Bonnie und Clyde - Arthur Penn (1967)

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Bonnie und Clyde - Arthur Penn (1967)

Beitrag von buxtebrawler »

bonnie_und_clyde.jpg
bonnie_und_clyde.jpg (91.09 KiB) 93 mal betrachtet

Originaltitel: Bonnie and Clyde

Herstellungsland: USA / 1967

Regie: Arthur Penn

Darsteller(innen): Warren Beatty, Faye Dunaway, Michael J. Pollard, Gene Hackman, Estelle Parsons, Denver Pyle, Dub Taylor, Evans Evans, Gene Wilder, Martha Adcock, Harry Appling, Owen Bush u. A.
Die Kellnerin Bonnie (Faye Dunaway) macht die Bekanntschaft des Gesetzlosen Clyde Barrow (Warren Beatty) und brennt mit ihm durch. Um sich zu finanzieren, rauben die beiden Banken aus. Zunächst gehen sie mit einigem Charme vor, doch bald müssen die ersten Menschen sterben, als sie das Duo stoppen wollen. Bald haben die beiden eine richtige Bande zusammen und die Legende von ihren Raubzügen ist landauf, landab bekannt. Doch die Polizei schläft nicht und wartet nur auf eine Gelegenheit, der Legende ein Ende zu bereiten.
Quelle: www.ofdb.de

Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Bonnie und Clyde - Arthur Penn (1967)

Beitrag von buxtebrawler »

„Wir rauben Banken aus!“

Was US-Regisseur Arthur Penn mit der Gangster-Road-Movie-Ballade „Bonnie und Clyde“ zwischen seinen Filmen „Ein Mann wird gejagt“ und „Flesh and Blood“ im Jahre 1967 vollbrachte, nachdem die Journalisten David Newman und Robert Benton ihr Drehbuch zuvor François Truffaut (keine Zeit) und Jean-Luc Godard (keine Studiofinanzierung möglich) vorgelegt hatten, gilt neben „Die Reifeprüfung“ als Mitbegründer des New Hollywood: Ein an die Nouvelle Vague angelehnter, offenerer, freierer Inszenierungsstil und ein Bruch mit altgedienten Hollywood-Konventionen. „Bonnie und Clyde“ wurde zunächst verkannt, dann aber für zehn Oscars nominiert – von denen er zwei gewann.

„Du hast bei mir keinen Augenblick Ruhe!“ – „Versprichst du mir das?“

Die USA zur Zeit der Großen Depression: Kellnerin Bonnie (Faye Dunaway, „Morgen ist ein neuer Tag“) schließt sich kurzentschlossen dem Gangster Clyde Barrow (Warren Beatty, „Der Gentleman-Zinker“) an, fortan raubt man eine Bank nach der anderen aus. Bald wächst das Duo zu einer kleinen Bande heran, denn sie gewinnen in C. W. Moss (Michael J. Pollard, „Die wilden Engel“) einen Komplizen; Clydes Bruder Buck (Gene Hackman, „Lilith“) und dessen Frau Blanche (Estelle Parsons, „Ladybug Ladybug“) stoßen notgedrungen dazu, nachdem Buck während eines Treffens mit Clyde einen Verfolger erschossen hat, und sogar ein junges Ehepaar ist zwischenzeitlich mit von der Partie, als Bonnie und Clyde es kurzerhand entführen, sich aber schnell mit ihm anfreunden. Doch mittlerweile zählt man zu den meistgesuchten Verbrechern der Vereinigten Staaten, Bonnies Nerven liegen zunehmend blank – und die Schlinge der Polizei zieht sich immer weiter zu…

Zwei Texttafeln umreißen grob Bonnies und Clydes Vita, der Vorspann zeigt alte Schwarzweißfotos, doch mit Beginn der Handlung verliert man nicht mehr viel Zeit: Bonnie scheint sich Hals über Kopf in Clyde zu verknallen und die gemeinsame kriminelle Laufbahn nimmt ihren Lauf. Der Dreh an Originalschauplätzen verleiht der romantisierten Adaption der wahren Laufbahn des echten Gangsterpaars ein gewisses Maß an Authentizität. Die Autoren und Regisseur Penn fokussieren sich darauf, ein Wir-gegen-den-Rest-der-Welt-Gefühl zu vermitteln, das Bonnie und Clyde unter der einfachen Bevölkerung zahlreiche Sympathien bis hin zu Rückhalt einbringt, während (und gerade weil) Rechtsstaat und System als gescheitert erachtet werden. Dass sich Bonnie und Clyde mit der größten Bande – der systemerhaltenden Polizei – anlegen, wird ihnen indes zum Verhängnis werden. Und dass der kurzzeitig von ihnen entführte Eugene (Gene Wilder, „Frühling für Hitler“) ein Bestattungsinstitut betreibt, soll sich als böses Omen erweisen.

Die Kamera ist mal nah an den Figuren, mal fängt sie schöne Landschaftspanoramen ein. Der Hillbilly-Banjo-Soundtrack trägt zur Lokalisierung in den Südstaaten bei. Einige Schießereien und Verfolgungsjagden sorgen für Action und mit steigender Laufzeit wird der Film zunehmend härter, bis das ultrabrutale Ende einen aus dem romantischen Outlaw-Märchen heraus auf den Boden der Tatsachen zurückholt. Es ist fast, als wolle der Film sagen: Vergiss deine Träumereien, „sie“ sind ohnehin stärker. Es kann aber auch als verzweifelter Versuch betrachtet werden, eine Gesellschaft am Rande zur Anomie durch ein Exempel gewaltsam zur Ordnung zu rufen, was letztlich eine weitere Eskalationsstufe bedeutet, die nicht dauerhaft unbeantwortet bleiben wird.

Schade ist es, dass die Handlung ihrer Sexualität beraubt wurde: Überlieferungen zufolge hatten die Autoren ursprünglich intendiert, Clyde als einen bisexuellen Mann zu zeichnen und aus der Beziehung Bonnies, Clydes und Moss‘ zueinander eine Ménage à trois zu machen. Statt einer weiteren Enttabuisierung und zusätzlichen provokativen Potentials blieb nach einigen Drehbuchbearbeitungen jedoch lediglich ein impotenter Bonnie übrig. Eine Kastration des Skripts im wahrsten Wortsinn. Dennoch wurde „Bonnie und Clyde“ ein Meisterstück mitreißenden Kinos, das eine Geschichte über Freundschaft, Liebe und Verrat erzählt und zum einflussreichen Kultfilm avancierte, dessen spezielle Charakteristika sich über die Jahrzehnte hinweg immer wieder in Filmproduktionen ähnlicher Prämisse finden. Und nicht nur die Dunaway war hier eine echte Entdeckung, der anschließend eine große Karriere bevorstand.

Sollte man gesehen haben.
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CamperVan.Helsing
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Re: Bonnie und Clyde - Arthur Penn (1967)

Beitrag von CamperVan.Helsing »

buxtebrawler hat geschrieben: Di 28. Feb 2023, 16:24
Statt einer weiteren Enttabuisierung und zusätzlichen provokativen Potentials blieb nach einigen Drehbuchbearbeitungen jedoch lediglich ein impotenter Bonnie übrig. Eine Kastration des Skripts im wahrsten Wortsinn.
:shock: :???:

Ich gebe zu, noch nie davon gehört zu haben, dass angedacht war, Clyde als bisexuellen Menschen darzustellen. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass dies funktioniert hätte, abgesehen davon, dass 1967 (glaube ich wenigstens) immer noch der Hays' Code galt, die Stonewall Riots noch nicht passiert waren und Homosexualität ein Tabuthema war, was es noch schwerer gemacht hätte, davon in einer Geschichte in den ländlichen USA in den frühen 1930ern zu erzählen. Insbesondere denke, dass die Beziehung zwischen Bonnie und Clyde sich völlig verändern würde, er braucht ja eine Ausstrahlung, die Bonnie dazu bringt, ihr bisheriges Leben aufzugeben. Diese Änderung würde den Lauf der Story selbst verändern.

Deinem Fazit stimme ich freilich zu, sollte man sich anschauen.
My conscience is clear

(Fred Olen Ray)
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Re: Bonnie und Clyde - Arthur Penn (1967)

Beitrag von buxtebrawler »

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Revolution! Making-of Bonnie und Clyde

Auf der deutschen „Bonnie und Clyde“-Blu-ray von Warner befindet sich im Bonusmaterial zum einen eine hochinteressante Dokumentation des History Channels mit dem Titel „Liebe und Tod: Die Geschichte von Bonnie und Clyde“, in der neben einem Off-Erzähler Clydes Schwester und die Drehbuchautoren zu Wort kommen. Illustriert mit vielen Schwarzweißfotos erfährt man reichlich Biographisches, Gesellschaftliches und Soziales über die Hintergründe des realen Falls. Clyde habe als Kleinkrimineller begonnen; Bonnie und er seien aufrichtig Liebende gewesen, die zu Zeiten der Großen Depression zurecht einen Hass auf die Exekutive entwickelt und das getan hätten, was sich andere nur nicht getraut hätten. So wird der Eindruck vermittelt, die Banküberfälle seien moralisch vertretbar gewesen und sie hätten mit einer Ausnahme nie die Falschen getötet. Einem Ex-Häftling wie Clyde habe das System quasi keine andere Wahl gelassen.

Unter dem Titel „Revolution! Making-of Bonnie und Clyde“ findet sich jedoch darüber hinaus ein 65-minütiger Dokumentarfilm des französischen Regisseurs Laurent Bouzereau, einem Experten für Making-of-Filme, aus dem Jahre 2008 auf der Disk. Begleitet von vielen Filmausschnitten und alten Fotos treten hier zunächst Clyde-Darsteller Warren Beatty und die Autorschaft in Erscheinung, die die Einflüsse der Nouvelle Vague beschreiben und sich erinnern, wie lange sie nach einem Regisseur hatten suchen müssen. Der kreative Berater kommt zu Wort, ebenso Regisseur Arthur Penn. Die Drehbuchänderungen um Clydes sexuelle Ausrichtung werden genannt; Curtis Hanson berichtet von seiner Entdeckung Faye Dunaways und wie er sie an diesen Film vermittelte. Diese betritt sodann die Szenerie und erzählt von ihren Vorbereitungen sowie dem Dreh. Ähnliches plaudert C.W.-Moss-Darsteller Michael J. Pollard aus dem Nähkästchen, zu dessen Filmfigur, wie man erfährt, drei reale Personen miteinander verschmolzen. Gene Hackmann, Estelle Parsons und später auch Evans Evans reihen sich ein und teilen ihre Erinnerungen mit den Zuschauerinnen und Zuschauern.

Es wird deutlich, welch großen Einfluss Beatty auf den Film hatte; er habe sich im ständigen kreativen Disput mit Regisseur Penn befunden. Kostümbildnerin Theadora Van Runkle kommt im weiteren Verlauf ebenso zu Wort wie Presseagent Guttman, Art Director Dean Tavoularis, Dunaways Double, Editorin Dede Allen und Special Consultant Robert Towne. Daraus ergibt sich ein multiperspektivischer, bunter Strauß an Eindrücken und Anekdoten. Man geht auf die
veränderte Arbeitsweise und damit einhergehenden Konflikte mit Kameramann Burnett Guffey ein – der zwischendurch kündigte, aber den Oscar für seine Arbeit erhielt. Die Doku gewinnt weiter an Tiefgang, als das Verhältnis von Gewalt, Komik und Tragik beleuchtet wird. Man klassifiziert „Bonnie und Clyde“ als einen der ersten Antihelden-/Gangsterfilme, die das Publikum Empathie und sogar Sympathie empfinden ließen, und adelt Beatty als Schauspiel-Produzent. Technischer wird’s wieder, wenn Tempo, Energie und Schnitt thematisiert und die Oralsex-Szene als Besonderheit herausgestellt werden. Die Filmmusik habe zum Teil schon im Vorhinein festgestanden.

Abschließend widmet man sich der Rezeption: Warner Brothers habe der Film gar nicht gefallen, das Publikum ihn aber angenommen. Ein dummer, aber populärer Kritiker habe ihn wegen seiner neuartigen, realitätsnahen Gewaltdarstellung verrissen und die Vermarktung habe zunächst eine echte Herausforderung dargestellt, doch auf die ersten positiven Kritiken hin machte man aus der Not eine Tugend und griff die Kontroverse um den Film für eine neue Werbekampagne auf, wodurch „Bonnie und Clyde“ richtig durchstartete – auch international. Eine grobe filmhistorische Einordnung des Films rundet diese Making-of-Doku ab. Klar, hier wird sich – wie so oft in derartigen Features – viel gegenseitig auf die Schultern geklopft und Honig um den Bart geschmiert. Dafür erhält man aber auch überaus interessante Einblicke sowie etwas Tiefgang und werden viele Facetten berücksichtigt, die auch gerade Jahrzehnte nach seinem Erscheinungsjahr helfen, den Film in den Kontext seiner Zeit zu setzen und damit besser zu durchzudringen.
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