Licht - Barbara Albert (2017)

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Salvatore Baccaro
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Licht - Barbara Albert (2017)

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Originaltitel: Licht

Produktionsland: Österreich 2017

Regie: Barbara Albert

Darsteller: Maria Dragus, Devid Striesow, Lukas Miko, Katja Kolm, Maresi Riegner
Dass der 2017 realisierte Spielfilm LICHT nicht aus der Feder und unter der Regie von Jessica Hausner stammen bzw. entstanden sein soll, mag ich kaum glauben, erinnern doch sowohl das Sujet wie auch die Formsprache überaus stark an die österreichische Regisseurin, die mit Werken wie dem Quasi-SUSPIRIA-Remake HOTEL (2004), dem Wallfahrts-Drama LOURDES (2009) sowie ihrer Aufarbeitung der suizidalen Beziehung zwischen Heinrich von Kleist und Henriette Vogel in AMOUR FOU (2014) für mich zu den bewunderungswürdigsten Filmemacherinnen des 21. Jahrhunderts zählt. Immerhin aber ist die eigentliche Frau hinter LICHT, die mir zuvor gänzlich unbekannte Barbara Albert nämlich, zumindest weitläufig mit Frau Hausner verbandelt: Gemeinsam hat man Ende der 90er die Produktionsfirma coop99 ins Leben gerufen, was immerhin auf eine verwandte Geisteshaltung schließen lässt.

Die spürt man allerdings sowieso in jeder Pore von LICHT. Wenn Barbara Albert die historisch fundierte Geschichte der Maria Theresia von Paradis, einem im Rokoko-Wien aufwachsenden erblindeten Klavierwunderkind erzählt, das in die Obhut des Wunderheilers Franz Anton Mesmers gegeben wird, damit dieser ihr durch seine zweifelhaften Magnetismus-Kuren das Augenlicht wiederschenke, dann geschieht das in zwar streng komponierten, jedoch nicht wirklich abweisenden Bildern: Obwohl der Film nahezu ausschließlich im Mesmer’schen Sanatorium spielt, in dem wir die Figuren beäugen dürfen wie Insekten unterm Mikroskop, führt die vermeintliche Emotionslosigkeit des Kamera-Blicks nie dazu, dass mir diese Figuren gleichgültig werden würden – im Gegenteil: Dadurch, dass Albert die Gefühle ihrer Charaktere, (sicherlich auch dem Zeitkontext geschuldet), auf ein Mindestmaß herunterkocht, gelingen Momente voller innerer, kaum bis an die unerschütterlichen Fassaden der Figuren vordringender Spannung: Als die hervorragend aufspielende Maria Dragus in der Hauptrolle sich beispielweise an ihre Frau Mama klammert, die sie allein im Hause Mesmers zurücklassen möchte, und eine kurzzeitig als greifbare Möglichkeit im Raum stehenden liebevolle Annäherung zwischen Mutter und Tochter in Abweisen und Zurückstoßen gipfelt; als ein einziger Blick genügt, um uns klarzumachen, dass ein weiterer Gast des Sanatoriums jede Gelegenheit nutzt, das wehrlose Dienstmädchen sexuell zu molestieren, (worauf sie schwanger wird und ihre Stelle verliert, was wir wiederum mit zynischer Beiläufigkeit erfahren); oder als im Finale Mademoiselle Paradis und Dr. Mesmer voneinander Abschied nehmen müssen, weil ihre Eltern der Meinung sind, die den Freigeist der Tochter zu arg befördernde Behandlung sei eher schädlich denn nützlich, und ein bloßer Blickaustausch zwischen Arzt und Patientin ausreicht, um ganze ansonsten unsichtbare Gefühlswelten aufzureißen.

Mit seinen opulent-klaustrophobischen Räumen ist LICHT nahe am ebenfalls historischen Setting von AMOUR FOU; die Strapazen, die eine weibliche Figur gegenüber einer erdrückenden Gesellschaft bei der Selbstverwirklichung verspürt, findet sich sowieso in jedem Hausner-Film seit dem Jugenddrama LOVELY RITA (2001); diese kühlen Einstellungen ohne Kamerazucken, die elliptischen Montageschnitte, die Verweigerung extradiegetischer Musik und großgestischem Schauspiel ist ein Stilmittel, das sämtliche Filme Hausner auszeichnet. Weshalb aber bewerte ich LICHT dann doch etwas schlechter als die bereits aufgezählten Filme der Regiekollegin: Nun, weil in LICHT dann doch genau jene Prise eigenwilligen und eigenartigen Humors fehlt, der für mich Hausners Arbeiten erst zu kleinen Meisterwerken macht. Ich denke an: Die völlig bizarre Karaoke-Sequenz, mit der LOURDES schließt; die zahllosen Genre-Zitate, die in HOTEL scheinbar amorph umherschwimmen; die Tatsache, dass AMOUR FOU stellenweise wirkt, als würde der Film sich mehr für die Salonhunde der höfischen Gesellschaft als für die menschlichen Tragödien um die Vierbeiner herum interessieren. Genau solche Extravaganzen konnte ich in LICHT nicht entdecken, - was aber grundsätzlich nichts daran ändert, dass ich den Film für einen der gelungeneren Versuche halte, wie das zeitgenössische deutschsprachige Kino einen Geschichtsstoff anpackt, ohne belehrend zu werden und in die Schauwerte-Falle zu tapsen.
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