Blow Out - Brian De Palma (1981)

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fritzcarraldo
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Re: Blow Out - Brian De Palma (1981)

Beitrag von fritzcarraldo »

Blow out
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John Travolta in Brian de Palmas Meisterwerk als Tontechniker, der B-Horrorfilme vertont, einen vermeintlichen Autounfall mit ansehen muss und in eine handfeste Verschwörung gerät.
Blow out ist (scheinbar) alles ein einem. Eine große Referenz an Hitchcock, Blow up und an Coppolas Der Dialog. Aber genau wie vieles nicht so ist wie es scheint, ist Blow out nicht nur eben diese Referenz oder eben ein Sammelsurium des Altbekannten. De Palma schafft es, einen eigenständigen großen Film vorzulegen. Eben eine Collage die zu einem großartigen Gesamtwerk wird inkl. de Palmas geliebten Split-Screen-Sequenzen. Unterstützt wird das Ganze von Vilmos Zsigmonds wunderschöner Kamera-Arbeit und dem unfassbaren Score von Pino Donaggio, der mal modern, dann jazzig aber überwiegend wunderbar altmodisch melodisch daher kommt. Gerade dann wirkt das alles viel zu groß für diese doch eher einfache Pulp-Verschwörungs-Geschichte, passt aber gut, weil ja vieles nicht so sein soll wie es scheint. John Travolta und Nancy Allen sind gut, Dennis Franz in einer Nebenrolle als schmieriger Fotograf ist toll und trinkt offenkundig den amerikanischen J&B Vorrat alleine weg und John Lithgow als diabolischer Killer ist gewohnt diabolisch.
Sehr schön sind auch die Innenaufnahmen im Horror-Film-Studion inkl. der Filmplakate zu Boogeyman und Squirm.
"Das Leben ist noch verrückter als Scheiße!" (Joe Minaldi -Burt Young- Es war einmal in Amerika)

"J&B straight and a Corona!"
(Patrick Bateman, American Psycho)

https://www.latenight-der-fussball-talk.de
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Maulwurf
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Re: Blow Out - Brian De Palma (1981)

Beitrag von Maulwurf »

 
Blow Out - Der Tod löscht alle Spuren
Blow out
USA 1981
Regie: Brian De Palma
John Travolta, Nancy Allen, John Lithgow, Dennis Franz, Peter Boyden, Curt May, John Aquino, John McMartin, Deborah Everton,
J. Patrick McNamara, Missy Cleveland, Roger Wilson, Lori-Nan Engler, Cindy Manion, Missy O'Shea, Marcy Bigelman, Ann Kelly


Blow Out - Der Tod löscht alle Spuren.jpg
Blow Out - Der Tod löscht alle Spuren.jpg (70.26 KiB) 21 mal betrachtet
OFDB

Wie klingt Tod? Diese Frage stellt sich der Toningenieur Jack, der eines Nachts beim Sound-Hunting in einem Waldstück plötzlich Reifen quietschen hört und mit ansehen muss, wie ein Auto in voller Fahrt in einen See brettert. Jack taucht und kann in letzter Sekunde ein junges Mädchen retten, doch für den anderen Passagier kommt jede Hilfe zu spät: Der Gouverneur des Staates Pennsylvania und angehende US-Präsident ist tot. Unter Jack rollt sich ein Minenfeld aus: Das gerettete Mädchen darf nicht existieren, da niemand erfahren soll, dass der angehende Präsident mit der Hand unter dem Rock einer fremden Frau gestorben ist. Das geht ja noch, schlimmer für Jack ist aber das Wissen, dass er vor dem platzenden Reifen noch etwas gehört hat. Einen Schuss. Und dies hat niemanden zu interessieren, vor allem ihn als zufälligen Zeugen nicht.

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Formal gesehen macht De Palma hier alles ziemlich richtig. Formal gesehen kann man als Filmfan mit Schwerpunkt Italien hier so dermaßen ins Schwärmen geraten, dass es fast peinlich werden könnte. Die Farbspiele scheinen direkt aus dem Labor des Dr. Bava übernommen zu sein. Die Kamera gefällt sich darin, mittels Tiefenschärfe und grafischer Spielereien den Bildschirm immer wieder mal in zwei Ebenen aufzuteilen, einen Splitscreen also nur mit kameratechnischen Finessen zu erzeugen, kleine Dinge in den Vordergrund und große Dinge in den Hintergrund zu stellen, zeigt aber auch gerne mal ungewöhnliche Perspektiven, um andere Sichtweisen auf das Thema darzustellen. Voller Inbrunst werden Dario Argento und Alfred Hitchcock zitiert, Antonionis BLOW UP bekommt eine gründliche Hommage, werden J&B gleich ganze Szenen gewidmet, und der Aufbau der Story selber orientiert sich glasklar an der Hochzeit der Gialli aus der ersten Hälfte der 70er.Während im Vordergrund fremde Personen sich unterhalten, sitzen die Protagonisten auch mal im hinteren Teil der Szenerie, und eine ausgiebige Rückblende taucht an einer Stelle auf, an der außer Quentin Tarantino sie niemand erwartet hätte. Die Musik schmeichelt dem Zuschauer mal verführerisch und süßlich ins Ohr, um dann aber auch mal rockig daherzukommen, und meistens wird sehr wohl der richtige Ton getroffen. Und zu guter Letzt werden dem geneigten Filmfan in Form von Filmplakaten gleich reihenweise Referenzen auf Genrefilme, sowie durch den Beruf Jacks ein tiefer Einblick in die Entstehung von Filmen um die Ohren gehauen. Nein, formal gesehen ist BLOW OUT ein einziges Fest für die Sinne. Sicher auch ein Grund, warum ich dem Film bei der Erstsichtung vor sehr vielen Jahren 9 von 10 Richtmikrofonen gegeben habe.

Nach der Sichtung von vielen und noch mehr Gialli muss ich allerdings konstatieren, dass De Palma für die Handlung sicher keinen Innovationspreis gewinnen wird, vor allem nicht im Jahre 1981. Ein Künstler, der einen Mord beobachtet und sich auf ein kleines Detail konzentriert welches den Mord beweisen soll, und mit solcher Vorgehensweise den Mörder auf sich aufmerksam macht – Diese Story ist sicher nicht neu, und umso mehr sicher ist der Stil- und Gestaltungswille De Palmas zu bewundern, mit dem er dem Plot Leben einhaucht. Amerikanische Lässigkeit, gepaart mit italienischer Raffinesse, das ist schon eine überzeugende Mischung.

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Was aber für mein Empfinden nicht so recht passen mag ist der Storyverlauf. Die Handlung entwickelt sich schnell in Richtung eines Polit-Thrillers, der mit Verschwörung und Geheimnis zu tun hat, aber irgendwie schien De Palma seinem eigenen Plot nicht zu trauen. Aus der angedeuteten Verschwörung wird schnell ein handelsüblicher Krimi, in dessen Verlauf der Killer den Jäger jagt, was zwar dank der überragenden Darstellung von John Lithgow als Killer sehr sehenswert ist, dafür aber auch eine Ecke gewöhnlicher daherkommt. Die Möglichkeiten, die sich durch einen politischen Hintergrund ergeben hätten, werden vollkommen verschenkt zugunsten einer eher durchschnittlichen Mörderhatz, was ich als ausgesprochen bedauerlich empfinde. Wahrscheinlich ist dies nur die persönliche Vorliebe, aber ich denke, mit dem politischen Hintergrund hätte der Film noch mal ein paar Briketts drauflegen können, wäre er nochmal spannender geworden. So aber suhlt sich BLOW OUT niveauvoll in einem ordentlich erzählten Krimiplot, ohne sich um die wirklich extravaganten Ideen zu kümmern, welche die Story vor allem im ersten Drittel mühelos generiert. Schade, aber wieder einmal hat mir De Palma gezeigt, warum ich mit ihm nie wirklich warm werde. Zu viel verschenkte Möglichkeiten in einem technisch perfekten Umfeld – BLOW OUT hätte das Zeug gehabt zu einem echten Klassiker …

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Jack Grimaldi
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