Black Glasses - Dario Argento (2020)

Bava, Argento, Martino & Co.: Schwarze Handschuhe, Skalpelle & Thrills

Moderator: jogiwan

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Salvatore Baccaro
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Re: Black Glasses - Dario Argento (2020)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Eine Kamerafahrt über die Anzeigetafel an einem Flughafenterminal nach unten, auf der die geplanten Flüge mit ihren Starzeiten, ihren Verspätungen, ihren Nummern veranschlagt sind. So beginnt Argentos Opus Magnum SUSPIRIA aus dem Jahre 1977; so endet Argentos jüngster Film OCCHIALI NERI aus dem Jahre 2022. Nahezu identisch ist die Einstellung, nur: In SUSPIRIA schwenkt die Kamera bei ihrer Senkbewegung ein bisschen nach rechts; in OCCHIALI NERI sinkt sie kerzengrade vor der Tafel Richtung Boden. Fulminanter ist die Kluft, die ansonsten zwischen den beiden Werken klafft: In SUSPIRIA scheut ein junger, wilder Regisseur sich vor keinen einzigen noch so verrückten ästhetischen Entscheidung, um einen Film zu drehen, der Genre-Kino und Avantgarde so eng verzahnt, dass es einzig Argentos Folgefilm INFERNO aus dem Jahre 1980 noch zu steigern wusste; in OCCHIALI NERI blickt ein Regisseur knapp über Achtzig auf ein Lebenswerk von etwa zwei Dutzend Regiearbeiten und etwa fünfzig Jahre Kunstschaffen zurück, und möchte, nach zehnjähriger Abstinenz und einer von Kritik und Publikum in Stücke gerissenen DRACULA-Adaption, offenbar so etwas wie einen versöhnlich stimmenden Schlusspunkt hinter sein Oeuvre setzen. Anders gesagt: In SUSPIRIA fährt die Kamera von der Flughafenanzeigetafel in eine magische Welt hinein, zusammengesetzt aus Jahrmarktskino, aus Schauermärchen, aus Cinéma Pur, aus M.C. Escher und verhexten Schäferhunden, denn SUSPIRIA ist ein Film der Möglichkeiten, von denen jede einzelne bis zum Grund ausgeschöpft wird; in OCCHIALI NERI fährt die Kamera über die Flughafenanzeigetafel aus einer naturalistischen Welt hinaus, zusammengesetzt aus wehmütig-nostalgischen Eigenzitaten, aus sattsam bekannten Versatzstücken des modernen Horrorthrillers, aus filmisch eher generisch inszenierten Flucht- und Verfolgungsszenen, aus Killerschlangen, entnommen irgendeinem beliebigen Asylum-Trash, die sowohl würgen wie zubeißen können, und auf Dich im Schilf außerhalb Roms lauern, denn OCCHIALI NERI ist ein Film, der seine Mechanismen von Anfang an offenlegt, der sich altersmilde gibt, introvertiert, zufrieden mit den kleinen Dingen.

Wir sind zu fünft. Meine Mitbewohnerin lacht mehrmals laut auf, sagt anschließend, dass ihr die Worte fehlen. Der Gastgeber gluckst anfangs noch einige Male, irgendwann schnaubt er bloß noch oder murmelt: Das kann er doch nicht ernstmeinen!? Meine Freundin verhält sich meist still, schlägt sich gegen Ende aber mehrfach die Hände vors Gesicht oder schüttelt den Kopf. Zwei weitere Freunde sitzen zu weit weg, als dass ich ihre Reaktionen während des Screenings hätte beobachten können. Anschließend fragt mich der eine: Nun, Herr Doktor, jetzt erklären Sie mir doch mal, was an diesem Film so besonders gewesen ist, so für mich als Laie?, und der andere sagt: Leichte Kost, aber unterhaltsam, und: Ich hab das Gefühl, er wollte einfach noch mal einen Film drehen, und Spaß haben, und was dabei herauskommt, ist erstmal zweitrangig.

Anfangs versuche ich mich ja wirklich noch, auf OCCHIALI NERI einzulassen. Ich liebe die Prologsequenz, die ein ganz kleines bisschen an das Finale von Michelangelo Antonionis L’ECLISSE erinnert, (worauf ich nicht zuletzt komme, weil Argento mit PROFONDO ROSSO ja ein Quasi-Giallo-Remake von Antonionis BLOW UP gedreht hat): Die Kamera rauscht unter Baumwipfeln dahin; eine Sonnenfinsternis rollt über einen römischen Vorort hinweg; sterile, stringente Architektur; Menschen auf Balkonen und Wiesen, ihre Gesichter geschützt von speziellen Brillen; unsere Protagonistin, die Edelhure Diana, fährt mitten in dieses Ereignis hinein; sie scheint nicht mitbekommen zu haben, welches Naturphänomen sich am Himmel abzeichnet; ohne Sichtschutz, bloß ihre schwarze Sonnenbrille auf der Nase, stolpert sie zu den Schaulustigen und guckt ins Firmament; um sie herum murmeln die Menschen: Sonnenfinsternisse, die hätten in früheren Zeiten nie etwas Gutes bedeutet, Weltuntergang sogar; die Stimmung ist elegisch, melancholisch, trotzdem bedrohlich; der Soundtrack pulsiert erst verhalten, wird dann immer lauter. Allein diese Szene empfinde ich glorreicher als die letzten drei, vier eigenständigen Argento-Spielfilme zusammengenommen.

Dann der erste Mord: Eine Prostituierte; eine Cellosaite; Sergio Stivalettis Vorliebe für offene Halswunden, aus denen das Blut nur so fontänengleich sudelt. Ein Portier des Hotels, wo die Tote soeben einen Kunden besucht hat, meint, sich an irgendwas erinnern zu können, was mit dem Mord in Zusammenhang stehen könnte: Nur was? Eine typische Giallo-Trope, - die dann aber ebenso bald leer verpufft wie die symbolträchtig aufgeladene Verwendung ausgerechnet einer Cellosaite oder solche selbstbezüglichen Manierismen wie der Kameraschwenk über die Hotelfront hinweg, deren Architektur ein wenig an die hexenverseuchten Gebäude in INFERNO erinnert.

In OCCHIALI NERI geht es in der Folge indes filmisch und inhaltlich eher generisch zu: Erneut recycelt Argento seine eigene güldene Vergangenheit, wenn er zu seinen Protagonisten die blindgewordene Diana sowie einen chinesischen Waisenjungen wählt, der ihr als verblüffend strategisch handelnder Helfer zur Seite steht. Dieselbe Konstellation gab’s ja schon in IL GATTO A NOVE CODE, - nur dass dort die komplexe Aufklärung einer Mordserie im Fokus stand, und sich Argento in OCCHIALI NERI erst gar nicht damit abgibt, irgendein Mysterium um die Identität seines Prostituiertenschlächters zu stricken: Der Typ heißt Matteo, hat einen nicht näher motivierten Hass auf Frauen, sitzt in seiner Freizeit in irgendeinem Kabuff, um Alexandre Ajas MANIAC-Remake zu schauen und zu koksen, verdient sich seine Brötchen als Hundezüchter – und fühlt sich von Diana herausgefordert, erst weil sie ihn wegen seines Zwingergeruchs zurückstößt, dann, weil sie einen von seinem weißen Lieferwagen provozierten Unfall überlebt hat, (wenn auch ohne Augenlicht), und die er für die keine neunzig Minuten dauernde Laufzeit nunmehr (manchmal wortwörtlich) aus dem Verkehr zu ziehen versucht. An ihrer Seite: Der angeblich siebenjährige Chin, (tatsächlich ist der Bub doch mindestens neun oder zehn!), dessen Eltern bei besagtem Unfall starben, eine süße Blindenhündin und Asia Argento als Blindencoach. Ebenfalls an ihrer Seite: Endlos ausgewalzte Szenen, in denen durch die finstre Nacht gestolpert wird; befremdlichste Entscheidungen von völlig gegen die Ratio handelnde Figuren; völlig blutarme Tötungsszenen diverser Kollateralschäden-Charaktere, die dem Film, meiner Meinung nach, gut und gerne eine FSK 16 hätten einbringen können.

Eine These zu Argentos Spätwerk lautet, dass der Maestro seine neueren Filme bewusst gegen die Publikumserwartungen inszenieren würde: Jeder lechzt nach einem zweiten SUSPIRIA, einem zweiten TENEBRE, einem zweiten OPERA, wenigstens – und er dreht dröge TATORT-Folgen wie IL CARTAIO, verhebt sich an Klassikern der Gruselliteratur wie DRACULA, demontiert gar den eigenen (Mütter-)Mythos wie in MOTHER OF TEARS. Soll OCCHIALI NERI eine Parodie sein? Manche Szenen soufflieren mir das ganz stark: Die narrativ völlig unmotivierten, tatsächlich in gröbstem Maße unfreiwillig komischen Killerschlangen habe ich ja bereits erwähnt. Ich könnte aber auch noch die himmelschreiende Ermordung einer Polizistin erwähnen, eine Szene, in der Diana und Chin gemeinsam mit einem Gewehr ihren Verfolger über den Haufen zu schießen versuchen, oder die Art und Weise, wie der Killer schließlich seinen Endgegner findet, (und die Argento, einmal mehr, direkt aus SUSPIRIA zitiert, Stichwort: Kaiserplatz; diesmal sind drei, vier Einstellungen sogar eins zu eins kopiert worden.) Andererseits verwendet Argento unfassbar viel Zeit darauf, uns vorzuführen, wie schwer es für Diana ist, sich blind in ihrem Alltag zurechtzufinden; er vergisst darüber, die Beziehung zwischen Chin und Diana auszugestalten, für weite Strecken den Thriller-Plot; er konfrontiert uns mit einer durchaus traurigen Schlussszene – alles Ingredienzien, die dagegensprechen, dass OCCHIALI NERI im Kern ein elaborierter Scherz sein soll. Aber puh, diese Schlangen, im Ernst!

Eine weitere These zu Argentos Spätwerk lautet, - und zwar meist von Kostverächtern vorgetragen -, dass schon Argentos Meisterstreiche wie PHENOMENA, PROFONDO ROSSO, TENEBRE unter tausend Logiklöchern, unter sinnbefreit agierenden Figuren, unter miesen Drehbüchern litten, dass all diese Defizite jedoch der gespreizte Stil übertünchte, mit dem der Maestro sie uns kredenzte. Somit hätten wir in OCCHIALI NERI tatsächlich so etwas wie ein Gerippe: Die Zeiten von taumligen Kamerafahrten sind lange vorbei, die Zeiten von schrillen Primärfarben, die Zeiten unterkühlter Bauhaus-Ästhetik oder schauerromantischer Schweizgebirge. Was bleibt: Löchrige Logik und verwirrte Figuren und Storys, bei denen man fortwährend fragen kann: Was will uns der Künstler damit sagen? Auch wenn ich diese These schon allein deshalb nicht teile, weil ich es kaum machbar finde, den Stil von der Substanz zu trennen – wo fängt das eine an?, wo hört das andere auf?, ist das Licht in SUSPIRIA, sind die Berge in PHENOMENA, sind die kühlen Räume in TENEBRE nicht Teil der Substanz? -, kommt mir OCCHIALI NERI wirklich wie ein Gerippe vor: Ein Film, aufs Basalste runtergebrochen. Ein Kammerspiel, eigentlich. Ein traumtänzerischer Beginn - und dann ein langes, ernüchterndes Erwachen mit dem einen, oder anderen Moment, bei dem sich mir die Bauchmuskeln verkrampfen, (Killerschlangen!)

Immerhin, die vergleichsweise häufigen positiven, wenn nicht gar euphorischen Kritiken im Netz sprechen dafür, dass es durchaus Leute gibt, für die OCCHIALI NERI so etwas wie eine Offenbarung darstellte: Von Referenzen an die römische Mythologie ist da die Rede, (von denen ich keine einzige finden konnte); davon, dass Argento sich in seinem möglicherweise letzten Film an der genre-eigenen Misogynie, an Phänomenen wie Inceltum und toxischer Maskulinität abarbeiten würde; davon, dass OCCHIALI NERI einen feministischen Empowerment-Prozess beschreiben würde, bei dem eine Frau, die während der Laufzeit alles genommen bekommt, von der Würde über das Augenlicht hin zu ihrer Selbstbestimmtheit, letztlich siegreich ihren Kopf aus der Schlinge zieht.

Nach der Vorstellung spricht mich eine Zuschauerin auf mein Shirt an: Ein Print mit einer Raumfahrer-Katze, angeblich Juri Gagarin, heißt es. Sie fragt, ob das von diesem oder jenem Designer sein, und zeigt mir sein Instagram-Profil, und ich habe keine Ahnung, wovon sie redet, denn, nein, das hab ich im Second-Hand-Laden im Magniviertel geschossen, und sie ist nach wie vor entzückt: Ehrlich, dieses Shirt ist besser als der Film, den wir eben gesehen haben. Kann ich ein Photo davon machen?!

P.S.: Abbitte an Bux: Es lief wider Erwarten tatsächlich die deutsche Synchronfassung, (inklusive extrem furchtbarer Asia-Argento-Stimme!)
Zuletzt geändert von Salvatore Baccaro am Mi 6. Jul 2022, 23:11, insgesamt 1-mal geändert.
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Adalmar
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Re: Black Glasses - Dario Argento (2020)

Beitrag von Adalmar »

Ich habe den Film kürzlich auch wider Erwarten doch noch im Kino sehen können und ihn als sehr spannend empfunden. Der eine oder andere unrealistisch-bizarre Moment hat mich dabei nicht gestört. Die beklemmende Wirkung, die es hat, jemandem zuzusehen, der von einem Mörder verfolgt wird, das ist meiner Ansicht nach immer noch eine große Stärke Argentos. Zudem erweist sich die Waldlandschaft gegen Ende als sehr atmosphärischer Schauplatz für das Finale. Die Balance zwischen der Darstellung des Lebens der erblindeten Protagonistin und dem grausamen Treiben des Killers ist durchaus gelungen. Die oft nur aus pulsierenden wiederkehrenden Tönen bestehende Filmmusik entpuppt sich als simpel, aber effektiv. Aus meiner Sicht knüpft der Film qualitativ in etwa an "Sleepless" an, mit anderen Worten der beste Argento seit ca. 20 Jahren.

Manche Kritikpunkte, die ich so gelesen habe, sind schon ziemlich seltsam. Z. B. heißt es, es würde an "Chemie" zwischen Diana und dem Waisenjungen Chin fehlen. Was genau wurde da erwartet? Ich für meinen Teil hätte es geradezu unpassend gefunden, wenn zwei introvertierte und zudem traumatisierte Figuren plötzlich ein herzliches Buddy-Verhältnis entwickelt hätte.
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Salvatore Baccaro
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Re: Black Glasses - Dario Argento (2020)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Adalmar hat geschrieben: Di 5. Jul 2022, 02:10 Aus meiner Sicht knüpft der Film qualitativ in etwa an "Sleepless" an, mit anderen Worten der beste Argento seit ca. 20 Jahren.
Das kann ich definitiv unterschreiben!

Wurden der Anfang von OCCHIALI NERI und das Finale von L'ECLISSE eigentlich tatsächlich im selben Vorortviertel Roms gedreht?!

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Adalmar
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Re: Black Glasses - Dario Argento (2020)

Beitrag von Adalmar »

Würde ja passen, Stichwort "eclisse" ...
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karlAbundzu
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Re: Black Glasses - Dario Argento (2020)

Beitrag von karlAbundzu »

Danke für eure Kritiken.
@salvatore du meinst Finsternis nicht Untergang, oder?
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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Salvatore Baccaro
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Re: Black Glasses - Dario Argento (2020)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

karlAbundzu hat geschrieben: Di 5. Jul 2022, 16:18 Danke für eure Kritiken.
@salvatore du meinst Finsternis nicht Untergang, oder?
Gewiss. Geändert. :D
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jogiwan
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Re: Dark Glasses - Dario Argento (2020)

Beitrag von jogiwan »

Mit der Sonnenfinsternis zu Beginn des Streifens ist „Dark Glasses“ eigentlich schon ganz gut umschrieben: viel Licht und auch viel Schatten im Spätwerk von Dario Argento, dass in vielen Punkten heimelig und vertraut wirkt, und sich dann mit seltsam anmutenden Szenen wieder selbst ein Bein stellt. Was in den Siebzigern mit surrealistischer Traumatmosphäre ja noch leichter durchging, kann man hier ja durchaus kritischer sehen und ein guter Geschichtenerzähler war Argento ja auch noch nie und auch die Figurenzeichnung war und ist ihm nicht so wichtig. Manche Momente sind durchaus spannend und schön gemacht und dann gibt es auch immer wieder Szenen, bei denen man sich fragen muss, wer ihm diese abkaufen soll. Stichwort unfähige Polizisten oder Wasserschlangen oder auch das verfolgte Opfer, dass keine Gelegenheit auslässt um auf sich aufmerksam zu machen. Aber als Fan seiner Werke sieht man das wohl etwas kritischer als andere Menschen und ich will „Dark Glasses“ auch nicht nur auf die negativen Punkte reduzieren. Manche selbst referenzielle Szenen, Ereignisse und auch die Musik lassen die Erinnerung an bessere Zeit aufleben und dennoch muss man akzeptieren, dass sich die Zeiten, der Publikumsgeschmack, Sehgewohnheiten und die Produktionsbedingungen einfach geändert haben und niemand was davon hat, wenn Filme aus vergangenen Jahrzehnten sklavisch nachgebastelt und imitiert werden. Argento probiert das mit „Dark Glasses“ auch gar nicht.
it´s fun to stay at the YMCA!!!



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italostrikesback
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Re: Dark Glasses - Dario Argento (2020)

Beitrag von italostrikesback »

Ich habe mir den Film nun 3 mal angesehen und bin durchaus auch ein Liebhaber, der Argento Filme ab 1990.

Spätestens nach der 3. Sichtung von "Dark glasses" wird mir bewusst, dass wir es hier mit dem besten Argento Film seit OPERA zu tun haben und dieser Film tatsächlich ein grandioses Alterswerk darstellt, dass sich vielen Fans erst mit mehreren Sichtungen eröffnen dürfte.

Bei der ersten Sichtung von "Dark glasses" musste ich mich erstmal wieder in der besonderen Welt von Dario Argento zurechtfinden aber bei wiederholter SIchtung wird man sowas von belohnt.



Zu einem späteren Zeitpunkt mehr.
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sergio petroni
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Re: Black Glasses - Dario Argento (2020)

Beitrag von sergio petroni »

Salvatore Baccaro hat geschrieben: Mo 4. Jul 2022, 18:58 Ich liebe die Prologsequenz, die ein ganz kleines bisschen an das Finale von Michelangelo Antonionis L’ECLISSE erinnert, (worauf ich nicht zuletzt komme, weil Argento mit PROFONDO ROSSO ja ein Quasi-Giallo-Remake von Antonionis BLOW UP gedreht hat)
Hierzu Argento im Interview mit "Deadline":
Gleichzeitig soll die Sonnenfinsternis auch eine Hommage an Michelangelo Antonioni sein.
Sein Film "L'ECLISSE" gehört für mich zu den besten Filmen überhaupt, und Antonioni ist
sicher einer der größten Regisseure. Wir haben auch einige Szenen an den gleichen Orten
wie damals Antonioni gedreht.
DrDjangoMD hat geschrieben:„Wohl steht das Haus gezimmert und gefügt, doch ach – es wankt der Grund auf dem wir bauten.“
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sergio petroni
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Re: Black Glasses - Dario Argento (2020)

Beitrag von sergio petroni »

Ein Killer geht um in Rom. Seine Opfer: Prostituierte.
Sein neuestes Ziel: Diana. Doch Diana kann flüchten, wird aber von dem Killer gnadenlos verfolgt
und in einen Unfall gedrängt. Dabei verliert Diana ihre Sehkraft und der junge Chin seine Eltern.
Fortan sind Diana und Chin in einer Art Schicksalsgemeinschaft miteinander verbunden.
Ihr Zusammenhalt wird auf die Probe gestellt, denn der Killer ist weiter hinter Diana her......

Da ist er nun. Nach zehn Jahren Abstinenz der neueste Film von Dario Argento. Und wenn man ihm
glauben darf, noch lange nicht sein letzter. Wie üblich präsentiert Argento uns eine Mördergeschichte,
die sowohl im Ganzen (z.B. die Motivation des Täters) als auch im kleinen (z.B. der hanebüchene Mord
an den beiden Polizisten) auf allzu großen Realitätsbezug pfeift. Soweit so gut, soweit so gewohnt.
Es scheint sich allerdings bei Argento eine gewisse Altersmilde eingeschlichen zu haben.
Das Paar Diana und Chin soll uns menschlich nähergebracht werden, die Charaktere bekommen
bei weitem mehr Leben eingehaucht als frühere Protagonisten. Als Beispiel: Das zu Diana/Chin reziproke Paar
Lori und der blinde Franco (Karl Malden) in "Die neunschwänzige Katze".

Überhaupt geht es wie eigentlich immer bei Argento um das Sehen/nicht Sehen können/Sehen müssen.
Insofern überragend die stimmungsvolle Eingangssequenz der beginnenden Sonnenfinsternis über Rom, die Dianas
Schicksal zugleich vorwegnimmt. Als sie mit einer normalen Sonnenbrille Richtung Sonne schaut,
scheint sie sich keinerlei Sorgen um ihr Augenlicht zu machen. Kurze Zeit später hat sie es verloren.
Danach folgen stimmungsvolle Aufnahmen aus Roms Straßen, architektonisch gelungene Gebäude vorweg
und einige rohe Morde. Hierbei ergeht sich Argento dankenswerterweise nicht in einem Blood-and-Guts-Überbietungswettbewerb.
Die zweite Hälfte spielt in einem Rom vorgelagerten Wäldchen, zumeist bei Dunkelheit. Dies scheint doch tatsächlich
dem geringen (oder während der Dreharbeiten ausgehenden) Budget geschuldet. Die vielfach erwähnten
deplatzierten Wasserschlangen reihen sich nahtlos unter Insekten, Raben oder auch Ratten ein.
Und natürlich darf ein auf Kehlen fixierter Hund mit einer entscheidenden Szene nicht fehlen.

Ein wie ich finde durchaus versöhnliches Alterswerk Argentos. Natürlich dreht Argento keinen "Deep Red"
mehr. Argento wird älter, verändert sich. Wir desgleichen. Und so wie wir uns das zugestehen bzw. eingestehen müssen,
müssen wir das ihm genauso zugestehen.
7/10
DrDjangoMD hat geschrieben:„Wohl steht das Haus gezimmert und gefügt, doch ach – es wankt der Grund auf dem wir bauten.“
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