Das Grauen kommt um 10 - Fred Walton (1979)

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Das Grauen kommt um 10 - Fred Walton (1979)

Beitrag von buxtebrawler »

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Originaltitel: When a Stranger Calls

Herstellungsland: USA / 1979

Regie: Fred Walton

Darsteller: Carol Kane, Rutanya Alda, Carmen Argenziano, Kirsten Larkin, William Boyett, Charles Durning, Ron O'Neal, Heetu, Rachel Roberts, Tony Beckley, Colleen Dewhurst, Michael Champion u. A.
Die Highschool-Babysitterin Jill wird eines Abends während sie Dienst tut, von einem Anrufer terrorisiert. Entnervt bittet sie die Polizei, den Anrufer festzustellen, als er sich schon wieder meldet und ihr die berühmte Frage "Haben sie schon nach den Kindern gesehen?" stellt. Tatsächlich findet sie die Kinder ermordet auf und erfährt kurz darauf, daß die Anrufe aus demselben Haus kommen. Knapp kann sie dem Killer entkommen, dieser wandert ins Gefängnis. Sieben Jahre später jedoch kommt er wieder frei und die Anrufe bei Jill, jetzt selbst Mutter, beginnen wieder.
Quelle: www.ofdb.de
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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buxtebrawler
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Re: Das Grauen kommt um 10 - Fred Walton

Beitrag von buxtebrawler »

„Haben Sie nach den Kinder gesehen?“

Mit „Das Grauen kommt um 10“ gelang dem US-amerikanischen Regisseur Fred Walton („Die Horror-Party“) im Jahre 1979 ein Psycho-Thriller, der sich ins kollektive Gedächtnis zumindest der US-Filmwelt eingebrannt hat. Babysitterin Jill (Carol Kane, „Hundstage“) passt auf die Kinder des Ehepaars Mandrakis auf, als sie unheimliche Anrufe eines Unbekannten erhält: „Haben Sie nach den Kindern gesehen?“, lautet die immer gleiche Frage des Fremden, der Jill in Angst und Schrecken versetzt. Als sie die Polizei einschaltet, stellt sich heraus, dass der Anruf aus demselben Haus kommt und ein Psychopath die Kinder in ihrem Schlafzimmer umgebracht hat, während Jill im Wohnzimmer auf dem Sofa saß...

Diese Eröffnungssequenz ist ein Musterbeispiel für nervenzerreißende Spannung und Suspense-Thrill. Egal, ob man schon weiß, was Jill erwartet, ist der Moment des Bewusstwerdens, dass der Mörder sich im Haus befindet, Jill also allein mit ihm ist, ein echter Schock, filmisch hervorragend subtil umgesetzt. Als sich der Mörder die Treppe ins Wohnzimmer hinunter begibt, bekommt man nur einen unheimlichen Schatten zu sehen. Panisch stürzt Jill nach draußen, wo sie den Eheleuten Mandrakis in die Arme läuft. Schnitt. Verschnaufpause. Puh, was für ein Auftakt! Dieser wurde zwar vermutlich Bob Clarks Klassiker „Black Christmas“ entlehnt, aber in seiner Umsetzung auf die Spitze getrieben. Er stand Pate für Filme wie „Scream“ und ebenso wie „Black Christmas“ für andere Filme mit „Hider in the House“-Thematik. Doch war das lediglich der Beginn von Waltons Spielfilm, der eigentlich drei Filme in einem bietet: Wenn man so will das eben beschrieben Prequel, ein ausgiebiges, langwieriges Psychogramm des Mörders und eine Art Fortsetzung. Und genau daran hapert es.

Denn hat man erst einmal tief durchgeatmet, ändert sich die Handlung dahingehend, dass der Mörder, der, wie wir jetzt erfahren, Curt Duncan (Tony Beckley, „Bestien lauern vor Caracas“) heißt, nach sieben Jahren aus der psychiatrischen Sicherheitsverwahrung entkommen konnte. Erstmals bekommen wir ihn zu sehen: Er wirkt so gar nicht wie ein misanthropisches Monstrum, sondern viel mehr wie ein bemitleidenswerter, armer Tropf. Wir werden Zeuge, wie er in einer Bar versucht, soziale Kontakte zum anderen Geschlecht zu knüpfen und daraufhin verprügelt wird. Wir beobachten, wie er die Zurückweisung nicht akzeptieren kann und beginnt, der Frau nachzustellen. Wie er sich in Armengegenden herumtreibt und sich unter Bettler mischt. Wie er mit sich selbst und seiner offensichtlich traumatischen Kindheit hadert. Das ist zweifelsohne sehr glaubwürdig von Beckley gespielt. Jedoch wird mir nicht ganz klar, was Walton bezweckt: Soll um Verständnis für diese armselige Existenz gebuhlt werden? Für einen Mann, der Kinder bestialisch ermordet hat? Man sträubt sich dagegen, während Beckley versucht, Empathie und Mitleid auszulösen. Oder soll schlicht und ergreifend verdeutlicht werden, dass die unscheinbarsten Typen gemeingefährliche Psychokiller sein können? Die Silhouette dieses gebrochenen Mannes will so gar nicht zu seiner Tat von vor sieben Jahren passen, weshalb dieser Abschnitt – der längste des Films – auch nicht so recht an den Prolog anknüpfen will.

Polizist John Clifford (Charles Durning, ebenfalls „Hundstage“) macht sich auf die Suche nach Duncan, bereit, ihn zu töten – ein Katz- und Mausspiel entsteht. Dieses allerdings wurde dramaturgisch eher holprig inszeniert, der ausladende Mittelteil zieht sich der grundsätzlich interessanten Handlung zum Trotz dahin. Schlussendlich kreuzen sich die Wege Duncans und Jills, die mittlerweile selbst eine Familie hat, erneut, bis sich Walton wieder auf sein wahres Talent, das erzeugen wahnsinniger Suspense, die auf einen handfesten Schock hinsteuert, besinnt. Duncan dringt in Jills Haus ein und ein packendes Finale wird eingeläutet, das den Film zu einem befriedigenden Ende führt.

Dennoch ist mir die Intention des Mittelteils ein Rätsel: Soll eine kalte, abweisende Gesellschaft mitverantwortlich für den Wahnsinn Duncans gemacht werden? Oder soll gar ein reaktionäres Plädoyer für Selbstjustiz und Todesstrafe ausgesprochen werden, indem man zeigt, dass die Verwahrung in der Psychiatrie nicht für ausreichende Sicherheit sorgt und die Hoffnung auf Täterrehabilitation vergebens und blauäugig ist? Oder gar beides auf einmal? Das vermag ich wahrlich nicht zu beurteilen und so sehr dieser Umstand vielleicht auch zum Nachdenken anregen mag, wirkt der Film doch unrund und zu diffus in seiner Ausrichtung.

Anfang und Ende des Films sind aber so stark, dass sie über seine Schwächen gern hinwegsehen lassen. Walton beweist, wie hochqualitative Thrillerkost auch ohne Blutvergießen möglich ist. Statt grafischer Effekte bedient er sich eines punktgenauen, perfekten Soundtracks, der den Szenen erst zu ihrer gewünschten Wirkung verhilft. Die Kameraarbeit, die sich einiger Close-ups bedient, lässt die gut aufgelegten Schauspieler authentisch emotional agieren, ohne dass Overacting notwendig würde. Da stört es auch nicht, dass Durning im Prinzip mit nur einem Gesichtsausdruck auskommt. In der Ruhe liegt nicht nur die Kraft, sondern auch die Spannung und der Psycho-Horror. Ein durch und durch ernster Film, der keine Albernheiten, Sleaze-Offensiven oder Spezialeffektorgien nötig hat, die immerwährende Paranoia vor dem sich an Kindern vergreifenden Psychopathen bedient und den Zuschauer dort packt, wo er sich am sichersten wähnt: Im eigenen Haus.

1993 erschien mit „Stimme der Dunkelheit“ eine empfehlenswerte Fortsetzung, ebenfalls unter der Regie Waltons. Die Eingangssequenz wurde für das Remake „Unbekannter Anrufer“ aus dem Jahre 2006 hergenommen und zur Spielfilmlänge aufgeblasen, was letztlich dann ein bisschen wenig war. Dieses Original zumindest sollte jeder Thriller- und auch Horrorfreund kennen.

Tony Beckley verstarb nur ein Jahr nach Erscheinen des Films. Ruhen Sie in Frieden, Mr. Beckley!
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Re: Das Grauen kommt um 10 - Fred Walton

Beitrag von horror1966 »

Und wieder einmal ein Klassiker, der endlich einmal auf DVD erscheinen sollte.
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Re: Das Grauen kommt um 10 - Fred Walton

Beitrag von buxtebrawler »

horror1966 hat geschrieben:Und wieder einmal ein Klassiker, der endlich einmal auf DVD erscheinen sollte.
Ja, die Vernachlässigung dieses Films auf dem deutschen Veröffentlichungsmarkt ist mir vollkommen unverständlich.

Es gibt aber deutschsprachige VHS-Tapes.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Das Grauen kommt um 10 - Fred Walton

Beitrag von horror1966 »

Ist schon klar, aber diesen herrlichen Film hätte ich wirklich gern auf DVD.
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Re: Das Grauen kommt um 10 - Fred Walton

Beitrag von buxtebrawler »

horror1966 hat geschrieben:Ist schon klar, aber diesen herrlichen Film hätte ich wirklich gern auf DVD.
Oder auch Blu-ray, jo. Ich hab auch nur 'nen VHS-Rip hier, aber hatte kürzlich das große Glück, ihn im Kino im Rahmen des Bizarre-Cinema-Weihnachts-Specials sehen zu dürfen - im Originalton, den mein Rip natürlich nicht hergibt. War schon ein Erlebnis!
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Re: Das Grauen kommt um 10 - Fred Walton

Beitrag von buxtebrawler »

Erscheint voraussichtlich am 04.04.2014 bei Alive auf Blu-ray und DVD.
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Re: Das Grauen kommt um 10 - Fred Walton

Beitrag von Onkel Joe »

buxtebrawler hat geschrieben:Erscheint voraussichtlich am 04.04.2014 bei Alive auf Blu-ray und DVD.

:thup:
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Re: Das Grauen kommt um 10 - Fred Walton

Beitrag von Captain Blitz »

buxtebrawler hat geschrieben:Erscheint voraussichtlich am 04.04.2014 bei Alive auf Blu-ray und DVD.
Kommt von Explosive Media und wohl erst am 13.06., laut OFDB und Amazon.
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Re: Das Grauen kommt um 10 - Fred Walton

Beitrag von buxtebrawler »

Captain Blitz hat geschrieben:Kommt von Explosive Media und wohl erst am 13.06., laut OFDB und Amazon.
Wurde die VÖ verschoben oder hab ich was falsch abgetippt? Laut OFDb die DVD bei "Explosive Media / AL!VE" und die Blu-ray bei "Alive".
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