Horror Infernal - Dario Argento (1980)

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Moderator: jogiwan

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buxtebrawler
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Re: Horror Infernal - Dario Argento (1980)

Beitrag von buxtebrawler »

Erscheint voraussichtlich am 15.10.2020 bei 8-Films noch einmal als Blu-ray/Doppel-DVD-Kombination im Mediabook:

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FarfallaInsanguinata
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Re: Horror Infernal - Dario Argento (1980)

Beitrag von FarfallaInsanguinata »

Von jenem Film besitze ich eine alte deutsche Bildplatte, die mir ein Mitglied dieses Forums vor einigen Jahren freundlicherweise überließ. :verbeug:
Anschauen konnte ich sie mangels Abspielgerätes leider nie, trotzdem ein hübsches Sammlerstück!
Kino- und Video-technisch ging der Film zeitnah tatsächlich an mir vorbei, meine Erstsichtung fand in den Neunzigern im italienischen Staatsfernsehen RAI statt.
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Count Yorga
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Re: Horror Infernal - Dario Argento (1980)

Beitrag von Count Yorga »

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buxtebrawler
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Re: Horror Infernal - Dario Argento (1980)

Beitrag von buxtebrawler »

Zu Dario Argentos "Inferno" notierte ich im Dezember 2010:
buxtebrawler hat geschrieben: Do 16. Dez 2010, 17:51 Bei einem Film wie Dario Argentos Horror-Beitrag „Inferno“ aus dem Jahre 1980 verzeihe selbst ich das weitestgehende Fehlen einer Handlung, die diesen Namen auch verdient hätte, denn die Ausstattung, die Atmosphäre und insbesondere die Poesie der Bilder überwiegen hier qualitativ so stark, dass die von mir einfach mal wohlwollend „unkonventionell“ genannte Erzählweise verschmerzbar wird. Wen interessiert es da noch, dass geheimnisvolle Charaktere eingeführt werden, deren Sinn nicht erläutert wird und die nie wieder auftauchen? Oder dass vermutlich nur Argento allein weiß, warum den Tod verkörpernde Hexen nach Giallo-Manier ihre Opfer töten? Oder warum ein Imbissbudenwirt ohne Anlass zum eiskalten Mörder wird? Mich jedenfalls kaum, nachdem ich für die Zweitsichtung auf großer Leinwand meine Erwartungshaltung entsprechend korrigiert hatte. Auf all das und noch viel mehr bietet „Inferno“ keine oder nur unzureichend Antwort, doch lässt er kaum einen Zweifel daran, worin seine wahren Qualitäten liegen: Wurde Architektur jemals so imposant für einen Horrorfilm in Szene gesetzt? Wie Argento hier die Gebäude und ihr Inneres als eigentliche Protagonisten heranzieht und die Menschen in ihnen wie hilflose, verlorene Kreaturen umherirren lässt, ist fulminant und in Kombination mit der von Mario Bava inspirierten und bereits aus dem Vorgänger „Suspiria“ bekannten Farbkomposition einzigartig. Fast episodenartig (Kritiker mögen „zusammenhanglos“ konstatieren) werden atmosphärisch unheimlich dichte, gruselige bis brutale Einzelszenen gezeigt, die meist überaus gelungen sind, allen voran die Unterwasserszene aus den ersten Minuten: ein prächtiges, mysteriös-schauriges und gleichzeitig erotisches Stück Film, das sich in all seiner Ästhetik dem Betrachter ins Gedächtnis einbrennt. Die Kameraarbeit hält wieder einige Schmankerl bereit, für die Argentos Werke berüchtigt sind, und verleiht „Inferno“ Tiefe und Stil. Unterlegt vom Soundtrack Keith Emersons (Emerson, Lake & Palmer), der sich klassischer Themen bedient und gegen Ende mit einer hochdramatischen, treibenden, energiegeladenen Synthie-Prog-Operngesangs-Melange einen eindrucksvollen Höhepunkt und Ohrwurm setzt, befindet sich der Zuschauer in einem wahren Sinnesrausch an fremdartigen, surrealen Eindrücken, auf einem abgefahrenen Trip durch Argentos schillernde und doch abgrundtief düstere Phantasiewelt. Lediglich das ob seiner Feuersbrunst tatsächlich auf gewisse Art infernalische Finale stellt einen kleinen Stilbruch dar, als auf eine sehr billige Maske zurückgegriffen wurde. Fazit: Pflichtprogramm für Freunde der europäischen Phantastik abseits des Mainstreams sowie sämtliche Bildästheten, die eine sich bietende Chance zur Sichtung auf Kinoleinwand nicht entgehen lassen sollten, denn erst dort entfaltet „Inferno“ seinen vollen Glanz und seine Erhabenheit. Trotzdem bin ich froh, dass Argentos folgenden Filmen wieder eine zumindest etwas geradlinigere Handlung zugrunde lag...
Das sehe ich auch nach "Deliria över Freiburg" immer noch genauso, wobei mir diesmal - neben der Komik in ein, zwei Szenen - aufgefallen ist, welch große Rolle Vorhänge bzw. das, was sich hinter ihnen befindet, spielen. Toller Film, der seine volle Pracht nur auf der großen Leinwand entfaltet!
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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fritzcarraldo
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Re: Horror Infernal - Dario Argento (1980)

Beitrag von fritzcarraldo »

Ich durfte INFERNO ja schon mal in der Bremer Filmreihe Weird Xperience sehen.
Damals dann leider doch nicht auf 35mm.
Sorry @arkadin und @karlabundzu. In Freiburg kam es mir so vor, als ob ich INFERNO das erste mal zu Gesicht bekommen habe.
Deswegen schrieb ich schon kurz im FTB:

Inferno
Argentos Filme kann man eigentlich wahrscheinlich nicht wirklich zu Hause schauen. Im Kino entfaltet sich die wahre Schönheit und der echte Geist seiner Filme. Dafür sind sie gemacht und hier wird es noch deutlicher. Danke dafür, dass ich INFERNO auf 35mm sehen durfte. Ein Genuss!

Auch muss natürlich die brillante Einführung zum Film von Salvatore Baccaro nicht unerwähnt bleiben. Danke.
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karlAbundzu
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Re: Horror Infernal - Dario Argento (1980)

Beitrag von karlAbundzu »

Ich schrieb 2014:
"Ein Buch deckt die HIntergründe dreier Häuser in New York, Rom und Freiburg auf. In diesem Film geht es hauptsächlich ums New Yorker Haus und um den Architekten / Alchimisten. Im Umfeld der Bücher gibt es fiese Morde, in Rom und in New York.
Eine Schriftstellerin lebt in NY in diesem Haus, entdeckt immer mehr, holt ihren Bruder aus Rom (leider ein wenig spät), dieser lernt eine andere Bewohnerin kennen und begibt sich auf die Suche....
Obwohl: begibt sich auf die Suche stimmt nicht so ganz. Das ist das schöne an Argentos "mittleren" Werken. Es wirkt so, als würde er die Protagonisten in eine andere Welt werfen, die nach anderen Regeln funktioniert. Dieses ahnen die Protagonisten, und obwohl sie die neuen Regeln nicht kennen sind sie sich auch unsicher bei ihren alten Regeln. So stolpern sie ein wenig staunend und verzweifelnd durch den Film, aber reagieren nicht so, wie in der eigentlichen Welt (Kommentar nachher von einem Zuschauer: "Ich hätte die Polizei gerufen." Ich denke, dass es so eben nicht in diesen Argentos funktioniert.)
Nun ist das alles hervorragend gefilmt. Die Farben (eigentlich) satt und grell, die Kamerabewegungen und -einstellungen hübsch und überraschend.
Die Story hängt ein wenig, es ist ein wenig fiel off-voice aus dem Buch. Aber die fies und meist langsam inszenierten Morde machens wieder weg.
DIe Musik ist schrill und fein, das die von den Emerson aus ELP wußte ich gar nicht, die sind sonst auch nicht so mein Fall, aber hier: holdriho!
Die Schauspieler machen ihre Sache durchweg gut, nichts außergewöhnliches, außer von Mutter Tenebrarum und den Hinkenden Sacha Pitoeff, ein wenig mehr "engagiertes" oder drüber -spielen hätt ich mir auch von den anderen gewünscht."

Im Groben stimmt das, auf 35mm in einer richtig guten Version wirkte das alles noch mal mächtiger und zog mich noch mehr in den Bann. Deswegen hängt da auch keine Story, und mit dem Voice-over nervte mich wohl nur, weil ich wenig gutes zu gucken hatte ob der miserablen Qualität der damaligen Sichtung. In dieser Form passte das alles hervorragend, stimmig, man wird Teil einer Welt.
Nur eins: Die Szene mit dem Antiquar, der die Katzen tötet und dann selbst Opfer wird ist großartig gefilmt und inszeniert, herrlich. Fällt aber m. E. aus dem Film heraus, stilistisch und irgendwie erzählerisch, als ob wir kurz von Argentos bavarisierten New York in Fulcis NY des Rippers reinschnupperten. Unangenehm.
Aber Kleinigkeit: Eine falsche super Szene in einem super Film.
Ich bin dermassen froh, den so gesehen zu haben.
Und danke, Salvatore für die Einführung.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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sid.vicious
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Re: Horror Infernal - Dario Argento (1980)

Beitrag von sid.vicious »

Ich habe noch einen etwas älteren Text zum Film:

Originaltitel: Inferno
Regisseur: Dario Argento
Kamera: Romano Albani
Musik: Keith Emerson
Drehbuch: Dario Argento
4983_230.jpg
4983_230.jpg (16.15 KiB) 624 mal betrachtet
New York: Rose Elliot erwirbt bei einem Buchhändler den Schmöker „The Three Mothers“. Aus dem Buch erfährt die junge Frau, dass dessen Autor und Architekt, E. Varelli, in den Städten Rom, New York und Freiburg drei Häuser errichtet hat, in denen Schrecken, Tränen und Grausamkeit wurzeln. Deren Urheber sind gleichzeitig Varellis Auftraggeberinnen: Mater Suspiriorum, Mater Lacrimarum und Mater Tenebrarum. Ferner dechiffriert Rose aus Varellis Aufzeichnungen, dass ihr derzeitiges zuhause (Satan kennt halt kein Mitgefühl!) das Haus der Mater Tenebrarum ist. Folglich will sie den Rätseln (von denen der Architekt berichtet) auf den Grund gehen. Doch je näher sie der Lösung kommt, desto deutlicher spürt sie den Odem des Sensemanns…

WENN MÜTTERCHEN DEN FLAMMEN TROTZT oder WIE EIN KONZEPT SCHLÜSSIG WIRD

Nach der Sichtung von Dario Argentos „Inferno“ sind wir, was das Konzept der „drei Mütter“ anbelangt, deutlich klüger. Der Weg zur Weisheit entspringt dem Auftaktsprolog des Alchemisten, Varelli, der uns über die drei Hochburgen des Bösen aufklärt, ihre Standorte lokalisiert und einhergehend das Rätsel um „Suspiria“ dechiffriert, sodass wir Helena Markos rückwirkend als Mater Suspiriorum, die Mutter der Tränen, begreifen.

Die Ankunft in Dario Argentos „Mütter-Kosmos“ ist demnach bestens vorbereitet und wird von Keith Emersons sensationellen Klangkonstruktionen begleitet. Diese grandiosen Tondichtungen verschmelzen mit Romano Albanis ebenfalls grandiosen Bildkompositionen zu einer untrennbaren Einheit, denn was der Film (visuell wie auditiv) offeriert, bezeichne ich (ganz frech und ohne Rücksicht auf Querulanten und Verfechter der alltäglichen Denklehre) als filmtechnische Perfektion.

Im Gegensatz zu der geradlinigen und unmissverständlichen Vorgangsweise, die „Suspiria“ feilbietet, stellt sich „Inferno“ (unter anderem aufgrund seiner zahlreichen set-pieces) als ein eher verzwicktes und kompliziertes Konstrukt vor, das von der ersten bis zur letzten Sekunde die Aufmerksamkeit des Betrachters fordert, denn bei der Suche nach des Rätsels Lösung müssen die Sinne geschärft sein.

Ungeachtet der unterschiedlichen Narrativen, lassen sich sehr wohl Momente ausmachen, in denen „Inferno“ „Suspiria“ zitiert, wie zum Beispiel die Taxifahrt im strömenden Regen. Weitere Beobachtungen mag ich nicht ausführen, da diese einerseits oft genug von den Experten besprochen wurden, andererseits liegt es mir fern, die Neulinge im „Mütter-Kosmos“ ihrer Entdeckungsreise zu berauben. Aus meiner Sicht liegen übrigens beide Filme auf Augenhöhe, inszenatorische Schwächen kann ich keine ausmachen.

Doch diese makellose Allianz des Bösen ließ lange Zeit eine wichtige Frage unbeantwortet im Raum stehen. So erinnere ich mich an Gespräche bei denen wir diskutierten, welcher Film denn nun die „Mütter-Trilogie“ schließen könnte? In meinem jugendlichen Eifer pochte ich vehement auf „Tenebrae“. Keine Ahnung, warum ich mir einst diesen Unsinn eingeredet habe und nicht einfach in der Glaskugel nach dem Jahr 2007 gesucht habe? Wahrscheinlich fehlt mir einfach das Gespür für Logik, schließlich habe ich auch niemals hinterfragt, warum Argento (s)einen fortwährend mit extremer Helligkeit gefluteten Film auf den Namen „Tenebrae“ (Dunkelheit) taufte.

Das Rauschen im Blätterwald, Teil 1:

Das Lexikon des internationalen Films resümiert „Inferno“ folgendermaßen:

„[…] Ein Gruselstück, das in Spannungsaufbau und Kameraführung Könnerschaft verrät, aber mit seinen Blut- und Mordorgien abstößt.“

Sehr fein, dass der Verfasser im ersten Teil seiner Argumentation Argentos Fähigkeiten erkannt hat, sich allerdings mit der zweiten Satzhälfte (erwartungsgemäß) abqualifiziert und seine eingeschränkte Rezeptionsfähigkeit eindruckvoll unter Beweis stellt. Seine „fachmännische“ Aussage wirkt auf mich zugleich hochmütig wie naiv, da dem Autor scheinbar der künstlerische Aspekt innert der „Blut- und Mordorgien“ entgangen ist, denn Argento lässt jeden einzelnen Mord (visuell wie auditiv) zu einem Kunstwerk erblühen. Man lausche dem „Gefangenenchor von Nabucco“ und genieße dabei (eingeleitet von phänomenalen Kamerafahrten) Carlos aussichtslosen Überlebenskampf in dessen morbider Schönheit. Verdi und Todeskampf, das ist eine im höchsten Maße zündende Mischung. Und sollte das Genie aus Le Roncole nicht den Taktstock schwingen, dann gibt ein weiteres Genie, Keith Emerson, den Ton an, denn der Tastenvirtuose stimmte seine Sounds bestens auf die Bildkompositionen ab. Innert dieses sensationellen Scores möchte ich die Komposition „Mater Tenebrarum“ besonders hervorheben. Prog-Rock gemischt mit Opernchören, dass Teil geht so auf die Fresse, dass diese in den Sprachlos-Modus geschaltet wird. Ein Glanzstück, welches übrigens im Dunstkreis der Rockmusik (härterer Prägung) für Inspiration sorgte und (ich vermute es zumindest) sich als wegweisend für den späteren Symphonic Metal zeigte. Wer Lust auf eine Kostprobe hat, dem empfehle ich, den Song „To Mega Therion“ von der schwedischen Band Therion mit Keith Emersons „Mater Tenebrarum“ zu vergleichen.

Das Rauschen im Blätterwald, Teil 2:

Dario Argento berichtet in einem Interview für die Filmzeitschrift Cinema:

„Ich inszeniere meine Filme wie große Feste Für mich spielt im Film alles mit; Dekorationen, Lichtkombinationen, psychedelische Effekte, künstliche Klänge […] Dies alles ergibt ein Gesamtkunstwerk, in dem sich eine Reinheit entwickelt, die wie ein Zuschauer nach dem Mysterium sucht.“

Diese Eigeneinschätzung wird von den Autoren Rolf Giesen (der Cronenberg als Muttersöhnchen bezeichnete und einhergehend mit Heinrich Himmler verglich) und Ronald M. Hahn in ihrem Gemeinschaftswerk „Das neue Lexikon des Horrorfilms“ (im Zuge einer Kurzkritik zu „Inferno“) durch die folgende Anmerkung ergänzt:

„[…] Da fragt man sich, zu was er in der Lage wäre, würde ihm mal jemand ein ordentliches Drehbuch liefern."

Da frage ich mich, wann ihr zuletzt was auf die Finger bekommen habt?

Fazit: Begleitet von hervorragenden Kamerafahrten, atemberaubenden Unter-Wasser-Aufnahmen, einem ausgereiften Spiel der Farben sowie einherleuchtendem Antinaturalismus gelingt es dem aufmerksamen Zuschauer ganz tief in die verschachtelten Welten des Mütter-Kosmos einzutauchen, sodass dieser (der Zuschauer) die Einladung zum Feuertanz mit Freuden lanciert.
https://italo-cinema.de/italo-cinema/it ... r-infernal
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Salvatore Baccaro
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Re: Horror Infernal - Dario Argento (1980)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

sid.vicious hat geschrieben: Fr 15. Okt 2021, 00:43 Dario Argento berichtet in einem Interview für die Filmzeitschrift Cinema:

„Ich inszeniere meine Filme wie große Feste Für mich spielt im Film alles mit; Dekorationen, Lichtkombinationen, psychedelische Effekte, künstliche Klänge […] Dies alles ergibt ein Gesamtkunstwerk, in dem sich eine Reinheit entwickelt, die wie ein Zuschauer nach dem Mysterium sucht.“

Diese Eigeneinschätzung wird von den Autoren Rolf Giesen (der Cronenberg als Muttersöhnchen bezeichnete und einhergehend mit Heinrich Himmler verglich) und Ronald M. Hahn in ihrem Gemeinschaftswerk „Das neue Lexikon des Horrorfilms“ (im Zuge einer Kurzkritik zu „Inferno“) durch die folgende Anmerkung ergänzt:

„[…] Da fragt man sich, zu was er in der Lage wäre, würde ihm mal jemand ein ordentliches Drehbuch liefern."
Wie witzig! Genau diese Passage aus dem Giesen/Hahn-Werk habe ich auch bei meinem Einführungsreferat zu INFERNO beim diesjährigen Forentreffen als Einstieg zitiert...

Ansonsten gilt: "Dass mich Argentos zweite (und eigentlich ja auch dritte) Mutter bei meiner Debüt-Sichtung als 35mm-Kopie derart von den Socken hauen würde, hätte ich mir vielleicht denken können, doch wie innig unsere Begegnung dann ausfiel, das hat mich dann trotzdem immens überrascht: Dieser Experimentalfilm im Gewand eines Italo-Horrors kam auf der großen Leinwand im Vergleich zu jeder meiner bisherigen Heimsichtungen zur Geltung, als würde ein Beiboot neben einem Panzerkreuzer schippern – und genau wie ein solcher hat mich die Erkenntnis dann auch überfahren, wie kongenial Argento auf dem Zenit seines Schaffens darin ist, irreal ausgeleuchtete Räume voller schauriger Artefakte zu inszenieren, davon zu erzählen, wie Gebrauchsgegenstände sich gegen die Menschen erheben, die sie zuvor produziert haben, wie die Träume eigentlich strukturell funktionieren, die uns nachts schweißgebadet hochschrecken lassen. Im Prinzip entschlackt Argento sein Kino von all dem Ballast der Literatur, der Psychologie, der dramaturgischen Finesse, der brillanten Schauspieler, der außerfilmischen Prämissen: Cinéma pur – ein selbstgenügsames Spiel aus Farben, Formen, Flächen, als ob Filmavantgardisten der ersten Stunde wie Henri Chomette, Walter Ruttmann oder Oskar Fischinger sich im hohen Alter fürs Genrekino entschieden hätten. Viel abstrakter wird es im Italo-Horror sicher nicht, und viel schöner schon gar nicht: Diese nonchalante Reminiszenz an UN CHIEN ANDALOU; diese endlosen Verfolgungsjagden durch Flure, Korridore, hinauf in Dachböden, hinab in Keller, dass man sich in Gesellschaft mit MC Escher wähnt; diese atemberaubende Unterwasser-Exposition; der Central Park ist nicht wiederzuerkennen; dafür stachen mir diesmal, (weil bei jeder weiteren INFERNO-Schau Dinge vor einem aufploppen, die man vorher nicht realisiert hat), zwei Hitchcock-Referenzen ins Auge, und zwar aus THE BIRDS, Stichwort: Flugkatzen und Augapfeldestruktion. Nach diesem Feuertanz sollte man sich eigentlich eine tagelange Film-Abstinenz verschreiben, denn jedes neue Bild kann nur erbarmungslos von den züngelnden blauroten Flammen verzehrt werden."
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Adalmar
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Re: Horror Infernal - Dario Argento (1980)

Beitrag von Adalmar »

sid.vicious hat geschrieben: Fr 15. Okt 2021, 00:43 Und sollte das Genie aus Le Roncole nicht den Taktstock schwingen, dann gibt ein weiteres Genie, Keith Emerson, den Ton an, denn der Tastenvirtuose stimmte seine Sounds bestens auf die Bildkompositionen ab. Innert dieses sensationellen Scores möchte ich die Komposition „Mater Tenebrarum“ besonders hervorheben. Prog-Rock gemischt mit Opernchören, dass Teil geht so auf die Fresse, dass diese in den Sprachlos-Modus geschaltet wird. Ein Glanzstück, welches übrigens im Dunstkreis der Rockmusik (härterer Prägung) für Inspiration sorgte und (ich vermute es zumindest) sich als wegweisend für den späteren Symphonic Metal zeigte. Wer Lust auf eine Kostprobe hat, dem empfehle ich, den Song „To Mega Therion“ von der schwedischen Band Therion mit Keith Emersons „Mater Tenebrarum“ zu vergleichen.
Bin doch ziemlich sicher, dass Emerson sich hier von Mussorgsky hat inspirieren lassen. Die Rock-Interpretation der "Bilder einer Ausstellung" war ja auch einer von ELPs größten Erfolgen. Und bei Baba Jaga bzw. "The Hut and the Curse" geht es ja auch um eine Hexe ...





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Re: Horror Infernal - Dario Argento (1980)

Beitrag von sid.vicious »

Salvatore Baccaro hat geschrieben: Mi 10. Nov 2021, 21:11
Ansonsten gilt: "Dass mich Argentos zweite (und eigentlich ja auch dritte) Mutter bei meiner Debüt-Sichtung als 35mm-Kopie derart von den Socken hauen würde, hätte ich mir vielleicht denken können, doch wie innig unsere Begegnung dann ausfiel, das hat mich dann trotzdem immens überrascht: Dieser Experimentalfilm im Gewand eines Italo-Horrors kam auf der großen Leinwand im Vergleich zu jeder meiner bisherigen Heimsichtungen zur Geltung, als würde ein Beiboot neben einem Panzerkreuzer schippern – und genau wie ein solcher hat mich die Erkenntnis dann auch überfahren, wie kongenial Argento auf dem Zenit seines Schaffens darin ist, irreal ausgeleuchtete Räume voller schauriger Artefakte zu inszenieren, davon zu erzählen, wie Gebrauchsgegenstände sich gegen die Menschen erheben, die sie zuvor produziert haben, wie die Träume eigentlich strukturell funktionieren, die uns nachts schweißgebadet hochschrecken lassen. Im Prinzip entschlackt Argento sein Kino von all dem Ballast der Literatur, der Psychologie, der dramaturgischen Finesse, der brillanten Schauspieler, der außerfilmischen Prämissen: Cinéma pur – ein selbstgenügsames Spiel aus Farben, Formen, Flächen, als ob Filmavantgardisten der ersten Stunde wie Henri Chomette, Walter Ruttmann oder Oskar Fischinger sich im hohen Alter fürs Genrekino entschieden hätten. Viel abstrakter wird es im Italo-Horror sicher nicht, und viel schöner schon gar nicht: Diese nonchalante Reminiszenz an UN CHIEN ANDALOU; diese endlosen Verfolgungsjagden durch Flure, Korridore, hinauf in Dachböden, hinab in Keller, dass man sich in Gesellschaft mit MC Escher wähnt; diese atemberaubende Unterwasser-Exposition; der Central Park ist nicht wiederzuerkennen; dafür stachen mir diesmal, (weil bei jeder weiteren INFERNO-Schau Dinge vor einem aufploppen, die man vorher nicht realisiert hat), zwei Hitchcock-Referenzen ins Auge, und zwar aus THE BIRDS, Stichwort: Flugkatzen und Augapfeldestruktion. Nach diesem Feuertanz sollte man sich eigentlich eine tagelange Film-Abstinenz verschreiben, denn jedes neue Bild kann nur erbarmungslos von den züngelnden blauroten Flammen verzehrt werden."
Herrlich formuliert. Aus Deinen Worten lässt sich leicht lesen, dass Dir der Film nahe am Herzen liegt.
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