Possession - Andrzej Zulawski (1981)

Moderator: jogiwan

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horror1966
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Possession - Andrzej Zulawski (1981)

Beitrag von horror1966 »

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Possession
(Possession)
mit Isabelle Adjani, Sam Neill, Margit Carstensen, Heinz Bennent, Johanna Hofer, Carl Duering, Shaun Lawton, Michael Hogben, Maximilian Rüthlein, Thomas Frey, Leslie Malton, Gerd Neubert, Kerstin Wohlfahrt, Ilse Bahrs, Karin Mumm
Regie: Andrzej Zulawski
Drehbuch: Andrzej Zulawski
Kamera: Bruno Nuytten
Musik: Andrzej Korzynski
FSK 16
Deutschland / Frankreich / 1981

Als Mark von einer langen Geschäftsreise nach Berlin zurückkehrt ist seine Ehe ein Scherbenhaufen. Bereits bei seiner Ankunft ist Anna zurückweisend, seinen Fragen nach dem Grund für ihr Verhalten weicht sie aus. Gekränkt und rasend vor Eifersucht drängt er darauf, von ihr zu erfahren, warum sie sich so verändert hat. Anna gibt schließlich nach und erzählt ihm von einer Affäre ‚mit einem anderen Mann’, wie sie es nennt. Als er einen Liebesbrief von einem Mann namens Heinrich findet, glaubt Mark, den vermeintlichen Rivalen ausfindig gemacht zu haben. Allerdings lässt dieser ihn wissen, dass sich Anna mittlerweile auch ihm gegenüber sehr seltsam verhält. Offensichtlich gibt es da noch einen dritten Mann in ihrem Leben. Um der Sache nachzugehen, beauftragt Mark einen Detektiv, der ihr in ein heruntergekommenes Wohnhaus folgt. Was er dort vorfindet, ist monströs... und es lebt!


Es wäre wohl vollkommen vermessen, wenn man mit der Erwartung an dieses Werk herangeht, das man einen Film präsentiert bekommt, den man letztendlich ohne Probleme verstehen kann. Vielmehr sollte man sich der visuellen Gewalt der Geschichte hingeben, denn die hervorragende Kameraarbeit und eine tristesse Optik des damals noch geteilten Berlins ziehen den Zuschauer von der ersten Minute an in ihren Bann und lassen ihn bis zum bitteren Ende nicht mehr los. Gerade durch die hier zur Schau gestellte Tristesse aus der Zeit des kalten Krieges entsteht von Beginn an eine als bedrohlich zu bezeichnende Grundstimmung, die sich im Verlauf der Geschichte zusehends verdichtet und immer unheimlichere Züge annimmt. Kann man sich am Anfang des Films ein vorherrschendes Gefühl der Beklemmung noch nicht so richtig erklären, so ändert sich dies aber mit zunehmender Laufzeit zusehends.

Der polnische Regisseur Andrzej Zulawski schuf "Possession", um die Scheidung von seiner Ehefrau Malgorzata Braunek zu verarbeiten, weshalb es auch nicht weiter verwundert, das der Film zu Beginn wie ein typisches und übliches Scheidungs-Drama anmutet. So könnte man das Szenario am Anfang auch mit dem Titel eines Films von Ingmar Bergman (Szenen einer Ehe) ausstatten, was dem Gesamtwerk aber nicht einmal ansatzweise gerecht werden würde. denn was sich hier mit der Zeit entwickelt, ist so bizzar und größtenteils surrealistisch, das man es schwerlich in Worte fassen kann. Wenn man einmal davon ausgeht, das Zulawski hier seine eigenen Gefühle verarbeitet hat, dann muss es zur damaligen Zeit in seinem Inneren äusserst konfus ausgesehen haben, denn anders lässt sich das Geschehen nicht erklären. Vielleicht ist das auch der Hauptgrund, warum "Possession" damals beim Publikum durchgefallen ist, denn ist dieses Werk doch alles andere als für das breite Mainstream-Publikum geeignet.

Dabei erscheint es doch vollkommen logisch und verständlich, das die hier erzählte Story nicht jeden Geschmack trifft und wohl nur einem recht kleinen Kreis von Leuten zugänglich ist, die das Aussergewöhnliche an einem Film zu schätzen wissen. Hinzu kommt die Tatsache, das Zulawskis Film im Endeffekt viel mehr Fragen offen lässt, als das er welche beantwortet. So erfährt man beispielsweise zu keiner Zeit, welcher Arbeit Frank nachgeht, oder was es mit der geheimnisvollen Lehrerin Helen auf sich hat, die Franks Frau Anna bis aufs Haar gleicht (Isabelle Adjani in einer Doppelrolle). Vielmehr wird der Zuschauer mit immer mehr surrealistischen- und phantastischen Elementen konfrontiert, die mit der Zeit ein äusserst bizarres Gesamtbild ergeben, auf das man sich im Prinzip keinen Reim machen kann. Ist es doch aber gerade der Umstand, das man sehr viel Raum für eigene Interpretationen hat und keine wirklichen Antworten auf die vielen offenen Fragen erhält, der diesen Film so aussergewöhnlich und sehenswert macht und ihn somit von jeglichem Mainstream abhebt.

Meiner Meinung nach handelt es sich hier um nahezu geniales Kopf-Kino, in dem man ähnlich wie in Lars von Triers "Antichrist" enormen Spielraum für eigene Interpretationen hat und in dem auch die schauspielerischen Leistungen ganz eindeutig das absolute Highlight darstellen. Sam Neill und Isabelle Adjani spielen ihre Charaktere mit einer unglaublichen Ausdruckskraft und drücken dem Film damit ihren ganz persönlichen Stempel auf. Insbesondere die dargestellte Besessenheit der beiden wird ganz hervorragend in Szene gesetzt, nur das sie vollkommen anderen Dingen gilt. Ist es bei Frank die Besessenheit zu seiner Frau, so dient sie bei Anna doch eher dem schleimigen und unförmigen Monster, zu dem sie sich magisch hingezogen fühlt. Wenn man das grandiose Schauspiel der beiden einmal näher betrachtet, dann kommt man schon fast zwangsläufig zu der Erkenntnis, das der Titel des Films absolut zutreffend ist, denn "Possession" bedeutet ja übersetzt Besitz-oder Besessenheit. So kann man dann auch viel besser nachvollziehen, das es sich im Großen und Ganzen doch hauptsächlich um verlustängste und gekränkte Eitelkeit dreht, wenn man beobachtet, wie Frank mit allen Mitteln um eine Frau kämpft, die in seit nunmehr schon einem Jaht betrügt. Man stellt sich zwangsläufig die Frage, ob er die aus Liebe tut, oder lediglich aus der Angst heraus, seinen "Besitz" zu verlieren, der ihm anscheinend doch schon längst entglitten ist.

Auch religiöse Anspielungen nehmen in Zulawskis Werk einen größeren raum ein, so wird die "Gott-Thematik" nicht gerade selten in den Vordergrund gerückt. Gerade bei den surrealistischen Passagen des Films kommt dies sehr gut zum Ausdruck, wobei die Sequenz, in der man Anna kniend-und betend in einer Kirche sieht und sie kurz darauf in einem U-Bahn Tunnel eine Fehlgeburt erleidet. Auch hier gibt es wieder einmal mehrere Sichtweisen, um das Geschehen zu deuten, was aber ganz generell auf den gesamten Film zutrifft. Man muss diesen fantastischen Film aber wirklich selbst gesehen haben, um sich eine eigene Meinung-und Sichtweise zu bilden, denn die Geschichte beinhaltet extrem viel Diskussions-Potential, was an sich schon ein Gütesiegel für einen Film darstellt. Genialität und Wahnsinn, Realität und Fiktion, alle diese Dinge sind hier im Überfluss vorhanden, so das "Possession" eines der aussergewöhnlichsten Film-Erlebnisse darstellen dürfte, das man je zu Gesicht bekommen hat. Für viele Leute verständlicherweise eher unzugänglich, offenbart sich einem ein grandioses Werk, das einerseits extrem phantastisch und bizarr erscheint, bei dem man aber ja nach eigener Sichtweise, das gesamte Geschehen auf einen recht minimalistischen Nenner bringen kann. Denn im Prinzip wird hier lediglich die gesamte Gefühlspalette einer nahezu zerstörten Ehe dargestellt, was zugegebenermaßen auf eine Art und Weise geschieht, wie man es in dieser Form noch nicht gesehen hat.

So hat das Independent Label "Bildstörung auch mit seiner sechsten Veröffentlichung wieder einmal einer wahren Perle den Weg auf DVD verschafft und sich auch bei den Extras wieder nicht lumpen lassen. So gibt es neben Audiokommentaren zusätzlich die Dokumentation "Die andere Seite der Mauer", eine Bildergalerie und ein 48-seitiges Booklet. Insgesamt also eine weitere Veröffentlichung, deren Anschaffung sich wirklich lohnt, vor allem, wenn man ein Freund von aussergewöhnlichen Filmen ist, die sich vollkommen abseits des Mainstreams ansiedeln.


Fazit:


Was hier wie ein gewöhnliches Ehe-Drama beginnt, entwickelt sich mit der Zeit zu einem bizarren und sehr blutigen Geschehen, in dem die Gewalt-Spirale immer höher gedreht wird und die surrealistischen Elemente immer mehr zum Vorschein kommen. Grandiose Darsteller, eine tristesse Optik und hervorragende Kameraarbeit machen "Possession" zu einem der aussergewöhnlichsten Filme, die man je gesehen hat. Man sollte erst gar nicht versuchen, dieses Werk unbedingt zu verstehen oder logisch zu erklären, denn man wird ganz sicher zu keinem Ergebnis gelangen. Viel eher sollte man den gegebenen Spielraum für eigene Interpretationen nutzen und sich seine ganz eigene Sichtweise der hier dargestellten Geschehnisse machen. Auf jeden Fall aber handelt es sich um einen grandiosen Film, den man unbedingt gesehen haben sollte.


Die DVD:

Vertrieb: Bildstörung
Sprache / Ton: Englisch DD 2.0 Mono
Untertitel: Deutsch
Bild: 1:1,66 (16:9 anamorph)
Laufzeit: 119 Minuten
Extras: US-Audiokommentar von Andrzej Zulawski und Daniel Bird (dt. UTs), Dokumentation mit aktuellen Interviews von Andrzej Zulawski, Marie-Laure Reyre (Produzentin), Andrzej Jaroszewicz (Kamera) und Frederic Tuten (Koautor) (dt. und engl. UTs´) [51:40 Min.], Bildergalerie (32 Filmfotos), Filmtrailer [02:37 Min.], Booklet mit einem Grußwort von Andrzej Zulawski, einem Text von Jörg Buttgereit, einem Text von Daniel Bird und einem Text von Marcus Stiglegger zu Zulawskis Gesamtwerk (farbig, 48 Seiten)



10/10
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jogiwan
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Re: Possession - Andrzej Zulawski

Beitrag von jogiwan »

„Possession“ ist ein absolut einzigartiges Werk, ein Horror-Drama, dass auch nach 27 Jahren seiner Entstehung nichts von seiner verstörenden Kraft verloren hat. Ein Film mit einer emotionalen Wucht, wie sie kaum in Worte zu fassen ist und den aufgeschlossenen Zuschauer trotz seiner schwer-zugänglichen Geschichte wohl auch nach dem Abspann noch weiter beschäftigen wird. Leicht wird es dem Zuschauer während der knapp zweistündigen Laufzeit jedenfalls nicht gemacht und wer sich einen typischen Achtziger-Jahre- Monster-Horrorstreifen mit einer durchgehenden Logik, Splatter und einer Auflösung erwartet, ist bei Andrzej Zulaswki an der komplett falschen Adresse. Doch auch wenn man vieles nicht versteht und bei der ersten Sichtung wohl teils ein großes Fragezeichen zurückbleibt, so kann man sich der Anziehungskraft dieses filmisches Kunstwerkes wohl kaum entziehen. „Possession“ ist kontroverses Kunstkino der allerbesten Sorte mit grandiosen Darstellern und einer brillanten Inszenierung, das sich mit seinen unbequemen Themen in die Köpfe der Zuschauer bohrt, diese hoffnungslos verstört und anschließend ratlos zurücklässt. Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass Zulaswki mit diesem Werk seiner Zeit weit voraus war. Die VÖ lässt ebenfalls keine Wünsche offen und daher kann es an dieser Stelle dann auch nur eine Wertung geben: 10/10 Punkten
it´s fun to stay at the YMCA!!!



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Arkadin
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Re: Possession - Andrzej Zulawski

Beitrag von Arkadin »

Grandioser Film! Meisterwerk - Punkt.
Allein die Kameraarbeit ist zu dahinschmelzen. Dann diese wunderbare morbide, ungesunde Atmosphäre, die erschreckend großartige schauspielerische Leistung der Adjani (Stichwort: Geburtsszene im U-Bahnhof), Berlin und ein metaphernreiches Drehbuch, das nichts erklärt und dem Zuschauer genug Freiraum für eine eigene Interpretation lässt... großartig. Ich habe neulich Zulawskis "Drei Gesichter der Nacht" gesehen und möchte diesen hier auch wärmstens empfehlen. Trotz eines völlig anderen Themas (polnischer Widerstand im 2. Weltkrieg), kann der Film durchaus als Vorstudie zu "Possession" gesehen werden. Und Zuhause warten noch "Diabel" and "Der silberne Planet" :) Ich freue mich! Kennt jemand schon seinen "Schamanen"-Film von 1996 (Szamanka)?
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Blap
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Re: Possession - Andrzej Zulawski

Beitrag von Blap »

Die Zeit der Geständnisse:

Als ich damals -es muss 1984 gewesen sein- Frau Adjani in "Ein mörderischer Sommer" sah, war ich auf den ersten Blick verliebt. Es muss wohl ihrem Blick, den kurzen Kleidern und den High Heels gelegen haben. :lol:

Ich erinnere mich noch, dass meine damalige Stoßdame ziemlich sauer reagiert hat, weil ich wie in Hypnose vor der Glotze hing!

"Possession" muss ich mir wohl tatsächlich noch zulegen, es hilft ja nichts...
Das Blap™ behandelt Filme wie Frauen
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buxtebrawler
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Re: Possession - Andrzej Zulawski

Beitrag von buxtebrawler »

An intellektuellem Geschwurbele bezüglich Zulawskis Werk aus dem Jahre 1981 kann und möchte ich mich nicht beteiligen, deshalb versuche ich einfach mal, zu abstrahieren: Was Zulawski mit „Possession“ erschaffen hat, ist zunächst einmal ein intensives, emotionales, anscheinend autobiographisch geprägtes Beziehungsdrama, das die Gefühlswelt ihrer Protagonisten, Sam Neill als Mark und Isabelle Adjani als Anna, nach außen kehrt und deren Extreme auslotet. So liefern sich die schöne Adjani und der ausdrucksstarke Neill heftigste Gefühlsausbrüche und Streitereien, die in körperlicher Gewalt, Verzweiflung, Verwahrlosung und Selbstverletzung münden. Sozusagen ein Extrembeispiel für das Gefühlschaos, das eine uneinvernehmliche Trennung mit sich bringen kann. Die schauspielerischen Leistungen, insbesondere Adjanis, sind dabei im wahrsten Sinne des Wortes der reinste Wahnsinn. In erschreckendem Ausmaße und bis an ihre Grenzen gehend eruptiert und explodiert sie und setzt damit einen überdeutlichen Kontrastpunkt zu ihrem attraktiven Äußeren. Unvergesslich geriet dabei ihre Fehlgeburtsszene in einem U-Bahn-Tunnel, die ihr nun wirklich alles abverlangte. Die Kulissen des geteilten Berlins mitsamt seiner Mauer, Grenzpolizisten etc. unterstützen symbolisch die Trennungsthematik der Handlung und sorgen mit ihren menschenleeren Straßen und ganz eigenen, ungemütlichen, leblosen Ästhetik für eine unbehagliche Atmosphäre. Als gäbe es keinen Ausweg aus der Mauerstadt, ebenso wenig wie aus der eigenen Gefühlswelt. Doch dabei belässt es Zulawski nicht, sondern erweitert seinen Film um surreale und groteske Elemente, allen voran einen schleimigen Kopffüßler, den man eher in einem Horrorfilm vermutet hätte sowie eine Doppelgängerthematik, die schwer an alte Science-Fiction-Paranoia-Streifen à la „Die Dämonischen“ erinnert. So richtig verstanden habe ich das alles nicht, soll man aber vermutlich auch nicht auf Anhieb, sondern sich eher in Hinsicht auf Interpretationsmöglichkeiten das Resthirn zermatern. Inwieweit das zielführend wäre, sei einmal dahingestellt, doch soviel sei gewiss: Mit seiner mutigen, einzigartigen Mischung aus „Arthouse“-Kino und diesem Bereich eigentlich eher fremden Zutaten erschuf Zulawski mithilfe seiner großartigen Schauspieler ein zwar etwas sperriges, aber umso faszinierenderes Werk, das den offenen, interessierten Zuschauer in seinen Bann zieht und ein echter Tipp für Freunde des ungewöhnlichen Filmerlebnisses ist. Laut Zeitzeugen fiel das Bild Berlins, das „Possession“ zeigt, zudem überaus authentisch aus, weshalb es für Liebhaber von Zeit- und Lokalkolorit ebenfalls von Interesse sein dürfte.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Slim Naughton
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Re: Possession - Andrzej Zulawski

Beitrag von Slim Naughton »

Hier das Fazit unserer Rev:

„Possession“ ist der erste Streifen, den Andrzej Zulawski realisierte, nachdem er Polen den Rücken gekehrt hatte. Laut eigenen Bekundens flossen Frust über das Scheitern seines letzten, ambitionierten polnischen Projekts „Der silberne Planet“ und das Ende seiner Ehe in die Geschichte ein. So sind beispielsweise die Figuren Anna und Heinrich wohl eng angelehnt an Zulawskis Ex-Frau und deren neuen Lover.
Herausragend an dem Film ist die eigenartige, surreale Berlin-Atmo: So bewegen sich die Protagonisten durch ausgestorbene Straßen, fahren in menschenleeren U-Bahnen und durchqueren verwaiste Bahnhöfe. Fast die einzigen Menschen, die neben den handelnden Personen zu sehen sind, sind wahrscheinlich echte DDR-Grenzer jenseits der Mauer, die das Geschehen mit Ferngläsern beobachten. Berlin wird so zu einem geradezu hermetisch abgeschlossenen Raum, was zusammen mit dem überschaubaren Ensemble den Kammerspiel-Charakter des Films verstärkt. Dieser wird erst gegen Ende hin etwas gebrochen, wenn sich die Action aus dem Innern der Charaktere zunehmend nach außen verlagert.
Die Schauspieler agieren am oberen Limit, ohne Frage, was allerdings Banausen wie ich als seeeehr anstrengend empfinden können. Muss man halt mögen so was: Szenen wie die massiv ausgespielte, monströse Fehlgeburt, die Anna / Isabelle Adjani im U-Bahntunnel erleidet, sind bestimmt nicht jedermanns Sache. Überhaupt, die Leistung Isabelle Adjanis: Das ist bestimmt großartige Schauspielkunst, wirkt auf mich allerdings den entschiedenen Tick zu theatralisch und dick. Sam Neill als verunsicherter Mark, der sich immer tiefer in die Ereignisse verstrickt, ist geradezu wohltuend als fast schon ruhender Pol, während Heinz Bennent gerade noch die Kurve kriegt, nicht zu karikaturesk zu wirken.
Ein eigenwilliger Streifen.
untot
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Re: Possession - Andrzej Zulawski

Beitrag von untot »

Das ist einer von den wenigen Filmen, bei denen ich echt heilfroh war, als er vorbei war.

Nicht nur, das er gähnend langweilig gewesen ist, so war er zudem auch noch richtig, richtig nervig.

Nicht das mich verworrene Filme generell abschrecken, im Gegenteil, ich mag z.B. Lynchs Filme echt gern, aber was einem hier aufgetischt wird ist schlicht und einfach nur mies!

Der Film ist dermaßen übertrieben, ja fast schon hysterisch, das er einem bereits nach kurzer Zeit richtig auf den Keks geht.
Die Darstellungsweise ist sowas von überspitzt, ünnatürlich und überzogen, das es kaum auszuhalten ist.
Mich hat er irgendwie an Fassbinders Filme erinnert, die ich auch nur schwerlich ertragen kann.

Einziger Lichtblick ist Isabelle Adjani, deren schauspielerisches Können hier trotzdem lobend erwähnt werden sollte.

Allein deswegen kann ich mich zu 4 von 10 Punkten durchringen.
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buxtebrawler
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Re: Possession - Andrzej Zulawski

Beitrag von buxtebrawler »

untot hat geschrieben:Der Film ist dermaßen übertrieben, ja fast schon hysterisch, das er einem bereits nach kurzer Zeit richtig auf den Keks geht.
Die Darstellungsweise ist sowas von überspitzt, ünnatürlich und überzogen, das es kaum auszuhalten ist.
Übertreibung veranschaulicht :opa:

Ich weiß gar nicht, was du hast - ich finde es vollkommen normal, dass Frauen mit Oktopussen schlafen. :mrgreen:

Der Film hat halt eine stark surreale Note und ich kann mir gut vorstellen, dass er viele Geschmäcker nicht trifft, aber "schlicht und einfach nur mies" ist er nun wirklich nicht.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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untot
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Re: Possession - Andrzej Zulawski

Beitrag von untot »

buxtebrawler hat geschrieben:
untot hat geschrieben:Der Film ist dermaßen übertrieben, ja fast schon hysterisch, das er einem bereits nach kurzer Zeit richtig auf den Keks geht.
Die Darstellungsweise ist sowas von überspitzt, ünnatürlich und überzogen, das es kaum auszuhalten ist.
Übertreibung veranschaulicht :opa:
Zu viel Übertreibung schreckt ab und nervt einfach nur noch!

Ich weiß gar nicht, was du hast - ich finde es vollkommen normal, dass Frauen mit Oktopussen schlafen. :mrgreen:
Also ich auch!

Der Film hat halt eine stark surreale Note und ich kann mir gut vorstellen, dass er viele Geschmäcker nicht trifft, aber "schlicht und einfach nur mies" ist er nun wirklich nicht.
Für mich schon, gibt solche Filme, die einen einfach nur ankotzen.
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Salvatore Baccaro
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Re: Possession - Andrzej Zulawski

Beitrag von Salvatore Baccaro »

POSSESSION ist wohl mein zweitliebster Film überhaupt (nach Zulawskis LA FEMME PUBLIQUE und knapp vor seinem restlichen Oeuvre). Ich sah ihn sicherlich schon 25mal und bis jetzt ist die Faszination ungebrochen. Zulawski-Filme sind für mich mehr als nur Filme, eher Orte wie Bars oder Museen, die man immer mal wieder betritt, und wo man sich zwar nun nicht wirklich rundum wohlfühlt, aber die einem [mir] etwas einimpfen, eine regelmäßige Dosis von Inspiration, Verzückung, was auch immer, die ich gut gebrauchen kann. Dieser Mann ist ein Phänomen. Ich kenne keinen anderen Regisseur, der auf seine Weise das Vorurteil, das immer gerne gegen Film als Kunstform ins Feld geführt wird, dass das Kino der Literatur nämlich unterlegen sei, da es innere Vorgänge wie Gefühle oder Gedanken nicht adäquat und ohne Abstraktion umsetzen könne, überwindet. Bei Zulawski gibt es keine Grenze zwischen Innen und Außen. Die Figuren agieren ihre inneren Konflikte aus, bis zu dem Punkt, wo sie ihre Dämonen im wahrsten Sinne des Wortes auf die Welt bringen. Zulawski stellt das dar, was normalerweise überhaupt nicht darstellbar ist. Und die Art, wie er dies tut, berührt mich ungemein.
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