Im Dreck verreckt - José Giovanni (1968)

Moderator: jogiwan

Antworten
Benutzeravatar
Maulwurf
Beiträge: 2776
Registriert: Mo 12. Okt 2020, 18:11
Wohnort: Im finsteren Tal

Im Dreck verreckt - José Giovanni (1968)

Beitrag von Maulwurf »

 
Im Dreck verreckt
Le rapace / Il rapace / El rapaz
Frankreich / Italien / Mexiko 1968
Regie: José Giovanni
René Barrera, Augusto Benedico, Aurora Clavell, Rosa Furman, Enrique Lucero, Carlos López Figueroa, Xavier Marc, Lino Ventura


Im Dreck verreckt.jpg
Im Dreck verreckt.jpg (61.94 KiB) 112 mal betrachtet
OFDB

Ein französischer Auftragskiller kommt in ein lateinamerikanisches Land. Er soll den alten Präsidenten töten, und bis zum Attentat wird er mit dem zukünftigen Präsidenten zusammenleben. Der Präsident ist tot, lang lebe der Präsident. Allerdings ist der neue Präsident, Miguel, noch ein halber Junge, der von seinen Ideen und Idealen genauso begeistert ist wie von einer Maschinenpistole und der hübschen Aurora. Bloß Lebenserfahrung, die hat er überhaupt nicht - Im Gegensatz zu dem namenlosen Killer, der Miguel als bloßes Spielzeug einer Revolution behandelt, und ihm in Anflügen gelegentlicher Sympathie versucht, in einfachen Lektionen ein wenig das raue Leben näherzubringen. Anders als Miguel weiß der Killer, dass er anschließend auf der Abschussliste stehen wird, was ihn aber nicht daran hindert, seinen Auftrag auszuführen, wenn auch vielleicht nicht ganz so, wie die Auftraggeber und Miguel sich das vorgestellt haben.

Bild Bild

Bild Bild

Bei Filmen von José Giovanni gehe ich immer von einem scharfen politischen Bezug aus. Von einer bissigen Anklage der herrschenden Zustände und sarkastisch-melancholischen Zeugnissen der Menschenverachtung. Und rein prinzipiell sind diese Zutaten auch in IM DRECK VERRECKT vorhanden: Die Revolution, die nichts anders machen wird als die Führer auszuwechseln, wohingegen Korruption und Willkür gleich bleiben werden. Ein willfähriges und dummes Spielzeug als Abbild dieser Revolution. Und als Erfüllungsgehilfe ein beauftragter Mörder aus dem westlichen Ausland. Und dies im Gewand eines mehr oder weniger Abenteuerfilms, damit die Geschichte auch ansprechend erzählt werden kann. Nun ja, ein x-beliebiges lateinamerikanisches Land, in dem ein General die Landbevölkerung ausbeutet, von einer Revolution dahingerafft wird, und der nächste General die bisherige Politik fortsetzt, das ist im Genre nichts Neues, und war es auch 1968 bereits nicht, nur dass B. Traven das in der Literatur Jahrzehnte vorher bereits wesentlich aggressiver formuliert hat. Luis Buñuel dies filmisch ebenfalls bereits pointierter verarbeitet hat. Und Giulio Petronis TEPEPA dieses Sujet, wenn auch zugegeben erst ein Jahr später, im Genrekino spannungsgeladener umsetzen wird.

Auch der Umstand, dass ein Ausländer, also letzten Endes ein Söldner, die Drecksarbeit machen soll für die tapferen Revolutionäre, die sich nach dem Misserfolg der Revolution schnell als hemmungslose Opportunisten erweisen, ist kein wirklich neuer Meilenstein der Erzählung. Bleibt im Wesentlichen also nur der Umstand übrig, dass es sich bei IM DRECK VERRECKT tatsächlich nicht um einen Politthriller mit spannender Handlung, sondern vielmehr um einen Abenteuerfilm mit politischem Bezug handelt. Dafür allerdings fehlen wiederum etwas Abenteuer und Spannung, ist die Sache mit dem Thrill doch ein klein wenig zu kurz gekommen. Denn die ersten zwei Drittel des Films bauen in erster Linie und sehr allmählich die Beziehung zwischen dem Killer und Miguel auf, zeigen die Schwächen des Killers, und etablieren so die Fäden zwischen den einzelnen Figuren. Eine lange und gründliche Exposition, die sich Zeit lässt für feine Strukturen und Einblicke in die Persönlichkeiten der Figuren. Ist der Film am Ende doch ein vorwiegender Politthriller, der das aber nicht so richtig zeigen kann?

Bild Bild

Bild Bild

Das letzte Drittel legt an Spannung dann etwas zu, wenn Killer und Miguel sich auf der Flucht vor ihren eigenen Leuten befinden, und Miguel, das Jüngelchen, das vom Killer immer nur mein kleiner Held genannt wird, schlagartig erwachsen werden muss um nicht zu sterben. Dies Fluchtsequenzen und vor allem die Schießerei im Showdown sind überzeugend und stark inszeniert, allein sie passen nicht so recht zu den ersten zwei Dritteln, in den Giovanni eben versucht über Dialoge ein psychologisches Grundgerüst aufzubauen, welches dann am Ende im Kugelhagel untergehen wird. Somit ist IM DRECK VERRECKT beileibe kein schlechter Film, aber er ist seltsam uneinheitlich. Wie ein Italo-Western eines Arthouse-Regisseurs, der die äußeren Merkmale eines Westerns wie Staub, Schießereien und coole Männer in seinen Händen hält, sie aber nicht genregerecht einsetzen kann sondern versucht ihnen einen inneren Wert zu geben, den sie aber nicht haben. IM DRECK VERRECKT ist gut anzuschauen, und Lino Ventura geht sowieso immer, aber großes Kinovergnügen zwischen Western und Politik schaut dann doch ein klein wenig anders aus, was mit Filmen wie dem erwähnten TEPEPA oder auch TÖTE AMIGO bewiesen wird. Oder, in einem anderen Kontext, mit PESTHAUCH DES DSCHUNGELS.

6/10
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
Antworten