Der Sanfte mit den schnellen Beinen - Gérard Oury (1978)

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Der Sanfte mit den schnellen Beinen - Gérard Oury (1978)

Beitrag von buxtebrawler »

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Originaltitel: La carapate

Herstellungsland: Frankreich (1978)

Regie: Gérard Oury

Darsteller: Pierre Richard, Victor Lanoux, Raymond Bussières, Claude Brosset, Jacques Frantz, Claire Richard, Blanche Ravalec, Bernard Granger, Robert Dalban, Adrien Cayla-Legrand, Christian Brincourt, Yvonne Gaudeau u. A.
Jean-Philippe Duroc ist ein idealistischer aber ziemlich tollpatschiger Anwalt, und sein Mandant Gaulard steht kurz vor seiner Verhandlung. Da in den zehn Monaten seiner Untersuchungshaft keinerlei Beweise gegen ihn gefunden werden konnten, rechnet man fest mit einem Freispruch. Das Schlussplädoyer seines chaotischen Verteidigers Duroc gerät jedoch zu solch einer Katastrophe, dass Gaulard zu einer Gefängnisstrafe von zehn Jahren verurteilt wird. Als Duroc noch am Abend seinen in Wut entbrannten Klienten besuchen will, bricht im Gefängnis auch noch eine Revolte aus, und die aufgebrachten Insassen zerstören alles, was sich ihnen in den Weg stellt. Der verurteilte Gaulard übernimmt die Rolle des Anführers, und der ungeschickte Duroc wird prompt in die ganze Sache hinein gezogen. Als die beiden überstürzt fliehen, entsteht für die Polizei natürlich der Eindruck, es mit Komplizen zu tun zu haben. So beginnt für die beiden ein turbulenter Trip durch ganz Frankreich, bei dem sie zusammen kein halsbrecherisches Abenteuer auslassen…
Quelle: www.ofdb.de
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Der Sanfte mit den schnellen Beinen - Gérard Oury (1978)

Beitrag von buxtebrawler »

„Knast ist out!“ – „Aber irgendwie sollte jeder mal drin gewesen sein. Sollte ‚Must’ sein!“

Die erste von zwei Kollaborationen des französischen Komödienregisseurs Gérard Oury („Louis, das Schlitzohr“) mit Genrestar Pierre Richard („Ein Tolpatsch kommt selten allein“) in der Hauptrolle ist der im Jahre 1978 entstandene Spielfilm „Der Sanfte mit den schnellen Beinen“. Zuvor arbeitete Oury vornehmlich mit „dem anderen“ großen Komiker Frankreichs zusammen: mit Louis de Funes. Richard trifft hier nach „Ich weiß von nichts und sage alles“ zum zweiten Mal auf Victor Lanoux („Louis la brocante“), der diesmal die zweite Hauptrolle neben Richard bekleidet und sich damit neben Namen wie Aldo Maccione, Gérard Depardieu und Philippe Noiret als Filmpartner Richards einreiht.

Der in Lyon in Untersuchungshaft sitzende Gaulard (Victor Lanoux) wurde zu Unrecht zum Tode verurteilt und nicht ganz unschuldig daran ist sein Verteidiger, der schusselige Anwalt Jean-Philippe Duroc (Pierre Richard). Just als Duroc seinen wütenden Mandanten im Gefängnis besucht, entbrennt eine Knastrevolte, in deren Folge sich auch Gaulard unvermittelt in Freiheit wiederfindet. Duroc war schlicht zur falschen Zeit am falschen Ort, wird gar für den Anführer der Revolte gehalten und daraufhin zwangsläufig in Durocs Flucht hineingezogen. Gemeinsam schlägt sich das ungleiche Duo von Ort zu Ort durch, während Duroc versucht, eine Begnadigung seines Mandanten beim französischen Präsidenten de Gaulle zu erreichen...

De Gaulle? Ja, denn „Der Sanfte mit den schnellen Beinen“ spielt zehn Jahre vor seinem Dreh, genauer: im Jahre 1968. Vor dem Hintergrund der ’68-Proteste erzählt der Film seine wilde, anarchische Geschichte, die zunächst ganz idyllisch mit einem somerlich-leichten Popsong und einer Kamerafahrt über die Dächer einer französischen Provinz beginnt. Doch kurz, nachdem Duroc liebevoll seinem gehbehinderten Vater in Ermangelung eines Rollstuhls geholfen hat, ist es auch schon vorbei mit der Idylle und der Zuschauer wird Zeuge einer insbesondere für eine Komödie unheimlich gut und actionreich gefilmten Gefängnisrevolte. Fortan gibt sich der Film überaus urban, zeigt uns einen Striptease und darauf folgende Auffahrunfälle an einer Tankstelle sowie einige weitere Autocrashs und Wahnwitziges wie einen alles andere als ungefährlich aussehenden Autobahn-Stunt, bevor es wieder in ländliche Gefilde geht und es zu Konfusionen um die schöne Bauerntochter Marguerite (Blanche Ravalec, „Moonraker – Streng geheim“) kommt. Mittlerweile hat sich „Der Sanfte mit den schnellen Beinen“ zu einem Road-Movie entwickelt, innerhalb dessen sich zwei gegensätzliche Charaktere insofern näher kommen, als sie gegenseitiges Verständnis entwickeln, über Klassen- und Standesgrenzen hinaus Berührungsängste verlieren und Vorurteile abbauen. Schließlich findet man sich mitten in den Straßenschlachten der ’68er-Mai-Unruhen wieder, die zu einem Generalstreik führten und langfristig kulturelle, politische und ökonomische Reformen in Frankreich nach sich zogen.

„Jetzt schmeißen die schon mit Gold!“

Was nach schwerem Stoff klingen mag, ist eine freche, entfesselte Komödie, die die jüngste Geschichte Frankreichs humoristisch und selbstironisch betrachtet, welche quasi „nebenbei“ abläuft, während der Film vorgibt, sich vornehmlich auf seine beiden Protagonisten zu konzentrieren – ein Konzept, wie es immer wieder sowohl im politkritischen als auch im komödiantischen Film anzutreffen ist (als Beispiel sei „Herr Lehmann“ genannt). Ein überzeichnetes, reiches Goldschmuggler-Ehepaar, das angesichts der durch die Unruhen drohenden Umverteilungen überstürzt seine Reichtümer in Sicherheit bringen möchte, steht dabei stellvertretend für die reiche, entfremdete Klasse. Dem komplett in Luxusfummel gehüllten Pärchen ergeht es nicht sonderlich gut in Ourys Film, sein britischer Habitus inkl. Rolls Royce bekommt einen besonderen Beigeschmack in Anbetracht der damals schwierigen Beziehungen Frankreichs mit dem Vereinigten Königreich. Bei aller Turbulenz der sich überschlagenden Ereignisse lebt der Humor des Films nicht übermäßig von Slapstick und Klamauk, wenngleich Duroc Sprachschwierigkeiten bekommt, sobald er aufgeregt ist, und dabei die Vokale durcheinanderwirft. In erster Linie ist es die Situationskomik, die hier groß geschrieben wird, unterstützt von schrulligen, exaltierten Charakteren. Die große Schenkelklopfer-Revue ist „Der Sanfte mit den schnellen Beinen“ sicherlich nicht, wichtiger ist es ihm, eine Geschichte mit einem über den reinen Witz hinausgehenden Anspruch zu erzählen, die zudem als Plädoyer gegen die Todesstrafe verstanden werden will.

Gut möglich, dass in ihrer Nachkriegsgeschichte bewanderte Franzosen noch wesentlich mehr in diesem Film erkennen bzw. entdecken als ich. Als Pierre-Richard-Fan war ich überrascht ob des stark realitätsbezogenen und gewichtigen Inhalts, der aus „Der Sanfte mit den schnellen Beinen“ einen etwas anderen Richard-Film macht (dabei hätte ich seit „Eine Wolke zwischen den Zähnen“ darauf vorbereitet sein sollen), bei dem jedoch wie üblich der Spaß nie zu kurz kommt. Die aufwändige Inszenierung bietet auch für Skeptiker gewisse Schauwerte und die Schauspieler agieren tadellos. Franzosencharmekomödie trifft auf Road-Movie trifft auf Geschichtsunterricht – passt!
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Der Sanfte mit den schnellen Beinen - Gérard Oury (1978)

Beitrag von buxtebrawler »

Erscheint voraussichtlich am 14.07.2022 bei EuroVideo noch einmal innerhalb der "Pierre Richard Edition 1"-4-DVD-Box:

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Beinhaltet:
- Alfred, die Knallerbse
- Ein Tolpatsch auf Abwegen
- Der Sanfte mit den schnellen Beinen
- Der Regenschirmmörder

Quelle: https://www.ofdb.de/view.php?page=fassu ... vid=117796
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