plötzlich, ist die Tochter Lisi 21 und hat geheiratet. So einen mit Brille! Nun ist sie aus dem Haus, und Heinrich fühlt sich plötzlich ganz schön alt. Und obwohl er seine Anna seit 25 Jahren liebt, macht die Anhalterin, die er eines Nachts nach Frankfurt mitnimmt, doch ziemlichen Eindruck auf ihn. So sehr, dass er, nachdem sie bei der nächsten Fahrt wieder in seinem LKW saß, beginnt über sie nachzudenken. Sich mit Inge, so ihr Name, zu treffen. Und ihr Geschenke zu machen. Heinrich verliebt sich mit seinen deutlich über 50 Jahren nochmal in ein 24-jähriges Mädchen, und er ahnt nicht einmal, dass Inge von ihrem Mann Kurt auf ihn angesetzt wurde, um in drei Wochen eine Ladung geschmuggelter Pelze aus der Ostzone störungsfrei nach Karlsruhe zu bringen. Doch wie die Dinge so gehen, auch Inge verliebt sich, denn Kurt hat sich schon längst zu einem egoistischen und drogenabhängigen Schwein entwickelt, und mit Heinrich an ihrer Seite fällt Inge das überhaupt erst auf. Und bei all den Dingen, die frisch Verliebte so tun, vergisst Heinrich doch glatt seine Anna. Und Inge vergisst, Heinrich dazu zu bringen, die Fuhre mit dem Schmuggelgut zu übernehmen …

Räder rollen durch die Nacht, und eine traurige und eindrückliche Melodie geleitet uns in die Welt einsamer Männer. Die bei Nacht und Regen über verlassene Autobahnen rollen, kein Problem mit dem Alleinsein haben, und die Welt aus einer anderen Perspektive erleben. Wie ein Passagier fährt Heinrich durch das gerade beginnende Wirtschaftswunder und versucht, die Raten für seinen Anhänger abzustottern. Eines Nachts kommt er an eine Unfallstelle, ein Cabrio, das ihn gerade noch halsbrecherisch überholt hat, liegt zerstört auf der Straße. Der Fahrer ist tot, eine Pistole liegt auf der Fahrbahn herum, und ein aufgerissener Umschlag offenbart 20.000 Mark. Eine Menge Geld, und Heinrich nimmt sich dieser Menge Geld an. Endlich kann er seiner Anna den Pelzmantel schenken, den sie sich seit 27 Jahren wünscht. Und seiner Lisi kann er eine goldene Uhr kaufen. Dieser Teil des Films ist ein klassischer Noir, der in ruhigen und eindringlichen Farben das Schicksal eines Mannes erzählt, der feststellt, dass das Leben allmählich an ihm vorbeigeht. Der den Wink des Schicksals aufgreift und erst sehr viel später merkt, dass er in Wirklichkeit der Versuchung des Teufels erlegen ist.

Den Begriff Midlife Crisis gab es damals noch nicht, aber Heinrich befindet sich genau an dieser Stelle. War das jetzt schon alles? Und wenn man nochmal anfangen könnte? Die Liebe zu Inge beflügelt ihn, gibt ihm neue Kraft und Hoffnung, und es schmerzt den Zuschauer sehr zuzusehen, wie er seine brave und gutbürgerliche Anna zuhause in München im kleinen Häuschen immer mehr vergisst. Doch so richtig überzeugend ist dieser Teil der Story nicht, die Liebesgeschichte wird lang und breit erzählt, und überdeckt an der Stelle zum einen die Krimihandlung, nimmt aber vor allem demjenigen Part die nötige Luft, die die erste halbe Stunde so eindrücklich gemacht hat. Diese ruhige und fast meditative Erzählung um den einsamen Trucker, die wird fallengelassen zugunsten einer Liebesgeschichte, die wehtut und zwar die Handlung mühsam voranbringt, aber viel zu ausführlich dargestellt wird. Kurts Drogenabhängigkeit wird viel Raum gegeben, dagegen wird sein Schicksal als Kriegsteilnehmer, der sich offensichtlich nicht so richtig wieder eingliedern konnte, zu kurz gehalten. Gut möglich, dass damals zu viele einstige Kriegsteilnehmer mit solchen Problemen im Publikum saßen, aber der erhobene Zeigefinger der Marihuana-Abhängigkeit bremst die Stimmung da leider etwas aus.

Gegen Ende, wenn der Krimianteil wieder in Fahrt kommt, und Kurt mit der Pistole auf den renitenten Heinrich losgeht, dann jubelt der Noir-Fan im Zuschauer wieder. Es ist Nacht auf den einsamen Straßen, der Gangster bedroht den aufrechten Einzelgänger in der abgewetzten Lederjacke, und Filme wie GEWAGTES ALIBI schießen einem durch den Kopf. Klassiker, vor denen sich NACHTS AUF DEN STRASSEN in diesen Momenten überhaupt nicht verstecken muss, wenn da halt nicht diese zu lange Liebesgeschichte wäre. Genauso wie das deutsch-biedere Ende, das ein Robert Siodmak sicher düsterer und tragischer hinbekommen hätte. Aber 1952 war im deutschen Film halt nunmal nicht die Zeit für düstere und tragische Enden, und in diesem zeitlichen Kontext ist NACHTS IN DEN STRASSEN ein starker und packender Film geworden, der mit einigen sehr nachdrücklichen Szenen punktet: Der verheiratete Heinrich und die 30 Jahre jüngere Inge, die nachts gemeinsam auf sein Pensionszimmer gehen, das dürfte den Skandalstatus der Knef mindestens genauso beflügelt haben wie ihre sekundenlange Nacktszene ein paar Jahre vorher in DIE SÜNDERIN. Auch die Einführung von Kurt ist bemerkenswert: Der Mann liegt völlig zugedröhnt auf einem Sofa und sonnt sich im Drogenrausch. Nicht Alkohol, Marihuana ist das Mittel, und 1952 dürfte man noch keinen Schauspieler gesehen haben, der in seiner ersten Szene in einem Film stoned auf einem Sofa liegt und völlig weggetreten ist. Ehebruch, Drogenmissbrauch, Kriminalität – Hey, wir reden hier von einem deutschen Film der Adenauer-Ära (Was dem Ende ja auch deutlich anzusehen ist), da waren solche Themen normalerweise eher Tabus, zumindest nach heutiger Wahrnehmung …

Die starken und einfühlsamen Schauspieler, die provokante Handlung, die perfekt passende Musik, die feine Kameraarbeit des altgedienten Profis Václav Vich, die uns das Frankfurt der Nachkriegszeit ohne Scheuklappen vor Augen führt, alles diese führt zu einem wirklich starken Noir, der leider in der Mitte ein wenig vom Pfad abweicht, und das Ende den zeitlichen Erfordernissen unterordnet. Nichtsdestotrotz großartiges (deutsches) Kino, das einem thematisch ähnlich gelagerten Actioner wie Gilles Grangiers GAS-OIL problemlos überlegen ist.
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Jack Grimaldi
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Maulwurf
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Re: Was vom Tage übrigblieb ...

Beitrag von Maulwurf »

Einer nach dem anderen (Hans Petter Moland, 2014) 5/10

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Nils Dickman ist Schwede. Nils Dickman lebt in Norwegen. Nils Dickman fährt einen Schneepflug. Und das macht er verdammt gut. So gut, dass er als Beispiel für gelungene Integration gilt. Nils Dickman ist ein akkurater und exakt handelnder Mensch. Und als sein Sohn wegen Drogengeschäften getötet wird, da bleibt Nils auch in der Durchführung seiner Rache so akkurat und exakt, wie er das eben in seinem Job und seinem ganzen Leben ist. Vom kleinen Handlanger bis zum großen Boss räumt Nils Dickman auf in Norwegens Unterwelt, und dass er so ganz nebenbei seinen Bruder ans Messer liefert, seine Frau verliert, und einen Bandenkrieg auf den Straßen entfacht? Pff, wichtig ist nur eines. Die Rache …

Wer hätte gedacht, dass nicht nur die Coen-Brüder kleine und skurrile Filme drehen können, sondern dass so etwas auch Europäer können? So ganz ohne intellektuelle Ansprüche oder cineastische Referenzen, rein zum Vergnügen und als schwarze Komödie mit verdrehten Charakteren und unerwartet-absurden Wendungen. So richtig aus dem Leben gegriffen. Wie bei FARGO, nur auf Norwegisch.

Das war die gute Nachricht, doch es gibt auch eine nicht so gute: Irgendwie haut das alles so nicht so richtig hin. Klar, Nils Dickman (allein der Name ist ja schon ein Schenkelklopfer) ist eine Figur so recht aus dem Handbuch für merkwürdige Charaktere, und die ganze Ausgangssituation, dass dieser ordentliche und eifrige Spießbürger in der Unterwelt (die im Übrigen auch nur aus komplett absurden Figuren besteht) aufräumt wie nichts Gutes, könnte schräger und schwarzhumoriger nicht sein. Der berühmte skandinavisch-lakonische Humor tut noch ein Übriges, und schon könnte man meinen, das Ethan Coen und Aki Kaurismäki sich zum gemeinsamen Drehbuchschreiben in einer schwedischen Whiskybar getroffen haben.

Aber, und das ist meine ganz persönliche Meinung, zieht das einfach nicht so wie ursprünglich gedacht. Die Charaktere kommen aus ihrer verschrobenen Ecke nicht so recht heraus, und die merkwürdigen Situationen reihen sich aneinander wie kleine Episödchen, die von verschiedenen Autoren ersonnen und von einem übergeordneten Ghostwriter zusammengesetzt wurden. Womit wir zu genau dem Punkt kommen, der mich schon seit Jahren bei den Coen-Brüdern so stört: Diese aufgesetzte Grundhaltung des Das-muss-jetzt-komisch-sein-und-zwar-auf-Teufel-komm-raus, die auch hier restlos ausgereizt wird. Merkwürdige Charaktere, die merkwürdige Dinge tun und dadurch in merkwürdige Situationen geraten, aus denen sie nur herauskommen, wenn sie alles ganz anders machen als gewohnt, und die Merkwürdigkeiten damit auf die Spitze treiben. Wer FARGO mag oder O BROTHER, WHERE ART THOU?, der kommt auch hier auf seine Kosten, und wahrscheinlich ist EINER NACH DEM ANDEREN auch für genau diese Zuschauer gedreht worden. Wer mit den genannten Filmen allerdings nichts anfangen kann, geschweige denn gar mit den Coen-Filmen der 2010er-Jahre, der sollte auch um diesen Film einen Bogen machen …
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