„Sie waren zum Strand gekommen, wie sie es jede Nacht taten, um auf das Meer hinaus zu starren...“
Im Jahre 1970 betraute man das Ehepaar Willard Huyck („Howard – Ein tierischer Held“) und Gloria Katz damit, für ein verschwindend geringes Budget einen Horrorfilm zu verwirklichen. Huyck und Katz sagten zu, verfassten ein Drehbuch und führten Regie beim Film, der „Messias des Bösen“ heißen, aber erst 1973 veröffentlicht werden sollte. Das lag daran, dass das Geld für diesen Mystery-Zombie-Horrorstreifen ausgegangen war, die Produzenten selbst noch einmal Hand anlegten usw. Der anfänglich verrissene Film erlangte im Laufe der Jahre eine immer bessere Reputation und wird seitdem immer wieder von Genre-Freunden neu entdeckt.
Die junge Halbwaise Arletty (Marianna Hill, „Der Pate – Teil 2“) begibt sich nach Point Dune, einem kleinen Ort am Pazifik, um nach ihrem Vater, einem Maler, zu suchen, dessen an sie gerichtete Briefe immer seltsamer wurden, bis sie schließlich gar keine mehr erreichten. Zuletzt hatte er sie gar gebeten, keinesfalls nach Point Dune zu kommen, doch das hält Arletty nicht ab. Nachts trifft sie in Point Dune ein und begegnet sich überaus seltsam verhaltenden Einwohnern, jedoch nicht ihrem Vater. In dessen Haus erblickt sie seine riesigen Wandgemälde sowie sein Tagebuch, in das sie sich einliest. Ist ihr alter Herr wahnsinnig geworden? Der örtliche Schluckspecht Charlie (Elisha Cook jr., „Rosemaries Baby“) kannte ihren Vater, rät ihr jedoch lediglich, ihn zu töten und die Leiche zu verbrennen. Nachdem Charlie tot am Strand gefunden wird, quartiert das Hotel den snobistischen Kunstsammler Thom (Michael Greer, „Ein Stall voll süßer Bubis“) und seine Begleiterinnen aus, woraufhin sie das Trio im Haus ihres Vaters aufnimmt – als wenige Menschen stehen die drei nicht nachts am Strand, erwartungsvoll eines „Blutmonds“ harrend, der nach 100 Jahren die „Rückkehr des Schwarzen Reiters“ ankündigen soll... Was ist nur los mit den Menschen in Point Dune?
Trotz seiner unvorteilhaften Produktionsgeschichte ist „Messias des Bösen“ ein überaus stimmiger, besonderer Horrorfilm geworden, der nur wenig mit typischen Zombie-Filmen (die es zum Drehzeitpunkt noch gar nicht gab) gemein hat. Die Einordnung meines Kollegen Christian Ade (
http://www.filmtipps.at) als Bindeglied zwischen „Carnival of Souls“ und „Tot & begraben“ passt prima, denn Arletty findet sich zwischen lebenden Toten in einem Küstenörtchen mit spezieller Historie und ganz eigenen Gesetzen wieder, das zur Geister- bzw. Zombiestadt mutiert ist und etwas Postapokalyptisches an sich hat. Die Untoten jedoch wanken hier nicht mit ausgestreckten Armen durch die Gegend und haben es permanent auf den Genuss von Menschenfleisch abgesehen; nein, die Bedrohung ist subtiler. Nach einem Mord im Prolog erklingen im Vorspann die dissonanten Frühelektroklänge Phillan Bishops, die in ihrer schrägen Leblosigkeit gut zur Entfaltung der düsteren Atmosphäre des Films beitragen. Und um eben diese geht es im walzend langsam erzählten „Messias des Bösen“ vornehmlich. So gerät Arletty prompt in eine bedrohliche Szenerie an einer Tankstelle, wo sie auf das Paradoxon eines schwarzen Albinos trifft. Dieser nimmt sie freundlicherweise mit und verspeist dabei eine Ratte, als wäre es ganz selbstverständlich. Andere Menschen scheinen paralysiert und ausdruckslos. Das Haus ihres Vaters ist an Bizarrerie schwer zu überbieten, die Ausleuchtungen orientieren sich an der Farbästhetik eines Mario Bavas und beständig hört man das Meer rauschen und die Wellen schlagen.
Ihre Eindrücke, Erfahrungen und Gefühlswelt schildert Arletty immer wieder aus dem
Off; liest sie die Briefe morbiden Inhalts ihres Vaters, rezitiert wiederum dessen Stimme die schwermütigen Zeilen. Im Laufe der Zeit ihres Aufenthalts werden ihre Begegnungen mit den Einheimischen immer bedrohlichen, beispielsweise als sie die Untoten bei der Speisung an der Fleischtheke des Supermarkts überrascht (ein paar Jahre bevor Romero seinen Zombies ein ganzes Einkaufszentrum spendierte). Wunderbar alptraumhaft gerät auch der Kinobesuch einer der Freundinnen Thoms, die sich zunächst allein den Western „Gone with the West“ anschaut, sich im Laufe des Films jedoch immer mehr Untote hinter sie setzen und die Situation schließlich eskaliert. Gegen Ende bekommt der Zuschauer noch eine Rückblende zu Ereignissen von vor 100 Jahren geboten, doch da der eigentliche Schluss nicht wie geplant umgesetzt werden konnte, bleibt alles höchst rätselhaft, wird kein Geheimnis in Gänze gelüftet. Das wiederum steht „Messias des Bösen“ auch gar nicht schlecht, der zwar ab und zu auf die Kunstbluttube drückt, jedoch anstelle von
Splatter und
Gore unwohlige Atmosphäre satt, Surrealismus und, wie sich im Verlaufe der Handlung herausstellt, keine Post-, sondern eine Prä-Apokalypse zu bieten hat, die sich ein bisschen nach Lovecraft anfühlt. Hier verstand man es, aus einem minimalen Budget das Bestmögliche herauszuholen, konnte man auf professionelle Schauspieler zurückgreifen und lieferte man einen alptraumhaften, mystischen Film, so schroff und ungeschliffen wie ein Felsen an der kalifornischen Küste. Ich verneige mich vor diesem Geheimtipp und gewähre ihm 7,5 von 10 Nächten am Strand, wartend auf den „Blutmond“...