Revolution! Making-of Bonnie und Clyde
Auf der deutschen „Bonnie und Clyde“-Blu-ray von Warner befindet sich im Bonusmaterial zum einen eine hochinteressante Dokumentation des
History Channels mit dem Titel „Liebe und Tod: Die Geschichte von Bonnie und Clyde“, in der neben einem
Off-Erzähler Clydes Schwester und die Drehbuchautoren zu Wort kommen. Illustriert mit vielen Schwarzweißfotos erfährt man reichlich Biographisches, Gesellschaftliches und Soziales über die Hintergründe des realen Falls. Clyde habe als Kleinkrimineller begonnen; Bonnie und er seien aufrichtig Liebende gewesen, die zu Zeiten der
Großen Depression zurecht einen Hass auf die Exekutive entwickelt und das getan hätten, was sich andere nur nicht getraut hätten. So wird der Eindruck vermittelt, die Banküberfälle seien moralisch vertretbar gewesen und sie hätten mit einer Ausnahme nie die Falschen getötet. Einem Ex-Häftling wie Clyde habe das System quasi keine andere Wahl gelassen.
Unter dem Titel „Revolution! Making-of Bonnie und Clyde“ findet sich jedoch darüber hinaus ein 65-minütiger Dokumentarfilm des französischen Regisseurs Laurent Bouzereau, einem Experten für
Making-of-Filme, aus dem Jahre 2008 auf der Disk. Begleitet von vielen Filmausschnitten und alten Fotos treten hier zunächst Clyde-Darsteller Warren Beatty und die Autorschaft in Erscheinung, die die Einflüsse der
Nouvelle Vague beschreiben und sich erinnern, wie lange sie nach einem Regisseur hatten suchen müssen. Der kreative Berater kommt zu Wort, ebenso Regisseur Arthur Penn. Die Drehbuchänderungen um Clydes sexuelle Ausrichtung werden genannt; Curtis Hanson berichtet von seiner Entdeckung Faye Dunaways und wie er sie an diesen Film vermittelte. Diese betritt sodann die Szenerie und erzählt von ihren Vorbereitungen sowie dem Dreh. Ähnliches plaudert C.W.-Moss-Darsteller Michael J. Pollard aus dem Nähkästchen, zu dessen Filmfigur, wie man erfährt, drei reale Personen miteinander verschmolzen. Gene Hackmann, Estelle Parsons und später auch Evans Evans reihen sich ein und teilen ihre Erinnerungen mit den Zuschauerinnen und Zuschauern.
Es wird deutlich, welch großen Einfluss Beatty auf den Film hatte; er habe sich im ständigen kreativen Disput mit Regisseur Penn befunden. Kostümbildnerin Theadora Van Runkle kommt im weiteren Verlauf ebenso zu Wort wie Presseagent Guttman,
Art Director Dean Tavoularis, Dunaways Double, Editorin Dede Allen und
Special Consultant Robert Towne. Daraus ergibt sich ein multiperspektivischer, bunter Strauß an Eindrücken und Anekdoten. Man geht auf die
veränderte Arbeitsweise und damit einhergehenden Konflikte mit Kameramann Burnett Guffey ein – der zwischendurch kündigte, aber den Oscar für seine Arbeit erhielt. Die Doku gewinnt weiter an Tiefgang, als das Verhältnis von Gewalt, Komik und Tragik beleuchtet wird. Man klassifiziert „Bonnie und Clyde“ als einen der ersten Antihelden-/Gangsterfilme, die das Publikum Empathie und sogar Sympathie empfinden ließen, und adelt Beatty als Schauspiel-Produzent. Technischer wird’s wieder, wenn Tempo, Energie und Schnitt thematisiert und die Oralsex-Szene als Besonderheit herausgestellt werden. Die Filmmusik habe zum Teil schon im Vorhinein festgestanden.
Abschließend widmet man sich der Rezeption: Warner Brothers habe der Film gar nicht gefallen, das Publikum ihn aber angenommen. Ein dummer, aber populärer Kritiker habe ihn wegen seiner neuartigen, realitätsnahen Gewaltdarstellung verrissen und die Vermarktung habe zunächst eine echte Herausforderung dargestellt, doch auf die ersten positiven Kritiken hin machte man aus der Not eine Tugend und griff die Kontroverse um den Film für eine neue Werbekampagne auf, wodurch „Bonnie und Clyde“ richtig durchstartete – auch international. Eine grobe filmhistorische Einordnung des Films rundet diese
Making-of-Doku ab. Klar, hier wird sich – wie so oft in derartigen
Features – viel gegenseitig auf die Schultern geklopft und Honig um den Bart geschmiert. Dafür erhält man aber auch überaus interessante Einblicke sowie etwas Tiefgang und werden viele Facetten berücksichtigt, die auch gerade Jahrzehnte nach seinem Erscheinungsjahr helfen, den Film in den Kontext seiner Zeit zu setzen und damit besser zu durchzudringen.