Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR-LOUNGE

Alles, was nichts oder nur am Rande mit Film zu tun hat

Moderator: jogiwan

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buxtebrawler
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Re: Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR-LOUNGE

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Comic Spiegel Extra: Erotische Geschichten 2

In den Jahren 1985 und 1986 erschienen im Reiner-Feest-Verlag zwei „Comic Spiegel“-Sonderausgaben als Softcover-Alben. Die erste Ausgabe ist mir unbekannt; die 40 Seiten umfassende zweite hingegen nimmt man schon mal mit, wenn sie einem der Comichändler quasi hinterherwirft und einen das schöne cyberpunkige Cover anspricht.

Das Editorial informiert darüber, dass es sich um einen Bonus zur ersten Ausgabe handelt, was auch erklärt, weshalb keine weiteren dieser Sonderausgaben erschienen. Die erste Geschichte lautet „Die Thailänderin“ und stammt von Dethorey und Giroud, die es bei semirealistischen Schwarzweißzeichnungen belassen, aber eine sehr zweckdienliche, dynamische Panelstruktur verwenden. Inhaltlich geht es um den in einem asozialen Milieu angesiedelten Versuch einer Gruppenvergewaltigung einer Thailänderin, der grandios scheitert – gefällt! Schwarzweiß geht’s auch mit Krugs „Autobahn-Blues“ weiter, einer abgefahrenen, nicht auf Anhieb verständlichen Geschichte um Homosex auf einem Raststättenklo und eine Vergewaltigung, die nicht abgebildet wird. Erotische Sexzeichnungen, meist heterosexueller Natur, illustrieren die großflächigen Panels in ihrem dunklen, realistischen Stil zusätzlich. Farbe kommt in Vatines und Cléments „Offenbarungen“ in Spiel, einem noch abgefahreneren Mystery-Erotikdrama um einen Aktfotografen, der sich plötzlich selbst auf den Fotos der Modelle wiederfindet – und um tödliche Eifersucht. Den realistischen Zeichenstil innerhalb der aufgebrochenen Panelstruktur dominieren kalte Blau- und satte Rottöne.

In beinahe farbfotorealistischem Stil zeichnet Andreas Marschall „Um Mitternacht“, eine fast wortlose Vampirparty und Pointe, die mit der Zeitumstellung von Sommer- auf Winterzeit zusammenhängt. So wirken Teile der vier Seiten wie eine Fotocollage. In äußerst detailverliebten, dem Realismus verhafteten Schwarzweißzeichnungen innerhalb die Größen betreffend flexibel, letztlich aber doch streng angeordneten Panels erzählt Males „Die kleine Prinzessin“, eine im New Orleans der 1920er-Jahre spielende Geschichte: Ein Mann verliebt sich in eine Prostituierte, nimmt sie mit nach New York, wird aber Opfer der Eifersucht eines anderen. Die eigentliche Pointe ist der Schlussmonolog ihres... Hurensohns. Fonts schwarzweißer Schraffurstil in „Die Erotic-Sisters“ wirkt detailliert und verschmutzt zugleich, was zur Wildwest-Story passt: Ein Kerl (wohl ein Gangster oder Sträfling, dies wird leider nicht klar) riskiert alles, um einem Auftritt der „Erotic Sisters“ in einem Stadtsaloon beiwohnen zu können. Dass er all die Mühen für letzteres, also etwas vergleichsweise Unbedeutendes, auf sich nimmt, ist die aberwitzige Pointe.

Mouniers „Der Apfel“ bildet den Abschluss dieses Albums, eine eigenartige, etwas seltsam konstruierte Fortsetzung der Paradiesvertreibungsgeschichte aus der christlichen Mythologie in Fonts Stil nicht unähnlichen Zeichnungen. Alles in allem also ein bunter Mix mit eher wenig echter Erotik, aber einem interessanten Überblick über damalige, unterschiedliche Herangehensweisen ans Thema, in dem sowohl Gewalt als auch Wehrhaftigkeit eine Rolle spielen. Mit dem Cover hat aber leider keine der Geschichten etwas zu tun.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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buxtebrawler
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Beitrag von buxtebrawler »

buxtebrawler hat geschrieben: Mi 4. Dez 2024, 16:55 Bild
Der beste Horror aller Zeiten

Von 1972 bis 1984 – also mit mehreren Dekaden Verspätung – erschienen die kultigen, dieses Genre begründenden E.C.-Horrorgeschichten in Heftform auch beim deutschen Ableger, dem Williams-Verlag. Dieser veröffentlichte bereits im Jahre 1973 ferner einen groß- bzw. überformatigen, 128-seitigen Sonderband mit dem Titel „Der beste Horror aller Zeiten“. Ein Teil der enthaltenen Geschichten ist noch schwarzweiß gedruckt.
Nachtrag:

Ich muss mich hier anscheinend korrigieren: Wenn ich das Buch „Der absolute Horror: Die Geschichte der Gruselcomics in Deutschland“, das ich gerade lese, richtig verstehe, hat der Williams-Verlag in seinen Heften nicht die E.C.-, sondern die wesentlich jüngeren und unter Einfluss des US-Zensurcodes stehenden DC-Horrorcomics abgedruckt. Dieser Sonderband stellte eine Ausnahme davon dar und galt eigens der Publikation der E.C.-Klassiker.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Beitrag von buxtebrawler »

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Guido Sieber – Des Engels letzter Fall

Nachdem die ersten beiden Alben des Berliner Illustrators, Zeichners und Malers Guido Sieber innerhalb der Thurner „Edition Kunst der Comics“ erschienen waren, wechselte er für sein drittes Werk „Des Engels letzter Fall“ zum Kieler Semmel-Verlach, der es im Jahre 1992 veröffentlichte. Mit seinen 144 Seiten fällt dieser im Innenteil komplett in Schwarzweiß gehaltene Hardcover-Band wesentlich wuchtiger aus als Siebers vorausgegangene Arbeiten.

Aufgeteilt auf 14 Kapitel, erzählt Sieber eine gewohnt misanthropische, wilde und tabulose Comic-Mischung aus asozialem Hardboiled-Detective-Krimi, Höllenvision und Blasphemie in seinem ihm eigenen Zeichenstil inklusive verwarzter, grotesker, unförmiger Körper, reichlich Geschlechtsorganen, ein bisschen Ekelsex und einigem Sadismus. Gut zu wissen: In der Hölle gibt's einen Punkschuppen – nur Sid Vicious sollte man besser nicht anrotzen. Der Humor ist tiefschwarz, der Inhalt abstoßend und anziehend zugleich.

Leider finden sich keinerlei Seitenzahlen und haben sich einige fiese Rechtschreibfehler eingeschlichen. Wer Sieber mag, wird natürlich dennoch seine fragwürdige Freude an diesem Teil haben – ich zumindest hatte ihn und freue mich schon auf seinen vierten Comic.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Arkadin
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Re: Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR-LOUNGE

Beitrag von Arkadin »

buxtebrawler hat geschrieben: Di 15. Apr 2025, 17:02 In den Jahren 1985 und 1986 erschienen im Reiner-Feest-Verlag zwei „Comic Spiegel“-Sonderausgaben als Softcover-Alben. Die erste Ausgabe ist mir unbekannt; die 40 Seiten umfassende zweite hingegen nimmt man schon mal mit, wenn sie einem der Comichändler quasi hinterherwirft und einen das schöne cyberpunkige Cover anspricht.
Hui, das klingt sehr interessant. Danach werde ich mich mal umschauen. Danke für die Vorstellung!
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Ully Arndt / Gunter Baars – Larry: Total verrockt!

Die anthropomorphe Ratte Larry kannte ich noch aus der „Bravo“, wo sie eine Weile als eine Art Maskottchen fungierte und, wenn ich mich recht entsinne, ihre Comic-Geschichten Anfang der 1990er abgedruckt wurden. Diese stammen von Zeichner Ully Arndt und Texter Gunter Baars, die vor allem für ihre „Ottifanten“ bekannt sind. Die „Larry“-Abenteuer kompilierte der Kieler Semmel-Verlach im Jahre 1992 zu diesem ausgesprochen hübschen, vollfarbigen, rund 50-seitigen Hardcover-Album, das, wie die eingekreiste „1“ auf dem Titel verrät, eigentlich den Auftakt zu einer Reihe bilden sollte, zu der es aus mir unbekannten Gründen aber nie kam. Bei diesem Band handelt es sich um einen glücklichen Flohmarktfund.

Larry ist ein arbeitsscheuer Frauenheld, der auf laute Rockmusik steht und zudem die einzige anthropomorphe Figur in seiner Welt, worüber sich aber keiner der Menschen wundert. Die fünf wichtigsten Figuren – neben Larry sind dies dessen netter, aber auch langweiliger Mitbewohner Eberhard, der ein Medizinstudium absolviert, Larrys Freundin Babsie, Hausmeister Klotzig und Eberhards Mutter Frau Bockmüller – werden einführend vorgestellt. Bei den Comics handelt es sich dann um vergnügliche, einseitige, jeweils in sich abgeschlossene Funnys. Das Motiv des Babys, auf das Larry aufpassen muss, erstreckt sich jedoch über mehrere Seiten; Running Gags sind das leidige Treppenputzen, dem Larry eigentlich nachkommen müsste, es aber so gut wie nie tut, sowie der Umstand, dass er stets unabsichtlich wie ein Sittenstrolch erscheint, wenn Eberhards Mutter zu Besuch kommt.

Arndt zeichnete sich einen Gastauftritt und lässt Larry einmal die vierte Wand durchbrechen, aber alles spielt sich geordnet innerhalb einer sehr übersichtlichen Panelstruktur ab. „Larry“, als Jugendcomic konzipiert, karikiert typische Generationskonflikte und damit einhergehende Klischees auf unterhaltsame, sympathische Weise. Ein paar Rechtschreibfehler haben sich eingeschlichen und leider verzichtete der Verlag erneut auf Seitenzahlen, aber das sind nur Randnotizen.

Larry Konterfeit zierte ab der zweiten Hälfte der 1980er auch eine Tonträgerreihe, die sich jedoch auf aktuelle Pop- und Dancefloor-Charthits fokussierte und damit wenig zum in den Comics vermittelten Bild passt.
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Blap
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Beitrag von Blap »

es muss nicht immer.jpg
es muss nicht immer.jpg (60.56 KiB) 17 mal betrachtet
• Es muss nicht immer Kaviar sein (Johannes Mario Simmel, 1960)

Thomas Lieven stammt aus Deutschland und führt kurz vor dem zweiten Weltkrieg eine kleine Privatbank in London. Er liebt schöne Frauen und gutes Essen. In den Wirren des Krieges, sind sämtliche Fähigkeiten des cleveren Lebemannes gefragt, dessen Qualitäten vor allem die Geheimdienste fast aller Kriegsparteien interessieren ...

Mit "Es muss nicht immer Kaviar sein" schaffte Simmel damals den Sprung vom bekannten Schriftsteller zu einem der Stars unter den deutschsprachigen Schreiberlingen. Während in den vorherigen Romanen der "WWII-Anteil" stetig abnahm, bewegt sich nun der größte Teil der Erzählung in diesem Rahmen. Simmel hat mit Thomas Lieven einen charmanten und (positiv) durchtriebenen Helden erdacht, einen Helden mit vielen Stärken und einer Schwäche für das weibliche Geschlecht. Klar, aus heutiger Sicht mutet das Frauenbild überholt an, doch Simmel stellt die Damen keineswegs als wehrlose Liebchen dar. Im Gegenteil, den meisten Frauen würde man gern in der Realität begegnen, abgesehen von einer widerwärtigen Nazidienerin.

Neben seiner Begeisterung für das weibliche Geschlecht ist Thomas dem Kochen sehr zugeneigt. Immer wieder vermag er mit seinen Kochkünsten brenzlige Situationen zu entschärfen, nachhaltige Überzeugungsarbeit zu leisten. Simmel hat alle Rezepte im Buch verewigt, ein netter und einnehmender Gag. Im Laufe der Erzählung begegnet der Protagonist auch einigen realen Personen, darunter Josephine Baker, J. Edgar Hoover und dem Scheißhaufen Heinrich Himmler. Damit sind wir beim Thema Nazis und Krieg. Simmel lässt keinen Zweifel an seiner pazifistischen und antifaschistischen Gesinnung aufkommen. Dennoch stellt er nicht alle am Krieg beteiligten Deutschen als Unholde dar, vom kleinen Landser bis zum Stabsoffizier, es bleibt Raum für feine Zwischentöne, ohne jedoch eine Zeile lang das Treiben zu verharmlosen.

Neu ist der Umfang des Buches. Waren die früheren Werke von recht kompakter Natur, bewegten sich zwischen 250 und 400 Seiten, bekommt der geneigte Leser nun 600 Seiten vor die Augen. Eine gute Entscheidung, denn es gibt viel zu erzählen, auf den letzten 50 Seiten wird es fast ein wenig hektisch. Insgesamt mutet der Roman rund an, doch mich beschlich das Gefühl, Herr Simmel hätte noch genug Munition für ein- oder zweihundert Seiten mehr gehabt. Bereits 1961 erreichte "Es muss nicht immer Kaviar sein" die Kinos. 1977 folgte eine ausführlichere Verfilmung in Form einer TV-Serie.

Spannung, Drama und haarsträubende Abenteuer, abgeschmeckt mit einer positiven Message und Humor. Für mich 600 Seiten Lesevergnügen!
Das Blap™ behandelt Filme wie Frauen
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