Arkadin hat geschrieben:Was aber gar nicht mehr geht ist das übertriebene Getue der Marines. Vasquez fand ich Mitte der 80er fürchterlich cool. Heute nervt sie mich extrem mit ihrer lächerlichen Macho-Attitüde. Vor allem aber geht mir Hudson ohne Ende auf die Nerven. Boah, was für ein Idiot. Generell kann ich mir nicht vorstellen, wie diese hyperaktive, sich selbst überschätzende, ständig blöd daherlabernde Gurkentruppe im wahren Leben gegen nur ein einziges Alien - oder auch nur ein gezähmtes Hausschwein - bestehen sollte. Schlimm auch der farbige Drill-Sargent, der zur kompleten Karikatur verkommt. Als Parodie mögen die Space-Marines noch durchgehen, aber sonst nicht.
purgatorio hat geschrieben:Arkadin hat geschrieben:(...) diese hyperaktive, sich selbst überschätzende, ständig blöd daherlabernde Gurkentruppe (...)
ich weiß gar nicht, ob's im Film gesagt wird. Aber so es sich um eine Gesellschaft mit Wehrpflicht handelt, ist das überzeichnete Bild eines Haufens von Freaks, die allesamt nicht so recht wissen warum sie eigentlich in der Armee sind, sich aber dennoch mit Knarren ganz besonders stark fühlen, durchaus realistisch
Ist in der Bundeswehr nicht anders gewesen. Und ich war quasi Hudson
Ich greife das hier nochmal auf, da ich mich kürzlich mit einem Freund über die militärische Komponente des Films unterhielt und wir zu spannenden Schlüssen gelangten. Interessant ist der Zeitpunkt der Veröffentlichung: 1986. (ich bediene mich mal bei einigen Fußnoten aus meiner Dissertation und springe in die filmische Auseinandersetzung mit Vietnam, um das zu verdeutlichen) In aller Kürze: Vietnamfilme werden in Phasen kategorisiert. Hier herrscht Konsens in der Kriegsfilmforschung, die ihre Einteilungen trotz punktueller Variationen stets deckungsgleich hervorbringt. Meist werden vier Kategorien erfasst, die mit Überschneidungen aufeinander folgen:
(1)
Allegorical epics nach 1975. Auch
Phase der Politics of ambivalence, wobei auch Filme mit Vietnam im Subtext ergänzt werden können (und müssen), die bis 1975 entstanden.
(2)
Veteran movies, die jedoch eher eine formale Kategorie darstellen und sich in jeder Phase finden.
(3)
Revisionist movies und
(4)
grunt ensemble movies, die den verrohten Soldaten ins Zentrum rücken.
[Vgl. insgesamt Mottram, James: Jungle Fever. How Vietnam Changed the Hollywood War Movie. In: Slater, Jay (Hrsg.): Under Fire. A Century of War Movies, Surrey 2009, S. 145-160, hier S. 147]
Die Phasen in den 1980er Jahren sind hier besonders wichtig: Christer Petersen verweist explizit auf die revisionistische Phase in der ersten Hälfte der 1980er Jahre, die sich seit der Präsidentschaft des Republikaners Ronald Reagan mit der Politik der neuen Stärke innerhalb einer Phase nationaler Restauration und Rehabilitierung zeigt, und den Bruch durch die kritischen Combat Movies in der zweiten Hälfte.
[Vgl. Petersen, Christer: Der unbekannte Feind: Vietnam im filmischen Diskurs. In: Petersen, Christer (Hrsg.): Zeichen des Krieges in Literatur, Film und den Medien. (Bd. 1) Nordamerika und Europa, Kiel 2004, S. 194-230, hier S. 197, letztere inkl. Rescue- oder Prisoner-Of-War-/POW-Movies, vgl. ebd. 201f.]
Dies findet sich - um mal den Rundumschlag durch die Kriegsfilmforschung etwas auszureizen - auch bei Stefan Reinecke, der vier Phasen erarbeitet:
(1) Phase des langen Schweigens, die aber Allegorien beinhalte (bspw. die TV-Serie M*A*S*H*)
[vgl. Reinecke, Stefan: Hollywood goes Vietnam. Der Vietnamkrieg im US-amerikanischen Film, Marburg 1993, S. 23ff. und Reinecke, Stefan: Der Vietnam-Krieg im US-amerikanischen Kino – Rückblick auf ein Genre. In: Heller, Heinz-B.; Röwekamp, Burkhard; Steinle, Matthias (Hrsg.): All Quiet on the Genre Front? Zur Praxis und Theorie des Kriegsfilms, Marburg 2007, S. 93-100, hier S. 93]
(2) Nach Kriegsende Phase der Faszination am Scheitern und am Grauen in der Ära Jimmy Carter [Zaunpfahl: APOCALYPSE NOW (USA 1979, Regie: Francis Ford Coppola)]
(3) Die revisionistische Phase unter Reagan
und eine (4) letzte Phase bis zur Rehabilitierung der Schlagkraft im Golfkrieg (vgl. Reinecke 1993, S. 7f. und S. 27ff.)
Der knappe Überblick zeigt eine überwiegende Vierteilung (respektive Dreiteilung, sofern die Allegorien vor und nach 1975 subsumiert werden) in eine allegorische Phase während des Krieges, eine in der Carter-Ära, eine revisionistische unter Reagan und eine als authentisch suggerierte im Gefolge von PLATOON (USA 1986, Regie: Oliver Stone), FULL METAL JACKET (Großbritannien 1987, Regie: Stanley Kubrick) et al. Und eben in dieser letzten Phase, den
grunt ensemble movies, kommt Camerons ALIENS und ist ein wenig auch seine Abrechnung mit und Verarbeitung von Vietnam. In einfacher Symbolsprache: Unfassbar hochgerüstete Soldaten, deren Waffenarsenale förmlich überquellen (man denke an Hudsons Ansprache kurz vor dem Abwurf) und die sich in maßloser Arroganz sonnen, treten gegen eine unbewaffnete Spezies an, die sich eher der Guerillataktik bedient (aus dem Hinterhalt angreift, sich durch Tunnel und Schächte bewegt). In einem Territorium, das sie unterschätzt haben, das unübersichtlich und schwül ist, sehen sie sich einer Übermacht gegenüber, die sie zu allem Überfluss tatsächlich kaum sehen. Ruhezonen gibt es keine, der Schlachtfeldstress wird zu einem Dauerzustand. Und die Jungs und Mädels sind damit hoffnungslos überfordert und gehen alle unterschiedlich damit um. Coolness ist dabei nicht von ungefähr an John Wayne angelehnt. Es gibt im Kontext von Vietnam sogar den Begriff „John Wayning“, der das veränderte Verhalten der Soldaten im Angesicht allgegenwärtiger Presse bezeichnet. Sie begannen zu posieren und sich wie Schauspieler zu inszenieren. Ein psychologischer Effekt, der auch Probleme mit sich brachte. Man betrachtete den Krieg wie auf der Leinwand. Die vorgeprägten Kriegserwartungen basierten auf dem
John Wayne Thing, nämlich einer klar durch Gegensatzpaare strukturierten Welt aus Gut und Böse. Der inneren Logik eines Films folgend, hätte der Sieg gewiss sein müssen, man gehörte ja zu den Guten. Die Realität sah indes anders aus, was zu Desillusionierung, Frustration und Gewaltexzessen führte. Und zumindest die Desillusionierung ist bei Cameron durch die (bewusst) gespielte Coolness überdeutlich, womit Angst und Panik überspielt werden. Zuletzt sind es die vielen Details, die auf Vietnam verweisen: Klassische Luftlandung mit martialischem Auftritt. Dann wird einem "in den Arsch gekniffen" und schon steht die großflächige Bombardierung zur Debatte etc. Ich denke, man kann durchaus sagen, dass ALIENS eine kritische und definitiv auch überspitzte Karikatur des Vietnamkriegs ist und zumindest mit der Kritik an militärischer Überheblichkeit und der drastischen Darstellung der (psychologischen) Folgen für den einzelnen Soldaten genau im Zeitgeist lag.