GoodFellas - Drei Jahrzehnte in der Mafia - Martin Scorsese (1990)

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GoodFellas - Drei Jahrzehnte in der Mafia - Martin Scorsese (1990)

Beitrag von buxtebrawler »

GoodFellas.jpg
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Originaltitel: Goodfellas

Herstellungsland: USA / 1990

Regie: Martin Scorsese

Darsteller(innen): Robert De Niro, Ray Liotta, Joe Pesci, Lorraine Bracco, Paul Sorvino, Frank Sivero, Tony Darrow, Mike Starr, Frank Vincent, Chuck Low, Frank DiLeo, Henny Youngman, Gina Mastrogiacomo, Catherine Scorsese, Charles Scorsese, Suzanne Shepherd, Debi Mazar u. A.
Seit seiner Kindheit hatte Henry Hill große Bewunderung für die Gangster in seiner Nachbarschaft gehegt. Er nahm kleine Jobs für die Mafia an, und ehe er sich versah, war er einer von ihnen - für die nächsten 30 Jahre. Die Verbundenheit mit dem Kodex brach Hill erst, als ihn die Kripo bei einem Drogendeal schnappte und er Details über die Interna der Mafia preisgab.
Quelle: www.ofdb.de

Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: GoodFellas - Drei Jahrzehnte in der Mafia - Martin Scorsese (1990)

Beitrag von buxtebrawler »

„Solang ich denken kann, wollte ich schon immer Gangster werden.“

Nachdem US-Ausnahmeregisseur Martin Scorsese („King of Comedy“) mit „Die letzte Versuchung Christi“ (einem religiösen Fantasy-Monumental-Kostümdrama-Epos) und seinem Beitrag zum Episodenfilm „New Yorker Geschichten“ (in dem Scorsese seinen Hang zum detaillierten, epischen Erzählen nicht nachgehen konnte) in für ihn eher fremden Gefilden orientierungslos zu irrlichtern schien, besann er sich mit der Verfilmungen des auf wahren Ereignissen und Figuren basierenden Romans „Wiseguy – Der Mob von innen“ des Autors und Journalisten Nicholas Pileggi, mit dem zusammen er auch das Drehbuch vefrasste, auf seine alten Stärken – die Zeichnung toxischer italoamerikanischer Männlichkeitsmilieus –, erfand sich damit zugleich neu und läutete seinen zweiten Frühling als Regisseur ein.

Henry Hill (Ray Liotta, „Gefährliche Freundin“) hat seit jeher auf die Mafiosi in seinem New Yorker Viertel aufgeschaut. Insbesondere Jimmy (Robert De Niro, „Taxi Driver“) und Tommy (Joe Pesci, „Es war einmal in Amerika“) bewunderte er für ihren scheinbar unbeschwerten Lebenswandel. So diente er sich ihnen an, bis er selbst Mitglied der vermeintlich ehrenwerten „Familie“ um Oberhaupt Paul „Paulie“ Cicero („Cruising“) wurde. 30 Jahre lang steht er in ihren Diensten, beteiligt sich an Kapitalverbrechen und organisiert sie schließlich selbst. Doch Jimmy, Tommy und andere sind menschliche Zeitbomben, deren Wege von Leichen gepflastert sind.

Scorseses Milieu- und Sittenporträt beginnt im Jahre 1970 mit einem ultrabrutalen Prolog, der bereits klarstellt, dass es keinesfalls sein Anliegen ist, etwas zu romantisieren oder zu beschönigen. Henry fungiert zusätzlich als Off-Erzähler, Rückblenden in seine Kindheit zeigen u.a., wie sein Vater ihn misshandelt. Die Gewalt ist also keineswegs ein Mafia-exklusives Phänomen, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem – womit auch die nur allzu bequeme Möglichkeit entfällt, „GoodFellas“ als ein soziale und private Missstände an eine geschlossene Gruppierung externalisierendes Unterhaltungsfilmchen zu rezipieren. Vielmehr ist es ein unangenehmer Realismus, der den Film so stark macht.

Henry berichtet von seiner Jugend in der Mafia, davon, wie er seine spätere Ehefrau Karen (Lorraine Bracco, „Das Traum-Team“) kennenlernte, die zeitweise als weitere Erzählinstanz auf dem Off fungiert, von seiner Heirat und einigem Drumherum – bis die Handlung wieder an Prolog anknüpft. Tommy lernen wir als Soziopathen mit ausgeprägter Profilneurose kennen, doch ist er bei Weitem nicht der Einzige, der nicht vor Morden zurückschreckt. Auf Henrys Untreue seiner Frau gegenüber und weitere Eheprobleme folgt eine Inhaftierung Henrys und Jimmys, die jedoch keinerlei Resozialisation zur Folge hat, im Gegenteil: Im Knast genießen sie zahlreiche Privilegien und fühlen sich wie Könige, kommen zudem mit dem Geschäftsmodell des Drogenhandels in Berührung. Nach einem Zeitsprung von vier Jahren werden sie aus der Haft entlassen. Paulie möchte nichts mit Drogenhandel zu tun haben, doch Henry, Jimmy und Tommy und handeln hinter dessen Rücken mit Kokain. Und Henry beginnt es selbst zu konsumieren, womit Scorsese ein weiteres typisches Mafiafilm-Motiv aufgreift.

Ein spektakulärer Coup, bei dem man die Lufthansa um rund sechs Millionen Dollar erleichtert, rückt „GoodFellas“ zeitweise in Richtung Heist Movie. Seine unmittelbare Folge ist jedoch eine Mafia-interne Mordserie, die die Freude über den Erfolg stark relativiert und auch etwaig mitgefiebert habende Zuschauerinnen und Zuschauer harsch auf den Boden der Tatsachen zurückholt. Und wer glaubt, dass der eigentlich erwartete Konflikt mit einer anderen Bande, deren Mitglied Tommy totgeschlagen hatte, im Sande verläuft oder gar vollständig in Vergessenheit geraten sein könnte, sieht sich getäuscht. Der Tonfall des Films ändert sich ab dem Jahre 1980 radikal und alles geht den Bach herunter.

Die Selbstverständlich- und Beiläufigkeit, wie hier Menschenleben ausgelöscht und Freunde zu Feinden werden, hat nichts Attraktives an sich und lässt die Vorteile einer kriminellen Mafioso-Laufbahn verblassen. Scorsese gelang ein herausragender Film über Menschen, für die der Zweck wirkliches jedes Mittel heiligt, und der in seinen knapp zweieinhalb Stunden Laufzeit etliche Fragen aufwirft und verhandelt. Dass „GoodFellas“ dabei keinerlei Längen aufweist, liegt neben dem grandiosen, häufig improvisierten (!) Schauspiel eines Ensembles, in dem verdiente Recken auf frische, unverbrauchter Gesichter treffen, an der audiovisuellen Vollbedienung: Scorseses Stamm-Kameramann Michael Ballhaus darf Plansequenzen drehen, Stamm-Cutterin Thelma Schoonmakers Schnitt (inklusive Gebrauch von Freeze Frames) ist nah an der Perfektion und der stets zeitgenössische Rock’n’Roll-Soundtrack ein Fest – mit Sid Vicious‘ „My Way“-Version zum Abspann als Höhepunkt. Einer von Scorseses Besten!
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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