Theoretiker hat geschrieben:Das ist sie auch. In anspruchsvollerer Form, aber letztendlich ist das nicht von der Hand zu weisen.
Ähem, die Sopranos sind eine "anspruchsvollere Seifenoper"? Da schüttelt es einen ja.
Ich sehe das anders. Für mich hat der Begriff „Seifenoper“ tendenziell etwas abwertendes im Sinne von krampfhaft kommerziell und trivial.
Zugegeben, wenn unterschiedliche Familiencharaktere (mit ihren jeweiligen Stärken und Schwächen) und deren Interaktion im Mittelpunkt einer Serie stehen, ist es naheliegend diese als „Seifenoper“ zu bezeichnen. Steckt man die „Sopranos“ nun aber in diese Schublade, ignoriert man das, was die Serie eigentlich ausmacht. Die Qualitäten und Stärken der Serie sind zu zahlreich, um sie hier im Detail aufzulisten. Ich will es kurz (ohne zu spoilern) anreißen:
- Wir haben es hier mit einem Mafiadrama in Serienform zu tun, das in den besten Momenten filmtechnisch an Werke wie „Goodfellas“ (die Überschneidungen im Cast und die Anspielungen auf Scorseses Film sind offensichtlich) heranreicht. Leider fehlt Joe Pesci.
- Der Cast ist (auch ohne Pesci) fantastisch. Meine Favoriten sind Tony Sirico und Steven Van Zandt (auch wenn dieser nur einen Gesichtsausdruck zu haben scheint). Was die Nebendarsteller angeht, so sind besonders David Proval (Richie) und Joe Pantoliano (Ralph) zu nennen, die beide absolute Vollblutpsychopathen mimen. Auch die Gastauftritte von Robert Patrick (der T-1000 kann schauspielern, wenn man ihn lässt) und Steve Buscemi sind mehr als gelungen.
- Es gibt unzählige Dialoge, die in Sachen Wortwitz/Coolness (doofer Begriff aber mir fällt gerade nichts passenderes ein) den besten Tarantinosprüchen in nichts nachstehen. Teilweise finde ich sie deutlich besser.
- Ein Großteil der Charaktere kommt hochgradig asozial und/oder pathologisch daher und bietet so wenig Identifikationsmöglichkeiten. Diese Tatsache allein ist schon völlig konträr zum Wesen einer „Seifenoper“.
...
Fazit: Die „Sopranos“ sind substantiell überhaupt nicht mit typischen Seifenopern (wie der „Lindenstraße“ oder „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“) zu vergleichen. Eine „Seifenoper“ kann im Fernsehen im Hintergrund laufen, während eine Hausfrau dazu bügelt (als Fernsehpendant zu Fahrstuhlmusik). Zu den „Sopranos“ bügelt garantiert niemand! Und wenn doch,
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bügelt diese Hausfrau auch zu Scorsese, F. F. Coppola und Tarantino.
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(jeder kann hier seine persönlichen Kultregisseure ergänzen)