Die Farben der Nacht - Sergio Martino (1972)

Bava, Argento, Martino & Co.: Schwarze Handschuhe, Skalpelle & Thrills

Moderator: jogiwan

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buxtebrawler
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Re: Die Farben der Nacht - Sergio Martino (1972)

Beitrag von buxtebrawler »

„Verrückte Männer verfolgen uns Frauen seit der Steinzeit!“

Auf Italo-Genre-Regisseur Sergio Martinos Giallo-Klassiker „Der Killer von Wien“ und „Der Schwanz des Skorpions“ folgte 1972 der stilistisch anders gelagerte Mystery-/Okkult-Giallo „Die Farben der Nacht“, abermals mit Edwige Fenech in der weiblichen Hauptrolle. Wie bei den zuvor genannten war Ernesto Gastaldi am Drehbuch beteiligt, für die Kamera indes war nicht mehr Emilio Foriscot, sondern das Duo Miguel Fernández Mila und Giancarlo Ferrando zuständig.

„Willst du wirklich geheilt werden?“

London: Die attraktive Jane Harrison (Edwige Fenech, „Der Killer von Wien“) hat bei einem Autounfall ihr ungeborenes Kind verloren und wird seitdem von furchtbaren Alpträumen und Visionen geplagt, die ein immer wiederkehrendes Motiv aufweisen: Sie wird von einem unbekanntem Mann (Ivan Rassimov, „Planet der Vampire“) mit stahlblauen Augen und stechendem Blick verfolgt, der es mit einem Messer auf sie abgesehen hat. Auf Rat ihrer Schwester Barbara (Nieves Navarro alias Susan Scott, „Frauen bis zum Wahnsinn gequält“) nimmt sie psychiatrische Hilfe in Anspruch, doch auch Psychiater Dr. Burton (George Rigaud, „Nackt über Leichen“) steht vor einem Rätsel. Ihr Freund, der Pharmazievertreter Richard Steele (George Hilton, „Der Schwanz des Skorpions“), war ohnehin gegen den Psychiaterbesuch und verabreicht ihr daraufhin Vitaminpillen. Doch als Jane ihre neue Nachbarin Mary Weil (Marina Malfatti, „Das Rätsel des silbernen Halbmonds“) kennenlernt und ihr ihr Leid klagt, lässt sie sich überreden, an einem Sabbat, einer Art schwarzen Messe, teilzunehmen, um Heilung zu erlangen. Doch von nun an scheinen sich ihre Horrorvisionen in gefährliche Realität zu verwandeln. Wird sie paranoid oder treibt man ein böses Spiel mit ihr?

„Das ist nicht wie beim Kino. Man kann nicht einfach zu spät kommen!“

Die alptraumhaft surreale Eröffnungssequenz entpuppt sich als Horrorvision Janes, die auch im weiteren Verlauf immer wieder visualisiert werden, zum Teil in Zeitlupe und mit Kommentar unterlegt. Edwige Fenech spielt die reifeverzögerte, kindlich-naive Jane mit unvergleichlicher Hingabe und gewohnt freizügigem Sex-Appeal. Kruder früher Höhepunkt des Films ist der Sabbat, auf dem Tierblut getrunken wird und man Jane sexuell belästigt und übergriffig wird. Dafür scheinen ihre Alpträume ein Ende zu haben – jedoch fühlt sie sich nun in der Realität verfolgt, was einen weiteren Sabbat-Besuch nach sich zieht. Dort lässt sie sich vom Guru beschlafen und wird zu ihrem Entsetzen Zeugin, wie Mary ihrem Leben ein Ende bereitet, indem sie sich in einen Dolch stürzt! Als ihr Verfolger sich zu allem Überfluss als Anhänger jener teuflischen Sekte zu erkennen gibt, versucht sie verzweifelt, deren Zugriff zu entkommen. Die – im wahrsten Wortsinn – unglaubliche Kameraführung unterstützt massiv die Paranoia und geht mit Bruno Nicolais abwechslungsreichem, psychedelischem und atmosphärischem Soundtrack eine unheilvolle Symbiose ein, die aus „Die Farben der Nacht“ einen unheimlichen Psychotrip machen.

„Du kannst nicht fliehen, Jane!“

Misstrauen und Verzweiflung reichen sich die Hand, Traum und Wirklichkeit, Wahn und Wahrheit verschwimmen ineinander und können auch vom Publikum nicht mehr eindeutig voneinander abgegrenzt werden. Das macht die Handlung aber auch ein bisschen beliebig und „Die Farben der Nacht“ damit nicht so genial wie Martinos Meisterwerk „Der Killer von Wien“. Dafür verarbeiten Story und Stil aber mitunter ziemlich originell Einflüsse aus „Rosemaries Baby“ und Artverwandtem und werden zu einer extravaganten und exaltierten, übertriebenen und gialloesk grellen audiovisuellen Reise in andere Sphären, die von Martinos Kriminal-Gialli weit entfernt liegen. Ein schmackhafter Cocktail aus Tierblut, Sleaze und vielen Umdrehungen…
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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karlAbundzu
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Re: Die Farben der Nacht - Sergio Martino (1972)

Beitrag von karlAbundzu »

Die Farben der Nacht DVD
Thriller 1972. Eine Frau durchlebt ein Trauma, muss sich zwischen Vitamintabletten, Psychotherapeut und schwarze Messe entscheiden, was hilft. Hilft alles nix gegen die Haluzinationen, die Freundin falsch und ein Killer mit blauen Augen!
Regie: Martino, Spieler: Fenech, Hilton, Rassimov (mit blauen Kontaktlinsen!), Scott, Musik: Nicolai. Eigentlich reicht das ja schon als Qualitätsmerkmal. Ok, die Edwige hat hier ein bißchen wenig zu tun, ist eigentlich die ganze Zeit die Verschreckte. Und auch die anderen Figuren bergen wenig Tiefe, das Buch ist jetzt nicht oberste Kajüte.
Aber der Film begeistert trotzdem woanders: Kamera sehr groß, schöne Fahrten, Farben und Winkel. Nicolais Musik immer am Rand zum Wahnsinn, wenn es passt, prima. Die Ausstattung in den 70er Zimmern und dem okkulten Schloß, wow. Gut, die schwarze Messe hätte ein wenig grausliger sein können als einmal eine Kussorgie mit Katzenschlachtung im off, und angedeuteter Massensex - vergewaltigungsszene. Dafür immer wieder gelungen die Vermischung aus realem und halluzinierten.
Ein kleiner schneller Rausch, eher psychedelischer Okkultthriller als Giallo.
Sehr gut.

PS: Deutsche Synchro voll doof. Leider nur deutscher und englischer Ton ohne UT auf der DVD.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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Il Grande Racket
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Re: Die Farben der Nacht - Sergio Martino (1972)

Beitrag von Il Grande Racket »

karlAbundzu hat geschrieben: PS: Deutsche Synchro voll doof. Leider nur deutscher und englischer Ton ohne UT auf der DVD.
Und die englische leider auch. Ganz großes Manko dieses ansonsten feinen Films. Auf der Blu-ray ist zum Glück der O-Ton mit UTs enthalten.
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buxtebrawler
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Re: Die Farben der Nacht - Sergio Martino (1972)

Beitrag von buxtebrawler »

Erscheint voraussichtlich am 05.02.2022 noch einmal bei X-Rated auf Blu-ray in großer Hartbox ("Cover D"):

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Extras:
- Audiokommentar von Filmwissenschaftler Prof. Dr. Marcus Stiglegger
- Internationaler Trailer
- Italienischer Kinotrailer
- US Kinotrailer
- Interview mit Regisseur Sergio Martino
- animierter HD-tenebrarum-booklet-Film von Martin Beine über Sergio Martino und seinem Schaffen im Bereich „Giallo“
- Kurz-Spot 1
- Kurz-Spot 2
- 60seitiger original italienischer Fotoroman
- Isolierter Titeltrack „Sabba“
- weltweites Werbematerial
- Internationaler Vor- und Abspann

Bemerkung:
Limited Edition auf 44 Stück

Quelle: https://www.ofdb.de/view.php?page=fassu ... vid=115698
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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sid.vicious
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Re: Die Farben der Nacht - Sergio Martino (1972)

Beitrag von sid.vicious »

Ich hatte mal eine Marketing DVD von dem Film und fühlte mich während der Sichtung gelangweilt. Ich hatte und habe eine X-Rated Hartbox von dem Film und fand ihn während der HD-Sichtung okay. Nun habe ich mir den Film vor drei Tagen noch mal angeschaut und fand ihn tatsächlich gut. Klar, die deutsche Synchro klingt alles andere als überzeugend, aber trotzdem bin ich bestens in den Film rein gekommen und konnte bis zum Ende mitfiebern.

Die Besetzung finde ich sehr gut gewählt. Eigentlich alles was das Herz begehrt, denn Fenech sieht in den Film wirklich ganz toll aus.
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