Die weiße Göttin der Kannibalen - Sergio Martino (1978)

Grusel & Gothic, Kannibalen, Zombies & Gore

Moderator: jogiwan

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jogiwan
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Re: Die weiße Göttin der Kannibalen - Sergio Martino (1978)

Beitrag von jogiwan »

Abenteuerfilm von Genre-Routinier Sergio Martino mit Kannibalen und ein paar anderen Geschmacklosigkeiten, der auch inhaltlich alles bietet, was man sich von einem derartigen Streifen erwartet. Die Geschichte über einen vermissten Forscher im undurchdringbaren Dschungel von Neu Guinea kommt einem ja gleich einmal bekannt vor und bietet am Ende doch noch einen kleinen Twist, ehe die Kannibalen ins Spiel kommen und dem Schmodder gehuldigt wird. Ein paar ausgedehnte Tiersnuff-Szenen und andere „Schweinereien“ passen aber nicht so gut in Bild und schmälern etwas die Freude an der Sichtung, aber dafür punktet „Die weiße Göttin der Kannibalen“ auch mit richtigem Urwald-Feeling und Frau Andress ist selbst im tiefsten Dschungel immer noch perfekt geschminkt und macht ihrem Nachnamen alle Ehre. Auch Stacey Keach, den ich ja so überhaupt nicht als Action-Star im Bewusstsein habe, und Claudio Cassinelli sieht man ja immer gerne und insgesamt betrachtet ist der Streifen dann auch eine lohnende, wenn auch über weite Strecken etwas vorhersehbare Angelegenheit.
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Salvatore Baccaro
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Re: Die weiße Göttin der Kannibalen - Sergio Martino (1978)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Nachdem ich Monate darauf verwandt habe, die ersten beiden Minuten von Sergio Martinos Giallo-Klassiker LO STRANO VIZIO DELLA SIGNORA WARDH einer kritischen Würdigung zu unterziehen, staunte ich nicht schlecht, als ich kürzlich eher zufällig einmal mehr über seinen einzigen Kannibalenfilm LA MONTAGNA DEL DIO CANNIBALE stolperte Dessen ersten zwei Minuten scheinen mir nämlich nichts anders sein zu können als eine überdeutliche Hommage an mein favorisiertes Studienobjekt der letzten Zeit. Deswegen in Kürze ein paar Worte hierzu:

Ein Kameraschwenk über eine Dschungellandschaft endet auf einem fernen Berg, bei dem es sich mutmaßlich um den titelgebenden Berg des Kannibalengottes handeln soll. In gelber Schrift lesen wir die Namen der beiden internationalen Stars, die die Martino-Brüder für ihren Film haben gewinnen können: Ursula Andress und Stacy Keach. Ebenfalls wird noch Claudio Cassinnelli genannt, zu diesem Zeitpunkt seiner Karriere wohl so etwas wie der Lieblingsmime Sergio Martinos, immerhin durfte er in allen dreien seiner zwischen 1978 und 1979 inszenierten exotischen Abenteuer, neben LA MONTAGNA DEL DIO CANNIBALE noch L’ISOLA DEGLI UOMINI PESCE und IL FIUME DEL GRANDE CAIMANO, jeweils die männliche Hauptrolle bekleiden. Dann jedoch schneidet Martino jäh hinab in die Grüne Hölle und führt seinen Zuschauern Impressionen der dortigen Fauna vor, so, als sei er mitten in sie hineingestürzt und könne sich vor Eindrücken gar nicht retten:

Ein Krokodil schnappt sich ein Fellbündel, dessen Gattung ich nicht näher habe bestimmen können und das zudem so aussieht, als würde es ihm regelrecht in den offenen Rachen hineingeschleudert werden. Eine Schlange züngelt über ein großes Blatt, beobachtet von einer Art Reiher, der allerdings noch rechtzeitig die Flucht ergreifen kann. Die Bäume sitzen voller Vögel oder Fledermäuse, die Flüsse sind voller Schlangen, die Krokodile greifen sich Schildkröten in letzter Sekunde an den Hinterläufen, ein gutmütiger Affe schaut mitten in die Kamera, die kurz zuvor wahllos auf die freundlichen Gesichter irgendwelcher Echsen gezoomt hat. Dazu ertönt eine Musik, deren Bedrohlichkeitsgrad mindestens einer Apokalypse angemessen wäre. Sie soll uns, scheint es, mitteilen, was viele der Bilder aufgrund ihrer Harmlosigkeit einfach nicht schaffen: diese Welt da unter dem grünen Teppich der Baumwipfel ist eine, die nach den eisernen Regeln der Natur funktioniert. Wer nicht fressen will, der wird gefressen, der Schwächste hat das schlechteste Los gezogen, und trotzdem besitzt das Ganze zuweilen den Reiz eines verlorenen Paradies, solange zumindest wie man es sich nur von einem Kinosessel aus und von weiter Distanz her betrachtet.

Nach exakt zwei Minuten ist Sergio Martino damit fertig, uns diese schnell zusammenmontierte Kostprobe dessen, was uns in den folgenden über eineinhalb Stunden erwarten wird, vorzuführen, und schneidet zu dem Landeplatz eines Flughafens, wo gerade eine Maschine eintrifft. Eben haben ihre Räder den Asphalt berührt und Staubwolken von ihm aufgewirbelt, als Martino sich offenkundig des Vorspanns von LO STRANO VIZIO DELLA SIGNORA WARDH erinnert, und das Bild erst einmal eingefrieren lässt. Diesmal jedoch ist es kein Freud-Zitat, das er über das erstarrte Flugzeug schreibt, sondern ein englischsprachiger Text, der im Grunde all das in sich zusammenfasst, was wir an Authentizitätsbekundungen von einem Kannibalenfilm fordern dürfen. Er lautet: New Guinea is perhaps the last region on earth which still contains immense unexplored areas, shrouded in mystery, where life has remained at its primordial level. Today, on the dawn of the space age, it seems unimaginable that only twenty hours’ flight from London there still exists such a wild and uncontaminated world. This story bears witness that it does. Erst nachdem auch der langsamste Leser diese Zeilen erfasst und verarbeitet hat, darf die Maschine weiter die Landebahn entlangrollen und, eine Szene später, unsere Heldin Susan Stevenson entlassen, die indes wegen ihrer Popularität von wesentlich mehr neugierigen Journalisten bedrängt wird als Julie Wardh fast eine Dekade zuvor am Wiener Flughafen.

Dieser Vorspann ist so genrekonform wie man nur sein kann. Weder die bunten Tieraufnahmen, von denen es mich nicht wundern würde, wenn einige der gezeigten Äffchen, Echschen und Vögelchen gar nicht in Neu-Guinea beheimatet sind, noch der phrasenreiche Einleitungstext mit seiner Pseudo-Zeugenschaft sind etwas, das im Jahre 1978 nicht schon längst zum Pflichtprogramm des italienischen Kannibalen- bzw. Mondo-Films gehört hätte. Gerade deshalb finde ich es doch ein wenig erheiternd, dass Sergio Martino sich, ob nun unbewusst oder bewusst, an den Auftakt seiner Giallo-Hochphase erinnert hat, und die ersten beiden Minuten von LO STRANO VIZIO DELLA SIGNORA WARDH, nicht von ihrer Machart her, sondern in ihrer Funktion als komprimierte Zusammenführung der integralsten Genre-Bausteine, in einen neuen Kontext überführt hat – denn, dass nämlich besagter Text genauso standardisiert daherkommt wie die Urwaldaufnahmen, stützt meine These letztlich ja nur. Genauso wie Martino im Vorspann seines Wiener Thrillers meisterhaft das Giallo-Genre ästhetisch und inhaltlich auf den Punkt brachte, versucht er es nun noch einmal mit dem Kannibalenfilm bzw. dessen Wechselspiel zwischen vorgeblicher Dokumentation und eindeutiger Inszenierung. Ja, die Tierchen, die wir in den ersten zwei Minuten sehen, sind allesamt aus Fleisch und Blut, die Art und Weise wie sie von Martino schnitttechnisch kompiliert wurden, bedeutet letztlich aber einen kruden, so in der Natur wohl nicht vorkommenden Strauß disparater Impressionen (zumal ich zumindest bei der Szene mit dem Krokodil und dem Fellbündel den sicher nicht unbegründeten Verdacht hege, Martinos Team habe letzterem nachgeholfen, so zielsicher in das Maul des ersteren zu fliegen.) Ja, das Flugzeug, dem wir bei der Landung zuschauen dürfen, ist aus Metall und Treibstoff, dass es aber inmitten seines Zu-Boden-Kommens anhält und uns Zeit lässt, einen Text zu studieren, ordnet es unmissverständlich einer nicht-natürlichen ästhetischen Praxis unter.

Dass die ersten beiden Minuten von LA MONTAGNA DEL DIO CANNIBALE freilich niemals an die ersten beiden Minuten von LO STRANO VIZIO DELLA SIGNORA WARDH heranreichen, liegt möglicherweise aber auch einfach in dem Film selbst begründet. Martinos einziger Ausflug ins Höllenreich des Kannibalismus ist, nüchtern betrachtet, über weiten Strecke nicht viel mehr als ein dann doch recht unterhaltsamer Abenteuerstreifen mit vielen einander verspeisenden Dschungeltieren, und erst in der letzten halben Stunde einer klaren Reminiszenz an Deodatos ULTIMO MONDO CANNIBALE, gewürzt mit einer haarscharf am Hardcore vorbeischrammenden Selbstbefriedigungsszene, einer heute eher unfreiwillig komischen Schweinebegattung und dem einen oder anderen derben Gewalteffekt. Im Jahre 1978 hat Sergio Martino, wie ich finde, seine Hochphase bereits hinter sich, sich abgewandt von stylischen, semi-avantgardistischen Gialli und längst begonnen, sich leicht konsumierbaren, vergnüglichen Sexkomödien und leicht konsumierbarem, vergnüglichem Hochglanz-Trash wie dem vorliegenden zu verschreiben. Umso putziger, dass er sich in dessen Vorspann selbstironisch und selbstreferenziell selbst zitiert.
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Il Grande Silenzio
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Re: Die weiße Göttin der Kannibalen - Sergio Martino (1978)

Beitrag von Il Grande Silenzio »

Den fand ich schon allein wegen der Andress sehenswert, ansonsten hebt ihn Martinos Inszenierung über den Genreschnitt.

6/10
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Arkadin
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Re: Die weiße Göttin der Kannibalen - Sergio Martino (1978)

Beitrag von Arkadin »

Gesehen auf 35mm beim Mondo Bizarr Weekender: Für einen Kannibalenfilm finde ich den ja nicht schlecht. Klar es wird viel durch das Unterholz gekraucht, aber das Teil ist gut gefilmt, hat echte Schauspieler (sogar Stars) und eine gar nicht mal so schlechte Story. Martino kann schon was. Habe den jetzt das zweite Mal auf 35mm gesehen und wie beim ersten Mal haben mich die vielen, vielen Tiersnuff-Szenen wieder extrem gestört und aus der Handlung rausgerissen. Die dritte Sichtung kann von mir aus aber wieder einige Jahrzehnte warten. Und ich hoffe, die Mondos aus Düsseldorf sind jetzt mit dem Kannibalen-Krams durch.
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karlAbundzu
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Re: Die weiße Göttin der Kannibalen - Sergio Martino (1978)

Beitrag von karlAbundzu »

Ein Trio macht sich auf einen Mann zu finden, der bei einem heiligen Berg verloren ging und an dem ausgestorben geglaubte Kannibalen hausen.
Auf der Habenseite haben wir, daß das Hauptdarsteller Trio wirklich sehr gut zusammen funktioniert, mit Cassinelli auch einen wirklichen Blickfang, das einige Szenen wirklich spannend sind und die Maskierung der Kannibalen auch spannend und mal was anderes. Und den Soundtrack der Onions. Aber die ganz gute Story wird immer wieder unnötig gestreckt, mit langem ereignislosen Rumgekrauche durch den Dschungel, Archivaufnahmen, geklauter und ungeklauter unnötiger Tiersnuff. Wäre gar nicht nötig gewesen. So nickte ich doch hin und wieder ein. Schade.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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Arkadin
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Re: Die weiße Göttin der Kannibalen - Sergio Martino (1978)

Beitrag von Arkadin »

Salvatore Baccaro hat geschrieben: Di 13. Okt 2015, 20:16
gewürzt mit einer haarscharf am Hardcore vorbeischrammenden Selbstbefriedigungsszene, einer heute eher unfreiwillig komischen Schweinebegattung
Beides kommt in der deutschen Kinofassung übrigens nicht mehr vor.
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Re: Die weiße Göttin der Kannibalen - Sergio Martino (1978)

Beitrag von fritzcarraldo »

auf 35mm in Düsseldorf

Die weiße Göttin der Kannibalen

Einmal Schlangesuppe mit Einlage bitte. Jawoll. Ein paar Stars wie Ursula Andress und Stacy Keach, recycelte Tiersnuffszenen, eine 'Abenteuer-Story und Kannibalen, die wieder mal mächtig Kohldampf haben. Das alles war ehrlich gesagt einen Tick zu lahm inszeniert. Kritik muss auch mal sein. :kicher:
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Borderline666
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Re: Die weiße Göttin der Kannibalen - Sergio Martino (1978)

Beitrag von Borderline666 »

Wie bei so vielen Video Nasties der 70 und 80er ist es nur eine berechtigte Frage wieso so mancher Film verboten wurde, einer dieser Filme wäre die WEIßE GÖTTIN DER KANNIBALEN. ich meine, der Film ist bei Weitem nicht so extrem wie diverse andere Vertreter namens Lebendig gefressen oder DIE RACHE DER KANNIBALEN. Aber wie man die ehemalige BPJS kennt, werden die schon einen Grund dafür gehabt haben, jedenfalls keinen vernünftigen der eine Beschlagnahme rechtfertigt. Von allen Kannibalenfilmen ist die weiße Göttin neben RACHE DER KANNIBALEN mein All Time-Favorite Movie aus diesem Genre.

In der Handlung versucht Susan ihren vermissten Ehemann zu finden., Zusammen mit ihrem Bruder Arthur und einem Professor machen sie sich auf den Weg in den Urwald in Neu Guinea zu einem verfluchten Berg. Unterwegs treffen sie in einem Eingeborenendorf Manolo, der sich der Truppe anschließt. Unterwegs verstirbt der Professor und angekommen bei den Kannibalen stirbt der Bruder von Susan, während sie und Manolo gefangen genommen und gefoltert werden bis ihnen die Flucht gelingt.

Aufgrund der langen Laufzeit bekommt man einiges geboten: Wunderschöne Naturaufnahmen, altbekannte Tiersnuff-Szenen, über die ich an dieser Stelle kein weiteres Wort verliere, weil dieses Thema schon zur Genüge ausgeschlachtet wurde in der heutigen Zeit, eine winzige Prise Erotik und selbst eine Sodomie-Szene darf hier nicht fehlen. Ja, so mancher hat ein Problem mit solchen Szenen, ich weniger, weil genau solche Dinge erst die Würze im Film sind. Man sollte mich nicht falsch verstehen, ich halte auch nichts von Tiersnuff oder Sodomie, aber man muss zugeben, dass solche Szenen einen Film erst zu einem größeren Bekanntheitsgrad verhelfen.

Gedreht wurde der Film in Sri Lanka von Sergio Martino, der für Filme wie Insel der neuen Monster, Paco-Kampfmaschine des Todes oder die Säge des Teufels verantwortlich ist. Ich mag die Filme von Sergio eh total und somit sollte es nicht weiter verwundern, dass die weiße Göttin einer meiner Lieblinge von ihm ist.
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