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Produktionsland: USA 1998
Regie: Dean Alioto
Darsteller: Kristian Ayre, Benz Antoine, Gillian Barber, Julian Bond, Dean Alioto
Dean Alioto, das ist erneut ein Name, der wohl den wenigsten Filmenthusiasten etwas sagen wird. Tatsächlich scheint Alioto seit den 90ern vorrangig fürs US-amerikanische Fernsehen zu arbeiten – und zwar an mir als Serienmuffel völlig unbekannten Programmen mit Titeln wie WATCH OVER ME oder THE GENESIS FILES -, und daneben immer mal wieder den einen oder anderen Spielfilm zu realisieren, wobei Werke mit Titeln wie L.A. DICKS oder CRASHING EDEN ebenfalls niemals im für mich relevanten Sektor Wellen geschlagen haben, die hoch genug wären, um mich zu erreichen. Was aber, meine ich, Alioto zumindest einen Fußnoteneintrag in der Filmgeschichte einbringen sollte, das sind zwei seiner frühesten Filme, die nicht nur ähnlich klingen, sondern auch inhaltlich zwei Eier aus demselben Nest sind – zum einen U.F.O. ABDUCTION von 1989, sowie das innovativ betitelte Remake knapp zehn Jahre später, ALIEN ABDUCTION von 1998. Wie ich auf die Idee komme, dass diese beiden Werke, von denen das eine in den späten 80ern in Kleinstauflage direkt auf Video veröffentlicht wurde, und von denen das andere eine Produktion direkt fürs US-Fernsehen gewesen ist, welche sein sollen, in die Freunde und Freundinnen des eher abseitigen Kinos durchaus die eine oder andere Zeiteinheit investieren können, das möchte ich im Folgenden kurz aufdröseln.
U.F.O. ABDUCTION beginnt mit zwei Texttafeln, die das dem Film zugrundeliegende formale Konzept pointiert umschreiben. „From 1949 to 1969 the United States Government conducted investigations into reports of U.F.O. and extraterrestrial sightings. The code name for these investigations was ,Project Blue Book’. Since the termination of ,Project Blue Book’, all data from these investigations and reports thereafter have been made available to the public under the Freedom of Information Act. The uncut video footage you are about to see contains the most important evidence yet made public regarding this phenomenon. This evidence is from the Northwoods, Connecticut, U.F.O. Case 77. On the evening of October 8, 1983, a young man was videotaping his niece’s fifth birthday party. As the night’s strange occurrences took place, he kept his video camera running, recording the entire event.” Halten wir den Film an dieser Stelle bereits einmal an und lassen uns diese Einleitung auf der Zunge zergehen. Was wissen wir jetzt schon über die gleich folgenden knapp sechzig Minuten von Aliotos Debut? Es sind vor allem zwei Dinge: 1. Es wird um Außerirdische gehen, und 2. Es wird so getan werden, als würden wir authentisches found-footage-Material sehen, auf dem zufällig irgendwelche wahrscheinlich unheimlichen Dinge eingefangen worden sind, die mit eben diesen Außerirdischen zu tun haben. Wie aber wird Alioto seinen Ansatz wohl umsetzen? Wüssten wir es nicht besser, würden wir folgenden Schluss ziehen: Wenn der Film, wie anfangs behauptet wird, hauptsächlich oder komplett aus Videoaufnahmen eines jungen Mannes besteht, der eigentlich den Geburtstag seiner Nichte hat dokumentieren wollen, dann aber Aliens vor die Linse bekommen hat, dann könnte uns doch durchaus so etwas erwarten wie THE BLAIR WITCH PROJECT, nur mit Besuchern aus dem Kosmos statt mit welchen aus dem Hexenwald, oder nicht? Dass U.F.O. ABDUCTION im positiven wie im negativen Sinne diesen Verdacht vollauf bestätigt, spricht entweder für unsere Intelligenz oder dafür, dass das Konzept, mit dem die Herren Sánchez und Myrick der Genre-Film-Welt den Atem raubten, strenggenommen vor Innovation nicht wirklich gesprüht hat.
U.F.O. ABDUCTION ist dann auch ein found-footage-Horrorfilm reinsten Wassers. Alioto selbst führt als der in den Einleitungstafeln genannte junge Onkel die Kamera, und bebildert in bekannter Manier, d.h. in der Ästhetik der Wackelbilder, zunächst den etwas langweiligen Kindergeburtstag, führt unsere Protagonisten ein – neben der kleinen Jamie und deren Großmutter noch zwei Brüder des Kameramanns sowie deren Gattinnen, die aber allesamt derart austauschbar sind, dass ich mir nicht mal ihre Namen nicht habe merken können -, und wirft uns dann schon gleich in medias res: Seltsame Lichter durchbrechen die nächtliche Einsamkeit, in der das Landhaus der Familie Van Heese liegt, die drei Brüder gehen nachschauen, was da draußen den Frieden stört, stoßen auf ein waschechtes UFO und waschechte Roswell-Aliens, die offenbar gerade dabei sind, die ihnen fremde Fauna und Flora der Erde zu inspizieren, werden von ihnen entdeckt, bis zurück zum Haus verfolgt, und müssen sich dann dort, zusammen mit den weiblichen Familienmitgliedern, gegen die Gefahr wehren, von den weitgereisten Gästen als Studienobjekte ins Weltall verschleppt zu werden. Während er stilistisch solche found-footage-Filme wie THE BLAIR WITCH PROJECT, THE LAST BROADCAST oder, um einmal ein neueres Beispiel zu nennen, UFO – ES IST HIER antizipiert – inklusive ständig herumschreiende, sich streitende und umherrennende Laiendarsteller, Nachtaufnahmen, bei denen man minutenlang meint, der Bildschirm des heimischen Abspielgeräts sei ausgegangen, und Bildstörungen genau in den Momenten, in denen es etwas Interessantes, wie zum Beispiel einen Außerirdischen aus allernächster Nähe, zu sehen gibt -, rekurriert U.F.O. ABDUCTION vor allem aber auch auf eine wesentlich ältere Tradition, die ich einmal als Belagerungs-Horror bezeichnen möchte: Wie in THE BIRDS oder NIGHT OF THE LIVING DEAD sind auch bei Alioto unsere Helden in einem Haus gefangen, von wo sie sich gegen die von außen anstürmende Bedrohung verteidigen müssen – wobei aber U.F.O. ABDUCTION freilich niemals weder den zentnerschweren psychoanalytischen Überbau eines Hitchcock zu stemmen versteht noch in irgendeiner Szene die klaust-rophobische Intensität erreicht, die der junge Romero zu evozieren imstande gewesen ist.
Stattdessen wirkt U.F.O. ABDUCTION wie ein Film, dessen Erscheinungstermin ich mir auch gut und gerne zwanzig Jahre später vorstellen könnte. Einfach alles exerziert Alioto bereits Ende der 80er durch, von dem found-footage-Streifen heutzutage noch immer leben: Da die Produktionskosten niedrig sind – scheinbar hat Alioto den Film aus der eigenen Portokasse finanziert, wobei das Budget auf der imdb mit immerhin 6.500 US-Dollar veranschlagt wird -, dürfen Raumschiff und Besatzung nie in Nahaufnahme zu sehen sein, damit wir die Masken aus dem örtlichen Kostümverleih nicht erkennen, und da alles so authentisch wie möglich wirken soll, dürfen die Schauspieler am laufenden Band improvisieren, und da das Grauen allein suggeriert und so gut wie nie gezeigt wird, kann das für den Zuschauer entweder nervenzerreißend spannend sein oder eben todlangweilig. Etwas verwundert mich indes, dass, wie man mancherorts im Netz lesen kann, einige UFO-Gläubige seinerzeit auf Aliotos fadenscheinigen Versuch hereingefallen sein und das vermeintliche home video tatsächlich für bare Münze genommen haben sollen. Es mag sein, dass ein Betrachter des Jahres 1989 noch nicht so versiert im Umgang mit Medien und ihren Manipulationen gewesen ist wie es einer fünfundzwanzig Jahre später ist, trotzdem gibt es da so einige Dinge an U.F.O. ABDUCTION, die einem regelrecht ins Gesicht schreien, dass Alioto nicht über so viel Leim verfügt wie beispielweise Ruggero Deodato oder das Team Myrick/Sánchez. Schon der Vorspann, gleich nach den oben zitierten Texttafeln, erinnert an einen eher missglückten Versuch, etwas STAR-WARS-Stimmung aufkommen zu lassen. Vor einem Sternenhimmel saust der Titel des Films auf den Zuschauer zu. Die Buchstaben wölben sich uns regelrecht entgegen, wozu eine New-Age-Musik erklingt, die besser zu einer Dokumentation über die wundersame Welt des Kosmos passen würde. Danach tun die Schauspieler – allesamt Leute aus dem näheren oder ferneren Umfeld Aliotos – zwar alles, um so normal wie möglich zu erscheinen – man bläst Geburtstagskuchenkerzen aus, führt am Küchentisch Parallelgespräche, plaudert über absolute Belanglosigkeiten -, einige Dialogzeilen vereiteln den Versuch aber dann doch, U.F.O. ABDUCTION zu Beginn wirken zu lassen wie den Schlüssellochblick in eine typische US-Familie. Meine liebste Szene in dieser Hinsicht ist das Gespräch zwischen den drei Brüdern, während die dem Geheimnis der komischen Lichtblitze auf den Grund gehen, und das sich um die mutmaßliche Alkoholsucht der verwitweten Mutter dreht. Sätze wie „Drinking causes problems but can not solve anything“ hören sich für mich wie Binsenweisheiten an, die zumindest kein mir bekannter Mensch jemals außerhalb von Büchern oder Filmen äußern würde. Aber man braucht gar nicht nach solchen Details zu fahndend: Da U.F.O. ABDUCTION über einen (mit furchtbarer Musik unterlegten) Abspann verfügt, in dem sogar die Statisten unter den Alien-Masken namentlich genannt werden, kann ich mir eigentlich kein höheres Maß an Transparenz von Alioto wünschen.
Trotzdem scheint der Film, wie gesagt, in gewissen Kreisen dieselben gezogen haben, und entwickelte sich, natürlich nur unter den überschaubaren Mitgliedern besagter Kreise, zu einem Kultgegenstand. Grund genug für Alioto, den gleichen Film im Jahre 1998 einfach noch einmal zu drehen, und zwar diesmal für einen US-Fernsehsender. ALIEN ABDUCTION – INCIDENT AT LAKE CITY erhöht die Laufzeit von sechzig auf neunzig Minuten, vermehrt das Personenarsenal, die Gefahrenszenarien und wirkt überhaupt in allen Belangen, obwohl freilich immer noch einzig und allein mit einer ruhelosen Videokamera aufgezeichnet, beachtlich polierter als der ungleich grobschlächtigere Vorgänger. In U.F.O. ABDUCTION besteht die Handlung im Grunde aus drei simplen Stationen: 1. Die Familie Van Heese merkt, dass was nicht stimmt, werden mit den Aliens konfrontiert. 2. Sie fangen eines dieser Aliens bzw. töten es, und sitzen danach wieder völlig unbekümmert am Küchentisch, um Karten spielend zu warten bis der Morgen anbricht. 3. Das kleine Mädchen gerät unter (telekinetischen?) Einfluss der Außerirdischen, öffnet ihnen Haus und Hof, und unsere Familie wird hypnotisiert und abtransportiert. Großartig gezeichnet werden die Charaktere nicht, die Figuren sind eher grobe Farbkleckse, und es fällt auf, dass Alioto bemüht ist, nicht allzu sehr gängige Genre-Klischees zu bedienen, und dem Ganzen einen eher naturalistischen Anstrich zu belassen. Letzteres kann man bestens an der Bild-Qualität des Films ablesen: Gerade in den Szenen absoluter Dunkelheit ist exakt rein gar nichts mehr zu erkennen, und auch sonst verhindern grobkörnige Pixel nicht nur, dass wir das UFO richtig sehen zu können, Gleiches gilt auch für die menschlichen Protagonisten. Es hat wohl auch mit der technologischen Entwicklung innerhalb der Dekade, die zwischen U.F.O. ABDUCTION und ALIEN ABDUCTION liegt, zu tun, dass letzterer wesentlich ansprechende Bilder beinhaltet, denen zwar der raue Charme des Originals fehlt, bei denen man aber wenigstens erahnen kann, was da eigentlich wer gerade tut oder nicht tut.
Ansonsten tut Alioto selbst aber nichts, um von seinem bewährten Konzept auszuscheren. Die Grundstruktur von U.F.O. ABDUCTION wird übernommen, die oben genannten drei Stationen nur weiter ausgeschmückt und ausgebaut, was zum einen seinen Grund wohl darin hat, dass ALIEN ABDUCTION offensichtlich mehr oder minder drehbuchbasiert organisiert wurde, und sich zum andern allein durch die Zunahme von Rollen erklärt, die in U.F.O: ABDUCTION keine spielten. An Personen werden in ALIEN ABDUCTION in die Waagschale geworfen: Das kleine Mädchen, Rosie, sodann ihre drei Onkel, dem Alter nach aufsteigend, Kurt, Brian und Tommy, der die Kamera führt und den wir deshalb nur ein einziges Mal im Film zu sehen bekommen. Brian ist mit Renee liiert, und hat zu Beginn Sex mit ihr, was Tommy schamlos durch den Türspalt filmt, während Kurts Frau Linda heißt, die dann auch die Mutter von Rosie ist. Anders als im Original hat Alioto den drei Brüdern noch eine Schwester hinzugedichtet, nämlich Melanie, die zu Rosies Geburtstag gleich mal ihren neuen Freund, Matthew, mitbringt. So, als habe Alioto das im gleichen Jahr erschiene Dogma-Meisterwerk FESTEN von Thomas Vinterberg gesehen, muss Matthew ein Schwarzer sein, der vor allem bei Kurt auf instinktive Ablehnung stößt – nicht einmal die Hand möchte er ihm reichen. Damit an Familien-Dysfunktionalitäten nicht genug: Während in U.F.O. ABDUCTION lediglich einmal kurz darauf angespielt wird, dass die Mutter gerne und heimlich einen trinkt, seitdem der Vater verstorben ist, treibt Alioto diesen Charakterzug in ALIEN ABDUCTION bis zum Exzess und weit darüber hinaus. Man hat schwer den Eindruck, einer parodistischen Selbstdemontage des Films zuzusehen, wenn die namenlose Mutter von Anfang bis Ende des Films niemals ohne ihr Weinglas zu sehen ist, an dem sie sich selbst während der Fluchtszenen und als das Haus fast schon unter intergalaktischem Beschuss steht, festklammert wie am sprichwörtlichen Strohhalm, und es dabei schafft, niemals einen Tropfen des kostbaren Saftes zu verschütten.
Allein der Umstand, dass es ein gutes Trinkspiel abgeben würde, jedes Mal, wenn ALIEN ABDUCTION die Alkoholsucht der alten Frau bebildert oder in Dialogen darauf Bezug nimmt, beweist natürlich schon, dass es sich auch bei Aliotos zweitem found-footage-Alienfilm um eine komplett inszenierte Angelegenheit handelt – obwohl er, ebenso natürlich, nicht darauf verzichtet, zu Beginn erneut einen Fließtext zu schalten, die die angebliche Authentizität des Folgenden untermauern soll. „In the fall of 1997, a sixteen year old boy set out to document his family’s Thanksgiving dinner. What he purportedly captured on his video camera was more than just a family get together. The following footage, if real, could be the most important evidence ever, supporting the possibility that we are not alone in the universe”, heißt es dort, und um diesen Punkt noch weiter zu stützen, sind in ALIEN ABDUCTION außerdem Schnipsel von Interviews mit sieben Personen eingeflochten – stilecht immer an den spannendsten Stellen -, von denen keine einzige wirklich existiert, die aber zumindest so tun, als würden sie das. Konkret handelt es sich um: 1. Den Sheriff der Region, in der die nicht mehr Van Heese, sondern MacPherson heißende Familie wohnt, 2. Jason Arnett, Sachverständiger für Video und Videomanipulationen, 3. Dr. Benjamin Green, ein Psychologe, 4. Die Anthropologin Aileen Burchess, 5. Colonel Ronald Hampton. Während diese fünf Personen mehr oder minder ernst ihre Meinung über das zur Disposition stehende Tape äußern, schießen den größten Vogel die beiden letzten Interviewpartner in unserer Liste ab. Julian Bond wird per Texteinblendung als Musiker vorgestellt, dem Akzent nach scheint er Engländer zu sein, und in schwammigen Worten erzählt er etwas, was sich anhört, als sei er selbst vor vielen Jahren einmal von Aliens entführt worden. Dass Alioto seinen eigenen Regieassistenten, denn um niemand anderen handelt es sich bei diesem Julian Bond, vor die Kamera setzt, ist jedoch noch nicht so irre wie die Tatsache, dass er selbst ebenfalls auftritt, und zwar als Filmemacher Damian Hawkins, der in einer beinahe schon poetologischen Sequenz und mindestens fünf Meta-Ebenen oberhalb des eigenen Films behauptet, das MacPherson-Tape könne einfach nur echt sein, er habe es eingehend studiert, und falls es nicht echt sei, dann könne er selbst es nur gewesen sein, der es derart professionell gefakt habe.
Gerade diese Interviews tragen jedenfalls dazu bei, dass ALIEN ABDUCTION zu einer weitaus kurzweiligeren, launigeren Produktion geworden ist als es der spröde U.F.O. ABDUCTION überhaupt sein wollte. Man merkt: Alioto hat schon mehr als einen Science-Fiction-B-Movie gesehen, und er wirft gerne und oft Versatzstücke ins Rennen, selbst wenn diese keinen oder kaum Sinn ergeben - sei es plötzliches Nasenbluten, das bei allen Familienmitgliedern auftritt, oder für den Betrachter unhörbare Sounds, die so grässlich sein müssen, dass sich unsere Helden benehmen wie Alexander DeLarge beim zwangsweisen Beethoven-Hören, oder auch solche völlig unnötigen Szenen wie die, in der Tommy seinen Bruder beim Sex aufzeichnet (und bei der Alioto einmal kurz eine weibliche Brust verpixeln muss.) Nicht nur die Alien-Kostüme sehen besser aus als im Vorgänger, vor allem beim Raumschiff-Design hat man sich wenigstens ein bisschen ins Zeug gelegt. Neben den üblichen Gruppenzwisten – etwas irritierend ist, dass ausgerechnet Mat als Schwarzes Schaf der Familie den Brüdern keinen Glauben schenken mag und sogar als es schon die ersten Anzeichen für die Anwesenheit außerirdischer Existenz gibt, das alles als Quatsch bezeichnet, fast so, als wolle Alioto Romeros NIGHT OF THE LIVING DEAD, wo ja der Afroamerikaner Held und Hauptdarsteller ist, ins reaktionäre Gegenteil verkehren -, und den üblichen Beglagerungszustand-Nebeneffekten wie Schusswechseln, Scharmützeln und schreiender Panik dürfte der größte Pluspunkt von ALIEN ABDUCTION aber wohl die elaboriertere Rolle der kleinen Nichte sein. Deren allmähliche Besessenheit durch die extraterrestrischen Gedankenkräfte wurde in U.F.O. ABDUCTION nur angerissen, in der zweiten Hälfte von ALIEN ABDUCTION entwickelt sie sich zur eigentlichen Hauptquelle der Spannung. Die Gefahr lauert nicht nur außerhalb des Hauses, sondern mitten unter unseren Helden, die davon aber nichts ahnen, während wir – eine bemer-kenswerte Szene - Rosie in einem unbeobachteten Moment, als die Kamera noch läuft, aber weggelegt ist, dabei zuschauen dürfen wie sie aus der einzigen Schusswaffe des Hauses die Munition entfernt. Schön simpel, aber effektiv sind auch die Szenen, in denen Rosie sich ans Klavier setzt und immer wieder eine Melodie spielt, die von ihren Verwandten als unangenehm und unheimlich empfunden wird, von der wir als Zuschauer aber keine einzige Note vernehmen können.
In dem Zusammenhang steht auch meine liebste Szene in ALIEN ABDUCTION. Erneut sitzt Rosie, mit dem Rücken zu uns bzw. Tommy, am Klavier, und schlägt eine Melodie von fernen Sternen in die Tasten. Rechts auf der Couch haben sich Matthew und Linda niedergelassen. Plötzlich fangen beide das Knutschen an. Mutter und Weinglas rufen Rosie zur Ordnung: Wo hast Du denn dieses Lied gelernt? Da steht auf einmal Melanie im Raum und fragt ihren Freund, warum er sich denn mit ihrer Schwägerin herumbeiße. Beide sind schockiert, springen auf. Ich dachte, sie wäre Du!, beteuert Mat – und uns ist natürlich klar, dass Rosies Klavierspiel die Geister ihrer Verwandten munter durcheinandergewürfelt hat. Das klingt nun wenig spektakulär, doch auf eine einfachgestrickte Art ist diese Szene genauso amüsant für mich wie die ständig grotesk überzeichneten Auftritte der Mutter, die einen Satz gerne mal fünf- bis zehnmal wiederholt, und mit zunehmender Laufzeit und Nacht immer besoffener und dadurch immer verwirrter wird.
Da es nun doch wesentlich mehr Zeilen gekostet hat als ich ursprünglich geplant habe, komme ich nun endlich zu den berühmten letzten Worten, die im Falle von ALIEN ABDUCTION für mich selbst überraschend positiv ausfallen. Sicher, der Film ist limitiert in seinen Mitteln, und ja, besonders viel Spannung kommt auch nicht unbedingt auf, und manchmal scheint Alioto nicht recht zu wissen, ob er sein Werk weiter bewusst überzeichnen und mit trashigen Ideen vollpacken, oder ob er besser die hard-boiled Schule des seriösen found-footage-Horrors bedienen soll, und unterm Strich sieht man in ALIEN ABDUCTION nicht viel mehr als einen Haufen unsympathischer Leute, der schreit, flieht, Blödsinn redet und nach und nach von Außerirdischen gepackt wird, die man wiederum so gut wie nie sieht, doch nichtsdestotrotz haben mich gerade die Subplots um das vom Feind besetzte Kind und die trunksüchtige Mutter derart unterhalten, dass sie mir auch über die Durststrecken des Films hinweggeholfen haben. ALIEN ABDUCTION erfindet das Rad nicht neu – um genau zu sein: er erfindet gar nichts, doch besser, weil schräger und in gewisser Weise ehrlicher als ein vergleichbares Hollywood-Produkt wie M. Night Shyamalans SIGNS ist das allemal. Und wem selbst ALIEN ABDUCTION noch zu glatt, zu sehr aufgeladen mit daily-soap-Elementen und zu sehr bestimmten Genre-Regeln verpflichtet sein sollte, der hat ja immer noch die Möglichkeit, sich den noch ereignisloseren, noch unterhaltungsärmeren, schlichtweg ungehobelten U.F.O. ABDUCTION reinzuziehen.