Giochi erotici di una famiglia per bene - F. degli Espinosa (1975)

Bava, Argento, Martino & Co.: Schwarze Handschuhe, Skalpelle & Thrills

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sergio petroni
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Giochi erotici di una famiglia per bene - F. degli Espinosa (1975)

Beitrag von sergio petroni »

GIOCHI EROTICI DI UNA FAMIGLIA PER BENE

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Originaltitel: Giochi erotici di una famiglia per bene

Herstellungsland/-jahr: ITA 1975

Regie: Francesco degli Espinosa

Darsteller: Donald O'Brien, Erika Blanc, Malisa Longo, Maria D'Incoronato, Gianni Pulone, Carla Mancini

Story:
Professor Rossi (O'Brien) kehrt eines Abends früher als erwartet nach Hause zurück und überrascht
seine Frau Elisa (Longo) beim Liebesspiel mit einem Lover, der gerade noch so unerkannt entkommen
kann. Rossi schmiedet daraufhin den Plan, seine Gattin mit Gift um die Ecke zu bringen und ihre
Leiche in einem Fluß verschwinden zu lassen. Gedacht, getan.
Kurze Zeit später trifft Rossi die Prostituierte Eva (Blanc) und beginnt mit ihr eine Beziehung.
Als dann Rossis Nichte Barbara auftaucht und anfängt Nachforschungen über Elisas Verschwinden
anzustellen, beginnt ein tödliches Verwirrspiel um Schein und Sein...
DrDjangoMD hat geschrieben:„Wohl steht das Haus gezimmert und gefügt, doch ach – es wankt der Grund auf dem wir bauten.“
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sergio petroni
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Re: Giochi erotici di una famiglia per bene - F. degli Espinosa

Beitrag von sergio petroni »

Sehr sleaziger Thriller mit Donald O'Brien in der männlichen Hauptrolle, der sich gleich
drei attraktiven Frauen (u.a. Erika Blanc) gegenüber sieht. Wie im richtigen Leben
fällt es auch unserem Donald schwer herauszufinden, was die Damen eigentlich wollen
bzw. wie sie überhaupt ticken.
Kein Wunder sucht er Zuflucht in Hochprozentigem und weiß bald nicht mehr,
was Realität und was Einbildung ist. Die ein oder andere Überraschung
sei garantiert.
Nicht umsonst zeichnet Renato Polselli für das Drehbuch verantwortlich.

Völlig untergegangener kleiner Thriller, der beileibe nicht zur Oberklasse gehört,
den aber jeder Italophile mal gesehen haben sollte.
6/10
DrDjangoMD hat geschrieben:„Wohl steht das Haus gezimmert und gefügt, doch ach – es wankt der Grund auf dem wir bauten.“
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Maulwurf
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Re: Giochi erotici di una famiglia per bene - F. degli Espinosa

Beitrag von Maulwurf »

Überraschungsarmer Krimi um einen Mann (Donald O’Brien) und seine von ihm ermordete Frau (Malisa Longo), um eine züchtige Hure (Erika Blanc) und um Erscheinungen von Ehefrauen die eigentlich längst tot sind. Und rund um die Grimassen von O’Brien und die nicht vorhandenen Blößen von der Erika gibt es noch jede Menge eigenartige Dialoge von Renato Polselli und stimmungsvolle Einblicke in die Industriebrachen rund um Rom. Nett, aber sehr sehr eigen und eher für Liebhaber des Genres. Und die erotischen Spiele habe ich irgendwie auch nicht gesehen …
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
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Maulwurf
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Re: Giochi erotici di una famiglia per bene - F. degli Espinosa (1975)

Beitrag von Maulwurf »

(... und in etwas ausführlicher liest sich das dann so:)

Giochi erotici di una famiglia per bene
Giochi erotici di una famiglia per bene
Italien 1975
Regie: Francesco Degli Espinosa
Donald O'Brien, Erika Blanc, Malisa Longo, Maria D'Incoronato, Gianni Pulone, Carla Mancini


Giochi erotici di una famiglia per bene.jpg
Giochi erotici di una famiglia per bene.jpg (153.89 KiB) 327 mal betrachtet
OFDB
Italo-Cinema (Gerald Kuklinski)

Was macht der Vorsitzende des Ausschusses zur Abschaffung der Scheidung, wenn er seine Frau beim Seitensprung erwischt, und beide bei der Gelegenheit feststellen, dass sie eh nicht mehr miteinander können? Scheidung geht ja nicht, höchstens dass die Trennung einseitig und mit letalem Ende betrieben wird. Riccardo ermordet also seine Frau Elisa und lässt die Leiche verschwinden. Anschließend bändelt er mit Barbara, der Nichte seiner Frau, an, und versucht gleichzeitig die Hure Eva längerfristig an sich zu binden. Was vor allem Eva mächtig stört ist, dass Riccardo Halluzination hat. Dass er ständig meint seine Frau zu sehen, obwohl diese doch, so sagt Riccardo es zumindest, fort ist. Und nicht mehr wiederkommt. Dann sind da auch noch ständig diese Telefonanrufe, die von Elisa kommen könnten. Und ein vermummter Mann mit Vollbart beobachtet Riccardo unaufhörlich. Dieser Fremde war ja auch schon da, als Riccardo mit der Leiche …?

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Auf dem Papier klingt das soweit ganz passabel. Ein Giallo ohne größere Überraschungen, oder? So sollte man meinen, aber was die Inhaltsangabe verschweigt ist, dass Geschichte und Drehbuch von Renato Polselli sind! Was in der Wirklichkeit bedeutet, dass zwischen den Halluzinationen, den weit aufgerissenen Augen von Donald O’Brien und dem Konsum jeder Menge Whisky philosophische Dialoge geschwungen werden, die mich in ihrer Komplexität und ihrer gleichzeitigen Nichtigkeit schwer an Polsellis LUST erinnerten. Ein Beispiel: Riccardo hat seine Frau vergiftet und fährt sie (quicklebendig!) nun irgendwo in die Walachei. Das Auto steht auf einem Stückchen Ödland, man redet. Außen wird es Tag, vom Auto nach außen gesehen ist es allerdings immer noch stockfinstere Nacht. „Du fragst mich, warum ich das getan habe? Ich sollte sagen dass es mir leid tut … Tut es mir auch, aber nicht das was getan habe, sondern das was ich nicht tun konnte. Dich zu verlassen, Dein Leben und Deine Stellung zu ruinieren … Ich hasste Dich nicht genug, und konnte mich aus dieser unerträglichen Sklaverei nicht befreien. Diese Idee beherrschte mich und trieb mich in den Wahnsinn. Ich musste mir beweisen, dass ich zumindest Herrin meines eigenen Körpers war. Ein wunderschöner Körper.“ Sie lächelt lasziv, während er immer tiefer ins Grübeln gerät. Nein, an dieser Stelle nicht mehr, denn da kommt Lust in seine Augen! „Lass uns Liebe machen. Bitte.“ „Willst Du wirklich?“ „Ja.“ Er beginnt sie zu streicheln und auszuziehen. Sie schaut ihn schwärmerisch an und genießt sichtlich seine Berührung. Er küsst sie, berührt ihre Brüste und beißt sie vampirartig in den Hals. Sie stößt ihn fort. Er grinst, so wie Donald O’Brien nun mal grinst. Und JETZT fängt sie dann auch an zu sterben …

Ja da höre ich den Polselli heraus, und wer etwas für seine Filme übrig hat darf auch hier nicht vorübergehen. Zwar hat es dieses Mal praktisch keine nackten Frauen (Malisa Longo darf sich einmal extrem aufreizend präsentieren, aber Erika Blanc hat seltsamerweise keine einzige Nacktszene! Die Liebesszene mit O’Brien schaut mir schwer nach einem Körperdouble aus.), und im Keller ist auch niemand angekettet. Dafür wird aber reichlich gerne Pronto! in das Telefon geschrien, und der Schnitt, und die damit einhergehende Fragmentierung der wenigen Handlung, ist eindeutig von Polselli inspiriert.

Warum ich da so drauf herumreite? Weil der Film sonst nicht mehr viel zu bieten hat! Die Krimihandlung, beziehungsweise die Auflösung des Rätsels, ist praktisch von Anfang an zu erraten, und der Schluss ist geradezu denkwürdig peinlich, um nicht zu sagen idiotisch. Keiner der Darsteller, O‘Briens Gesichtsmuskulatur vielleicht mal ausgenommen, reißt sich ein Bein aus, sondern spult sein Standardprogramm ab, die Musik mäandert zwischen einer Verballhornung von Beethovens Fünfter und ein paar anderen merkwürdigen Notenabfolgen hin und her, und irgendwie wirkt der Film genauso farblos wie die Bilder der gesehenen Kopie.

Bild Bild

Trotzdem, da ist was, und das liegt an den Schauspielern und, das hatten wir schon einmal, am Schnitt. Donald O’Brien mag kein genialer Schauspieler gewesen sein, aber eine Charakterfresse, die hatte er wahrlich. Und die wirkt in GIOCHI so charakterfressig wie selten, vor allem in den Momenten wo er einfach nur ernst schaut. Mit ein wenig mehr Talent gesegnet hätte der Mann durchaus ein Star werden können. Auch Erika Blancs Ausstrahlung kommt gut zur Geltung, gerade weil sie sich nicht auszieht. Was für ein Unterschied zum im gleichen Jahr entstandenen TODESKREIS LIBELLE, wo sie im Lauf des Films immer nackter und immer erotischer wird, gleichzeitig schauspielerisch aber blass bleibt, auch wenn die Chemie zu Partner Paul Naschy offensichtlich stimmt. In GIOCHI bleibt mindestens das Handtuch immer über den Brüsten, dafür lässt Frau Blanc hier ihrem Charme freies Spiel und kann so erstklassig wirken. Was für eine ausgesprochen sympathische Frau, auch ganz ohne Nuditäten. Vielleicht gerade deswegen?

Tja, und dann ist da immer noch dieser Schnitt. Eindrucksvoll etwa der Moment, wenn Eva und Riccardo kuscheln, Eva mit ihrem Kopf zwischen Riccardos Beine rutscht, und Kamera und Schnitt im Zusammenspiel aus einer behaarten Brust, O’Briens aufgerissenen Augen und einem hin- und hergezoomten Plattenspieler eine apokalyptische Vision eines Blowjobs erzeugen. Oder zumindest etwas, was Seekrankheit ziemlich nahe kommt. Und die Kuschelmusik passt auch nicht ganz zu dem Bild von Frank Sinatra auf dem Label der Platte. Ach ja, die fast nackte Elisa wird auch noch dazwischengeschnitten und klimpert lasziv mit den Wimpern …

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Genrefilme aus Italien sind manchmal wie früher Punk: Egal ob Du es kannst oder nicht, nimm einfach eine Kamera in die Hand und leg los. GIOCHI ist das Ergebnis genau dieser Philosophie – Mach einfach, es wird schon etwas dabei herauskommen. Und in 50 Jahren wird es genügend Deppen geben, die denken dass das was Großartiges sei … Ein merkwürdiges Stückchen Zelluloid, in dem weder eine anständige Familie noch größere erotische Spielereien vorkommen, und welches für Fans von Erika Blanc und Malisa Longo sicher sehenswert ist, ansonsten aber nur Hardcore-Fans des Genres empfohlen werden kann. Und Polselli-Jüngern.

5/10
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
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