Der Mann, der zweimal lebte - John Frankenheimer (1966)
Moderator: jogiwan
- sergio petroni
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Der Mann, der zweimal lebte - John Frankenheimer (1966)
DER MANN, DER ZWEIMAL LEBTE
Originaltitel: Seconds
Herstellungsland-/jahr: USA 1966
Regie: John Frankenheimer
Darsteller: Rock Hudson, Salome Jens, John Randolph, Will Geer, Jeff Corey, Richard Anderson,
Murray Hamilton, Karl Swenson, Khigh Dhiegh, Frances Reid, Wesley Addy, John Lawrence, ...
Story: Der Anruf eines vor einigen Monaten verstorbenen Freundes reist den gelangweilten Bankkaufmann Arthur Hamilton aus seiner tristen Lethargie – wie kann ihn ein Toter anrufen? Er willigt ein, sich mit seinem Freund aus der Vergangenheit zu treffen, doch trifft stattdessen auf eine Organisation, die sehr speziell ist: Sie bietet ihm an, seine Existenz aufzugeben und seinen Tod vorzutäuschen, um endlich seine Träume zu realisieren. Ein Angebot, dass Hamilton ohnehin nicht ablehnen könnte. Doch er will auch nicht und willigt ein. Ein teuflischer Pakt…
(quelle: filmsucht.de)
Originaltitel: Seconds
Herstellungsland-/jahr: USA 1966
Regie: John Frankenheimer
Darsteller: Rock Hudson, Salome Jens, John Randolph, Will Geer, Jeff Corey, Richard Anderson,
Murray Hamilton, Karl Swenson, Khigh Dhiegh, Frances Reid, Wesley Addy, John Lawrence, ...
Story: Der Anruf eines vor einigen Monaten verstorbenen Freundes reist den gelangweilten Bankkaufmann Arthur Hamilton aus seiner tristen Lethargie – wie kann ihn ein Toter anrufen? Er willigt ein, sich mit seinem Freund aus der Vergangenheit zu treffen, doch trifft stattdessen auf eine Organisation, die sehr speziell ist: Sie bietet ihm an, seine Existenz aufzugeben und seinen Tod vorzutäuschen, um endlich seine Träume zu realisieren. Ein Angebot, dass Hamilton ohnehin nicht ablehnen könnte. Doch er will auch nicht und willigt ein. Ein teuflischer Pakt…
(quelle: filmsucht.de)
Zuletzt geändert von sergio petroni am Di 22. Mai 2018, 18:49, insgesamt 1-mal geändert.
DrDjangoMD hat geschrieben:„Wohl steht das Haus gezimmert und gefügt, doch ach – es wankt der Grund auf dem wir bauten.“
- sergio petroni
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Re: Der Mann, der zweimal lebte - John Frankenheimer 81966)
DrDjangoMD hat geschrieben:„Wohl steht das Haus gezimmert und gefügt, doch ach – es wankt der Grund auf dem wir bauten.“
- sergio petroni
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Re: Der Mann, der zweimal lebte - John Frankenheimer (1966)
Nachdem der kürzlich auf arte lief (auf deutsch!), und ich den verpaßt habe, mußte
zeitnah meine Eureka!-Blu eingeworfen werden.
Arthur Hamilton (John Randolph) ist Bankdirektor und nennt ein großes Anwesen sein eigen,
das er zusammen mit seiner Frau bewohnt. Irgendwie scheint Hamilton jedoch mit seinem
bisherigen Leben unzufrieden zu sein. Und so wendet er sich an eine Organisation, die gegen
ein stattliches Entgelt ihren Kunden ein neues Leben verspricht. Inklusive neuer Identität,
neuem Wohnort und neuer Vita, geändertem Aussehen und anderen Fingerabdrücken und
natürlich einem gefakten Abgang aus diesem Leben.
Anfangs noch unsicher, läßt sich Hamilton auf das verlockende Angebot ein. Er wird zu
Toni Wilson (Rock Hudson), einem Künstler und Lebemann, der ein Appartment am
pazifischen Ozean sein eigen nennt.
Doch es dauert nicht lange, bis Toni auch mit seinem neuen Leben unzufrieden ist.....
Der dritte Teil der inoffiziellen Paranoia-Trilogie John Frankenheimers (ich kannte bislang
nur den ersten), ist wohl auch deren experimentellster. Das Intro ist von Saul Bass gestaltet.
Die Musik stammt von Jerry Goldsmith.
Die Anfangssequenz spricht für sich:
Hamilton läuft mit an ihm befestigter Kamera durch die Gegend und erzeugt so einen
Verfremdungseffekt, der einen glauben läßt, er stehe unter Drogen oder er sei diesem
Leben komplett entrückt (zweiteres trifft wohl eher zu, wie wir später erfahren).
Ein ähnlicher Effekt, wie ihn Steven Soderbergh in seinem Werk "Unsane" per I-Phone erzeugt.
Frankenheimer, der sonst oft durch rasante Action und kriminelle Plots besticht, gelingt hier
weniger ein Genrewerk, denn eine Psychostudie, die für viel Stoff zum Nachdenken
sorgt. Dabei bleiben seine Charaktere (auch Hamilton/Wilson) recht unnahbar; sind beileibe
keine Sympathieträger. Dies vereinfacht womöglich dem Betrachter, sich selbst mit den
aufgeworfenen Fragen zu beschäftigen, statt sich mit Empathie für die Akteure herumzuschlagen.
In der Mitte des Films bekommen wir eine ellenlange Hippieszene in Kalifornien präsentiert
(mit erstaunlich viel unverblümter Nacktheit für das Jahr 1966!), die etwas schwer einzuordnen ist.
Jedenfalls propagiert Frankenheimer keinesfalls das Hippietum als alternativen Lebensentwurf,
dafür wirken diese Szenen viel zu indifferenziert, ja kalt. Jedenfalls findet Wilson keinen Zugang
zu diesem Lebensstil, aber auch zu keinem anderen. Dies zeigt, daß Wilson nicht einfach seine
Art zu Leben ändern kann.
Auch wenn er das gerne möchte; er aber wohl doch in seinem alten Ich gefangen ist.
Und so ist das Ende des Films nur konsequent.
8/10
zeitnah meine Eureka!-Blu eingeworfen werden.
Arthur Hamilton (John Randolph) ist Bankdirektor und nennt ein großes Anwesen sein eigen,
das er zusammen mit seiner Frau bewohnt. Irgendwie scheint Hamilton jedoch mit seinem
bisherigen Leben unzufrieden zu sein. Und so wendet er sich an eine Organisation, die gegen
ein stattliches Entgelt ihren Kunden ein neues Leben verspricht. Inklusive neuer Identität,
neuem Wohnort und neuer Vita, geändertem Aussehen und anderen Fingerabdrücken und
natürlich einem gefakten Abgang aus diesem Leben.
Anfangs noch unsicher, läßt sich Hamilton auf das verlockende Angebot ein. Er wird zu
Toni Wilson (Rock Hudson), einem Künstler und Lebemann, der ein Appartment am
pazifischen Ozean sein eigen nennt.
Doch es dauert nicht lange, bis Toni auch mit seinem neuen Leben unzufrieden ist.....
Der dritte Teil der inoffiziellen Paranoia-Trilogie John Frankenheimers (ich kannte bislang
nur den ersten), ist wohl auch deren experimentellster. Das Intro ist von Saul Bass gestaltet.
Die Musik stammt von Jerry Goldsmith.
Die Anfangssequenz spricht für sich:
Hamilton läuft mit an ihm befestigter Kamera durch die Gegend und erzeugt so einen
Verfremdungseffekt, der einen glauben läßt, er stehe unter Drogen oder er sei diesem
Leben komplett entrückt (zweiteres trifft wohl eher zu, wie wir später erfahren).
Ein ähnlicher Effekt, wie ihn Steven Soderbergh in seinem Werk "Unsane" per I-Phone erzeugt.
Frankenheimer, der sonst oft durch rasante Action und kriminelle Plots besticht, gelingt hier
weniger ein Genrewerk, denn eine Psychostudie, die für viel Stoff zum Nachdenken
sorgt. Dabei bleiben seine Charaktere (auch Hamilton/Wilson) recht unnahbar; sind beileibe
keine Sympathieträger. Dies vereinfacht womöglich dem Betrachter, sich selbst mit den
aufgeworfenen Fragen zu beschäftigen, statt sich mit Empathie für die Akteure herumzuschlagen.
In der Mitte des Films bekommen wir eine ellenlange Hippieszene in Kalifornien präsentiert
(mit erstaunlich viel unverblümter Nacktheit für das Jahr 1966!), die etwas schwer einzuordnen ist.
Jedenfalls propagiert Frankenheimer keinesfalls das Hippietum als alternativen Lebensentwurf,
dafür wirken diese Szenen viel zu indifferenziert, ja kalt. Jedenfalls findet Wilson keinen Zugang
zu diesem Lebensstil, aber auch zu keinem anderen. Dies zeigt, daß Wilson nicht einfach seine
Art zu Leben ändern kann.
Auch wenn er das gerne möchte; er aber wohl doch in seinem alten Ich gefangen ist.
Und so ist das Ende des Films nur konsequent.
8/10
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DrDjangoMD hat geschrieben:„Wohl steht das Haus gezimmert und gefügt, doch ach – es wankt der Grund auf dem wir bauten.“
Re: Der Mann, der zweimal lebte - John Frankenheimer (1966)
Der Mann, der zweimal lebte
Seconds
USA 1966
Regie: John Frankenheimer
Rock Hudson, Jeff Corey, Richard Anderson, Salome Jens, Wesley Addy, Murray Hamilton, John Randolph, Will Geer, Karl Swenson
OFDB
Seconds
USA 1966
Regie: John Frankenheimer
Rock Hudson, Jeff Corey, Richard Anderson, Salome Jens, Wesley Addy, Murray Hamilton, John Randolph, Will Geer, Karl Swenson
OFDB
Sein Leben noch einmal leben. Eine neue Chance bekommen und neu anfangen. Ein neues Gesicht, ein neuer Weg, neue Möglichkeiten. Wer träumt nicht davon, trotz allem Wohlstand und Glück das man hat, die falschen Entscheidungen rückgängig machen zu können? Und ich rede vielleicht gar nicht mal von den großen Dummheiten, von denen auch, klar, aber ich rede auch von den kleinen Abzweigungen, die man hier und dort genommen hat, und die sich als Unfug erwiesen hatten. Und dabei so große Auswirkungen haben konnten. Nicht im Büro zu sitzen sondern künstlerisch tätig sein zu können. Nicht den desinteressierten Partner an der Seite, sondern die aufregende und wilde Jugendliebe. Nicht das öde Vorstadthäuschen, das irgendwann beim Erreichen der Rente vielleicht mal abbezahlt sein wird, sondern ein Leben im Camper und mit viel Freiheit um die Nase. Oder auch genau umgekehrt …
Arthur Hamilton wird diese Chance gegeben. Sein Leben als leitender Angestellter einer Bank, mit einer langweiligen Frau an der Seite und in einem langweiligen Haus in der Vorstadt, ist in Starre und Ödnis untergegangen. Was ist mit den Träumen aus der Jugend geschehen? Arthur wäre gerne Tennisprofi geworden. Oder Kunstmaler. Jetzt kann er dies alles rückgängig machen! Arthur Hamilton wird sterben, und an seiner Stelle wird Antiochus Wilson das Leben betreten. Er wird gut aussehen. Er wird in Malibu am Strand leben und malen können. Er wird ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit führen können.
Aber wie alle Menschen damals und heute und immer ist Antiochus Wilson mit dem Sein unzufrieden. Die Gegenwart und das Interesse der wilden und aufregenden Nora Marcus, die seine Geister weckt und ihn an das Leben heranführt, führen dazu, dass er im Kreise der Nachbarn Dinge sagt, die besser nicht gesagt werden sollen. Denn die Firma, die Arthur Hamilton hat sterben lassen, bevorzugt es, ihre Geschäfte in aller Stille durchzuführen. Ohne das Gerede eines betrunkenen Malers …
Man stelle sich vor, man könne sich ein neues Gesicht machen lassen, und mit diesem neuen Gesicht dann das Leben führen, von dem man als Jugendlicher geträumt hat. Musik, Sport, Kunst, oder vielleicht auch einfach nur eine Kneipe führen und interessante Menschen kennenlernen. Ich weiß nicht mehr was ich als Kind werden wollte, aber das hier war es sicher nicht. Was für ein Traum. Oder könnte dies nicht auch ganz schnell ein Alptraum werden? Antiochus Wilson merkt sehr schnell, dass er in seinen Entscheidungen nur bedingt „frei“ ist, ein Butler ist an seiner Seite und wacht über alle seine Aktivitäten. Und ist die attraktive Nachbarin Nora wirklich nur zufällig seine Nachbarin? Durch seine eigene, allzu menschliche, Unzufriedenheit gerät Antiochus Wilson irgendwann in einen Alptraum, aus dem es kein Entkommen mehr gibt. Entfremdet er sich einem Paradies, dass möglicherweise von vornherein nicht seines war …
In den 60er-Jahren gab es immer wieder Filme, die mangels besserer Ideen unter dem Oberbegriff Paranoia einsortiert werden können, da sie sich ansonsten jeglicher Kategorisierung verweigern. BOTSCHAFTER DER ANGST oder DIE 27. ETAGE sind solche Filme, aber auch DER MANN, DER ZWEIMAL LEBTE fällt darunter. Immer geht es um Männer, die fremdgesteuert werden oder zumindest das Gefühl haben als ob. Männer, die in eine Situation geraten, die sie nicht beherrschen können, und in der sie Marionetten einer anderen, fremden und geheimnisvollen, Macht sind. Antiochus Wilson hätte die Möglichkeit, gut und unauffällig überwacht ein einzigartiges Leben zu leben, von dem Otto Normalverbraucher zu jeder Zeit nur träumen kann. Aber seine eigene Sturheit und sein Wunsch nach Unabhängigkeit sind zu stark, und er manövriert sich in seinen eigenen Untergang hinein. Ein Gefühl, dass Mitte der 60er-Jahre sicher von vielen, vor allem jüngeren Menschen, so empfunden wurde: In einer Zeit zu leben, in der man selber fremdgesteuert auf eine Katastrophe zugeht, ohne diese wirklich abwenden zu können …
Insofern ist DER MANN, DER ZWEIMAL LEBTE nicht nur ein guter und intensiver Thriller, sondern tatsächlich auch das Bild einer Generation, die sich selber verloren glaubte. Möglicherweise ist dies auch der Grund für die Bacchanalien, zu denen Nora Antiochus verführt, und in denen er erstmals seine Zurückhaltung und Scheu, ja eigentlich seine ganze Spießigkeit, und damit auch das gesamte alte Leben, hinter sich lässt und zu einer Art geistigen Freiheit kommt. Zu einer Lebensweise, die damals gerade begann populär zu werden (bzw., je nach Weltbild, als Beginn des Untergangs galt), nämlich einer Verweigerungshaltung gegenüber den übergeordneten Stellen und der Priorisierung der eigenen Lust in Verbindung mit der Freiheit anderer Menschen. Oder anders ausgedrückt: Party statt Hamsterrad. Dass Antiochus diese gewonnene Lebenseinstellung dann aber auch gegen sein neues Leben wendet, die zwangsläufig immer zu ziehenden Grenzen nicht berücksichtigt, das war so in der Wiedergeburt des Arthur Hamilton sicher nicht vorgesehen.
Vielleicht mag das Ende ein wenig arg pessimistisch sein, vielleicht sind nicht alle Szenen wirklich gut erzählt und wirken manchmal etwas kryptisch, aber im Gesamtbild überzeugt DER MANN, DER ZWEIMAL LEBTE auf ganzer Linie. Ein ernster und dunkler Rock Hudson voller Selbstzweifel, eine sehr erotisch aufgeladene Salome Jens, und eine fast mystische Atmosphäre, changierend zwischen schlimmster Bürokratie und absolut freiem Leben. Beeindruckend und auf eine ganz unbestimmte Art intensiv. Auf jeden Fall aber ein Film, der Gedanken im Kopf des Zuschauers lostritt …
8/10
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
Jack Grimaldi