Dem ist nicht viel hinzuzufügen, außerChristian Keßler hat geschrieben:Bei wenigen Hardcore-Filmen nervt es mich, daß ich nicht weiß, wer hinter einem bestimmten Pseudonym steckt. Eine dieser seltenen Ausnahmen ist "Duddy Kane" und sein durchaus künstlerisch ambitionierter WET RAINBOW (HAUS DER LÜSTE) von 1973. Der Film ist ausgesprochen repräsentativ für die stets mehr zum Experiment neigenden Ostküstenfilme, die sich gerne ernstnahmen, auch wenn dies nicht immer vom Resultat gelohnt wurde. WET RAINBOW ist eines jener Exemplare, in denen eine seriöse dramatische Handlung erzählt wird, die sich in puncto Qualität nicht hinter Hollywood'schen Großproduktionen verstecken muß.
Die Geschichte dreht sich um ein intellektuelles Pärchen, gespielt von Harry Reems und Georgina Spelvin, die mit den Neurosen des Alltages zu kämpfen haben. Georgina ist eine Malerin und bewohnt eine jener haarsträubenden Greenwich-Village-Wohnungen, die einem mit ihrer spärlichen, aber modernistischen Einrichtung zuzuschreien scheinen: "Hier wohnt ein Künstler!" Das Glück, das weiß jeder mit einem Funken Menschenverstand, kann hier nicht zuhause sein. Harry ist übrigens Fotograf und doziert an der Uni. Eine seiner Schülerinnen, die provokante Rainbow, geht ihm unter die Haut, auch wenn er es sich selbst nicht ganz zugeben mag. Auch Georgina, der ständigen Gereiztheiten ihres Mannes müde, stellt fest, daß das Bild, an dem sie nun schon seit längerem arbeitet, jetzt ein Gesicht bekommt: Rainbow. Eine Seite an sich erkennend, die sie noch nicht vermutet hat, läßt sie sich von dem fransenhaarigen Hippiegirl verführen. Nach einem kurzen Aufwallen moralischen Schluckaufs einigt man sich auf einen flotten Dreier, der das Paar wieder zusammenführt. Rainbow, die trotz ihres forschen Auftretens jetzt nur mehr wie das Instrument erscheint, das die morsche Ehe gekittet hat, hat ihre Schuldigkeit getan und kann gehen. Mit ihr verblaßt das Bild an der Wand.
Für gewöhnlich fällt es bei Storypornos schwer, dramatische Szenen ernstzunehmen. Wenn man freilich zwei gute Leute wie Georgina und Harry an der Angel hat, hat man schon mal eine Sorge weniger. Wenn dann aber auch noch ein gut strukturiertes Drehbuch vorliegt, in dem sich Leute wirklich Gedanken um solche Dinge wie Charakterentwicklung machen, dann kennt das Erstaunen kaum Grenzen. Dies ist die Sorte von Pornofilm, die heute einfach nicht mehr gemacht wird, da sich scheinbar keiner mehr dafür interessiert. Die Zeiten haben sich halt geändert. Schade drum. Der Film hat einige exzellente Einfälle, etwa eine Leone-artige Alptraumsequenz, die wie ein Workshop für "method acting" anmutet. Die Darsteller überzeugen meistenteils auf dem dramatischen Sektor (Georgina hat eine exzellente Szene, in der sie die schöne Rainbow erst niedermachen will, dann aber von ihrer Anmut wie ein Baum gefällt wird), wie auch die erotischen Szenen - mirabile dictu! - wirklich genau das sind, nämlich erotisch! Der abschließende Dreier ist ein totaler Heuler, ebenso wie eine zärtliche Zusammenkunft, die dann zu einem Anale Grande auswächst (begleitet von einem wilden Psycho-Synthie), zu den wenigen tollen Szenen ihrer Art gehört. Sogar die lesbische Szene ist alles andere als das heute gängige Mopsgeknete, bei dem nun wirklich keine Frau mehr hinschauen mag. Schauspielerin Valerie Marron (Rainbow) ist darstellerisch nicht ganz so überzeugend, macht eventuelle Mängel aber mehr als wett durch strammen Erotizismus. Einen kurzen Gastauftritt haben Mary Stuart und Alan Marlowe, die beide in einigen erstklassigen Radley-Metzger-Filmen mitgespielt haben und hier verzweifelt versuchen, einen Koitus in sitzender Stellung hinzukriegen, während Rainbow sie erbarmungslos zulabert - ihre Gesichter sind Gesichter des Todes. Mary hat übrigens auch in einer hübschen Pornoversion von Dickens'"Weihnachtsgeschichte" mitgespielt, THE PASSIONS OF CAROL, wo sie das passendere Pseudonym "Merrie Holiday" benutzte...
Der Film hat auch einige geheime Stars, etwa in der Szene, in der Georgina nach einem Familienstreit verwirrt über die Hauptstraße schlendert und fast von Charles Manson mit einem Fahrrad überfahren wird! (Der Soundtrack liefert hier einen Song, der etwas an die frühen "Chicago" erinnert: "There is a hollowness that haunts me...") Super! Auch sehr schön der Moment, in der Rainbow herumspaziert und einen Typen abklatscht, der faul in der Gegend herumsteht. Der Typ blickt ihr enigmatisch nach, schraubt sein Profil in den Vordergrund des Bildes und säuft aus der Flasche ein Getränk namens "Yoo-Hoo". Der könnte sofort bei "Crippled Dick" anfangen, jede Wette! Der gibt Gas bis ins neue Jahrtausend! Der Originalsoundtrack ist im übrigen durchgehend ein Kracher. Die Apfelsinen-Symbolik des Filmes gibt mir noch heute zu denken.
Am Ende dieses Regenbogens steht keine Regentonne, sondern ein Topf voller Geschmeide! Die deutsche Fassung verwandelt die Anfangsverschmelzung des Pärchens aus vermutlich künstlerischen Gründen in eine Softszene, ist aber sonst komplett. Ansehen!
http://en.wikipedia.org/wiki/Yoohoo
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