Der nackte Kuss - Samuel Fuller (1964)

Moderator: jogiwan

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Prisma
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Der nackte Kuss - Samuel Fuller (1964)

Beitrag von Prisma »


DER NACKTE KUSS

● THE NAKED KISS / DER NACKTE KUSS (US|1964)
mit Constance Towers, Anthony Eisley, Michael Dante, Virginia Grey, Patsy Kelly, Marie Devereux, Karen Conrad, u. a.
eine Produktion der Leon Fromkess-Sam Firks Productions
ein Film von Samuel Fuller


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»Ich bin betrunken. Bitte schlag mich nicht!«
Die Prostituierte Kelly (Constance Towers) hat ihr bisheriges Leben satt und will aussteigen. Sie flieht vor ihrem Zuhälter und landet in der idyllischen Kleinstadt Grantville, wo sie sich auf Anhieb mit den örtlichen Sherriff, Captain Griff (Anthony Eisley) einlässt. Dieser ist jedoch nur daran interessiert, sie schnell wieder loszuwerden und rät ihr, weiterhin anschaffen zu gehen. Kelly will jedoch in der Stadt bleiben und nimmt eine Arbeit als Krankenschwester an. Wenig später lernt sie Griffs guten Freund J.L. Grant (Michael Dante) kennen, der ein sehr angesehenes Mitglied der Gemeinde ist. Er verliebt sich in die ehemalige Prostituierte, die im Bezug auf ihre Vergangenheit schließlich mit offenen Karten spielt. Trotz allem macht Grant ihr einen Heiratsantrag, doch Griff setzt zunächst alles daran, Kelly aus der Stadt zu vertreiben. Allerdings ist sie nicht die einzige, die ein Geheimnis hat...

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»Der Alptraum jeder Frau in meinem Gewerbe ist, am Ende allein dazustehen« So lautet nur eines der bitteren Zitate der Frau, die aussteigen, und den harten Alltag mit all dem Dreck hinter sich lassen wollte. Nachdem sie ihren letzten betrunkenen Freier verprügelt hatte, ist es soweit. Sie hat es endgültig satt. Gezeichnet wird hierbei allerdings keine ordinäre Hure der dunkelsten Ecken, sondern der Verlauf ist daran interessiert, positive Attribute und Tugenden zu durchleuchten. Kelly hat Prinzipien und sie ist überaus direkt. Sie eckt an. Ihren Weg kann sie nur so resolut zurücklegen, da es Schönheit und Intellekt zulassen. Regisseur Samuel Fuller zeigt in "Der nackte Kuss" von der ersten Minute an, dass er hohen Wert auf die Psychogramme der beteiligten Charaktere legen wird, vor allem ist die in Tragik umhüllte Geschichte absolut auf seine überragend agierende Protagonistin zugeschnitten. Permanent hat man allerdings den Titel des Films im Sinn und fragt sich daher, wie ein nackter Kuss wohl aussehen mag.

Dieses Geheimnis wird mit einem äußerst unangenehmen Paukenschlag gelüftet, da er plötzlich und ziemlich unerwartet zur Konfrontation wird. Allerdings verhalten sich Regie und Drehbuch für lange Zeit sehr ruhig und nahezu behutsam, denn es wird eine Art unechte Idylle transportiert, alles verläuft relativ glatt und geradlinig. Insbesondere im Rahmen der Dialoge wird ein konstant hohes Niveau geboten und auch aufrecht erhalten, es gibt Peitschenhiebe und massive Kritik an Gesellschafts-Schablonen, die immer wieder gerne mit einem Spiegel vorgehalten werden, der allerdings längst unzählige Sprünge hat. Fullers Beitrag wird dem Neo-Noir zugerechnet und es handelt sich in der Tat um einen sehr charakteristischen Beitrag, der die Tradition des Film Noir fortsetzt und der unterm Strich nachdenkliche Tendenzen transportieren wird. Klassische narrative Elemente kommen zum Tragen, auch die Bildgestaltung wirkt überaus typisch und lässt diesen Beitrag im visuellen Bereich in sehr hochwertigen Schwarz/Weiß-Bildern erstrahlen.

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»Du wirst Männer kennenlernen, von denen du lebst, und Männer die von dir leben. Und das sind die einzigen Männer die dir bleiben!« Der Verlauf ist immer wieder mir derartigen Aussagen von Kelly durchzogen, die ihre Desillusionierung unterstreichen. Eines hat sie jedoch nicht, nämlich resigniert. Um es direkt auf den Punkt zu bringen: Die Leistung der US-Amerikanerin Constance Towers ist nicht nur essentiell für das glaubhafte Gelingen dieses Dramas, sondern als absolut überragend zu bezeichnen. Ihr bisheriges Leben hat sie hart gemacht, Emotionen werden vor allem in Form von Impulsivität und Angriffslust frei gelassen. Kelly kommt in der neuen Stadt an und bedient sofort einen Freier, der ihr noch zu schaffen machen wird. In ihrer Arbeit als Kinderkrankenschwester wird sie noch aufgehen und besonders hier sieht man, dass eine gewisse Härte einfach Teil ihres Wesens geworden ist. Sie geht überaus liebevoll mit den Kindern um, die hauptsächlich körperliche Beeinträchtigungen haben, aber gleichzeitig treibt sie ihre Schützlinge auch an und wirkt hin und wieder sogar unerbittlich.

Jedoch entstehen keine falschen Sentimentalitäten oder gar mitleidige Blicke. Als sie auf einer Party Grant kennen lernt, scheint sich alles zum Guten zu wenden. Doch es gibt innere und äußere Widerstände, tragische Launen des Schicksals und Intrigen, mit denen Kelly aber offensichtlich naturgemäß rechnet. Der trügerische Verlauf nimmt den Zuschauer an die Hand, man lässt sich führen um plötzlich von einer schockierenden Gewissheit heimgesucht zu werden. Der Verlauf richtet sich in kürzester Zeit in die komplett entgegen gesetzte Richtung aus, und der bis dahin möglicherweise ahnungslose Zuschauer erinnert sich an die vielen mahnenden Warnungen der Protagonistin, die plötzlich hässliche Gestalten annehmen. Am Ende wird zwar scheinbar alles gut, aber es steht nicht gerade eine erbauliche Prognose zu Buche, da sich der Kreis im Zweifelsfall immer wieder schließen wird. Samuel Fullers Drama zeigt Konturen und überzeugt durch die Sterilität in der Handhabe. In allen Bereichen wirkt die Dosierung nahezu perfekt und im Endeffekt beweist "Der nackte Kuss" viel Fingerspitzengefühl beim Umgang mit einem brisanten Thema, das zu jeder Zeit einen widerlichen Geschmack haben wird, den auch die Protagonistin zu beschreiben versuchte.
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Salvatore Baccaro
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Re: Der nackte Kuss - Samuel Fuller (1964)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Du kennst Samuel Fuller... :shock:

Schöne Kritik auf jeden Fall! :thup:
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Arkadin
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Re: Der nackte Kuss - Samuel Fuller (1964)

Beitrag von Arkadin »

Unglaublicher Film bei dem mir echt die Kinnlade runter gefallen ist. Der ist von '64 und traut sich mehr Dinge, als so mancher Film heute. Nicht nur wird das Thema Prostitution ganz offensiv angegangen (und nicht irgendwie verschämt), sondern der Film besitzt mit der Kelly eine der stärksten Frauenfiguren, die ich bisher in einem Film erleben durfte. Zudem behandelt der Film auch noch ein anderes Thema, welches ich '64 als Filmthema noch als No-go angesehen hätte. Welches verrate ich aber nicht, da das ein massiver Spoiler wäre. Ganz großer Film und auch ganz toll gespielt! Fuller at his best.
Früher war mehr Lametta
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