Hyänen der Nacht - Richard Compton (1970)

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dr. freudstein
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Hyänen der Nacht - Richard Compton (1970)

Beitrag von dr. freudstein »

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Alternativtitel: Dead Warriors - Hyänen der Nacht / Die Rocker von der Boston Street / Rough Boys

Originaltitel: Angels Die Hard

Herstellungsland: USA / 1970

Regie: Richard Compton

Darsteller: Tom Baker, William Smith, R.G. Armstrong...

Story:
Vorurteile, falsche Anschuldigungen und ein brutaler Sheriff verursachen in einer amerikanischen Provinzstadt im Kampf gegen eine durchfahrende Rockerbande einen blutigen Exzess.

http://www.moviepilot.de/movies/die-roc ... ton-street
http://www.ofdb.de/film/30842,Hy%C3%A4nen-der-Nacht
dr. freudstein
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Re: Hyänen der Nacht - Richard Compton

Beitrag von dr. freudstein »

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Arkadin
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Re: Hyänen der Nacht - Richard Compton

Beitrag von Arkadin »

Eine Rocker-Bande macht Station in einem kleinen Städchen irgendwo in den USA. Dort gibt es rasch Ärger mit den Bewohnern und vor allem der Polizei, die die Rocker aus dem Städtchen wirft und einen aus der Gang festnimmt und. Als dieser am nächsten Tag entlassen wird, kommt er jenseits der Stadtgrenze auf mysteriöse Weise ums Leben. Seine Freunde beerdigen ihn und schwören die Umstände seines Todes aufzudecken…

Eine “Boston Street” ist hier nirgendwo zu sehen und das Cover ziert Helmut Berger aus Massimo Dallamanos “Das Bildnis des Dorian Gray“. Im Original hat der Film dann auch den schönen Titel “Angels Die Hard“, später wurde daraus irgendwann auch einmal “Rough Boys”. Hinter diesem Titelwirrwarr steckt der erste Film, der von Rogers Cormans damals neu gegründete Firma New World Pictures produziert wurde. Corman gab hier viele junge Talente ihre erste Chance, wie z.B. Jonathan Demme, Jonathan Kaplan, Joe Dante oder auch Ron Howard und Martin Scorsese. “Die Rocker von der Boston Street”-Regisseur Richard Compton ist kein solch bekannter Name, kann aber auf eine sehr lange und erfolgreiche Karriere als TV-Regisseur zurückblicken, in deren Verlauf er bis zu seinem Tod 2007 zahlreiche Folge nahezu aller bekannten US-Serien inszenierte. „Die Rocker von der Boston Street“ hängt sich natürlich an den Erfolg der zahlreichen „Rocker“- und „Angels“-Filme, die Corman in den Jahren zuvor noch für AIP produziert und teilweise selbst inszeniert hatte. Ferner wird sich auch kräftig bei „Easy Rider“ bedient. So erinnert der gutbürgerlichen Leichenbestatter, der hier von Alan DeWitt als Witzfigur gespielt wird, an den Jack Nicholson-Charakter aus Dennis Hoppers Kultfilm.

Diese krude Mischung aus dem freiheitsliebenden Hippie-Plädoyer „Easy Rider“ und den bösen Rockerfilmen ala „Die wilden Engel“, macht es dem Film allerdings auch schwer. Denn die „Rocker“ werden hier zwar zunächst als bedrohliche Gefahr und gefährliche Outlaws eingeführt, doch dann wandeln sie sich plötzlich in nette Typen, die doch nur in Ruhe gelassen und ihr freies Leben führen wollen. Nun ist es aber leider nicht etwa so, dass Regisseur Compton den Zuschauer zunächst bewusst durch die stereotype Vorurteile der „braven Bürger“ und bekannte Situationen aus einschlägigen Filmen in die Irren führen will, um ihm dann vielleicht durch einen Kunstgriff den Spiegel der eigenen Voreingenommenheit vor das Gesicht zu halten. Es scheint eher so, als ob er selber nicht genau wusste, wie er mit seiner Rocker-Bande umgehen sollte. Zu Beginn kommt es z.B. zu einer Vergewaltigung. Diese wird dann dadurch etwas abgemildert, dass dabei reichlich mit Spaghetti herumgeworfen wird, was dem ganzen eine seltsam slapstickartige Stimmung gibt. Trotzdem handeln die Rocker hier rücksichtslos und brutal.

Wenn man später darauf wartet, dass sie den Tod eines ihrer Mitglieder rächen werden und über die Stadt herfallen, so wird man davon überrascht, dass außer viel Gerede nichts dabei herum kommt. Stattdessen wird der Spieß jetzt umgedreht und die Rednecks des Städtchens ganz klar als die Bösen identifiziert. Die Rocker hingegen werden auf einmal harmlose Hippies inszeniert, die mit viel Gras nette Happenings feiern. Als sie dann noch selbstlos und ganz selbstverständlich dabei helfen, einen in einer Mine eingeschlossenen Jungen zu retten, sind sie endgültig zu zwar wilden, aber aufrechten Außenseitern mutiert, die trotz der harten Schale das Herz am rechten Fleck haben. So wundert es dann auch nicht, dass sie im erstaunlich blutig geratenen Finale ihre Gefährlichkeit vollkommen eingebüßt haben.

Aber nicht nur diese widersprüchliche Charakterisierung der Protagonisten arbeitet gegen den Film. Auch die vielen Szenen, in denen nichts anderes gezeigt wird, als Rocker, die stundenlang auf ihren Motorrädern durch die Gegend fahren (der Beginn, der ausschließlich solche Bilder zeigt, dauert zum Beispiel fast sieben Minuten), bremsen den Film immer wieder aus. Merkwürdige Einfälle, wie die Beerdigung indem dem Verstorbenen durch kollektives auf den Sarg pinkeln gehuldigt wird, sorgen eher für Erheiterung. Ebenso wie das maßlos überzogene Spiel des einzigen großen Namens im Cast: Dem Peckinpah-Veteranen und tragen nicht viel zur Stimmung bei. R.G. Armstrong, der hier mit sehr viel Hingabe und Energie das böse Redneck-Arschloch spielt, befindet sich in seiner Darstellung auch schon weit jenseits der Grenze zur Parodie.

Ein weiterer bekannter Name taucht in den Credits auf: Dan Haggerty, besser bekannt als Grizzly Adams aus der Serie „Der Mann in den Bergen“. Haggerty hatte zu dieser Zeit in einigen Filmen Mitglieder von Rocker-Banden gegeben. Hier hat er zwar keine große Rolle, ist aber gut zu erkennen, da er mit seinem Vollbart und den langen Haaren schon exakt so aussieht, wie seine berühmte Fernsehfigur Jahre später. Als hübscher Blickfang ist Connie Nelson dabei, die her zwar als kommender Star in den Credits angekündigt wird, tatsächlich danach nur noch in Al Adamsons „Draculas Bluthochzeit mit Frankenstein“ zu sehen war. Der charismatische Wilhelm Smith hingegen ist auch noch heute sehr aktiv und kann auf eine lange und arbeitsreiche Karriere als Darsteller in B-, C- und Z-Filmen zurückblicken, die nun schon über 70 (!) Jahre andauert.

„Die Rocker von der Boston Street“ ist ein lupenreiner Grindhouse-Trasher von der Art, wie sie heute zwar häufig von jungen Filmemachern als „Hommage“ imitiert werden, an deren eigenartig raue, immer irgendwie amateurhaft wirkende, Mischung aus saftiger Exploitation und dezenter Langeweile, diese aber niemals heran reichen können. Ein Stück Zeitdokument aus der Ära der Drive-Ins und billigem Sensationskino.

Das Bild der bei CMV in der Reihe „Trash Collection“ erschienen DVD, ist dann auch konsequenterweise im original Grindhouse-Look. D.h. offensichtlich von einer alten, nicht mehr ganz optimalen Filmkopie gezogen, was aber ganz hervorragend zu dieser Art Film passt. Nicht umsonst bemüht man sich heutzutage bei einschlägigen Produktionen ja, genau diesen Look durch allerlei technische Trickserien auf digital gedrehte Produkte zu bringen. Der englische Ton ist dumpf und schwer verstädnlich. Der deutsche Ton demgegenüber sehr viel klarer und mit bekannten stimmen besetzt. Bonus gibt es soweit nicht, aber der DVD liegt ein zweiter Spielfilm bei, der thematisch gut zu „Die Rocker von der Boston Street“ passt.

Screenshots: http://www.filmforum-bremen.de/2014/04/ ... on-street/
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jogiwan
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Re: Hyänen der Nacht - Richard Compton

Beitrag von jogiwan »

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Die „Angels“ sind ein Motorradklub, bestehend auch 30 Mitgliedern, die mit ihren Motorrädern über die Freeways der Staaten brettern, um ihren Traum von Freiheit zu leben. Leider führt die Kombination aus unkonventioneller Lebensweise auf Seiten der Rocker und Vorurteile und Angst auf Seite von rechtschaffenen Bürgern immer wieder zu Konfrontationen und auch die Ankunft in einer kleinen Stadt namens Kern wird vom örtlichen Sherriff entsprechend mit Argwohn gesehen. Prompt bewahrheiten sich auch sämtliche Befürchtungen und als die Rocker in einem Lokal von einer Gruppe von Einheimischen angegriffen werden, kommt es zu einer wilden Schlägerei.

Als der eintreffende Sherriff daraufhin den Rocker Joker festnimmt und die restlichen Rocker der Stadt verweist, campieren diese in der Nähe der Stadt um auf die Freilassung ihres Kumpels zu warten und feiern zum Missfallen der Bevölkerung weiter ausschweifende Partys mit Drogen und Alkohol. Die Freilassung lässt auch nicht lange auf sich warten und dennoch kehrt Joker nicht wie vereinbart zu seinen Kumpels zurück, sondern erliegt nach einem mysteriösen Unfall an der Stadtgrenze an Ort und Stelle seinen schweren Verletzungen. Die Rocker verschieben daher die geplante Weiterreise um ihren ehemaligen Kumpel trotz bürokratischer Hürden einen würdigen Abschied zu gewähren und schwören nach einer ungewöhnlichen Begräbniszeremonie Rache an dem Verantwortlichen.

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Da die Polizei jedoch von einem Unfall ausgeht und keine Ermittlungen zum überraschenden Tod des Rockers anstellt, nimmt der Anführer Tim (William Smith) das Gesetz in ihre eigene Hand und versucht mit dem smarten Archie herauszufinden, was tatsächlich hinter der Sache steckt. Obwohl auch der Hilfssheriff mit den Rockern sympathisiert und diese bei einem Grubenunglück zu Hilfe ruft, wo diese einen Jungen aus einer eingestürzten Mine retten, wächst jedoch der Widerstand bei der Bevölkerung und als auch noch Nancy, die Tochter des Sheriffs mit Archie anbandelt, wappnen sich Bewohner der kleinen Stadt mit Waffen und Fackeln, um die Rocker ein für alle Mal aus ihrer Stadt zu vertreiben…

Der Mensch neigt ja gerne dazu, bestimmte Dinge etwas verklärt wahrzunehmen und das Treiben von Motorradklubs bzw. Motorradrockern ist da keine Ausnahme. Für die eine Seite ist es die örtliche Ungebundenheit, die Suche nach Freiheit und der Protest gegen ein bestimmtes System, während andere solche Gruppen als asoziale Subjekte und kriminelle Vereinigungen sehen. Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo in der Mitte auch wenn das Image dieser Rocker seit Ende der Sechziger bzw. dem Kultfilm „Easy Rider“ doch auch etwas gelitten hat und in letzter Zeit vor allem durch eine große Tageszeitung mit teils haarsträubenden Horror-Schlagzeilen eher nur noch negativ präsent ist.

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In „Die Rocker der Boston Street“ ist da die Sache ja noch anders und wie unzählige anderer, im Fahrwasser des Erfolges von „Easy Rider“ produzierten Streifen ja noch eher Partei für die Motorradrocker und versucht ein bestimmtes Lebensgefühl zu präsentieren. Dabei sind natürlich Schlagwörter wie Freiheit, Loyalität und Gruppenzusammengehörigkeit dauerpräsent und Regisseur und Drehbuchautor Richard Compton ist auch schwer damit beschäftigt, die Taten der Rocker im Gegensatz zur Spießbürgerlichkeit der eher tumben Stadtbewohner in ein moderates Licht zu rücken, auch wenn Alkohol am Steuer, Drogen, Sachbeschädigung und Vergewaltigung wohl heutzutage nicht mehr als bloßes Kavaliersdelikt abgetan wird.

Bei der Geschichte des relativ kurzen Films hat sich ja auch niemand mit Ruhm bekleckert und „Angel Die Hard“ bietet auch ohne die im deutschen Titel bezeichnete „Boston-Street“ die obligatorische Mischung aus Motorradfahrszenen, episodenhaften Ereignissen und einem passenden Rock-Folk-Soundtrack, der mir hier noch am besten gefallen hat. Dazwischen gibt es eher befremdliche Ereignisse wie eine Gruppen-Vergewaltigung, die mit einer beiläufigen Selbstverständlichkeit präsentiert werden und die man wohl auch nur in einem Exploitationfilm mit entsprechender Zielgruppe präsentieren kann. Auch der Tod des Kumpels scheint niemanden sonderlich zu berühren und wenn als Art Begräbnisritual auf dessen Sarg gepinkelt wird, dann sorgt das wohl bei großen Teilen des Publikums auch nicht gerade für besonderes Verständnis.

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Statt den Zuschauer diesen bestimmten Lebensstil näher zu bringen und zu zeigen, dass sich die Gruppe aus durchaus unterschiedlichen Menschen zusammensetzt und ihre Leben näher zu beleuchten, bleiben die Figuren aber eher blass und erst in der Mitte des Films treten mit dem Anführer Tim und dem Dichter Archie zwei Personen aus der Gruppe der kollektiven Motorradfahrer hervor. Ansonsten gibt es in dem eher lahmen Biker-Film immer nur zwei Seiten, schwarz und weiß, sowie zwei scheinbar unversöhnliche Pole, die sich im Verlauf des Streifen immer weiter bekämpfen und gegenseitig so Aufschaukeln, dass das Ganze in einem Finale gipfelt, von dem wirklich niemand etwas hat und den Zuschauer nach knapp 80 Minuten auch unbefriedigt zurücklassen.

„Die Rocker der Boston-Street“ kommt als Nummer 105 der sympathischen „Trash-Collection“ und hat mit „Die Hyänen“ auch noch einen ungleich unterhaltsameren Bonusfilm an Bord, der sich zwar auch irgendwie um Biker dreht, aber eher in die trashige Achtziger-Action-Kerbe schlägt. Die Bildqualität ist mit „grindhousig“ wohlwollend umschrieben und wer sich fragt, an wen die Gestalt mit dem lila Schal auf dem Cover mit dem Motiv A erinnert, sollte sich das Artwork zu Massimo Dallamanos „Das Bildnis des Dorian Gray“ genauer anschauen. Als Bonus gibt es bei den Rockern dann noch die übliche Bildergalerie, sowie zahlreiche weitere Trailer aus dem Output des sympathischen Labels.

Unterm Strich bleibt ein doch etwas lahmer und langweilig inszenierter Biker-Film aus dem Jahr 1970, der in der Tradition von „Easy Rider“ daherkommt und dem Zuschauer episodenhafte und etwas fragwürde Ereignisse aus dem turbulenten Leben einer Motorradgang präsentiert. Die Geschichte mit leichtem Thriller-Einschlag wirkt dabei aber eher etwas seltsam erzählt und irgendwie mag man sich als Zuschauer weder mit den kriminellen Rockern, noch den tumben Stadtbewohner solidarisieren, sodass „Die Rocker der Boston-Street“ eher zu einem Höhepunkts-armen Exploitation-Werk verkommt, dass wenig erinnerungswürdige Momente bietet und sich auf Kosten der Unterhaltung von Anfang bis Ende und inklusive seinem dramatischen Ende auch stets etwas selbst zu ernst nimmt um als spaßiger Trashfilm durchzugehen.

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it´s fun to stay at the YMCA!!!



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